OGH 6Ob272/03y

OGH6Ob272/03y27.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Inge Z*****, vertreten durch Dr. Walter Poschinger und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei K***** AG, *****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 13.085,54 EUR und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 7. Juli 2003, GZ 2 R 85/03t‑35, mit dem das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 18. April 2003, GZ 21 Cg 97/02k‑27, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2004:0060OB00272.03Y.0527.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit insgesamt 3.002,42 EUR (darin enthalten 323,57 EUR USt und 1.061 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs‑ und des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Klägerin kaufte bei der Beklagten im März 2001 ein Fahrrad der Marke Endless, Typ City 26, das mit 26‑Zoll Reifen und einer Drehgriffschaltung ("Grip‑Shift‑Schaltung") für 21‑Gänge ausgerüstet war. Das Fahrrad war nach dem Kauf von der Beklagten zusammengebaut und fertig montiert worden. Am 30. 7. 2001 kam die Klägerin mit diesem Fahrrad beim Bergauffahren zu Sturz und brach sich den linken Oberarm.

Sie begehrte ein Schmerzengeld von 10.000 EUR, einen Verdienstentgang von 3.085,84 EUR und die Feststellung der Haftung der Beklagten für "sämtliche" aus dem Unfall resultierenden Ansprüche. Ihr Sturz sei darauf zurückzuführen, dass die Fahrradkette vom Zahnkranz herausgesprungen sei, als sie auf der immer steiler werdenden Straße von der Sitzposition aufgestanden sei und stehend in die Pedale getreten habe. Die Gangschaltung sei bereits bei der Übergabe des Fahrrades mangelhaft gewesen. Ein Bedienungsfehler sei nicht vorgelegen. Aber selbst bei einem falschen Schaltmanöver hätte die Kette nicht herausspringen dürfen. Die Klägerin sei nicht eingeschult und über die Bedienung der Schaltung, insbesondere unter Belastung, nicht aufgeklärt worden. Sie sei auch nicht auf die Notwendigkeit eines Services oder der Überprüfung der Einstellung der Schaltung hingewiesen worden. Eine schriftliche Bedienungsanleitung sei ihr nicht ausgefolgt worden. Die Beklagte habe die Klägerin nicht davor gewarnt, dass es zu einem Überschalten und Abspringen der Kette kommen könne. Die Beklagte habe daher ihre nebenvertraglichen Sorgfalts‑ und Aufklärungspflichten verletzt. Sie hafte zudem nach dem PHG als Scheinhersteller, weil der tatsächliche Hersteller nicht erkennbar gewesen sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Fahrrad habe keine technischen Mängel aufgewiesen. Die Mindeststandards für Fahrräder dieser günstigen Preisklasse seien eingehalten worden. Das Abspringen der Kette sei auf einen Bedienungsfehler der Klägerin zurückzuführen. Die Klägerin sei bei einer Probefahrt ausreichend über die Funktion der Schaltung aufgeklärt worden. Sie sei darauf hingewiesen worden, dass etwa einen Monat nach dem Fahrradkauf ein Service zur Nachjustierung einzelner Fahrradelemente vorzunehmen sei. Es entspreche dem Wissen eines durchschnittlichen Radfahrers, dass bei extremen Schaltmanövern unter hoher Trittbelastung mit einem Abspringen der Kette zu rechnen sei. Ein Instruktionsfehler liege nicht vor. Die Beklagte bestritt weiters das Zahlungsbegehren auch der Höhe nach und das Feststellungsbegehren deshalb, weil keine Dauerschäden vorlägen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging vom folgenden Sachverhalt aus:

Vor dem Kauf des Fahrrades fuhr die Klägerin mit einem Rad derselben Type zwei Längen auf dem Dachboden des Verkaufsgebäudes der Beklagten. Ein Mitarbeiter der Beklagten erklärte und demonstrierte die Funktionsweise und die Bedienung der Drehgriffschaltung. Die Klägerin wurde nicht darüber informiert, dass bei einem Fahrrad mit Drehgriffschaltung ein Abspringen der Kette bei bestimmten Betriebsbedingungen selbst bei intakter Schaltung möglich ist. Die Klägerin stufte sich selbst als langjährige und erfahrene Radfahrerin ein. Vor dem Unfall fuhr sie mit sowohl auf dem vorderen Zahnkranz als auch dem hinteren Ritzel eingeschaltetem ersten Gang. Ungefähr in der Mitte des ansteigenden Straßenteiles stand sie in den Pedalen auf. Daraufhin sprang die Kette von den vorderen Zahnkränzen. Es ist auszuschließen, dass beim Bergauffahren im ersten Gang die Kette abfällt. Ohne Durchführung eines Schaltvorganges an den Zahnkränzen vorne oder einen Abriss der Kette kann ein Abspringen während der Fahrt sowohl in sitzendem als auch in stehendem Zustand ausgeschlossen werden. Wenn der Radfahrer jedoch aus der sitzenden Tretposition in den Stand wechselt und dabei den linken Drehgriff nach oben durchdreht, ist konstruktionsbedingt ein "Überschalten" des mittleren Zahnkranzes möglich, wodurch es auch bei einer intakten und einwandfrei funktionierenden Schaltung zu einem Abspringen der Kette kommen kann. Beim Aufstehen aus der Sitzposition kommt es zwangsläufig durch das Strecken des Körpers zur Drehung der Hände auf den Lenkergriffen, wodurch es unabsichtlich zu einer Betätigung der Schaltung kommen kann. Ein Wartungsmangel oder ein Mangel in der Einstellung der Schaltung am Fahrrad konnte nicht festgestellt werden. Es war ein problemloses Schalten sämtlicher Gänge möglich. Das Fahrrad befand sich zum Unfallszeitpunkt in einem technisch einwandfreien Zustand. Die Klägerin war mit der Handhabung einer Drehgriffschaltung nicht vertraut. Hätte die Klägerin die Schaltung beim Aufstehen nicht betätigt, wäre die Kette nicht abgesprungen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass der Mitarbeiter der Beklagten, der die erfolgreiche Testfahrt der Klägerin gesehen habe, darauf vertrauen habe dürfen, dass die Klägerin - wie sie sich selbst eingestuft habe - eine langjährige und erfahrene Radfahrerin sei, weshalb eine längere Einweisung in die Funktionsweise einer Schaltung und detailliertere Aufklärung unterbleiben habe können.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt 20.000,‑ ‑ EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Da das Fahrrad, insbesondere dessen Drehgriffschaltung, durchaus gefährlich gewesen sei, weil es trotz intakter Schaltung zu einem Abspringen der Kette kommen habe können, habe ein vertraglicher Anspruch der Klägerin auf einen entsprechenden Gefahrenhinweis bestanden. Der Mitarbeiter der Beklagten habe entgegen der Auffassung des Erstgerichtes nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin diese Gefahr kennen werde. Selbst bei Verneinung einer Haftung wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten liege jedenfalls ein Instruktionsfehler vor, für den die Beklagte nach dem PHG hafte. Sie habe mit einem Käufer rechnen müssen, der über die Gefahren einer Drehgriffschaltung nicht informiert sei. Die Beklagte sei zwar nicht Scheinhersteller im Sinn des § 3 PHG, es komme aber die subsidiäre Händlerhaftung nach § 1 Abs 2 PHG zum Tragen, weil die Beklagte ihre Pflicht zur Benennung des Herstellers (Importeurs) verletzt habe. Obwohl die Klägerin ihre Ansprüche auch auf das PHG gestützt und vorgebracht habe, dass der Hersteller für sie nicht erkennbar gewesen sei, habe die Beklagte den Hersteller oder Importeur nicht genannt. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht den Widerspruch in seinen Feststellungen zu beseitigen haben, nämlich dass es nicht möglich sei, vom ersten Gang (kleinster Zahnkranz vorne) durch ein Durchdrehen des Drehgriffs nach oben vom größten auf den kleinsten Zahnkranz zu schalten und den mittleren Zahnkranz zu überspringen. Weiters seien zur Prüfung der Kausalität noch Feststellungen nachzutragen. Sollte die Kausalität der mangelnden Instruktion für den Unfall zu bejahen sein, seien auch Feststellungen zum Schadenseintritt und zu dessen Ausmaß zu treffen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil eine Rechtsprechung zu einem "wirklich vergleichbaren Sachverhalt" fehle und die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage uneinheitlich sei, ob die Frist für die Benennung des Herstellers (Importeurs) erst ab einer zu fordernden Aufforderung zu laufen beginne.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Zunächst ist der in der Rekursbeantwortung der Klägerin deponierten Ansicht, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof schon deshalb unzulässig sei, weil der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000,‑ ‑ EUR nicht übersteige, zu erwidern, dass der Oberste Gerichtshof an die Bewertung des Streitgegenstandes auch bei einem aufhebenden Beschluss des Berufungsgerichtes gebunden ist (3 Ob 251/00h). Den Bewertungsausspruch des Berufungsgerichtes kann der Oberste Gerichtshof nur dahin überprüfen, ob zwingende Bewertungsvorschriften verletzt wurden, etwa wenn der Entscheidungsgegenstand ausschließlich in Geld besteht (RIS‑Justiz RS0042450). Dies ist hier aber infolge des ebenfalls erhobenen, von der Klägerin (entgegen § 56 Abs 1 JN) bisher nicht bewerteten Feststellungsbegehrens nicht der Fall. In ihrer Rekursbeantwortung behauptet sie, dass vergleichbare Feststellungsbegehren meist im Bereich von 3.000,‑- bis 5.000 EUR bewertet würden. Selbst wenn sie eine solche Bewertung vorgenommen hätte, wäre das Berufungsgericht bei seinem Bewertungsausspruch nicht daran gebunden gewesen (RIS‑Justiz RS0043252).

Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist nach nunmehr gesicherter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bereits beantwortet: Es ist nicht notwendig, dass der Geschädigte den Händler zur Bekanntgabe des Herstellers (Importeurs, Vorlieferanten) besonders auffordert. Die "angemessene" Frist des § 1 Abs 2 PHG zu dessen Nennung beginnt vielmehr auch mit der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Lieferanten, falls dieser daraus erkennen kann, dass der Geschädigte Ersatzansprüche (auch) nach dem PHG stellt (SZ 68/33; SZ 69/17; SZ 72/141; Rabl, Der Beginn der Frist für die Bekanntgabe des Herstellers nach § 1 Abs 2 PHG, ecolex 1998, 758; Filzmoser, Wann beginnt die Frist zur Benennung des Herstellers, Importeurs oder Vorlieferanten iSd § 1 Abs 2 PHG? RdW 1998, 118). Die in der Entscheidung 2 Ob 345/97t, vertretene Ansicht, die Frist beginne erst ab einer vom Geschädigten zu fordernden Aufforderung zu laufen, ist vereinzelt geblieben und wurde in der Entscheidung 2 Ob 240/99d (SZ 72/141) nicht aufrecht gehalten. Zudem hat die Beklagte gar nicht eingewendet, für Ansprüche nach dem PHG nicht passiv legitimiert zu sein, weil sie nicht der Importeur des (nach dem Sachverständigengutachten in Vietnam erzeugten) Fahrrades gewesen sei. Ob die Beklagte das offenbar im außereuropäischen Ausland hergestellte Fahrrad selbst importiert oder die Benennungspflicht des § 1 Abs 2 PHG verletzt hat, ist hier aber nicht entscheidend. Das Berufungsgericht hat vielmehr auf Grund nicht zu billigender Rechtsansicht die Verletzung von vertraglichen Aufklärungspflichten und einen haftungsbegründenden Instruktionsfehler im Sinn des § 5 PHG bejaht. Die Revision ist daher aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zulässig (RIS‑Justiz RS0042769).

Im Rechtsmittelverfahren ist nur mehr strittig, ob die Beklagte (oder allenfalls der Hersteller oder Importeur, für den sie mangels Nennung nach § 1 Abs 2 PHG haftet) Warn‑ und Instruktionspflichten verletzt hat. Aus den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes ergibt sich, dass das Fahrrad einschließlich der Einstellung der Schaltung mängelfrei war und dem technischen Standard entsprach. Die Beweisrüge der Klägerin, die statt dessen die Feststellung begehrte, dass insoweit ein Mangel am Fahrrad bestanden habe, als die Begrenzungseinsteller der Schaltung nicht in Ordnung justiert gewesen seien, beurteilte das Berufungsgericht im Hinblick auf das unbedenkliche Sachverständigengutachten als nicht berechtigt. Es lag weder ein Konstruktions‑ noch ein Produktionsfehler vor (zu diesen Begriffen SZ 70/61; RS0107606). Die Feststellung des Erstgerichtes, dass das Herausspringen der Kette vom vorderen Zahnkranz nur dadurch hervorgerufen werden konnte, dass die Klägerin beim Bergauffahren aufstand und nun stehend in die Pedale trat und zugleich die Schaltung des vorderen Zahnkranzes betätigte, blieb unbekämpft. Die Klägerin geht jetzt selbst davon aus, dass sie in einem Zug von dem größten auf den kleinsten vorderen Zahnkranz schaltete. Im Übrigen ist für die rechtliche Beurteilung nicht entscheidend, ob die Kette beim Schalten vom kleinsten auf den größten oder vom größten auf den kleinsten Zahnkranz absprang. Die vom Berufungsgericht aufgezeigte Widersprüchlichkeit der diesbezüglichen Feststellung des Erstgerichtes (Fahren im ersten Gang und irrtümliches Drehen der Schaltung nach "oben", also Schalten von einem höheren auf einen niedrigeren Gang), ist daher zu vernachlässigen.

Bei der Verletzung der Instruktionspflicht macht die unzureichende Darbietung das Produkt im Sinn des § 5 PHG fehlerhaft (SZ 70/61 ua). Der Hersteller (Importeur,Händler) hat den Benützer auf gefährliche Eigenschaften des Produkts hinzuweisen und unter Umständen sogar vor widmungswidrigem Gebrauch zu warnen (SZ 65/149; SZ 67/105; 7 Ob 245/02h mwN). Die Pflicht zur Warnung vor gefährlichen Eigenschaften des Produkts besteht aber nur bei einem Schutzbedürfnis des Verbrauchers. Ein solches ist nur dann gegeben, wenn der Hersteller (Importeur, Händler) damit rechnen muss, dass ein Produkt in die Hände von Personen gerät, die mit den Produktgefahren nicht vertraut sind (SZ 65/149; 7 Ob 245/02h mwN). Beurteilungsmaßstab ist dabei der Idealtypus des durchschnittlichen Produktbenützers (SZ 67/105). Inhalt und Umfang der Instruktionen sind nach der am wenigsten informierten und damit gefährdetsten Benutzergruppe auszurichten (SZ 74/62). Was im Bereich allgemeiner Erfahrung der in Betracht kommenden Abnehmer und Benützer liegt, braucht nicht zum Inhalt einer Warnung gemacht zu werden (SZ 73/151; RIS‑Justiz RS0071543). Die nach § 5 PHG maßgebenden Sicherheitserwartungen sind nur berechtigt, wenn der Benutzer den Anforderungen an seine Eigenverantwortung gerecht wird, spricht doch § 5 Abs 1 Z 2 PHG vom Gebrauch des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann (SZ 70/61 ua).

In Anwendung dieser Grundsätze ist hier eine Verletzung der Instruktionspflicht zu verneinen. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass sie das Radfahren beherrschte. Davon konnte sich auch der Mitarbeiter der Beklagten überzeugen, als sie die Probefahrt absolvierte. Die Beklagte durfte darauf vertrauen, dass ein einigermaßen geübter Radfahrer die Einsichtsfähigkeit in einfachste technische Vorgänge, die beim Radfahren vor sich gehen, besitzt. Die Kenntnis, dass die beim Treten der Pedale aufgewendete Kraft durch eine Kette auf das hintere Rad übertragen wird und über den vorderen Zahnkranz läuft, ist selbst von einem technisch völlig desinteressierten Fahrradbenützer zu erwarten. Für jemanden, der bereits einmal Besitzer eines Fahrrades war und schon bisher Rad gefahren ist, ist es offenkundig und ohne technische Vorbildung einsichtig, dass die Kette und die mit ihr verbundenen Antriebsteile selbst bei normalem Betrieb, vor allem aber bei außergewöhnlicher Belastung ihre Position und ihre Ausdehnung verändern können und bei abrupten Krafteinwirkungen damit zu rechnen ist, dass die Kette aus dem Zahnkranz springen kann. Auch bei Rädern mit einer 3‑Gangschaltung muss dem Radfahrer auffallen, dass ein Schaltmanöver beim Bergauffahren die Kette und die Schaltelemente einer großen Belastung aussetzt und dass das Überspringen eines Zahnkranzes beim Betätigen der Schaltung in einer derartigen Extremsituation problematisch ist. Ob der Käufer eines Mountainbikes oder vergleichbaren, für das Fahren im freien Gelände konstruierten Fahrrades darauf vertrauen darf, dass die Kette und die Schaltelemente derartigen Schaltvorgängen standhalten, kann dahingestellt bleiben. Denn es ergibt sich hier schon aus der Typenbezeichnung, dass die Klägerin ein sogenanntes Citybike erwarb, also ein Fahrrad, das erkennbar nicht für das Bergauffahren im freien Gelände, das unter Umständen derartige Schaltmanöver erforderlich machen könnte, konstruiert war. Art und Ausmaß der Aufklärungspflicht richten sich neben dem vorauszusetzenden Wissensstand auch nach der Beschaffenheit und Funktionsweise des Kaufgegenstandes (RIS‑Justiz RS0048335). Die berechtigte Sicherheitserwartung ist hier nicht auf den Erwartungshorizont eines produktspezifischen Verbrauchers - wie etwa beim Mountainbike (vgl 10 Ob 399/97t) -, sondern auf jene eines durchschnittlichen Radfahrers abzustellen, der ein bequemes Fahren auf befestigten Straßen bevorzugt. Ignoriert der Erwerber eines Fahrrades, dessen Schaltung erkennbar auf die Bedürfnisse eines durchschnittlichen Radfahrers ausgerichtet ist, die Grenzen, die der Belastbarkeit einer solchen Fahrradschaltung gesetzt sind, wird er im Sinn der aufgezeigten Rechtsprechung zu § 5 PHG seiner Eigenverantwortung nicht gerecht.

Der Beklagten kann daher (unabhängig davon, ob die Klägerin das Rad in einem "Selbstbedienungsmarkt" kaufte, wie die Beklagte nun unzulässigerweise als Neuerung vorbringt) weder die Verletzung einer Instruktionspflicht im Sinn des PHG noch die Verletzung einer Warnpflicht als vertragliche Nebenpflicht, an die hier keine strengeren Anforderungen zu stellen sind, vorgeworfen werden.

Da die Streitsache zur Entscheidung reif ist, ohne dass es der vom Berufungsgericht aufgetragenen ergänzenden Feststellungen bedarf, kann der Oberste Gerichtshof gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO über den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss in der Sache selbst entscheiden. Das das Klagebegehren abweisende Urteil des Erstgerichtes ist somit wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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