OGH 2Ob536/94

OGH2Ob536/9419.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Dario B*****, geboren am 4.September 1988, vertreten durch seine Mutter Silvia S*****, infolge Revisionsrekurses des Wahlvaters Gerhard S*****, vertreten durch Dr.Robert Kugler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 29. Oktober 1993, GZ 1 R 525/93-18, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 1.September 1993, GZ 4 P 67/89-15, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der am 4.September 1988 geborene Dario B***** ist der uneheliche Sohn der Silvia B*****; sein Vater ist nicht bekannt. Das Kind lebt mit seiner Mutter und deren Lebengefährten Gerhard S***** im gemeinsamen Haushalt. Am 27.3.1993 haben die Mutter des Kindes und ihr Lebensgefährte geheiratet.

Der mj. Dario B***** schloß, vertreten durch seine Mutter, mit deren nunmehrigen Ehemann über seine Annahme an Kindes Statt durch seinen Stiefvater den Adoptionsvertrag vom 1.4.1993.

Der Beschluß, mit dem das Erstgericht die Annahme an Kindes Statt bewilligte, wurde infolge Rekurses der beiden mj. Kinder des Annehmenden, von deren Existenz das Erstgericht bis dahin keine Kenntnis hatte, aufgehoben, damit das Gericht die Rechte dieser Kinder von Amts wegen wahrnehmen könne. Es müsse also geprüft werden, ob ein überwiegendes Anliegen der mj. Kinder des Adoptivvaters der Bewilligung der Annahme des mj. Dario B***** an Kindes Statt durch ihren leiblichen Vater entgegenstehe, insbesondere, ob der Unterhalt der mj. Kinder des Adoptivvaters dadurch gefährdet wäre.

Das Erstgericht bewilligte die Annahme an Kindes Statt neuerlich. Der Unterhalt der beiden aus erster Ehe des Annehmenden stammenden Kinder werde durch die Adoption keineswegs gefährdet, weshalb die Bestimmung des § 180 a Abs 2 ABGB der Annahme an Kindes Statt nicht entgegenstehe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beiden mj. Kinder aus der ersten Ehe des Annehmenden Folge, wies den Antrag auf Adoptionsbewilligung ab und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG für zulässig.

Es ging hiebei von folgendem Sachverhalt aus:

Der neunjährige Jürgen und der vierjährige Kevin S***** entstammen der Ehe des ins Auge gefaßten Wahlvaters Gerhard S***** und der Alexandra S*****. Diese Ehe wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 12.12.1991, 3 C 81/91t, gemäß § 55 a EheG geschieden. Aufgrund der dieser Scheidung zugrundeliegenden Vereinbarung im Sinne des § 55 a Abs 2 EheG steht die Obsorge für die beiden Kinder seither der Mutter Alexandra S*****allein zu und hat der Vater Gerhard S***** an Unterhalt seinen beiden Kindern monatlich je S 2.000 und seiner geschiedenen Ehefrau monatlich S 4.000 zu leisten. Dieser Vergleich wurde hinsichtlich der Kinder mit dem Beschluß des Erstgerichtes vom 27.2.1992, 2 P 19/92-4, pflegschaftsbehördlich genehmigt.

Der Vater Gerhard S***** hat am 27.3.1993 mit Silvia B***** die Ehe geschlossen. Gerhard S*****, seine nunmehrige Ehefrau, der am 28.7.1993 geborene, dieser Ehe entstammende Sohn Florian und der uneheliche Sohn der Ehefrau, der fünfjährige Dario B*****, leben im gemeinsamen Haushalt. Gerhard S*****ist als Angestellter beschäftigt und verdient pro Monat rund S 12.831 netto plus Sonderzahlungen, also im Durchschnitt rund S 15.000 netto pro Monat.

Am 18.10.1993 haben die beiden ehelichen Kinder, vertreten durch ihre Mutter, den Antrag gestellt, die Unterhaltsbeiträge mit Wirkung ab 1.7.1993 zu erhöhen, und zwar den Beitrag für den mj. Jürgen auf S

2.940 und den Beitrag für den mj. Kevin auf S 2.300. Über diese Anträge hat das Erstgericht noch nicht entschieden.

Zu 3 C 100/93m des Erstgerichtes hat Gerhard S***** gegen seine geschiedene Ehefrau Alexandra S***** eine Klage auf Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages, den er ihr aufgrund der Vereinbarung vom 12.12.1991 zu leisten hat, auf S 2.000 monatlich ab 1.8.1993 eingebracht. Begründet wurde diese Klage damit, daß der Kläger wieder geheiratet habe und nun auch für seine Ehefrau, die lediglich über ein Karenzgeld von S 6.000 monatlich verfüge, und für seinen Sohn Florian zu sorgen habe. Dieses Verfahren endete mit dem Vergleich vom 11.10.1993, wonach der Wahlvater ab 1.11.1993 seiner geschiedenen Ehefrau nur noch S 2.600 monatlich an Unterhalt zu leisten hat.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus: Durch die ins Auge gefaßte Adoption werde die Erziehung der beiden Rekurswerber nicht gefährdet, weil die Obsorge hinsichtlich dieser beiden Kinder deren Mutter allein zustehe und sie auch tatsächlich von ihrer Mutter in deren Haushalt betreut würden. Wohl sei aber eine Gefährdung des Unterhaltsanspruches von leiblichen Kindern des Wahlvaters zu befürchten, wenn deren Unterhaltsanspruch schon vor der ins Auge gefaßten Adoption unter dem Regelbedarf liege. Das Erstgericht sei auf diese Problematik trotz der von den Rekurswerbern zitierten Judikatur (EFSlg 45.908, 51.357, 59.865, 62.960, 66.139) und trotz der Ausführungen des Rekursgerichtes in seinem Aufhebungsbeschluß nicht eingegangen.

Der Regelbedarf (Durchschnittsbedarf) sei jener Betrag, den jeder Minderjährige in Österreich ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern an Nahrung, Kleidung, Wohnung sowie Bestreitung seiner weiteren Bedürfnisse habe. Er betrage seit 1.7.1993 für ein Kind im Alter von neun Jahren (Jürgen) S 2.940 und für ein Kind im Alter von vier Jahren (Kevin) S 2.300 (ÖA 1993/3U2). Die den beiden Rekurswerbern zustehenden Unterhaltsbeiträge lägen bereits derzeit erheblich unter diesem Regelbedarf, sodaß im Hinblick auf das relativ geringe Einkommen des Wahlvaters und auf die inzwischen zusätzlich eingetretene Sorgepflicht für den am 28.7.1993 geborenen ehelichen Sohn Florian und die teilweise bestehende Sorgepflicht für die Ehefrau durch die Adoption des fünfjährigen Dario B***** und die dadurch entstehende zusätzliche Sorgepflicht nicht nur eine Schmälerung bei der Deckung des Unterhaltes, sondern bereits eine Gefährdung des Unterhaltes der beiden Rekurswerber eintreten würde, die auch nicht durch die Herabsetzung des für ihre Mutter bestimmten Unterhaltsbeitrages beseitigt werden könne.

Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes müsse also davon ausgegangen werden, daß der Bewilligung der Annahme ein überwiegendes Anliegen der beiden leiblichen Kinder des Annehmenden aus seiner ersten Ehe entgegenstehe, sodaß die Bewilligung der Annahme gemäß § 180 a Abs 2 ABGB zu versagen sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG sei zuzulassen gewesen, weil zur Frage, ob die Adoption zu versagen sei, wenn die leiblichen Kinder des Annehmenden nicht einmal den sogenannten Regelbedarf erhielten, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle (die zit Entscheidungen seien solche von Gerichtshöfen erster Instanz).

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Annehmenden wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß dem Antrag auf Adoptionsbewilligung stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; auch die Rechtsmittellegitimation des in Aussicht genommenen Wahlvaters, dem die Adoptionsbewilligung versagt wurde, ist gegeben (SZ 41/99, 42/183, 45/104; RZ 1975/87). Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 180 a Abs 2 ABGB ist die Bewilligung der Annahme an Kindes Statt zu versagen, wenn ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden entgegensteht, insbesondere dessen Unterhalt oder Erziehung gefährdet wäre.

Die Interessen des leiblichen Kindes am Unterbleiben der Adoption und die des präsumtiven Wahlkindes am Zustandekommen der Annahme sind gegeneinander abzuwägen (Pichler in Rummel § 180 a ABGB Rz 5; Schwimann, FamRZ 1973, 349). Eine bloße Schmälerung des Unterhaltes des leiblichen Kindes, wie sie bei Vermehrung der Kinderzahl regelmäßig unvermeidlich ist, ist mit einer Gefährdung des Unterhalts nicht gleichzusetzen (vgl Schwimann aaO; Schlemmer in Schwimann § 180 a ABGB Rz 6). Der erkennende Senat billigt aber die in der Rekursentscheidung zitierte zweitinstanzliche Rechtsprechung (vgl weiters EFSlg 68.903) zumindest insoweit, als regelmäßig eine Unterhaltsgefährdung anzunehmen sein wird, wenn der Unterhaltsanspruch leiblicher Kinder schon vor der Adoption - wie hier - erheblich unter dem sogenannten Regelbedarf liegt, der auch hiefür als Orientierungshilfe dienen kann. Anders als im Falle der Entscheidung EFSlg 66.139, in welchem die Unterhaltszahlungen eines in guten finanziellen Verhältnissenen lebenden Wahlvaters erheblich über dem Durchschnittsbedarf gleichaltriger Kinder lagen, decken die Unterhaltszahlungen des Rechtsmittelwerbers für seine leiblichen Kinder aus erster Ehe deren Regelbedarf schon jetzt keineswegs. Daß die Unterhaltsverpflichtung des Rechtsmittelwerbers gegenüber deren Mutter herabgesetzt wurde, ändert hieran nichts. Soweit im Revisionsrekurs - als unzulässige Neuerung - auf ein (nicht beziffertes) eigenes Einkommen der Mutter hingewiesen wird, ist zu bemerken, daß die Mutter gemäß § 140 Abs 2 ABGB durch Haushaltsführung und Kinderbetreuung ihren Unterhaltsbeitrag leistet.

Was das in der Eingabe ON 13 besonders betonte Interesse des anzunehmenden Kindes an einem gemeinsamen Familiennamen anlangt, so kann diesem Interesse auch durch Namensgebung gemäß § 165 a ABGB Rechnung getragen werden. Für den Unterhalt dieses Kindes kommt der Rechtsmittelwerber seinem Vorbringen nach ohnehin tatsächlich auf.

Zusammenfassend ergibt sich, daß das Interesse der leiblichen Kinder des Rechtsmittelwerbers aus erster Ehe am Unterbleiben der Adoption, die zu einer zusätzlichen, bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigenden Sorgepflicht ihres Vaters führen würde, angesichts der schon ohne eine solche unzureichenden Bedarfsdeckung als überwiegend anzusehen ist. Das Rekursgericht hat die Bewilligung der Adoption daher zu Recht gemäß § 180 a Abs 2 ABGB versagt.

Dem Revisionsrekurs war demnach nicht Folge zu geben.

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