OGH 3Ob190/04v

OGH3Ob190/04v22.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertraud ***** F*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger und Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Gerhard W*****, wegen 115.000 EUR sA, infolge Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 19. April 2004, GZ 3 R 209/03g-104, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 20. August 2003, GZ 8 C 78/93y-96, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 12. Jänner 2004, GZ 8 C 78/93y-97, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 814,52 EUR (darin 137,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2.) Der Revision der klagenden Partei wird dagegen dahin Folge gegeben, dass das Berufungsurteil, soweit es den klagsabweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils bestätigte, aufgehoben wird.

Insoweit wird die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Revisionskosten der klagenden Partei sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Klägerin ist seit 1982 Hauptmieterin je einer Wohnung im Parterre und im ersten Stockwerk eines Hauses. Nachdem sie die Bestandobjekte in den Jahren 1983 bis 1985 umgebaut hatte, wodurch sechs selbständig vermietbare Garconnieren und zwei selbständig vermietbare Geschäftsräume entstanden waren, schloss sie darüber in der Zeit von Mai 1985 bis Oktober 1987 Untermietverträge ab.

Der Beklagte erwarb die Liegenschaft mit dem Haus durch Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren. Seither untersagt er der Klägerin das Betreten des Hauses und verweigert ihr die "Herausgabe bzw Übergabe" der Bestandobjekte, obwohl im Liegenschaftsbewertungsgutachten auf die Mietverträge der Klägerin hingewiesen worden war, anlässlich des Versteigerungstermins die Mietverträge zur Einsicht vorgelegen waren und die Klägerin den Beklagten mehrmals schriftlich auf die "widerrechtliche Nutzung der Mietobjekte" hingewiesen hatte.

Für die Zeit von November 1987 bis Februar 2001 hätte die Klägerin (unter Berücksichtigung eines die Wertsicherung der Mietzinse ab 1987 veranschlagenden Kapitalisierungszinssatzes von 5 %) bei Untervermietung der Bestandobjekte um einen den zulässigen Hauptmietzins um 100 % überschreitenden Gesamtuntermietzins einen Mietzinsertrag von insgesamt 21.075,12 EUR, bei Untervermietung um einen den zulässigen Hauptmietzins um 60 % übersteigenden Gesamtuntermietzins einen Mietzinsertrag von 13.807,84 EUR erwirtschaftet.

"Mangels Aufkündigung ist die Klägerin nach wie vor Hauptmieterin der beiden Wohnungen." Die Umbauarbeiten wurden überwiegend von ihr und ihrem geschiedenen Gatten, zum Teil auch von "Firmen" ausgeführt. Teilweise gingen sie über eine notdürftige Einrichtung der Garconnieren nicht hinaus, weshalb der Magistrat weitere Erhaltungsarbeiten für notwendig erachtete, die die Klägerin aber nicht mehr durchführte.

Der Beklagte nutzte die Mietobjekte der Klägerin nach Erteilung des Zuschlags selbst, indem er sie beginnend mit November 1987 vermietete, die Mietzinse vereinnahmte und, nach Begründung von Wohnungseigentum, an Dritte veräußerte.

Nach Klagseinschränkung begehrte die Klägerin noch die Zahlung von 115.000 EUR sA. Obwohl der Oberste Gerichtshof mit Urteil zu 7 Ob 611/90 das Bestehen ihrer Mietrechte rechtskräftig festgestellt habe, habe der Beklagte die Herausgabe verweigert und die Bestandobjekte nach Begründung von Wohnungseigentum verkauft. Es seien ihr dadurch Untermietzinseinnahmen von monatlich 26.006,35 S entgangen. Die Hauptmietrechte seien ihr von ihrem früheren Ehegatten im Scheidungsfolgenvergleich anstelle von Unterhaltszahlungen eingeräumt worden. Der Beklagte habe nicht bloß den vom Sachverständigen errechneten gemeinen Wert, sondern die tatsächlich vereinnahmten Mietzinse in Höhe des eingeschränkten Klagsbetrags zu ersetzen.

Der Beklagte wendete ein, die Wohnungen seien nicht mit jenen identisch, die dem Feststellungsbegehren über das Bestehen der Hauptmietrechte der Klägerin zugrundegelegen wären. Überdies sei die Klagsforderung verjährt.

Nach Aufhebung der klagsabweisenden Entscheidungen erster und zweiter Instanz im ersten Rechtsgang durch den Obersten Gerichtshof mit der Entscheidung 3 Ob 323/98s = MietSlg 52.117 sprach das Erstgericht der Klägerin 14.000 EUR sA zu und wies das Mehrbegehren von 101.000 EUR sA ab.

Ausgehend von den eingangs im Wesentlichen wiedergegebenen Feststellungen bejahte das Erstgericht einen Verwendungsanspruch der Klägerin nach § 1041 ABGB.

Aus den nunmehr getroffenen Feststellungen ergebe sich, dass der Beklagte bereits vor Erteilung des Zuschlags aus dem Schätzungsgutachten vom möglichen Bestand von Mietverhältnissen der Klägerin Kenntnis erlangt habe. Es sei bereits ab Zuschlagserteilung am 20. November 1987 als unredlicher Besitzer zu qualifizieren. Er müsse der Klägerin aber nicht höhere als die am Markt aus rechtlichen Erwägungen zulässigerweise erzielbaren Untermietzinseinnahmen leisten. Höhere Vorschreibungen wären rechtswidrig und könnten von den jeweiligen Untermietern zurückgefordert werden. Der Oberste Gerichtshof gehe von der Zulässigkeit einer 50 bis 60-%igen Überschreitung des zulässigen Hauptmietzinses in den Untermietverträgen aus.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht den Berufungen beider Teile nicht Folge. Es legte seiner Entscheidung die erstgerichtlichen Feststellungen zugrunde. Zur Verfahrensrüge der Klägerin, das Erstgericht habe zu Unrecht die von ihr beantragten Beweise dazu nicht aufgenommen, der Beklagte habe tatsächlich höhere Mietzinseinnahmen lukriert, führte das Berufungsgericht aus, diese Rüge sei in Wahrheit die eines sekundären Feststellungsmangels. Auf Feststellungen über die tatsächlichen Mieteinnahmen komme es aber nicht an, weil nicht die tatsächlich lukrierten, sondern die zulässigerweise erzielbaren Benützungsentgelte zugrunde zu legen seien.

Es sei von der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs im Aufhebungsbeschluss auszugehen, weil sich der maßgebende Sachverhalt nicht relevant geändert habe. Auch der Oberste Gerichtshof sei schon von der Vermietereigenschaft des Beklagten und der Mietereigenschaft der Klägerin ausgegangen. Eine fehlende Bindung des Beklagten als Liegenschaftserwerber an den Mietvertrag mit der Klägerin komme nicht in Betracht. Schon aus den Feststellungen, wonach sie die Bestandobjekte jahrelang umgebaut und darüber Untermietverträge abgeschlossen habe, ergebe sich ihr nach außen erkennbarer Rechtsbesitz, der Voraussetzung für die Bindung des Erstehers an die Hauptmietverträge sei. Die Rechtsmittelausführungen seien nicht stichhältig, hingegen die Entscheidungsgründe des bekämpften Urteils zutreffend. Da die exakte Bestimmung des dem Beklagten durch faktische Entziehung der Mietobjekte entstandenen Nutzens - soweit überhaupt möglich - nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich gewesen wäre, habe das Erstgericht diesen Nutzen zu Recht gemäß § 273 ZPO auf Basis des ortsüblichen Unterbestandzinses bewertet. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht als entscheidendes Kriterium die Rsp zur unverhältnismäßig hohen Gegenleistung iSd § 26 Abs 1 iVm § 30 Abs 2 Z 4 MRG (idF vor dem 3. WÄG) herangezogen habe, wonach der Untermietzins den zulässigen Hauptmietzins um bis zu 60 % jedenfalls überschreiten dürfe. Im Hinblick darauf, dass sich die Umbauarbeiten der Klägerin als so notdürftig erwiesen hätten, dass der Magistrat weitere Erhaltungsarbeiten für notwendig erachtet habe, käme eine Abgeltung besonderer Investitionen und Nebenleistungen der Klägerin als Hauptmieterin nicht in Betracht.

Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil neben dem im vorliegenden Verfahren ergangenen Aufhebungsbeschluss keine höchstgerichtliche Rsp existiere, die dem Mieter gegen den Vermieter wegen faktischer Gebrauchsentziehung während des aufrechten Mietvertrags einen Verwendungsanspruch zubillige.

Die Revision des Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Revision der Klägerin ist dagegen iS ihres hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.) Zur Revision des Beklagten:

Die Erwägungen der zweiten Instanz vermögen die Zulässigkeit dieser Revision grundsätzlich nicht zu begründen, läuft sie doch darauf hinaus, es sei ungeachtet des bindenden Aufhebungsbeschlusses des erkennenden Senats im ersten Rechtsgang zumindest möglich, dass der Oberste Gerichtshof von der Rechtsauffassung wieder abgehen werde. Nun wurde diese Entscheidung in der MietSlg 52.117 veröffentlich und ist überdies über das RIS-Justiz für jedermann zugänglich. Dass im Schrifttum daran Kritik geäußert worden wäre, ist nicht ersichtlich und wird auch vom Berufungsgericht nicht angenommen. Nach stRsp reicht aber eine ausführlich begründete und grundlegende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs jedenfalls dann für das Vorliegen einer gesicherten Rsp aus, wenn daran vom Schrifttum keine beachtliche Kritik geäußert wurde (zuletzt 7 Ob 23/04i; RIS-Justiz RS0103384; E. Kodek in Rechberger2, § 502 ZPO Rz 3).

Auch der Beklagte kann das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen nicht aufzeigen. Die Behauptung, die zweite Instanz sei von der stRsp des Obersten Gerichtshofs, wonach das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs einen Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB jedenfalls ausschließe, abgewichen, ist als geradezu absurd anzusehen. Richtig ist, dass nach stRsp ein Anspruch nach § 1041 ABGB nur dann in Frage kommt, wenn weder ein Geschäftsführungsverhältnis noch ein die Vermögensverschiebung rechtfertigendes Vertragsverhältnis besteht, noch die Vermögensverschiebung durch ein vertragsähnliches Verhältnis oder das Gesetz gedeckt ist (SZ 47/130 u.v.a.; RIS-Justiz RS0028179; SZ 61/158 = JBl 1989, 102 = ÖBA 1989, 428 u.v.a., RIS-Justiz RS0020032). Der unstreitig aufrechte Mietvertrag zwischen den Parteien kann es jedenfalls nicht rechtfertigen, dass der Vermieter dem Mieter das Mietobjekt entzieht.

Somit ist die Revision des Beklagten als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen. Die Kosten stehen allerdings nur auf der Basis des wahren Revisionsstreitwerts, der infolge des Berichtigungsbeschlusses des Erstgerichts 14.000 EUR beträgt, zu.

2.) Zur Revision der Klägerin:

Sie zeigt darin zutreffend auf, dass das Berufungsgericht in Wahrheit von der im genannten Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs geäußerten Rechtsansicht abgewichen ist, indem es nur den gemeinen Wert des Mietrechts, im konkreten Fall den ortsüblichen Unterbestandzins als herauszugeben ansah, obwohl der Oberste Gerichtshof festgehalten hatte, dass der Beklagte als unredlicher Verwender zumindest den gemeinen Wert zu ersetzen habe. Dieser Rechtssatz findet sich nicht nur in der zitierten Entscheidung, sondern bereits etwa in der Entscheidung 1 Ob 511/92 = SZ 65/5 = EvBl 1992/99 = JBl 1992, 388, jedenfalls für den Fall eines wissentlichen Eingriffs (ebenso 2 Ob 218/97s = JBl 1998, 250). Entsprechend § 417 ABGB schuldet der Unredliche - und zwar ohne dass es auf die in § 417 ABGB nicht erwähnte Wissentlichkeit ankäme - das höchste erzielbare Benützungsentgelt (ÖBl 1984, 141; Apathy in Schwimann2 § 1041 ABGB Rz 29 mwN). Entsprechend § 335 ABGB hat der Unredliche alle Vorteile herauszugeben, auch etwa einen höheren Veräußerungserlös (Apathy, aaO mwN). Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den schon öfter entschiedenen der Weiterbenützung der Bestandsache durch den früheren Bestandnehmer dadurch, dass der Beklagte die Mietobjekte nicht selbst benützte, sondern - jedenfalls teilweise - durch Vermietung verwertete. Demgemäß hat er grundsätzlich auch einen erzielten höheren als den angemessenen Mietzins an die Verkürzte zurückzuerstatten (vgl. dazu auch 1 Ob 65/97h = SZ 70/48 = EvBl 1997/156 = ecolex 1997, 574 = RdW 1997, 526 mwN).

Wie der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 65/97h ausgeführt hat, besteht diese Rechtspflicht aber nicht unbegrenzt; vielmehr hat auch der unredliche Bereicherungsschuldner dann nicht alle Vorteile herauszugeben, wenn er einen gewichtigen eigenen Betrag für seine Vermögensvermehrung leistete. Dann ist der Gesamtvorteil auf die Beteiligten aufzuteilen.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass das Berufungsgericht die tatsächlich dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens zu unterstellende Rüge der Klägerin, das Erstgericht habe zu Unrecht Beweisanträge abgewiesen, auf Grund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht behandelte. Das Erstgericht traf nämlich in der Frage eines über den angemessenen Mietzins hinausgehenden Erlöses des Beklagten durch die Weitervermietung der von der Klägerin gemieteten Bestandobjekte eine negative Feststellung. Demgemäß liegt in diesem Punkt eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor (SZ 39/139 = EvBl 1967/63 uva; RIS-Justiz RS0043051). Wenn auch die Klägerin in ihrer Revision ausdrücklich nur unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machte, enthält diese doch eine schlüssige Rüge der Mangelhaftigkeit, wenn darin die dargestellte Vorgangsweise des Berufungsgerichts kritisiert und auch die unterlassene Beweisaufnahme des Erstgerichts zu diesem Punkt releviert. Auf die unrichtige Bereicherung kommt es nach § 85 Abs 2 zweiter Satz ZPO nicht an. Diese Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens muss zur Aufhebung der Entscheidung zweiter Instanz führen. Das Berufungsgericht wird sich demnach mit der behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz zu befassen haben. Falls es infolge dessen zu einer Fortsetzung des Verfahrens zu kommen hätte, könnte iSd oben angestellten rechtlichen Erwägungen das Vorbringen des Beklagten Bedeutung erlangen, er habe durch umfangreiche, im Einzelnen dargestellte Investitionen eine Änderung des Zinsniveaus im Haus bewirkt. Ob dieses Vorbringen, zu dem kein Beweisanbot erstattet wurde, zu berücksichtigen sein wird, wird demnach primär vom weiteren Verfahrensgang abhängig und je nach diesem vom Gericht erster oder zweiter Instanz zu beurteilen sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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