OGH 10Ob399/97t

OGH10Ob399/97t28.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer, Dr.Danzl und Dr.Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ekkehard D*****, Physiotherapeut, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Junghuber, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei T***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Hoyer, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 42.000 sA und Feststellung (S 10.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 26.Mai 1997, GZ 21 R 152/97w‑28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 21.Jänner 1997, GZ 5 C 1876/94i‑20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1998:0100OB00399.97T.0428.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 811.84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Kläger begehrte unter ausdrücklicher Berufung auf den Titel der Produkthaftung von der beklagten Partei zuletzt die Zahlung von S 67.000 sA, und zwar S 40.000 als Schmerzengeld, S 2.000 für Rücktransport aus dem Krankenhaus und andere Spesen sowie S 25.000 an entgangenem Preis‑ und Sponsorgeld sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für zukünftige Schäden aus dem Vorfall vom 12.9.1993. Er habe im April 1993 einen von der beklagten Partei erzeugten, speziell für den Wettkampfsport hergestellten und ihm als besonders leicht empfohlenen Radlenker erworben. Am 12.9.1993 habe er bei dem Mountainbike‑Rennen "Dolomitenmann" in Lienz teilgenommen. Kurz vor dem Ende des Rennens sei er an sicherer zweiter Stelle liegend zu Sturz gekommen, da der Lenker gebrochen sei, was auf eine fehlerhafte Bauart bzw Verwendung ungeeigneter Materialien zurückzuführen sei. Ein für den Wettkampfsport hergestellter Lenker müsse sowohl die damit zusammenhängenden Erschütterungen als auch Stürze problemlos aushalten. Sollte allein die Muskelkraft ausreichen, um eine Quetschung des Lenkerrohres herbeizuführen, wäre der Lenker für die geplante Verwendung völlig untauglich und die beklagte Partei hätte auf einen eingeschränkten Verwendungszweck ausdrücklich hinweisen müssen. Nachdem es in weiteren fünf Fällen ebenfalls zu einem Schaden am Lenker aufgrund eines Materialfehlers gekommen sei, habe die beklagte Partei dieses Produkt aus ihrem Programm genommen. Der Geschäftsführer der beklagten Partei habe dem Kläger gegenüber zugegeben, daß diese Art Lenker zu schwach konstruiert worden wäre.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Lenkerrohr sei im Zeitpunkt der Auslieferung nicht fehlerhaft gewesen, da es ausreichend dimensioniert und den üblichen Belastungen gewachsen sei. Der Bruch sei vielmehr auf einen Fehler des Klägers bei der Montage zurückzuführen, indem er die Vorbauschrauben zu stark angezogen und dadurch das Lenkerrohr gequetscht habe. Die Ansprüche seien auch überhöht, weil sich der Kläger lediglich in ambulanter Behandlung befunden habe. Das Feststellungsbegehren sei nicht gerechtfertigt und könnte sich allenfalls auch nur auf Haftungen aus dem Produkthaftungsgesetz beziehen; im übrigen sei entgangener Gewinn nicht ersatzfähig.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger S 42.000 sA zu zahlen; weiters stellte es fest, daß die beklagte Partei dem Kläger für künftige Schäden aus dem gegenständlichen Vorfall hafte. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 25.000 sA wurde (rechtskräftig) abgewiesen.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger, von Beruf Radrennfahrer, erwarb im April 1993 bei der Firma R*****in Salzburg einen Mountainbike‑Lenker, den die beklagte Partei bei einem Lohnfertigungsbetrieb nach ihren Skizzen und Plänen fertigen ließ. Die Rohrwandstärke dieses Lenkers betrug zwischen 0,87 und 0,93 mm und bestand aus einer hochfesten Aluminiumlegierung, die den Vorteil eines geringen Gewichtes aufwies, jedoch den Nachteil hatte, daß das Material weitgehend ohne Verformung bricht. Der Lenker wurde auf der Grundlage der DIN 79100 (gültig für Fahrräder, die der Straßenverkehrszulassungsordnung unterliegen und im öffentlichen Verkehr benutzt werden dürfen) hergestellt; die Belastungswerte lagen jedoch über den in DIN 79100 und 79105 (gültig für BMX‑Fahrräder, die außerhalb öffentlicher Straßen benützt werden) vorgeschriebenen Werten. Ein Hinweis, daß dieser Lenker besonders für den Wettkampfsport geeignet sei oder nicht und eine Montageanleitung in Form einer Gebrauchsanweisung lag dem Lenker nicht bei. Er wurde zwar nicht ausdrücklich für den Rennsport, sondern nur als Leichtmodell beworben, jedoch war der beklagten Partei bekannt, daß die österreichische Montainbike‑Spitze diesen Lenker für Rennen benutzte. In der Ausgabe 6/93 der Zeitschrift "Bike" wurde ein Testergebnis veröffentlicht. Dabei hatte sich gezeigt, daß der aus dem Produktionsprogramm der beklagten Partei stammende Lenker beim zweiten Abschnitt schon vor Erreichen der Testhalbzeit brach; er wurde im Testbericht mit dem Hinweis "zu dünnwandig und zu sprödes Material" beurteilt. Nachdem der beklagten Partei dieses Testergebnis bekannt geworden war, ließ sie vom selben Institut einen eigenen Test bezüglich ihrer Lenker durchführen, wobei der Lenker wieder beim wechselseitigen Dauerbelastungstest brach. Daraufhin stellte die beklagte Partei die Produktion dieses Lenkers ein und erhöhte die Wandstärke auf 1,2 mm. Weiters instruierte sie die von ihr belieferten Fahrradgeschäfte und den Außendienst dahin, daß sie diese Lenker gegen die neueren verstärkten kostenlos austauschen werde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie 2.565 Lenker dieser Art verkauft. Im Juli oder August 1993 erfuhr die beklagte Partei von dem Bruch eines Lenkers ihres Prdouktionsprogrammes bei einem Kärntner Radrennfahrer. Eine generelle Rückrufaktion wurde trotz Kenntnis des Testergebnisses und dieses Bruches nicht veranlaßt. Der Kläger erfuhr von dem oben genannten Unfall im Juli 1993, weshalb er seinen (identischen) Lenker zur Überprüfung abmontierte; er konnte jedoch keinen Fehler feststellen und verwendete den Lenker daher weiter. Am 12.9.1993 nahm er, nachdem er bereits 15 Rennen mit dem gegenständlichen Lenker bestritten hatte, am Mountainbike‑Rennen "Dolomitenmann" in Lienz teil. Etwa fünf Minuten vor dem Ende des Rennens kam er an zweiter Stelle liegend und mit Chancen auf den Sieg zu Sturz, weil der Lenker brach. Der Bruch ist nicht auf eine fehlerhafte Montage bzw auf die von der Montage durch den Kläger stammende Delle im Bereich der Einspannstelle zum Lenkervorbau zurückzuführen, sondern auf die extreme, über den Normen für BMX‑Räder liegende Belastung im Wettkampfsport, verbunden mit ungünstigen Rahmenbedingungen an der Befestigungsstelle des Lenkerrohres.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht eine Haftung der beklagten Partei nach dem Produkthaftungsgesetz, weil ihr der Fehler ihres Produkts nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrsetzens noch nicht als solcher erkennbar gewesen sei, vor allem weil es zu diesem Zeitpunkt noch keine gültige Norm für Montainbike‑Lenker gegeben habe. Es gelangte jedoch aufgrund allgemeiner schadenersatzrechtlicher Überlegungen zu einer Verschuldenshaftung der beklagten Partei, weil sie ihre sich aus vertraglichen Pflichten und dem Ingerenzprinzip ergebende Produktbeobachtungspflicht verletzt habe. Konkret machte es der beklagten Partei zum Vorwurf, sie habe es trotz des ihr bekannten Bruches eines Lenkers bei einem Kärntner Radrennfahrer und des Testergebnisses der oben genannten Zeitschrift, bei dem ihre Lenker aus 24 Testprodukten bei weitem am schlechtesten abschnitten und schon am Anfang des Testes zu Bruch gingen, unterlassen, die gefährdeten Letztabnehmer ihrer gefahrenträchtigen Lenker in geeigneter Weise zu warnen, insbesondere zB öffentlich in Medien zurückzurufen. Demnach habe der Kläger gemäß §§ 1295 und 1325 ABGB Anspruch auf ein Schmerzengeld von S 40.000 und auf Ersatz der Pauschalunkosten von S 2.000. Das Mehrbegehren von S 25.000 sei als nicht ersatzfähiger entgangener Gewinn abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Nach § 1 Abs 1 Z 1 Produkthaftungsgesetz (PHG) hafte der Hersteller für den Ersatz des Schadens, wenn durch den Fehler eines Produkts ein Mensch getötet, am Körper verletzt oder an seiner Gesundheit geschädigt oder eine von dem Produkt verschiedene körperliche Sache beschädigt werde. Nach § 5 Abs 1 PHG sei ein Produkt fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit biete, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt sei, besonders angesichts der Darbietung des Produkts, des Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden könne, und des Zeitpunkts, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht worden sei. Nach § 8 PHG könne die Haftung nicht durch den Mangel eines Verschuldens, sondern unter anderem nur durch den Nachweis ausgeschlossen werden, daß die Eigenschaften des Produkts nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt, zu dem es der in Anspruch Genommene in Verkehr gebracht habe, nicht als Fehler erkannt werden konnten. Das PHG normiere demnach eine verschuldensunabhängige deliktische Haftung des Herstellers für die seinem Produkt zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens anhaftenden Konstruktions‑, Produktions‑ oder Instruktionsfehler. Bei den Konstruktionsfehlern sei die Enttäuschung der Sicherheitserwartung im technischen Konzept begründet. Beim Produktionsfehler entspreche zwar das Konzept und das danach hergestellte Produkt den Erwartungen, nicht aber einzelne Stücke, weil der Produktionsprozeß nicht normgerecht gewesen sei. Beim Instruktionsfehler mache nur die unzureichende Darbietung das Produkt fehlerhaft. Nach den Feststellungen komme ein Produktionsfehler nicht in Betracht, da eine Abweichung einzelner Stücke von anderen nicht hervorgekommen sei, es sich beim gegenständlichen Lenker sohin nicht um einen sogenannten Ausreißer gehandelt habe. Ob einem Produkt ein Konstruktions‑ bzw Instruktionsfehler anhafte, sei nach den berechtigten Sicherheitserwartungen der Produktbenützer zu beurteilen, wobei als Beurteilungsmaßstab im allgemeinen der Idealtypus des durchschnittlichen Produktbenützers heranzuziehen sei. Die Grenze des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden könne, sei nach der Verkehrsauffassung und mit einem objektiven Maßstab normativ zu bestimmen, wobei vollkommen zweckentfremdeter Gebrauch und absichtlicher Mißbrauch grundsätzlich nicht einkalkuliert werden müßten. Ein Produkt sei daher jedenfalls dann fehlerhaft, wenn es nicht einmal für jenen Gebrauch die erforderliche Sicherheit biete, der im Rahmen der Zweckwidmung des Erzeugers liege. Für unvorhersehbare oder geradezu absurde Gebrauchsarten habe der Hersteller hingegen nicht einzustehen, so daß es in erster Linie darauf ankomme, ob das Verbraucherverhalten für den Hersteller konkret vorhersehbar gewesen sei. Soweit auf die berechtigten Sicherheitserwartungen des durchschnittlichen Benützers abgestellt werde, müsse das Produkt von seiner Konstruktion her im Rahmen des vorhersehbaren nicht unvernünftigten Gebrauchs unschädlich, also sicher sein und es dürfe nur außerhalb dieses Rahmens, also etwa bei Extrembelastungen, schädliche Eigenschaften entwickeln. Entscheidend sei somit der Erwartungshorizont von produktspezifischen Benützern. Auch wenn der gegenständliche Mountainbike‑Lenker nur in Wettkampfsituationen, nicht jedoch in Alltagssituationen versage, könne nicht allein der zwar zahlenmäßig überlegene Personenkreis der Hobby‑Sportler Grundlage der erwartbaren Sicherheit sein, zumal sich das wirtschaftliche Interesse des Produzenten von Leichtmetall‑Lenkern unzweifelhaft gerade auf die Exponenten des Mountainbike‑Sports beziehe, sei doch dieser Personenkreis aufgrund des überwiegenden Nachahmungseffektes der werbemäßig attraktivste und empfänglichste für Neuentwicklungen. Bei dem gegenständlichen Mountainbike‑Lenker handle es sich um eine Zusatzausrüstung; mit einem Austausch des Lenkers sei zwangsläufig auch eine Neumontage der am Lenker angebrachten Fahrradeinrichtungen verbunden, welche Tätigkeit entsprechende Fachkenntnis voraussetze, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt ein besonderes Interesse von gewöhnlichen Hobby‑Sportlern an einem derartigen Produkt realistischerweise nicht angenommen werden könne. Mit Rücksicht auf die Eigenart des Produktes müßten daher auch Mountainbike‑Spitzensportler als Subjekt der Sicherheitserwartungen angesehen werden. Das vorliegende Produkt entspreche daher nicht dem Gebrauch, mit dem billigerweise gerechnet werden könne, zumal die Verwendung des Lenkers bei Mountainbike‑Rennen keineswegs als unvorhersehbare bzw zweckentfremdete Benützung zu werten sei und der Lenker angesichts seiner Dimensionierung und metallurgischen Eigenschaften den extremen Belastungen im Wettkampfsport nur in einem sehr eingeschränkten Umfang standzuhalten vermöge. Gelinge es dem Hersteller aber nicht, sein Produkt für alle denkbaren Verwendungszwecke und für alle möglichen Benutzergefahren fehlerfrei zu gestalten, werde der offengebliebene Gefahrenbereich durch die Verpflichtung zur Information und Warnung des Konsumenten abgedeckt. Bei Produkten, die in besonderen Teilbereichen ihrer dem Hersteller bekannten Verwendung zu einer Schädigung führen können, sei dieser verpflichtet, entweder vor dem Einsatz dieses Mittels auf diesem Gebiet überhaupt zu warnen oder auf die nur beschränkte Eignung unter Angabe von notwendigen Vorsichtsmaßnahmen hinzuweisen. Für das Bestehen einer Warnpflicht sei das Schutzbedürfnis des Verbrauchers entscheidend. Diese Schutzwürdigkeit sei nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß er selbst sachkundig sei. Eine Warnpflicht bestehe nur dann nicht, wenn die mit dem Gebrauch des Produkts verbundenen Gefahren dem sachkundigen Verbraucher ohnedies offenkundig seien, wenn also die in einem spezifischen Teilbereich drohenden Gefahren zum selbstverständlichen Wissensstand eines sachkundigen Benützers gehörten. Kenntnisse über die Festigkeit bzw Belastungstauglichkeit einer Metallegierung eines Fahrradlenkers gehörten keineswegs zum selbstverständlichen Wissensstand eines wenn auch semiprofessionellen Mountainbike‑Sportlers. Da die beklagte Partei ihr Produkt als Leichtmetall‑Lenker beworben und nicht darauf aufmerksam gemacht habe, daß dieser für den Wettkampfsport nur eingeschränkt geeignet sei bzw nicht vor den gefahrbringenden Eigenschaften gewarnt habe, die das Produkt im Wettkampf aufweise, sei vom Vorliegen eines Konstruktions‑ bzw Instruktionsfehlers ihres Produktes auszugehen. Die beklagte Partei könnte sich daher nur dann von der Haftung befreien, wenn sie im Sinne des § 8 Z 2 PHG die Eigenschaften des Produkts nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht als Fehler erkennen hätte können. Die Unmöglichkeit der Entdeckung des Fehlers müsse dabei ganz allgemein sein, so daß es unerheblich sei, daß der Hersteller selbst den Fehler nicht erkannt habe. Für die Frage der Fehlerhaftigkeit des Produktes sei der Geschädigte beweispflichtig, wogegen die Behauptungs‑ und Beweispflicht für die Nichterkennbarkeit eines Fehlers den beklagten Hersteller treffe. Die beklagte Partei habe sich auf diesen Haftungsausschluß aber nicht berufen und dazu auch keinerlei Behauptungen aufgestellt; sie habe dem Klagsvorbringen lediglich entgegengehalten, daß ihr Lenker ausreichend dimensioniert und den üblichen Belastungen gewachsen gewesen sei, der beim Kläger aufgetretene Bruch des Lenkerrohres vielmehr auf einen Montagefehler zurückgeführt werden müsse. Daher erweise sich das Begehren des Klägers schon nach den Haftungsbestimmungen des PHG als begründet.

Das Berufungsgericht sprach schließlich aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu gebe, inwieweit sich Konstruktions‑ bzw Instruktionsfehler aus besonderen Sicherheitserwartungen im Zusammenhang mit der vom Hersteller vorauszusehenden Verwendung seines Produktes im Wettkampfsport und den damit verbundenen besonderen Belastungsanforderungen ergeben könnten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer vollen Abweisung des Klagebegehrens und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird ein Feststellungsmangel geltend gemacht, der der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist. Vermißt wird die Feststellung, daß jener Händler, bei dem der Kläger den gegenständlichen Lenker gekauft habe, gleichzeitig der Trainer des Mountainbike‑Nationalteams und auch Trainer des Klägers gewesen sei. Da die beklagte Partei ein derartiges Vorbringen jedoch in erster Instanz nicht erstattete, handelt es sich dabei um eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung. Daß der Geschäftsführer der beklagten Partei im Rahmen der Parteienvernehmung eine derartige Aussage machte, ist unerheblich, weil ein Vorbringen durch ein Beweismittel nicht ersetzt werden kann (SZ 44/164; SZ 39/8 uva).

Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache führt die Beklagte im wesentlichen aus, ein Produkt, das nicht ausdrücklich für eine Extrembelastung beworben worden sei und dann unter einer solchen Belastung breche, sei nicht fehlerhaft. Dieser Auffassung kann in ihrer Allgemeinheit nicht beigepflichtet werden; der Oberste Gerichtshof teilt vielmehr die ausführlich begründete und überzeugende Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Zu ergänzen ist, daß auch die Argumentation der beklagten Partei, es hätte sich bei der Veranstaltung "Dolomitenmann" nicht um ein Mountainbike‑Rennen im herkömmlichen Sinn, sondern um eine Veranstaltung gehandelt, bei der das Material insbesondere durch spektakuläre Sprünge extremsten Belastungen ausgesetzt werde, ein gegen das Neuerungsverbot verstoßendes Vorbringen darstellt. Auszugehen ist von der den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellung der Tatsacheninstanzen, wonach der beklagten Partei bekannt war, daß die österreichische "Mountainbike‑Spitze" den gegenständlichen Lenker für Rennen benutzte. Es liegt auf der Hand, daß bei jedem professionell durchgeführten Mountainbike‑Rennen ‑ der Kläger ist nach den Feststellungen von Beruf Radrennfahrer ‑ die verwendeten Mountainbikeräder extremsten Belastungen ausgesetzt sind, weil diese typischerweise der Sportart entsprechen. Die nach § 5 PHG maßgebenden Sicherheitserwartungen sind nur dann berechtigt, wenn der Benutzer den Anforderungen an seine Eigenverantwortung gerecht wird, spricht doch § 5 Abs 1 Z 2 PHG vom Gebrauch des Produktes, mit dem billigerweise gerechnet werden könne (4 Ob 87/97s = ecolex 1997, 749). Zu prüfen ist daher, ob das hier geübte Verbraucherverhalten, nämlich den Einsatz des Mountainbike‑Lenkers im Rennsport, für den Hersteller vorhersehbar war. Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, hat der Hersteller für unvorhersehbare oder geradezu absurde Gebrauchsarten nicht einzustehen, wohl aber für ein "sozial übliches Verhalten".

Es ist richtig, daß das gegenständliche Produkt nicht ausdrücklich für Extrembelastungen im Zusammenhang mit dem Radsport beworben wurde, doch war der beklagten Partei bekannt, daß österreichische Mountainbike‑Spitzensportler den gegenständlichen Lenker für Rennen benutzen würden. Weiters ist davon auszugehen, daß es für den Lenker weder eine Montageanleitung in Form einer Gebrauchsanweisung gab noch daß die beklagte Partei auf irgendeine Weise darauf hingewiesen hätte, ob der Lenker besonders für den Wettkampfsport geeignet sei oder nicht. In jedem Wettkampfsport, bei dem die Erreichung von Bestzeiten im Vordergrund steht, kommt es im allgemeinen auf den Einsatz von möglichst leichten Materialien des Sportgerätes an. Daß die beklagte Partei den Lenker daher nicht eigens für den Rennsport produzierte oder bewarb, bedeutet nicht, daß er aus diesen Gründen nicht von Wettkampfsportlern verwendet werden sollte. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, daß nicht nur Hobbysportler, sondern in erster Linie Wettkampfsportler auf solche Produkte greifen würden. Die Feststellungen zeigen auch, daß zahlreiche österreichische Mountainbike‑Spitzensportler derartige Leichtlenker verwendet hatten. Der beklagten Partei mußte daher bewußt sein, daß die berechtigte Sicherheitserwartung nicht nur auf den durchschnittlichen Verbraucher abstellte, sondern daß es diesbezüglich auf den Erwartungshorizont der produktspezifischen Verbraucher, das heißt auch der Wettkampfsportler ankomme. Es wäre daher notwendig gewesen, durch entsprechende Hinweise etwa auf einer Gebrauchs‑ oder Montageanleitung darauf hinzuweisen, daß derartige Lenker überhaupt für den Wettkampfsport untauglich sind oder daß bisher Belastungen, wie sie im Wettkampfsport vorkommen können, nicht erprobt wurden. Die beklagte Partei hat solche Hinweise unterlassen und offenbar in Kauf genommen, daß die von ihr erzeugten Lenker auch von österreichischen Spitzensportlern im Wettkampf verwendet würden. Sie hat auch nicht vorgebracht, daß sie irgendwelche Belastungstests durchgeführt habe und noch im vorliegenden Rechtsstreit den Standpunkt vertreten, daß der Bruch des Lenkers nicht auf einen Materialfehler zurückzuführen sei, sondern einzig und allein auf eine fehlerhafte Montage durch den Kläger. Gelingt es aber einem Hersteller nicht, sein Produkt für alle denkbaren Verwendungszwecke und für alle möglichen Benutzergefahren fehlerfrei zu gestalten, wird der offengebliebene Gefahrenbereich durch die Verpflichtung zur Information und Warnung der jeweiligen Konsumenten abgedeckt. Bei jenen Produkten, deren Verwendung in besonderen Bereichen dem Hersteller bekannt ist, aber von ihm nicht empfohlen werden kann, ist er verpflichtet, entweder vor dem Einsatz dieses Mittels auf dem betreffenden Gebiet überhaupt zu warnen oder auf die nur beschränkte Eignung unter Angabe von notwendigen Vorsichtsmaßnahmen hinzuweisen (vgl EvBl 1993/14; ecolex 1996, 166 ua; Welser, Produkthaftungsgesetz § 5 Rz 28). Der Produzent oder Verkäufer eines an sich fehlerfreien Produktes, dessen Verwendung in spezifischen Teilbereichen zu Schädigungen führen könnte, hat die Nebenverpflichtung zur Anleitung und Aufklärung: Die Haftung für generell abstrakt fehlerfreie Produkte, die in individuell konkreten Teilbereichen der Verwendung zu Schädigungen führen können und somit gefahrenträchtig sind, ist zu bejahen, wenn der Produzent oder Veräußerer mit einer derartigen Verwendung rechnen mußte; dementsprechend ist er zu einer richtigen Bezeichnung der von ihm verkauften Ware verpflichtet (7 Ob 2224/96a; 2 Ob 197/97b; RIS‑Justiz RS0106978).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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