OGH 5Ob191/04f

OGH5Ob191/04f28.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Tittel, Dr. Baumann und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers Verkehrsverein W*****, vertreten durch Dr. Christoph Klimscha, öffentlicher Notar in Scheibbs, gegen die Antragsgegner 1.) Lemp Katri A*****, 2.) Josefa K*****, 3.) Fapyola N*****, 4.) Elisabeth K*****, 5.) Ute F*****, 6.) Barbara B***** und 7.) Herbert Z*****, 8.) Philipp F***** 9.) Anton H*****, alle ***** die zu OZl 6 angeführte Antragsgegnerin vertreten durch Dr. Franz Hofbauer, Rechtsanwalt in Ybbs, wegen Duldung von Änderungen gemäß § 16 Abs 2 WEG 2002, über den Revisionsrekurs der Sechstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 29. März 2004, GZ 7 R 14/04w-14, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Scheibbs vom 31. Oktober 2003, GZ 10 Msch 3/03v-11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Sachbeschluss vom 31. 10. 2003 hat das Erstgericht festgestellt, dass die Sechstantragsgegnerin (und andere Antragsgegner, die sich mit dieser Entscheidung abgefunden haben) die vom Antragsteller nach Maßgabe der Einreichpläne der D***** GmbH vom 13. 11. 2000 durchgeführten Zu- und Umbauten im Erdgeschoss des Hauses , zu dulden hat, und deren fehlende Zustimmung zu den Baumaßnahmen ersetzt. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, dass die Anrufung des Obersten Gerichtshofes (bei einem EUR 10.000,-- übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstandes) mangels klärungsbedürftiger erheblicher Rechtsfrage unzulässig sei; auf Grund eines im vorliegenden Revisionsrekurs der Sechstantragsgegnerin enthaltenen Abänderungsantrages entschied es jedoch nachträglich anders und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig (Beschluss vom 3. 6. 2004, ON 16).

Als Grund für die Änderung seines Zulassungsausspruches führte das Rekursgericht sinngemäß an, dass das Argument der Rechtsmittelwerberin, ein Wohnungseigentümer könnte in Fragen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen durch Eingriffe in die Fassadengestaltung nie den Obersten Gerichtshof anrufen, wenn Wertungen wie "modern" und "zeitgemäß" dem irrevisiblen Tatsachenbereich zugeordnet werden, nicht von der Hand zu weisen sei. Dazu fehle einschlägige Judikatur.

Rechtliche Beurteilung

An diesen Zulassungsausspruch ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (RIS-Justiz RS0007507, RS0042392, RS0114163). Tatsächlich erweist sich der Revisionsrekurs der Sechstantragsgegnerin (zu dem sich der Antragsteller nicht geäußert hat) als unzulässig, weil sich weder im Hinblick auf die Rechtsfortbildung noch aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit eine erhebliche Rechtsfrage stellt.

Unter verschiedenen Gesichtspunkten rügt die Rechtsmittelwerberin die Übernahme der Feststellung des Erstgerichtes, die verfahrensgegenständlichen Umbauten hätten zu einer modernen, zeitgemäßen und stilentsprechenden äußeren Erscheinung des Hauses geführt, was letztlich - ohne eine Beurteilung ins Negative oder Positive vorzunehmen - in die Annahme mündete, es lägen keine Anhaltspunkte für eine objektiv negative Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Wohnhausanlage vor. Die Sache hätte einer sachverständigen Begutachtung und der Anlegung objektiver Maßstäbe bedurft.

Eine iSd § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht aufgezeigt. Auszugehen ist nämlich davon, dass beide Vorinstanzen nach der Sach- und Rechtslage eine wesentliche Beeinträchtigung (Verschlechterung) der äußeren Erscheinung des Hauses durch die Baumaßnahmen des antragstellenden Vereins verneint haben. Dass dies auf Basis eines unzulänglich erhobenen und festgestellten Sachverhalts erfolgt wäre, kann im Hinblick auf die Durchführung eines Lokalaugenscheins und die Dokumentation des Zustands durch das von der Antragsgegnerin selbst vorgelegte Lichtbild (Beilage 1) nicht ernsthaft vertreten werden. Wenn die Vorinstanzen keinen Anlass sahen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, um die Entscheidungsgrundlagen zu verbreitern, so ist dies dem irrevisiblen Tatsachenbereich zuzuordnen, weil die Lösung von Rechtsfragen ohnehin dem Gericht vorbehalten ist. Die Beurteilung, ob durch die von einem Wohnungseigentümer beabsichtigten oder bereits vorgenommenen Änderungen die äußere Erscheinung des Hauses wesentlich beeinträchtigt wird, ist aber so sehr von den Umständen des Einzelfalls und der einen Ermessensspielraum offen lassenden Wertung des Rechtsanwenders abhängig, dass der Oberste Gerichtshof nach § 528 Abs 1 ZPO nur zur Korrektur einer krassen Fehlbeurteilung angerufen werden kann (vgl RIS-Justiz RS0043718, insbesondere 5 Ob 35/90 = wobl 1991/78, 5 Ob 88/94 = wobl 1995/62, 5 Ob 241/97w = immolex 1998/109, 5 Ob 93/03T = wobl 2004/57). Eine solche Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen. Die von der Rechtsmittelwerberin in diesem Zusammenhang relevierte Pflege des Ortsbildes berührt Interessen, die nicht vom einzelnen Wohnungseigentümer wahrzunehmen sind; es bieten aber auch die Verfahrensergebnisse keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer diesbezüglichen Beeinträchtigung. Im Übrigen ist zu bemerken, dass sich der zur Neugestaltung des Eingangsbereichs zum Messegelände in W***** errichtete Glasvorbau und das zeltartige Dach auf Gemeindegrund errichtet wurden. Die insoweit relevanten Änderungen erschöpfen sich also im Wesentlichen in der technischen und optischen Verbindung von Bauelementen des Eingangs zum Messegelände mit dem Haus *****. Das Maß der Beeinträchtigung der Rechtsmittelwerberin ist daher auch daran zu messen, dass etwa die Sichtstörungen durch das zeltartige Dach bei einer völlig frei tragenden Konstruktion in gleicher Weise vorhanden wären.

Was die von der Rechtsmittelwerberin beanstandete Blendwirkung des Vordachs über dem erkerartigen Eingang betrifft (die nach den getroffenen Feststellungen "nicht auszuschließen ist"), haben die Vorinstanzen eine wesentliche Beeinträchtigung der Rechtsmittelwerberin mit dem Hinweis darauf verneint, dass sie - anhängig vom Einstrahlungswinkel der Sonne - zeitlich begrenzt wäre und durch ein teilweise oder vollständiges Schließen der Vorhänge leicht ("unschwierig") Abhilfe geschaffen werden kann. Diese Beurteilung ist vertretbar und entzieht sich daher ebenfalls einer Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof.

Letztlich meint die Rechtsmittelwerberin, die vom antragstellenden Verein durchgeführte Einbeziehung allgemeiner Teile des Hauses in sein Objekt, um es als Eingang zur W***** Messe zu nutzen, stelle eine unzulänglich festgestellte, jedenfalls aber nicht genehmigungsfähige Änderung iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 dar. Soweit sie dabei "zur Vermeidung von Wiederholungen auf den diesbezüglich völlig richtigen und unbedenklichen Rekurs (an die zweite Instanz)" verwiesen hat, sind ihre Ausführungen unbeachtlich (RIS-Justiz RS0043579, RS0043616). Im Übrigen ist ihren Argumenten entgegen zu halten, dass auch in diesem Punkt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes zumindest vertretbar ist.

Dass auch wirtschaftliche Interessen des änderungswilligen Wohnungseigentümers als wichtig iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 angesehen werden können, entspricht der Judikatur (5 Ob 29/89 = wobl 1990/28). Durch die Judikatur gedeckt ist auch, dass die Vergrößerung eines Wohnungseigentumsobjektes durch Einbeziehung allgemeiner Teile der Liegenschaft der genannten Gesetzesbestimmung unterstellt werden kann (5 Ob 48/89 = wobl 1991/52). Ein Genehmigungshindernis könnte daher nur darin bestehen, dass durch die hier in Rede stehende Änderung schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer (hier der Rechtsmittelwerberin) beeinträchtigt sind. Da die betreffenden Teile (Allgemeinflächen) der Liegenschaft schon bisher dem antragstellenden Verein vermietet waren und sich im Erdgeschoss des verfahrensgegenständlichen Hauses schon seit dessen Bestand der Eingangsbereich des Messegeländes W***** mit Kasse und Informationsstand befindet, liegt die Verneinung einer wesentlichen Beeinträchtigung der Sechstantragsgegnerin durch die Änderung jedenfalls im Beurteilungsspielraum.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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