OGH 8ObA107/04z

OGH8ObA107/04z11.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Komm. Rat. Mag. Paul Kunsky und Mag. Johannes Denk als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Yusuf E*****, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler, Mag. Harald Mühlleitner, Rechtsanwälte in St. Florian, wider die beklagte Partei Anton E***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Univ. Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen EUR 11.689,73 sA (Revisionsinteresse EUR 11.259,73 sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. August 2004, GZ 12 Ra 78/04h-11, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Mai 2004, GZ 18 Cga 42/04y-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 686,88 (darin enthalten EUR 114,48 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der als Schweißer im Betrieb der Beklagten im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung beschäftigte Kläger erlitt am 11. 4. 2001 einen Arbeitsunfall. Dabei fiel ein "Rohkessel" mit einem Gewicht von rund 500 kg auf die Hand des Klägers, wodurch dieser schwer verletzt wurde.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage nunmehr vor allem die Besuchskosten seiner Ehegattin und seiner Kinder im Ausmaß von insgesamt EUR 7.629,88, die Fahrtkosten des Klägers selbst zu verschiedenen Rehabilitationszentren und Krankenhäusern in Höhe von EUR 2.938,59 und die Selbstbehalte sowie Krankenhausgebühren im Ausmaß von EUR 111,26. Ferner macht er noch Telefonpauschalen und Spesen sowie Kleiderschaden geltend. Er stützt sich im Wesentlichen darauf, dass der Arbeitsunfall von der beklagten Partei grob fahrlässig verursacht worden sei, weil sie einen ihr seit längerer Zeit bekannten Defekt an der Laufschiene des Krans nicht behoben habe. Die Beklagte habe damit gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete vor allem ein, dass ihr das Dienstgeberprivileg des § 333 Abs 1 ASVG zugute komme. Danach seien sämtliche Ansprüche des Dienstnehmers aus Körperschäden gegen den Dienstgeber bzw bei einer entsprechenden Beschäftigung im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung, den Beschäftiger ausgeschlossen, soweit der Arbeitsunfall nicht vorsätzlich herbeigeführt worden sei. Im Übrigen sei der Unfall auch auf das unsachgemäße und weisungswidrige Verhalten des Klägers zurückzuführen.

Das Erstgericht wies das hier maßgebliche Klagebegehren hinsichtlich des Ersatzes der Besuchskosten, der Fahrtkosten und der Selbstbehalte bzw Krankenhausgebühren ab. Es folgerte dabei rechtlich, dass nach § 333 Abs 1 ASVG die Schadenersatzpflicht des sozialversicherungsrechtlichen Dienstgebers gegenüber seinem Arbeitnehmer auf vorsätzlich herbeigeführte Arbeitsunfälle eingeschränkt sei. Erfasst seien alle durch eine Verletzung am Körper entstandenen Schäden. Dies erstrecke sich auch auf die Besuchskosten der nahen Angehörigen die zu den "Heilungskosten" gezählt würden. Dass der Oberste Gerichtshof in der vereinzelt gebliebenen Entscheidung zu 2 Ob 15, 16/94 davon abgewichen sei, könne an diesen allgemeinen in der Judikatur ständig festgehaltenen Grundsätzen nichts ändern. Gleiches gelte hinsichtlich der Fahrtkosten zu den Krankenhäusern und Rehabilitationszentren und der Krankenhausgebühren.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Teilurteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es schloss sich im Wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an. Es entspreche der herrschenden Rechtsprechung und Lehre, dass ausnahmslos alle Schäden, die aus einer Körperverletzung resultierten, vom Haftungsprivileg des § 333 ASVG erfasst seien. Dabei sei - wie sich aus der Judikatur zum Schmerzengeld oder aus den Todfallskosten ergebe - nicht entscheidend, ob die Schäden auch tatsächlich durch eine Versicherungsleistung ausgeglichen würden. Auch die Kosten für die Fahrt zur Behandlung bzw die Besuche Verwandter seien als Heilbehandlungskosten im Sinne des § 1325 ABGB und damit "Körperschäden" zu qualifizieren. Dass der Oberste Gerichtshof in zwei vereinzelten Entscheidungen zu 2 Ob 15, 16/94 und 9 ObA 298/01s davon abgewichen sei, könne daran nichts ändern.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht jedoch aus diesem Grund als zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Im Wesentlichen kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden (vgl § 510 Abs 3 ZPO).

§ 333 Abs 1 ASVG bestimmt allgemein, dass der Dienstgeber dem Versicherten zum Ersatz des Schadens der diesem "durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalles oder durch eine Berufskrankheit entstanden ist", nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich verursachte. Diese Einschränkung wird vom Gesetz ausdrücklich auch auf die Hinterbliebenen des Versicherten, wenn dessen Tod auf die körperliche Verletzung infolge des Arbeitsunfalles oder auf die Berufskrankheit zurückzuführen ist, ausgedehnt.

Nach ständiger Judikatur umfasst dieser Haftungsausschluss Schäden aus einer Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalles unabhängig davon, ob und in welcher Form das ASVG Leistungen zur Abgeltung der Beeinträchtigungen vorsieht (vgl teilweise kritisch Neumayr in Schwimann ABGB2 § 333 ASVG Rz 14 mwN; ebenso Krejci in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts 3.3.3.).

Die eigentlich strittige Frage liegt hier nun darin, ob es sich bei den geltend gemachten Fahrtkosten der Angehörigen bzw den eigenen Fahrtkosten des Klägers und den von ihm zu tragenden Rezeptgebühren um solche vom Haftungsausschluss erfassten "Personenschäden" oder um Sachschäden, auf die der Haftungsausschluss nicht zur Anwendung gelangt, handelt.

Die Revision stützt sich dabei auf die vom Berufungsgericht bereits berücksichtigten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 24. 3. 1994 zu 2 Ob 15/94 (2 Ob 16/94) und vom 13. 3. 2002 zu 9 ObA 298/01s, in denen jeweils die "Besucherkosten" zugesprochen wurden. In der erstgenannten Entscheidung finden sich dazu keine weiteren Ausführungen. Auch in der Entscheidung zu 9 ObA 198/01s wird im Wesentlichen nur auf die Vorentscheidung sowie auf Neumayr in Schwimann ABGB2 Rz 17 zu § 333 verwiesen, der diese Entscheidung nur referiert, aber nicht näher dazu Stellung nimmt.

Bereits in seiner Entscheidung vom 23. 11. 1971 zu 4 Ob 92/71 (= RIS-Justiz RS0085330 = Arb 8965) hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass der Haftungsausschluss des § 333 ASVG alle Schäden betrifft, die durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalles oder durch eine Berufskrankheit entstanden sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, in welcher Form sie sich auswirken, und wodurch sie ausgeglichen oder behoben werden. Dem entspricht, dass der Oberste Gerichtshof in ständiger Judikatur davon ausgeht, dass der Haftungsausschluss auch nicht durch allfällige andere Haftungsgründe verdrängt (vgl RIS-Justiz RS0028584 mwN; zuletzt insbesondere 8 ObA 117/02t) und etwa Schmerzengeldansprüche auch dann ausschließt, wenn keine kongruente Leistung nach dem ASVG zusteht (vgl RIS-Justiz RS0031306 mzwN; zuletzt etwa 1 Ob 251/03y; vgl zu den spezifischen Voraussetzungen der Integritätsabgeltung § 213a ASVG).

Es kann also festgehalten werden, dass dann, wenn durch einen Arbeitsunfall (Berufskrankheit) ein Körperschaden verursacht wurde, sämtliche daraus resultierenden Schadenersatzansprüche ausgeschlossen sind.

Damit stellt sich die Frage, ob die hier geltend gemachten Schadenersatzansprüche durch die Verletzung am Körper verursacht wurden. Zufolge § 1325 ABGB hat der, der jemanden anderen schuldhaft und rechtswidrig am Körper verletzt, unter anderem die Heilungskosten (daneben auch Verdienstentgang und Schmerzengeld) zu ersetzen. Zu den Heilungskosten und damit aber auch zu den Schäden, die einer Verletzung am Körper zuzurechnen sind, werden auch Ersatzansprüche hinsichtlich der Besuche durch die Verwandten ebenso wie die eigenen Reisekosten des Verletzten gerechnet (vgl Reischauer in Rummel ABGB3 § 1325 Rz 16 mwN ebenso Harrer in Schwimann ABGB2 § 1325 Rz 10). Liegt doch die wesentliche Grundlage dafür, dass solche Kosten überhaupt ersetzt werden können, darin, dass der fehlende Beistand durch die nahen Angehörigen eine psychische Belastung darstellen würde und die Besuche auch für die Heilung und Linderung der Beeinträchtigung aus der Körperverletzung zweckmäßig sind (vgl Reischauer aaO Rz 16 mwN). Es ist also davon auszugehen, dass auch dieser Schadenersatzanspruch seine Ursache in der Körperverletzung hat und aus dieser gerechtfertigt wird. Damit ist er aber auch vom Ausschlusstatbestand des § 333 Abs 1 ASVG erfasst.

Insgesamt war daher der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

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