OGH 3Ob141/04p

OGH3Ob141/04p26.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1. Musa C*****, und 2. Nihan C*****, beide vertreten durch Dr. Manfred Fuchsbichler, Rechtsanwalt in Wels, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 7. April 2004, GZ 21 R 69/04b-5, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Schwanenstadt vom 5. Februar 2004, GZ 1 P 8/04i-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentliche Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Antragsteller haben am 8. Jänner 2004 einen Adoptionsvertrag geschlossen, wonach der - aus der Türkei stammende - österreichische Erstantragsteller die am 9. September 1984 geborene, türkische Zweitantragstellerin an Kindes Statt annimmt und diese in die Annahme einwilligt. Sie ist die Schwester der Ehegattin des Erstantragstellers. Diese ist ebenso wie das Wahlkind türkische Staatsangehörige. Ihrer Ehe mit dem Erstantragsteller entstammen zwei Kinder.

Beide Antragsteller beantragen die gerichtliche Bewilligung der Adoption und führen hiezu aus, es bestehe schon jahrelang ein besonders inniges Verhältnis zwischen beiden, weil das Adoptivkind die Schwester der Ehegattin des Wahlvaters sei. Es habe bereits in der Türkei im gemeinsamen Haushalt mit dem Wahlvater gelebt, dieser habe schon bisher die Funktion eines "Ersatzvaters" innegehabt. Das Wahlkind habe in der Türkei ein Gymnasium besucht und wolle nun in Österreich eine weitere fundierte Ausbildung erlangen. Die Finanzierung einer solchen durch die leiblichen Eltern sei nicht möglich, weshalb es in der Familie des Wahlvaters integriert werden solle. Dieser werde für eine Ausbildung des Wahlkinds sorgen. Er verdiene ausreichend, sodass der Unterhalt und die Erziehung der leiblichen Kinder, die von der Mutter betreut werden, nicht gefährdet sei und ein überwiegendes Anliegen der leiblichen Kinder des Wahlvaters der Adoption nicht entgegenstehe. Ein besonders gewichtiger Grund iSd § 179 Abs 2 ABGB für die Annahme durch den Wahlvater alleine sei gegeben, weil einerseits bereits ein inniges Verhältnis zwischen Wahlvater und Wahlkind bestehe und andererseits der Ehegattin des Wahlvaters nach türkischem Recht eine Adoption untersagt sei, weil sie bereits zwei eheliche Kinder habe. Das Erstgericht wies den Antrag auf Bewilligung der Adoption ab. Eine verheiratete Person solle nur gemeinsam mit dem Ehegatten ein Kind annehmen. Ein gewichtiger Grund, warum diese Regel im konkreten Fall nicht gelten solle, könne nicht erkannt werden.

Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Frage, ob ein den im § 179 Abs 2 ABGB genannten Ausnahmetatbeständen gleichwertiger Hinderungsgrund vorliege, von den Umständen des Einzelfalls abhängig sei. Der Umstand, dass die Ehegattin des Wahlvaters als türkische Staatsbürgerin keine mündige Person adoptieren dürfe, weil sie bereits leibliche Kinder habe, stelle keinen den im § 179 Abs 2 ABGB genannten Ausnahmetatbeständen gleichwertigen Grund für die Ausnahme vom Grundsatz dar, dass Eheleute nur gemeinsam adoptieren dürfen. Weibliche minderjährige Kinder genießen auch nach österreichischem Recht einen gewissen Schutz davor, dass ihre Eltern weitere Kinder adoptieren. So sei im § 180a Abs 2 ABGB normiert, dass die Bewilligung der Adoption zu versagen sei, wenn ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden entgegenstehe, insbesondere dessen Unterhalt oder Erziehung gefährdet wäre. Wenn das türkische Recht die Adoption einer mündigen Person verbiete, wenn leibliche Kinder vorhanden seien, so könne dieser Umstand der Nichterfüllung gewisser Altersvoraussetzungen oder ähnlichem nicht gleichgesetzt werden. Dazu komme, dass nach § 181 Abs 1 Z 2 ABGB die Bewilligung der Adoption nur erteilt werden dürfe, wenn die Ehegattin des Annehmenden der Annahme zustimme. Eine derartige Zustimmung sei nicht aktenkundig, sie werde weder im Antrag noch im Rekurs behauptet. Schon allein deshalb sei die Bewilligung zu versagen gewesen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts - mangels Rsp zu einem vergleichbaren Sachverhalt zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurslegitimation der Antragsteller, denen die Adoptionsbewilligung versagt wurde, ist gegeben (2 Ob 536/94 = EvBl 1995/34 mwN).

Nach der zwingenden Bestimmung des § 26 Abs 1 erster Satz IPRG in der hier [gem Art IV § 2 Abs 2 FamErbRÄG 2004] noch anzuwendenden alten Fassung ist im vorliegenden Fall österreichisches Recht anzuwenden, weil die Voraussetzungen der Annahme an Kindes Statt nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen ist, der Wahlvater Österreicher ist und die Bestimmung auch für die Erwachsenenadoption gilt (1 Ob 2329/96y = SZ 69/292 mwN).

Die Adoption kommt durch schriftlichen Vertrag zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind zustande und bedarf der gerichtlichen Bewilligung (§ 179a ABGB). Gemäß § 179 Abs 2 ABGB ist die Annahme eines Wahlkinds durch mehr als eine Person nur zulässig, wenn die Annehmenden miteinander verheiratet sind. Ehegatten dürfen idR nur gemeinsam annehmen. Ausnahmen sind zulässig, wenn das leibliche Kind des anderen Ehegatten angenommen werden soll, wenn ein Ehegatte nicht annehmen kann, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eigenberechtigung oder des Alters nicht erfüllt, wenn sein Aufenthalt seit mindestens einem Jahr unbekannt ist, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren die eheliche Gemeinschaft aufgegeben haben oder wenn "ähnliche und besonders wichtige Gründe" die Annahme durch einen der Ehegatten rechtfertigen. Nach den EB (RV, 107 BlgNR 9. GP, 14) ist durch diese Bestimmung der Grundsatz aufgestellt, dass verheiratete Personen idR nur gemeinsam mit ihrem Ehegatten ein Kind annehmen sollen. Dafür sei die Erwägung maßgebend, dass eine ordentliche Erziehung in der Familie im Allgemeinen nur dann gewährleistet sei, wenn sich beide Ehegatten dem Wahlkind durch das rechtliche Band der Annahme verbunden fühlten. Von dieser sich aus dem Grundsatz der möglichsten Nachbildung einer natürlichen Familie ergebenden Regel müssten aber in begründeten Fällen Ausnahmen zugelassen werden. Der Entwurf führe einige Fälle an, in denen nach Auffassung des BMJ Ausnahmen begründet seien. Eine erschöpfende Aufzählung würde der Vielfalt des Lebens nicht gerecht. Ein Ermessensmissbrauch sei trotz der beispielhaften Aufzählung nicht zu befürchten, weil die anzuerkennenden Ausnahmen den aufgezählten Fällen ähnlich und durch besonders gewichtige Gründe gerechtfertigt sein müssten. Die gemeinschaftliche Adoption soll somit den Regeltatbestand bilden, weil Kinder möglichst in einer vollständigen Familie aufwachsen sollen. Von den ausdrücklichen, wenngleich nur demonstrativ aufgezählten (8 Ob 553/83 = SZ 56/175; SZ 69/292 mwN) Ausnahmen kommt hier keine in Frage. § 179 Abs 2 letzter Satz ABGB betrifft als eine Generalklausel die Adoption durch nur einen Ehegatten aus ähnlichen und besonders wichtigen Gründen (SZ 69/292 mwN; Stabentheiner in Rummel, ABGB3, § 179 Rz 5). Das Gesetz lässt somit in Fällen, in denen eine exakte und ausdrückliche Regelung der erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegt, eine Ausnahme von der aufgestellten Regel, dass Ehegatten nur gemeinsam adoptieren dürfen, zu, sofern freilich die Gründe ähnlich und besonders wichtig sind. So mag ein eingeleitetes Scheidungs-, Aufhebungs- oder Ehenichtigkeitsverfahren unter die Generalklausel fallen (SZ 69/292 mwN). Allen aufgezählten Fällen sind jedenfalls rein objektive Gründe dergestalt gemeinsam, dass entweder der zweite Ehegatte nicht annehmen kann oder die eheliche Gemeinschaft schon - einerlei ob einverständlich oder einseitig - eine gewisse Zeit aufgelöst ist und schon deshalb eine "Nachbildung einer natürlichen Familie" nicht mehr in Frage kommt. Dabei wird im Gesetz zwischen voll- und minderjährige Wahlkindern nicht unterschieden (SZ 69/292).

Im Gegensatz zu der von den Vorinstanzen vertretenen Ansicht ist der Umstand, dass die Ehegattin des Wahlvaters als türkische Staatsangehörige aufgrund der Regelung des Art 313 des Zivilgesetzbuchs Nr 4721 vom 22. November 2001 (Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Türkei, 88), weil sie bereits leibliche Kinder hat, keine mündige Person adoptieren darf, als rein objektiver Grund aufzufassen, der den fehlenden gesetzlichen Voraussetzungen für die Eigenberechtigung oder des Alters gleichzuhalten und daher im Rahmen der erwähnten Generalklausel als ähnlicher und besonders wichtiger Grund zu behandeln. Die von § 179 Abs 2 ABGB normierte Bewilligungsvoraussetzung für eine ausnahmsweise Einzeladoption eines Ehegatten ist daher gegeben; der von den Vorinstanzen angenommene Grund, die beantragte Bewilligung der Adoption zu versagen, ist nicht verwirklicht.

Zu Recht verweisen die Revisionsrekurswerber im Übrigen darauf, dass die vom Rekursgericht als (weiterer) Versagungsgrund angeführte, bislang weder behauptete noch schriftlich vorgelegte Zustimmung der Ehegattin des Annehmenden in Wahrheit keinen Versagungsgrund bildet, weil eine derartige Erklärung nach § 258 AußStrG persönlich vor Gericht abzugeben wäre, die Einholung der Zustimmung vom Erstgericht bislang aber nicht einmal versucht worden ist.

Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden, [gem Art IV § 2 Abs 2 FamErbRÄG 2004] noch nach den bis 30. Juni 2004 in Geltung stehenden Normen zuführenden Verfahren die Voraussetzungen für die Bewilligung der Erwachsenenadoption nach §§ 180a, 181 und 181a zu überprüfen haben. Besonderes Augenmerk wird hiebei auf die vom § 180a Abs 1 1. Satz ABGB (aF) geforderte Herstellung oder das Bestehen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung und/oder das vom § 180a Abs 1 3. Satz ABGB (aF) geforderte gerechtfertigte Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkinds zu legen sein. Letzteres soll der erhöhten Missbrauchsgefahr bei der Erwachsenenadoption begegnen, bei der Prüfung des geforderten gerechtfertigten Anliegens ist ein strenger Maßstab anzulegen (stRsp; zuletzt etwa 5 Ob 139/03g und 3 Ob 92/04g; RIS-Justiz RS0048764). Dem Revisionsrekurs ist demnach Folge zu geben und die weitere Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen durch das Erstgericht aufzutragen.

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