OGH 6Ob139/04s

OGH6Ob139/04s25.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Ernst Grubeck, Rechtsanwalt in Schärding, gegen die beklagte Partei Dr. Michael P*****, vertreten durch Dr. Paul Georg Appiano und Dr. Bernhard Kramer, Rechtsanwälte in Wien, wegen 11.547,49 EUR, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2004, GZ 36 R 473/03f-33, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 28. August 2003, GZ 11 C 51/02d-27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Hält der Oberste Gerichtshof entgegen dem nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig, kann sich die Zurückweisung der ordentlichen Revision auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Das Berufungsgericht begründete seinen Zulässigkeitsausspruch damit, dass der Oberste Gerichtshof zwar im Bereich des deliktischen Schadenersatzrechts den Ersatz fiktiver Reparaturkosten durch die objektive Wertminderung beschränke, aber keine gefestigte Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob dies auch für Ansprüche gelte, die aus dem Titel des Schadenersatzes anstatt aus jenem der Gewährleistung geltend gemacht werden.

Rechtliche Beurteilung

Diese Frage kann sich überhaupt nur hinsichtlich der mangelhaften Emailglasbahnen ("unhomogene Farbe") stellen, weil nur insoweit ein "Mangelschaden" vorliegt, bei dem Schadenersatz in voller Anspruchskonkurrenz (RIS-Justiz RS0021755) zu Gewährleistung zusteht. Auch insoweit kann aber die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage auf sich beruhen: Der Beklagte ließ keinen Verbesserungsversuch durch die Klägerin zu. Aus seinem Vorbringen geht unmissverständlich hervor, dass er auch keine Verbesserung vornehmen lassen will, weil er schon in der Klage und während des gesamten Verfahrens und auch noch in der Revision den Standpunkt vertritt, dass bei einem Austausch der Emailgläser der Türstock zerstört werde, der Austausch der beiden betroffenen Glasbahnen zu Farbunterschieden führen würde und eine für den Gesamteindruck der Bäder wesentliche farbgleiche Herstellung der Gläser überhaupt nicht mehr erfolgen könne. Diese Befürchtungen erwiesen sich nach den Feststellungen der Vorinstanzen als berechtigt. Beim Austausch würde tatsächlich der Türstock beschädigt. Optisch störende Farbunterschiede wären nicht zu vermeiden, sodass ein farblich homogener Gesamteindruck nicht zu erreichen wäre. Eine Verbesserung oder Neuherstellung im Sinn der Schaffung einer gleichwertigen Ersatzlage ist daher selbst mit hohem Reparaturaufwand nicht nur wirtschaftlich untunlich, sondern überhaupt nicht möglich. Die Möglichkeit einer Verbesserung - zumindest durch Schaffung einer vertretbaren Ersatzlage - liegt aber jenen in der Revision zitierten Entscheidungen zugrunde, nach denen im Bereich vertraglicher Schlechterfüllung der Ersatz fiktiver Verbesserungskosten nicht mit der objektiven Wertminderung zu begrenzen sei (SZ 66/17; 1 Ob 573/95; 5 Ob 512/95). Ist die Verbesserung im aufgezeigten Sinn unmöglich, können Mängelbehebungskosten auch nicht "abstrakt" zugesprochen werden (Jud, Schadenersatz bei mangelhafter Leistung [2003] 258 mwN). Schon deshalb erweist sich das Begehren des Klägers auf den Ersatz der Reparaturkosten insoweit als verfehlt.

Der Beklagte wendete gegen die Klageforderung weiters einen - reinen - Schadenersatzanspruch wegen eines Mangelfolgeschadens (Beschädigung des Marmorfußbodens anlässlich der Verglasungsarbeiten) ein. Er behauptete, dass weder der Austausch der teilweise im unmittelbar an die Wandverkleidung anschließenden Bereich stumpf gewordenen Marmorplatten noch des gesamten Marmorfußbodens zumutbar und wirtschaftlich möglich sei, weil bei Entfernung und Neuherstellung die Beschädigung der Fußbodenheizung, des aus tropischen Hölzern gefertigten angrenzenden Parkettbodens und der Wandverglasung drohe und niemand bereit sei, für die Durchführung der notwendigen Arbeiten die Haftung für diese zu gewärtigenden weiteren Beschädigungen zu übernehmen. Bei einem teilweisen Austausch seien Farbunterschiede zu befürchten. Auch insoweit erwiesen sich die Bedenken des Beklagten als zutreffend. Zudem sind allein für diese Arbeiten Austauschkosten von 16.272 EUR zu veranschlagen.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt der - allein auf Schadenersatz zu gründende - Ersatz von Verbesserungskosten gemäß § 1323 ABGB voraus, dass die Verbesserung überhaupt möglich oder zumindest im wirtschaftlichen Sinn möglich ("tunlich") ist (RIS-Justiz RS0030285). Die "Tunlichkeit" bildet somit jedenfalls die Grenze der Ersatzpflicht. Schon nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten, aber auch nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist beim Marmorboden zumindest von einer "Untunlichkeit" der Reparatur auszugehen. Diese liegt nach der Rechtsprechung etwa vor, wenn bei einem Kraftfahrzeug die Reparaturkosten den Schätzwert vor der Schädigung erheblich übersteigen (ZVR 1987/94; 2 Ob 285/01b ua). Dieser Grundsatz ist aber bei beschädigten Liegenschaften und bei Sachen ohne Verkehrswert nicht uneingeschränkt anwendbar. Bei solchen Sachen ist zu fragen, ob ein verständiger Eigentümer in der Lage des Geschädigten, ob also ein wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch, der den Schaden selbst zu tragen hätte, ebenfalls die Aufwendungen machen würde (SZ 68/101; 9 Ob 303/99w; 1 Ob 321/99h). Dass ein "verständiger Eigentümer" die Mängelbehebungsarbeiten hier nicht auf eigene Kosten durchführen lassen würde, liegt auf der Hand. Tatsächlich ist der Beklagte nach seinem eigenen Vorbringen nicht bereit, die von ihm aufrechnungsweise in Rechnung gestellten Arbeiten, deren Kosten er ersetzt haben will, durchführen zu lassen. Soweit er in der Revision Belegstellen dafür anführt, dass sich bei Sachen, die keinen eigenständigen Handels- bzw Verkehrswert haben, die durch den Schaden eingetretene Wertminderung regelmäßig nach dem Herstellungswert des mängelfreien Werks abzüglich Verbesserungskosten errechne (Rebhahn in Schwimann ABGB² VI § 1167 Rz 65; Koziol, Haftpflichtrecht I³ Rz 10/18; Jud, Schadenersatz bei mangelhafter Leistung, 289 f), ist ihm entgegenzuhalten, dass sich diese Berechnungsmethode bei Koziol auf eine gänzliche Zerstörung der Sache bezieht, Jud eine solche Wertminderungsberechnung überhaupt ablehnt und auch Rebhahn in der zitierten Belegstelle von der relativen Berechnungsmethode ausgeht.

Der Vorwurf, das Berufungsgericht habe den Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt, weil es entgegen den Feststellungen des Erstgerichts davon ausgegangen sei, der Beklagte habe auf die Reparatur verzichtet, ist nicht berechtigt. Das Berufungsgericht hat lediglich in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass die Frage, ob der Beklagte in einem Schreiben an die Versicherung der Klägerin auf eine Schadensbehebung verzichtet habe, auf sich beruhen könne und die diesbezügliche Negativfeststellung des Erstgerichts nicht übernommen werde, weil der Beklagte die Verbesserung gar nicht anstrebe, sondern im Gegenteil von einer zumindest wirtschaftlichen Unmöglichkeit der Reparatur ausgehe.

Die aufgrund der besonderen Umstände dieses Einzelfalls zu bestimmende Höhe der Wertminderung durch die geringfügigen Beschädigungen am Marmorfußboden und Farbabweichungen an zwei Glasplatten berührt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung. Infolge ihrer Einzelfallbezogenheit können richtungsweisende Grundsätze der Schadensberechnung hier nicht aufgestellt werden. Dass hier die Mängelbehebungskosten selbst bei Berücksichtigung, dass es sich bei der betreffenden Ausstattung der Sanitärbereiche um Einzelanfertigungen handelt, kein Berechnungsmaßstab sein können, wurde bereits dargelegt. Die Funktionstüchtigkeit des Bodenbelags, der Wandverkleidung und überhaupt der beiden Bäder wurde durch die festgestellten Mängel nicht beeinträchtigt. Die Wertverminderung ergibt sich daher zwangsläufig nur aus der optischen Beeinträchtigung, der das Berufungsgericht ohnehin Rechnung getragen hat. Soweit der Revisionswerber darüber hinaus meint, dass die Mängel sogar den Verkehrswert des Hauses überhaupt minderten und infolge des herrschenden Misstrauens bei instandsetzungsbedürftigen Gebäuden nicht nur die Reparaturkosten, sondern sogar eine zusätzliche ("merkantile") Wertminderung veranschlagt werden könne, verkennt er, dass von einer Instandsetzungsbedürftigkeit des Hauses keine Rede sein kann. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum sich derart geringfügige "Schönheitsfehler" der Innenausstattung von Sanitärräumen auf den Verkehrswert eines Hauses auswirken sollten. Dem Revisionsvorbringen, der Beklagte habe schon im erstinstanzlichen Verfahren eine Teilsanierung akzeptiert, geht aus dem Schriftsatz, auf den er Bezug nimmt, nicht mit dieser Deutlichkeit hervor. Zudem steht in Widerspruch dazu der noch in der Revision aufrechterhaltene Standpunkt, dass eine Reparatur extrem aufwändig und in Bezug auf das zu erzielende Ergebnis fraglich sei und zudem neue Schäden nach sich ziehen würde.

Mängel des Verfahrens erster Instanz, die bereits vom Berufungsgericht verneint wurden, können im Revisionsverfahren nicht neuerlich mit Erfolg geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963). Die Beweiswürdigung der Vorinstanzen ist ebenfalls im Revisionsverfahren unanfechtbar. Die in der Berufungsbeantwortung des Beklagten enthaltene Beweisrüge hinsichtlich der vom Erstgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen über die Wertminderung wurde vom Berufungsgericht behandelt und als unberechtigt erachtet, wobei das Gutachten des Sachverständigen als schlüssig und nachvollziehbar qualifiziert wurde. Es ist daher nicht zulässig, diese Feststellungen und das ihnen zugrunde liegende Sachverständigengutachten im Revisionsverfahren neuerlich zu bekämpfen. Eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht ist auch insoweit nicht zu erkennen. Da die Revision somit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, ist sie zurückzuweisen. Die Revisionsbeantwortung enthält keine Ausführungen zur Unzulässigkeit der Revision und war daher zur Rechtsverfolgung nicht notwendig. Die Klägerin hat somit die Kosten dieses Schriftsatzes gemäß den §§ 40 und 50 Abs 1 ZPO selbst zu tragen.

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