OGH 6Ob135/04b

OGH6Ob135/04b23.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gregor H*****, vertreten durch Dr. Andreas König und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dr. Wolfgang S*****, vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in Salzburg, wegen Aufkündigung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. März 2004, GZ 3 R 47/04i-19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 23. Dezember 2003, GZ 11 C 647/02t-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat den Kläger die mit 199,87 EUR (darin enthalten 33,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 27. 12. 2001 verstorbene Großmutter des Klägers war Eigentümerin einer Eigentumswohnung in Innsbruck, an der 1966 Wohnungseigentum begründet worden war. Der Beklagte ist seit 1969 Mieter dieser Wohnung. Im Verlassenschaftsverfahren entschlug sich der Vater des Klägers seines Erbrechts, sodass der Kläger und seine Schwester je zur Hälfte als gesetzliche Erben nach ihrer Großmutter berufen waren. Diese schlossen am 22. 3. 2002 ein Erbteilungsübereinkommen, wonach der Kläger die Eigentumswohnung und seine Schwester den restlichen Nachlass, insbesondere die 55/100 Miteigentumsanteile der Großmutter an einem anderen Haus in Innsbruck erhielten. Die restlichen Miteigentumsanteile an diesem Haus gehören dem Vater des Klägers. Mit Einantwortungsurkunde vom 24. 4. 2002 wurde der Nachlass dem Kläger und seiner Schwester eingeantwortet. Der Beklagte ist seit 1978 Eigentümer eines Einfamilienhauses in Tux, das er jeweils im Winter an ein Reisebüro vermietet hat. Er selbst nützt dieses Haus als Ferienwohnsitz und verbrachte dort hin und wieder Urlaube mit seiner Mutter. Der Beklagte ist seit fünf Jahren in Pension und hält sich zumindest seit dieser Zeit regelmäßig zum Wohnen in der Mietwohnung in Innsbruck auf. Der Kläger wohnt zusammen mit seiner Schwester in jenem Haus, an dem die Schwester infolge des Erbenübereinkommens Miteigentümerin wurde. Diese Wohnung ist 120 m2 groß und besteht aus drei Schlafzimmern, einem Wohnzimmer, einer Küche, einer Speis, einem Bad und einem WC. Der Kläger zahlt kein Benützungsentgelt. Er leistet lediglich einen Beitrag zu den Betriebskosten der Wohnung und zu Lebensmitteleinkäufen. Er und seine Schwester benützen jeweils ein Schlafzimmer allein. Das dritte Schlafzimmer benützt der Vater, wenn er sich in Innsbruck aufhält. Die Schwester plant derzeit nicht, mit einem Partner zusammenzuziehen. Der Kläger hat eine Freundin, die bei ihrer Großmutter in Hall wohnt. Eine Hochzeit ist nicht geplant. Überlegungen hinsichtlich eines gemeinsamen Wohnens des Klägers und seiner Freundin wurden erst im Zuge des Kündigungsstreits angestellt. Die Schwester des Klägers wäre nicht damit einverstanden, dass er gemeinsam mit seiner Freundin in ihrer Wohnung wohnt. Mit der am 23. 9. 2002 eingebrachten Aufkündigung kündigte der Kläger dem Beklagten die Wohnung zum 31. 12. 2002 aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 6 und 8 MRG gerichtlich auf. Der Beklagte halte sich seit mindestens drei Monaten nicht mehr in der Wohnung auf und habe kein dringendes Wohnbedürfnis. Der Kläger wohne noch in der Wohnung seiner Großmutter, in der er diese gemeinsam mit seiner Schwester bis zum Tod gepflegt habe. Die Wohnung gehöre nun auf Grund des dem Wunsch der Großmutter entsprechenden Erbteilungsübereinkommens der Schwester. Beide Geschwister beabsichtigten, jeweils eine eigene Familie zu gründen. Ein weiteres gemeinsames Wohnen mit der Schwester sei dem Kläger daher nicht zumutbar.

Der Beklagte bestritt das Vorliegen der geltend gemachten Kündigungsgründe. Das Haus in Tux diene ihm lediglich als Urlaubswohnsitz. Der Kläger behaupte nicht, zur Räumung der von ihm bisher benützten Wohnung verpflichtet zu sein. Es sei ihm als allein stehenden Mann zumutbar, dort gemeinsam mit der Schwester zu wohnen. Er habe den angeblichen Eigenbedarf durch die Konstruktion des Erbteilungsübereinkommens selbst herbeigeführt. Die vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Gunsten des Beklagten aus, der bereits seit drei Jahrzehnten in der Mietwohnung wohne. Die Rechtsvorgängerin des Klägers habe dem Beklagten zugesagt, dass er das Bestandobjekt untervermieten und baulich umgestalten könne und habe damit auf den Kündigungsgrund des Eigenbedarfs verzichtet. Dieser Verzicht sei auch für den Kläger als nunmehrigen Eigentümer verbindlich. Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG liege infolge regelmäßiger Verwendung der Wohnung zu Wohnzwecken nicht vor. Bei der Prüfung des Kündigungsgrunds des § 30 Abs 2 Z 8 MRG sei grundsätzlich der Zeitpunkt der Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung maßgebend. Eine Änderung des Sachverhalts während des Verfahrens zu Gunsten des Vermieters habe außer Betracht zu bleiben. Da der Kläger im Zeitpunkt der Aufkündigung keine konkreten Pläne gehabt habe, mit seiner Freundin zusammenzuziehen und auch die Schwester keine Absicht habe, einen Lebenspartner in der Wohnung aufzunehmen, sei das Wohnbedürfnis des Klägers derzeit ausreichend befriedigt. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG sei daher ebenfalls nicht gegeben. Selbst bei Bejahung des dringenden Wohnbedarfs des Klägers in der vermieteten Wohnung wäre dieser Kündigungsgrund nicht verwirklicht, weil der Wohnbedarf auf Grund der Erbsentschlagung des Vaters des Klägers und der darauf folgenden Neuverteilung der Liegenschaften der verstorbenen Großmutter selbst verschuldet wäre.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinn einer Wirksamerklärung der Aufkündigung und Verpflichtung des Beklagten zur Räumung ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht bejahte das Vorliegen des im Rechtsmittelverfahren allein noch strittigen Kündigungsgrunds des § 30 Abs 2 Z 8 MRG. Nach der jüngeren Rechtsprechung, der zu folgen sei, sei den Begriffen des Notstands und der Existenzgefährdung ein gemäßigteres Verständnis beizulegen. Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass der Eigentümer einer Wohnung in erster Linie sein Eigentum zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses heranziehen dürfe. Es sei zu prüfen, ob dem Vermieter eine ausreichende Wohnmöglichkeit zur Verfügung stehe. Hiebei komme es nicht darauf an, wie konkret die Heiratspläne und der Wunsch nach einer Familiengründung seien. Es sei vielmehr entscheidend, dass der Kläger über keine rechtlich abgesicherte Wohnmöglichkeit verfüge und dass ihm seine Wohnsituation keine langfristige Planung erlaube. Es stehe ihm nicht frei, eine Lebensgemeinschaft zu gründen. Insbesondere sei die Wohnmöglichkeit auch von der vom Kläger nicht beeinflussbaren persönlichen Lebensgestaltung der Schwester abhängig. Es sei dem Kläger zuzugestehen, zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses auf die nun in seinem Eigentum stehende Wohnung zurückzugreifen, ohne dass von ihm zu verlangen sei, zunächst seine persönliche Lebenssituation durch die Gründung einer Familie umzugestalten und erst dann die Eigenbedarfskündigung einzubringen. Eine Abwägung der gegenseitigen Interessen sei nicht vorzunehmen, weil die Wohnung erst nach Begründung von Wohnungseigentum vermietet worden sei. Auch sei ein Verschulden des Klägers, für das der Beklagte beweispflichtig gewesen wäre, am Eigenbedarf zu verneinen. Dieser sei jedenfalls erst nach der Vermietung - der Kläger sei damals noch gar nicht geboren gewesen - entstanden. Abgesehen davon sei nicht ersichtlich, inwieweit der Abschluss des Erbteilungsübereinkommens ein Verschulden am eigenen Wohnungsbedürfnis des Klägers begründen sollte. Erben seien nicht verpflichtet, sich bei Abschluss eines solchen Übereinkommens daran zu orientieren, dass Mietverträge möglichst unangetastet blieben. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil ein derartiger Sachverhalt in jüngerer Zeit noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof gewesen sei.

Die Revision des Beklagten ist zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 30 Abs 3 zweiter Satz MRG kann der Vermieter, der das Miethaus durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat, aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG nur kündigen, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Erwerbung und dem Kündigungstermin mindestens 10 Jahre liegen. Nach ständiger Rechtsprechung ist diese Sperrfrist auch auf Eigentumswohnungen anzuwenden (RIS-Justiz RS0070796). Die Kündigungsbeschränkung ist zwar nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einwendung des Gekündigten zu berücksichtigen (Würth in Rummel3 II/5 § 30 MRG Rz 38). Es genügt allerdings die Behauptung eines entsprechenden Sachverhalts in erster Instanz. Auf die Beschränkung durch die Sperrfrist muss nicht ausdrücklich hingewiesen werden. Es genügt, wenn sich ihr Vorliegen aus dem eingewendeten oder durch die Einwendungen gedeckten festgestellten Sachverhalt ergibt (1 Ob 664/78 = MietSlg 30.446 zur insoweit gleichen Vorgängerbestimmung des § 19 Abs 3 MG). Eine solche Sachverhaltsbehauptung ist hier dem Vorbringen des Beklagten zu entnehmen, dass die Nachkommen der verstorbenen Vermieterin die Regelung des Nachlasses durch den Erbverzicht des Vaters des Klägers und das Erbteilungsübereinkommen derart gestaltet hätten, dass der Kündigungsgrund gegenüber dem Beklagten geltend gemacht werden könne, weshalb der Eigenbedarf selbst verschuldet sei. Letztere Schlussfolgerung ist zwar unberechtigt. Allein der Umstand, dass der Eigenbedarf - hier die Kenntnis des Klägers, dass er seinen eigenen Wohnbedarf in der bisherigen Wohnung im Haus, das nach dem Erbteilungsübereinkommen in das Mehrheitseigentum der Schwester übertragen wurde, nicht mehr befriedigen könne - im Zeitpunkt des Erwerbs der vermieteten Wohnung bestand oder vorhersehbar war, ist nicht als ein die Kündigung wegen Eigenbedarfs ausschließendes Verschulden zu werten (vgl 8 Ob 103/00f mwN). Der behauptete Sachverhalt und der sinngemäß erhobene Vorwurf eines Spekulationserwerbs der Wohnung durch den Kläger ist aber als zu berücksichtigender Einwand, dass die Sperrfrist des § 30 Abs 3 MRG noch nicht abgelaufen sei, zu berücksichtigen. Hiezu ist zu erwägen:

Ein Erbteilungsübereinkommen stellt nach überwiegender Rechtsprechung keinen Erbrechtstitel, sondern - auch wenn es vor der Einantwortung geschlossen wurde - ein Rechtsgeschäft unter Lebenden dar (RIS-Justiz RS0008275; 1 Ob 190/98t mwN). In der Entscheidung 4 Ob 105/98i (SZ 71/70) hat der Oberste Gerichtshof allerdings in einem Kündigungsstreit wegen dringenden Eigenbedarfs das Erbteilungsübereinkommen, auf Grund dessen der Kläger die vermietete Eigentumswohnung erworben hatte, als Rechtsgeschäfts von Todes wegen beurteilt und ausgeführt, dass damit eine Kündigung auch ohne Verstreichen der Sperrfrist des § 30 Abs 3 zweiter Satz MRG zulässig sei. Die Frage, ob ein Erbteilungsübereinkommen die 10-jährige Sperrfrist auslöst, bedarf hier aber keiner weiteren Erörterung. Denn der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 1 Ob 293/03z (EvBl 2004/136 [641] = JBl 2004, 521), der zu folgen ist, ausgeführt, dass § 30 Abs 3 zweiter Satz MRG entgegen seinem keine Einschränkung enthaltenden Wortlaut nach dem erkennbaren Sinn und Zweck - die Verhinderung der Verletzung des Schutzes der Mieter vor Spekulationskäufen - dahin teleologisch zu reduzieren ist, dass die 10-jährige Sperrfrist dann nicht gilt, wenn der Rechtsvorgänger des Kündigenden bereits die Kündigung wegen Eigenbedarfs hätte geltend machen können. Da der Beklagte die Wohnung der Rechtsvorgängerin des Klägers unstrittig vor Jahrzehnten gemietet hat, war die Sperrfrist des § 30 Abs 3 MRG längst abgelaufen. Bei einer Aufkündigung durch die Großmutter des Klägers wäre die Sperrfrist daher gewahrt worden. Gerechnet vom Zeitpunkt des Erwerbs der Wohnung durch den Kläger ist sie aber nach wie vor offen. Es bleibt somit zu prüfen, ob die Großmutter des Klägers die vermietete Wohnung für ihren Enkel, einem Verwandten in absteigender Linie (vgl § 30 Abs 2 Z 8 MRG) dringend benötigt hätte. Sowohl bei Prüfung des "Eigenbedarfs" der Großmutter im Sinn eines Bedarfs für ihren Enkel als auch des Eigenbedarfs des Klägers hat eine Interessenabwägung zu entfallen, weil es sich, wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, um eine vom Wohnungseigentümer nach Wohnungseigentumsbegründung vermietete Eigentumswohnung handelt (§ 30 Abs 2 Z 8 MRG letzter Halbsatz). Der Möglichkeit der Eigenbedarfskündigung hielt der Beklagte unter anderem einen schlüssigen Verzicht der Großmutter des Klägers auf diesen Kündigungsgrund entgegen. Diesen Verzicht will er daraus ableiten, dass ihm die Vornahme von Umbauarbeiten und die Untervermietung gestattet worden sei. Da (auch nach alter Rechtslage) der Vermieter die Vornahme von Umbauarbeiten teils ohnehin zu dulden (vgl § 9 MRG bzw § 18 MG) hat und grundsätzlich kein Untervermietungsverbot besteht (§ 11 MRG bzw § 18a MG idF des MRÄG 1967), reicht das hiezu erstattete Vorbringen des Beklagten für die Annahme eines schlüssigen Verzichts der Vermieterin auf eine Eigenbedarfskündigung nicht aus.

Die Frage, ob der Kläger die Wohnung dringend benötigt, hat das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung bejaht. Dieselben Erwägungen haben genauso für die Frage Bedeutung, ob die nicht einmal ein Jahr vor Einbringung der Aufkündigung durch den Kläger verstorbene Großmutter für den Kläger die Wohnung dringend benötigt hätte. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist bei der Prüfung des Eigenbedarfs nicht mehr kleinlich der Standard der Nachkriegszeit heranzuziehen (7 Ob 527/88; 5 Ob 593/90). Wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, ist zu prüfen, ob der Kläger über eine "ausreichend Wohnmöglichkeit" verfügt, die einen Wohnsitzwechsel nicht als unabweislich notwendig erscheinen ließe. Bei dieser Beurteilung muss jede Art der Benötigung des Bestandgegenstands berücksichtigt werden, die sich für den Vermieter aus einem wichtigen persönlichen oder wirtschaftlichen Bedürfnis ergibt, das nur durch Benützung der gekündigten Wohnung befriedigt werden kann (SZ 71/70). Ein solches Bedürfnis hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals bei Studenten, die von einem Studentenheim in eine eigene Wohnung übersiedeln wollten (SZ 71/70; 6 Ob 282/98h) und auch bei einem Studenten, der das Wohnen im elterlichen Familienverband beenden wollte, weshalb eine untervermietete Wohnung aufgekündigt wurde (7 Ob 554/95), bejaht. Als entscheidend wurde angesehen, dass dann, wenn dem Kläger nur ein Zimmer zur Verfügung steht und er die Küche und die Sanitärräume mit anderen Personen teilen muss, eine ständige Koordination mit den Mitbewohnern erforderlich ist, die Schaffung eines entsprechend umfassenden persönlichen Bereichs kaum möglich ist, die Einladung und Bewirtung von Gästen mangels einer eigenen Küche eingeschränkt ist, eine Wohnungsgemeinschaft mit einer anderen Person nicht begründet werden kann und eine längerfristige Lebensplanung schon im Hinblick auf die zeitlich beschränkte Nutzungsmöglichkeit verwehrt ist. Das Streben nach Selbstständigkeit und nach einem eigenen Lebensbereich, der persönlich und nach eigenen Vorstellungen ausgestaltet werden kann, der nicht von der Erlaubnis anderer abhängige Empfang von Gästen und insbesondere die Möglichkeit, eine Wohnungs- und Lebensgemeinschaft aufnehmen zu können, ist nicht nur einem Studentin, sondern umso mehr einem erwachsenen, im Berufsleben stehenden und finanziell unabhängigen Mann zuzubilligen. Ob schon eine konkrete Absicht besteht, mit einem bestimmten Partner einen gemeinsamen Hausstand oder eine Familie zu gründen, ist nicht entscheidend (vgl 7 Ob 554/95). Auch hier gilt für den Kläger, dass er in seiner Lebensplanung bei der derzeitigen Wohnungssituation unzumutbar eingeschränkt ist. Sein Verbleiben in der Wohnung der Schwester hängt von deren guten Willen ab. Ein auf längere Sicht angelegtes Gestalten des Wohnbereichs nach eigenen Vorstellungen ist daher nicht sinnvoll. Den Ausführungen des Berufungsgerichts zum dringenden Wohnbedarf des Klägers, denen der Beklagte nichts überzeugendes entgegenzuhalten vermag, ist zu folgen. Dass die Rechtsprechung das Vorliegen eines zur Kündigung berechtigenden Eigenbedarfs (auch) bei schlechteren aktuellen Wohnverhältnissen des Aufkündigenden bejaht hat (in der vom Beklagten zitierten Entscheidung 8 Ob 96/01b), vermag nicht den Schluss zu rechtfertigen, dass in einem Fall wie dem hier vorliegenden ein solcher Eigenbedarf zu verneinen ist. Der Einwand, dass der Familie des Klägers noch andere Wohnungen zur Verfügung stünden, die dem Kläger überlassen werden könnten, widerspricht dem in § 354 ABGB verankerten Grundsatz der freien Verfügung über das Eigentum. Außer bei gebotener Interessenabwägung, die hier nicht vorzunehmen ist, muss weder der Vermieter seinem Deszendenten ein bestimmtes anderes Wohnobjekt zur Befriedigung seines dringenden Wohnungsbedarfs zur Verfügung stellen (1 Ob 293/03z mwN) noch darf der Vermieter, der selbst über keine ausreichende Wohnmöglichkeit verfügt, nicht schon deshalb auf die Anmietung einer ihm nicht gehörenden Wohnung verwiesen werden, weil er hiezu finanziell in der Lage wäre (RIS-Justiz RS0070475) oder weil eine solche Möglichkeit an sich gegeben wäre (4 Ob 167/99h = JBl 2000, 452 [zust: Hinteregger]).

Das der Aufkündigung infolge dringenden Eigenbedarfs des Klägers stattgebende Urteil des Berufungsgerichts ist daher zu bestätigen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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