European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00035.900.1127.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung
Die Streitteile sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 1071 KG *****. Mit ihren Miteigentumsanteilen ist jeweils Wohnungseigentum an bestimmten Objekten verbunden, mit dem Miteigentumsanteil des Antragstellers Wohnungseigentum an den top Nr. 6 und 7 im Dachgeschoß. Im Sommer 1988 errichtete der Antragsteller über zwei Dachflächenfenstern seiner Wohnungen ohne Zustimmung des Erstantragsgegners - aber mit nachträglicher Zustimmung der anderen Miteigentümer - zwei Dachgaupen. Die Baubehörde verweigerte die nachträgliche Baubewilligung mit der Begründung, es hätten nicht alle Miteigentümer zugestimmt. Der Antragsteller begehrt nunmehr unter Berufung auf § 13 Abs 2 Z 4 WEG einen Beschluss des Inhalts, die Antragsgegner hätten dem Antragsteller Zustimmung für diese baubewilligungspflichtigen Maßnahmen zu erteilen.
Der Erstantragsgegner beantragte die Abweisung dieses Antrags, weil die Voraussetzungen des § 13 Abs 2 Z 1 und 2 WEG nicht vorlägen. Durch die äußerst geschmacklose und unförmige Errichtung der Dachgaupen werde das äußere Erscheinungsbild des Hauses wesentlich beeinträchtigt.
Das Erstgericht wies den Antrag des Antragstellers ab. Es stellte folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Der Antragsteller selbst hatte seinerzeit dieses Haus geplant. Für die Belichtung der im Dachgeschoß gelegenen, von ihm selbst erworbenen Wohnungen sah er Dachflächenfenster vor. Im Zuge der Benützung stellte sich heraus, dass im Sommer Temperaturen von 36°-37° im Dachgeschoß herrschen, im Winter hingegen bei Schneefall die Fenster nicht geöffnet werden können bzw. schwer zu reinigen sind. Der Antragsteller ließ daher im Sommer 1988 an der Westseite zwei ungleich breite Dachgaupen in die bestehende Dachfläche einbauen (Höhe an der Seite 1,2 m, in der Mitte 1,8 m; Giebellänge 3,7 m). Beide Gaupen stellen eine starke Veränderung des bisherigen Bildes des Hauses dar, sind jedoch aufgrund des Vordaches der ursprünglichen westlichen Dachfläche nur dann ins Auge fallend, wenn man sich dem Objekt von weiter entfernt nähert oder sich in den oberen Geschoßen der Nachbarhäuser befindet. Die Dachflächenfenster haben sich harmonischer in das Gebäude eingefügt als die errichteten Dachgaupen. In unmittelbarer Nähe des Hauses befinden sich auch auf anderen Häusern Dachgaupen.
Durch die Gaupen wird die Dachaußenfläche vergrößert. Rechtlich führte das Erstgericht aus, durch die Ersetzung der fehlenden Zustimmung des Erstantragsgegners würden dessen schutzwürdige Interessen deswegen beeinträchtigt, weil aufgrund der Ausbildung von „Ichsen“ bei Errichtung der Gaupen mit erhöhten Reparaturkosten zu rechnen seien. Dies sei auch schon mit der bloßen Vergrößerung der Dachfläche an sich verbunden.
Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Sachbeschluss und sprach mit Zulässigkeit des Revisionsrekurses aus. Nehme der Wohnungseigentümer bei Änderungen seines Objektes gemeinsame Teile der Liegenschaft in Anspruch - wozu die Dachfläche zweifellos gehöre - so müssten sowohl die Voraussetzungen des § 13 Abs 2 Z 1 WEG (hier vor allem: keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses) als auch die des § 13 Abs 2 Z 2 WEG erfüllt seien. Die beiden bereits aufgesetzten Dachgaupen stellten im Vergleich zum früheren Zustand des durch eine geradlinige Führung mit Dachflächenfenstern geprägten Hauses eine einschneidende Änderung der architektonischen Gestaltung dar. Die vom Antragsteller gewählte Variante stelle eine architektonisch nicht geglückte Lösung dar, zumal es sich um eine „Maximalvariante“ handle, die offenbar kompromisslos lediglich nach den Interessen des Antragstellers erstellt wurde. Insbesondere die südwestlich gelegene Dachgaupe in ihrer wulstigen und überdimensionalen Ausführung beeinträchtige das Erscheinungsbild des Hauses und die Dachlandschaft so sehr, dass dem Erstantragsgegner die Zustimmung zu dieser Maßnahme nicht zugemutet und daher auch nicht durch Gerichtsbeschluss ersetzt werden könne. Dies führe zur Abweisung des Antrags, obgleich die bloß zu erwartenden erhöhten Erhaltungs- und Reparaturkosten keine über das vom Erstantragsgegner gegenüber seinen Vertragspartnern zu übende Maß an Toleranz hinausgehende Beeinträchtigung darstellten und auch an sich ein schutzwürdiges Interesse des Antragstellers an der Änderung der Dachflächenfenster wegen der Beeinträchtigung durch Sonneneinstrahlung bzw Schneefall gegeben sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist unzulässig. Bei Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist der Oberste Gerichtshof an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 26 Abs 2 WEG). Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO (anzuwenden gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG im Zusammenhang mit § 26 Abs 2 WEG) liegt entgegen der Ansicht des Rekursgerichts aus folgenden Gründen nicht vor:
Zutreffend führte das Rekursgericht aus, dass für die Zulässigkeit der hier zu beurteilenden Veränderung des Daches neben den (im konkreten Fall) eine Interessenabwägung erfordernden Voraussetzungen des § 13 Abs 2 Z 2 WEG auch die Bedingungen des § 13 Abs 2 Z 1 WEG erfüllt sein müssen, hier also im besonderen, dass keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses gegeben ist. Unter Beeinträchtigung ist dabei nicht jede (wertneutrale) Veränderung zu verstehen, sondern nur eine solche Veränderung, die eine Verschlechterung des Erscheinungsbildes bewirkt (so auch 5 Ob 36/90). Die Beurteilung, ob eine solche Verschlechterung durch die vorgenommene oder beabsichtigte Änderung eintritt, bietet wegen des dabei gebrauchten unbestimmten Gesetzesbegriffes dem Rechtsanwender einen gewissen Ermessensspielraum. Solange dieser bei der Beurteilung nicht verlassen wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO vor, weil einer solchen Entscheidung weder zur Wahrung der Rechtseinheit oder Rechtssicherheit noch zur Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommen kann. Dass das Rekursgericht diesen Ermessensspielraum nicht überschritt, ist aus den, dem Tatsachenbereich zuzuordnenden, die verbalen Feststellungen ergänzenden Lichtbildern leicht zu erkennen.
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