OGH 5Ob139/03g

OGH5Ob139/03g17.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Antragsteller 1.) Miroslav L*****, geboren 14. August 1990, *****, 2.) Slavica L*****, geboren 11. Dezember 1960, *****, und 3.) Anto L*****, geboren 2. Oktober 1958, *****, alle vertreten durch Dr. Hans Lesigang, Rechtsanwalt in Wien, wegen Adoption, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. März 2003, GZ 43 R 138/03t-5, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Meidling vom 19. Dezember 2002, GZ 1 P 418/02t-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsteller beantragten die gerichtliche Bewilligung der Adoption des Erstantragstellers als Wahlkind durch die Zweitantragstellerin als Wahlmutter und den Drittantragsteller als Wahlvater. Die Wahleltern sind österreichische Staatsbürger, das Wahlkind ist kroatischer Staatsbürger. Im Antrag wurde vorgebracht, Wahlvater und Wahlkind seien Brüder; die gemeinsamen Eltern lebten in Bosnien; die Wahleltern würden das Wahlkind schon seit Jahren finanziell unterstützen; das Wahlkind beabsichtige in Österreich eine eine Ausbildung zum Computerfachmann zu absolvieren, die in Bosnien unerreichbar sei.

Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil eine Vertiefung der verwandtschaftlichen Beziehung zwischen Geschwistern auch durch eine Adoption nicht mehr möglich sei und es im Widerspruch zu normalen familiären Verhältnissen stünde, wenn ein Bruder den Status eines Kindes erlangen könnte.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, es führte ua folgendes aus:

Gemäß § 26 Abs 1 Satz 1 IPRG sei österreichisches Recht anzuwenden, weil die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen seien, die Wahleltern Österreicher seien und die angeführte Bestimmung auch für die Erwachsenenadoption gelte.

Gemäß § 180a Abs 1 ABGB sei als Voraussetzung für die Zulässigkeit auch der Erwachsenenadoption das Bestehen eines kindschaftsähnlichen Verhältnisses zwischen Wahlkind und Adoptivelternteil oder die Absicht, eine solche Beziehung herzustellen, und das Vorliegen eines gerechtfertigten Anliegens eines Teiles erforderlich. In diesem Zusammenhang sei zu betonen, dass das (nur) für die Erwachsenenadoption in § 180a Abs 1 Satz 3 ABGB normierte Erfordernis des gerechtfertigten Anliegens, welches im Gesetz selbst nicht näher definiert werde, der Missbrauchsgefahr bei dieser besonderen Form der Annahme begegnen solle. Da hier bereits eine im Sinne des § 40 ABGB enge familienrechtliche Beziehung zwischen dem Wahlvater und dem Wahlkind, nämlich diejenige zwischen Geschwistern, bestehe und die gemeinsamen leiblichen Eltern dieser Vertragsteile nach der Aktenlage in aufrechter Ehe lebten, könne in der angestrebten Adoption weder ein gerechtfertigten Anliegen im Sinn des § 180a Abs 1 Satz 3 ABGB erkannt werden, noch erscheine diese Adoption mit den aus den Bestimmungen der §§ 179 ff ABGB ableitbaren Zielsetzungen vereinbar, mit welchen durch die Adoption nicht nur die leibliche, sondern auch die eheliche Abstammung fingiert werde.

Des weiteren sei zu beachten, dass Gegenstand der zu treffenden gerichtlichen Entscheidung die Bewilligung des Adoptionsvertrages, so wie dieser vorliege, bzw die Versagung dieser Bewilligung sei. Eine Teilentscheidung über die Zulässigkeit der Adoption bezüglich eines von zwei anzunehmenden Ehegatten sei im Gesetz nicht vorgesehen. Es könne nicht derselbe Adoptionsvertrag in Ansehung eines Wahlelternteiles bewilligt, in Ansehung des anderen aber dessen Genehmigung versagt werden, weil der Adoptionsvertrag, der die Adoption durch einen Wahlelternteil vorsehe, etwas anderes als jener sei, mit dem - wie hier - die Ehegatten gemeinsam ein Kind annehmen. Daher wäre im vorliegenden Fall eine teilweise Bewilligung, nämlich allein in Ansehung der Wahlmutter, gesetzwidrig.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zuzulassen gewesen, weil zur Fragestellung eines Adoptionsvertrages zwischen Geschwistern nur eine höchstgerichtliche Entscheidung (5 Ob 332/60 = RIS-Justiz RS0087808) vorliege, in welcher in der Bestätigung eines derartigen Adoptionsvertrages lediglich "keine offenbare Gesetzwidrigkeit" im Sinne der damaligen Fassung des § 16 AußStrG erkannt worden sei.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Adoptionsvertrag genehmigt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen im Wesentlichen geltend, zwischen dem Wahlkind und der Wahlmutter bestehe kein Geschwisterverhältnis; ein solches sei aber auch dem Eltern-Kind-Verhältnis nicht gleichzusetzen, welches in vielen rechtlichen Belangen anders gelagert sei.

Hiezu wurde erwogen:

Den Rechtsmittelwerbern ist zuzugeben, dass das Gesetz eine Adoption unter Verwandten nicht ausdrücklich ausschließt; unzulässig wäre die Adoption nur dann, wenn die durch die Adoption angestrebte Rechtsstellung des Kindes ohnehin schon besteht (Schwimann in Schwimann, ABGB2 § 179 Rz 8 mwN). Die hier beabsichtigte Adoption zwischen Geschwistern bzw Schwägern ist daher nicht schon wegen dieses Verhältnisses unzulässig (vgl 5 Ob 332/60; Wentzel/Plessl in Klang I/22 261 FN 37). Eine solche Konstellation mag ungewöhnlich erscheinen, die Adoption wäre aber dennoch zu bewilligen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 179 ff ABGB vorliegen.

Hiezu zählt gemäß § 180a Abs 1 Satz 3 ABGB bei der Erwachsenenadoption, dass ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkindes vorliegen muss. Dieses Erfordernis soll der erhöhten Missbrauchsgefahr bei der Erwachsenenadoption begegnen (RIS-Justiz RS0048764, zuletzt 5 Ob 7/03w). Wegen der erhöhten Missbrauchsgefahr ist hiebei ein strenger Maßstab anzulegen.

Hievon ausgehend ist im vorliegenden Fall, der auch den Beispielsfällen der Gesetzesmaterialien nicht gleichgelagert ist (vgl Schwimann aaO § 180a Rz 4), kein gerechtfertigtes Anliegen im Sinne der zitierten Gesetzesstelle zu erkennen. Die Wahleltern könnten die bisherige finanzielle Unterstützung ihres Bruders bzw Schwagers - auch für Zwecke seiner Berufsausbildung - auch ohne Adoption fortsetzen. Was den Ort der Berufsausbildung anlangt, so hält sich das erwachsene Wahlkind ohnehin bereits in Österreich an einer eigenen Wiener Adresse auf. Sollte freilich die Umgehung fremdenrechtlicher Bestimmungen beabsichtigt sein, würde dies kein gerechtfertigtes Interesse an der Adoption darstellen (vgl RIS-Justiz RS0116687).

Die Vorinstanzen haben eine Adoptionsbewilligung somit im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weshalb dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

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