OGH 4Ob250/04z

OGH4Ob250/04z21.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Karl F. Engelhart, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der D***** AG (2 S 691/98z HG Wien), vertreten durch Proksch & Partner OEG, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. "Z*****" ***** OEG, *****, 2. Vedat T*****, 3. Alaadin Timar, *****, alle vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in Wien, wegen 92.774,37 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. September 2004, GZ 3 R 49/04d-67, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die nunmehrige Gemeinschuldnerin, eine Bank, schloss mit einer GmbH sowie deren Muttergesellschaft eine Vereinbarung über die Durchführung eines - von ihr in Zusammenarbeit mit einem Geschäftsführer der GmbH entwickelten - "Finanzierungsdienstes". Gegenstand war die Gewährung von Finanzierungskrediten durch die Gemeinschuldnerin an Lieferanten der - am 18. Oktober 1999 ebenfalls in Konkurs verfallenen - GmbH zur ausschließlichen Finanzierung von Warenlieferungen an die GmbH. Die GmbH tätigte Einkäufe mit einem Zahlungsziel von mindestens 90 Tagen, bot Lieferanten, die eine Überbrückung dieses Zahlungsziels benötigten, den "Finanzierungsdienst" an und besorgte die gesamte Geschäftsanbahnung zwischen der Gemeinschuldnerin und den jeweiligen Lieferanten. Nach den diesem Finanzierungsmodell zugrundeliegenden Geschäftsbedingungen, die jeweils im Verhältnis zwischen dem Lieferanten und der Gemeinschuldnerin sowie auch zwischen dem Lieferanten und der GmbH (sowie deren Muttergesellschaft) galten, beantragte der Lieferant mit der Ausstellung von "Finanzierungsbriefen" jeweils einen Lieferantenkredit zum Zweck der ausschließlichen Finanzierung von Warenlieferungen an die GmbH. Die Überweisung des Zahlungsbetrags durch die Gemeinschuldnerin erfolgte vor Fälligkeit der Rechnung, innerhalb von 14 Tagen ab dem Eingang einer ordnungsgemäßen Rechnung. Die GmbH übernahm im Sinne der Basisvereinbarung durch Mitunterfertigung des jeweiligen Finanzierungsbriefs gegenüber der Gemeinschuldnerin die - nur gegenüber dem am Finanzierungsbrief angeführten Kreditinstitut Wirkung entfaltende - Garantie, dass der Zahlungsbetrag innerhalb von 120 Tagen an das Kreditinstitut geleistet wird. Der Lieferant trat zugleich seine Kaufpreisforderungen gegen die GmbH sicherungsweise an die Gemeinschuldnerin ab. Der Pauschalzinssatz für die Gültigkeitsdauer der Finanzierungsbriefe von 120 Tagen betrug 3 %, die sofort in Abzug gebracht wurden, während der Restbetrag dem Lieferanten überwiesen wurde.

Der Kläger begehrte als Masseverwalter von den Beklagten 92.774,37 EUR sA, weil sich die Erstbeklagte, deren persönlich haftende Gesellschafter der Zweit- und Drittbeklagte sind, am zuvor dargestellten Finanzierungsdienst durch Zeichnung von drei Finanzierungsbriefen beteiligt hat, die daraufhin der Erstbeklagten gewährten Kredite von der GmbH im Rahmen der übernommenen Garantieverpflichtung jedoch nicht mehr abgedeckt worden sind. Die Beklagten wendeten unter anderem ein, von einer Rückzahlungsverpflichtung der im Rahmen des Finanzierungsdienstes ausgezahlten Beträge durch die Erstbeklagten sei niemals die Rede gewesen, und erhoben die Einrede des Irrtums und der Nichtigkeit des Geschäfts.

Nach dem festgestellten Sachverhalt wurde das dem Klagebegehren zugrundeliegende Finanzierungsmodell einer Mitarbeiterin der GmbH, Frau B*****, vom damaligen Geschäftsführer der GmbH so erklärt, dass "der Lieferant nur formal als Kreditnehmer im Rahmen dieses Finanzierungsdienstes aufscheinen werde und die GmbH die Haftung für einen Ausfall komplett übernehme" (Ersturteil S 15). Der Erstbeklagten wurde dieses Zahlungsmodell in einem Gespräch zwischen dem Zweitbeklagten und Frau B***** vorgestellt. Dabei wurde der Zweitbeklagte nicht hinreichend darüber aufgeklärt, dass der Lieferant durch Empfang der Zahlung eigentlicher Kreditnehmer werde und zur Rückzahlung verpflichtet sei. Frau B***** stellte ihrem Gesprächspartner das Finanzierungsmodell vielmehr so vor, wie es ihr selbst erklärt worden war: Die Kreditaufnahme sei "reine Formalität", einziger Nachteil des Lieferanten sei ein Abschlag von 3 %. Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts. Die Erklärungen von Frau B***** seien der Bank zuzurechnen, für die sie als Verhandlungsgehilfin tätig geworden sei. Die durch Zeichnung von Finanzierungsbriefen nach den Geschäftsbedingungen abgeschlossenen Kreditverträge seien nichtige Scheingeschäfte, weil der wahre Parteiwille nicht auf Auslösung der aus der Sicht eines objektiven Dritten als gewollt erscheinenden Rechtsfolgen gerichtet gewesen sei.

Diese rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts durch das Berufungsgericht steht - entgegen der Auffassung des Revisionswerbers - im Einklang mit der Rechtsprechung zu § 916 ABGB:

Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn Willenserklärungen im Einverständnis mit dem Empfänger bloß zum Schein abgegeben werden. Für ein solches Geschäft ist somit der fehlende Rechtsfolgewille kennzeichnend; es setzt gemeinsamen Vorsatz voraus, der schon im Zeitpunkt des Zustandekommens des Scheinvertrags vorliegen muss. Das zum Schein geschlossene Geschäft ist nichtig; es wirkt zwischen den Parteien nicht, weil es nicht gewollt ist und keiner der Partner auf die Wirksamkeit der Erklärung vertraute. Wollten die Parteien überhaupt kein Rechtsgeschäft abschließen, dann hat es mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit sein Bewenden. Wer sich auf das Vorliegen eines Scheingeschäfts beruft, hat den Abschluss eines solchen zu beweisen (4 Ob 503/91 mwN; 1 Ob 58/02i = RdW 2003, 318; vgl RIS-Justiz RS0018103). Ob im Einzelfall ein Scheinvertrag vorliegt, die Willenserklärungen der Vertragspartner also im beiderseitigen Einverständnis nur zum Schein abgegeben worden sind, oder ob die Vereinbarung dem wahren Willen der Parteien entspricht, ist keine Rechtsfrage, sondern eine Feststellung tatsächlicher Art (RIS-Justiz RS0043610).

Die Gemeinschuldnerin hat sich zur Vermittlung der mit den Finanzierungsbriefen verbundenen Verträge an die Erstbeklagte ausschließlich einer von ihr mit den erforderlichen Formularen ausgestatteten Mitarbeiterin der GmbH bedient. Diese veranlasste ihren Gesprächspartner, die Unterlagen zu unterschreiben und leitete sie an die Bank weiter; zwischen der Erstbeklagten und der Bank bestand nach den Feststellungen kein direkter Kontakt. Bei dieser Sachlage hat die Gemeinschuldnerin den Vertrieb des Finanzierungsmodells zur Gänze in die Hände der GmbH gelegt und übernahm damit das Risiko mangelnder Kontrolle bei der Anbahnung des Kreditvertrages (vgl P. Bydlinski, ÖBA 1995, 23; 9 Ob 186/02x; RIS-Justiz RS0016200 [T6]). Damit ist die Mitarbeiterin der GmbH als Verhandlungsgehilfin der vertragsschließenden Bank anzusehen, für deren Erklärungen die Gemeinschuldnerin im Rahmen des § 1313a ABGB einzustehen hat (vgl ÖBA 1991, 917 [Apathy] mwH; SZ 67/54; 4 Ob 586/95 = ÖBA 1996, 379 [Apathy]; RIS-Justiz RS0016314 und RS0016311). Ausgehend von der Feststellung, wonach dem Zweitbeklagten das Finanzierungsmodell vor schriftlicher Inanspruchnahme der Kreditbriefe mündlich so erklärt worden ist, wie es zuvor der Geschäftsführer der GmbH seiner Mitarbeiterin erklärt hat, kann nicht zweifelhaft sein, dass beide Vertragsseiten davon ausgingen, die erstbeklagte Lieferantin nehme nur formal die Stellung einer Kreditnehmerin ein, während in Wahrheit die GmbH die Haftung für einen Zahlungsausfall komplett übernehme (und damit die in Wahrheit gewollte - einzige - Kreditnehmerin sei). Der nur zum Schein abgeschlossene Kreditvertrag bietet damit keine taugliche Anspruchsgrundlage für das verfolgte Begehren.

Ein Widerspruch zur Entscheidung 1 Ob 8/04i liegt deshalb nicht vor, weil nach den dort maßgeblichen Feststellungen die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem dortigen Beklagten und der Gemeinschuldnerin ausschließlich auf schriftlichem Wege zustande gekommen sind und - anders als im hier vorliegenden Fall - ein übereinstimmender und vom Vertragstext abweichender Vertragswille nicht ersichtlich war.

Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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