OGH 10ObS72/04t

OGH10ObS72/04t18.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Eva-Maria Florianschütz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann O*****, vertreten durch Dr. Peter Banwinkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Invaliditätspension, im Revisionsverfahren nicht vertreten, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 2003, GZ 12 Rs 84/03i-41, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. April 2003, GZ 8 Cg 12/00y-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit der vorliegenden Klage wendet sich der am 1. 2. 1949 geborene Kläger gegen die mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherung vom 23. 12. 1999 erfolgte Ablehnung seines Antrages, ihm ab 1. 12. 1999 die Invaliditätspension zu gewähren.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Der Kläger habe den Beruf eines Kfz-Schlossers bzw -Mechanikers erlernt, diesen jedoch nur kurz ausgeübt, weil er in den letzten 15 Jahren vor der Antragstellung als angelernter Anlagenmonteur in verschiedenen chemischen Betrieben tätig gewesen sei. Eine Invalidität des Klägers als angelernter Anlagenmonteur sei im Hinblick auf seine Verweisbarkeit (ua) auf die Teiltätigkeit eines Fertigungsprüfers zu verneinen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Dass der Kläger durch seine praktische Tätigkeit in der chemischen Industrie Berufsschutz als angelernter Anlagenmonteur erworben habe, sei im zweiten Rechtsgang nicht mehr strittig. Nach stRsp sei aber einem Versicherten, der überwiegend im erlernten oder angelernten Beruf tätig war, eine Ein- und Nachschulung im Sinn des durch BGBl 1994/314 aufgehobenen § 19 Abs 1 lit b AMFG, nunmehr § 34 Abs 2 AMSG bzw § 9 Abs 1 AlVG, im bisherigen Beruf zuzumuten, wenn er diesen nur mehr in einer spezialisierten Form ausüben könne. Diese neue Form des Berufes müsse eine ausreichende Nahebeziehung zum bisher ausgeübten Beruf aufweisen. Nur wenn durch die Schulung der Bereich des erlernten (angelernten) Berufes verlassen werde, dieser [also] mit dem Beruf, zu dessen Ausübung die Schulung erfolge, in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehe, widerspreche eine Verweisung den Grundsätzen des Berufsschutzes (10 ObS 37/03v mwN).

In einer Reihe von Entscheidungen habe der Oberste Gerichtshof bereits für verschiedene Facharbeiterberufe in der Metallbranche dargelegt, dass durch eine Verweisungstätigkeit als Fertigungsprüfer der Bereich des erlernten Berufes nicht verlassen werde und die geforderte Nahebeziehung bestehe: So sei etwa die Verweisung eines Kfz-Mechanikers (10 ObS 202/01f, 10 ObS 37/03v), eines Maschinenschlossers (10 ObS 56/03p), eines Bauschlossers (10 ObS 421/02p oder eines Schweißers (10 ObS 399/02b) auf die Tätigkeit eines Fertigungsprüfers als zumutbar erachtet worden.

Die hier festgestellte Tätigkeit des Klägers sei insb mit jener des in der Entscheidung 10 ObS 421/02p beurteilten Bauschlossers vergleichbar. Prägendes Merkmal beider Tätigkeiten sei die Montage von Metallteilen unter Anwendung verschiedener Metallbearbeitungstechniken, wobei der Kläger auch Justier- und Nivellierarbeiten unter Zuhilfenahme verschiedener Mess- und Nivellierinstrumente vorzunehmen hatte. Im Hinblick auf die große Ähnlichkeit der Kerntätigkeiten eines Bauschlossers, oder auch des im Verfahren 10 ObS 399/02b behandelten Schlossers, sei auch im Fall des Klägers davon auszugehen, dass durch eine Verweisung auf die Tätigkeit des Fertigungsprüfers der Berufsschutz als Anlagenmonteur nicht verloren gehe.

Dieser Verweisungsberuf stelle keine Anforderungen, die über das Leistungskalkül des Klägers hinausgingen. Er habe die dafür erforderlichen Grundkenntnisse in der Metallurgie, der Metallbe- und -verarbeitung sowie in der Handhabung der entsprechenden Maschinen und Geräte bereits im Rahmen seiner Kfz-Schlosserlehre erworben und diese Kenntnisse während der Ausübung seiner Berufstätigkeit als Anlagenmonteur verwerten und anwenden können. Auch der Umstand, dass die innerbetriebliche Anlernphase für den Kläger lediglich zwei bis drei Monate betrage, spreche dafür, dass der unmittelbare Zusammenhang zwischen den Berufsbildern eines Anlagenmonteurs und eines Fertigungsprüfers jedenfalls nicht schwächer sei, als der zwischen dem Fertigungsprüfer und dem Kfz-Mechaniker, der eine Einschulungsphase von drei bis sechs Monaten (10 ObS 202/01f; 10 ObS 37/03v) benötige. Dem stehe auch nicht die Feststellung entgegen, dass Anlagenmonteure grundsätzlich nicht zu den Quellenberufen des Fertigungsprüfers gehörten, weil die Frage, auf welche [Teil-]Tätigkeiten ein Versicherter verwiesen werden dürfe, eine Rechtsfrage sei [so auch zuletzt: 10 ObS 11/04x mwN].

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob ein (an)gelernter Anlagenmonteur auf die Tätigkeit eines Fertigungsprüfers verwiesen werden kann, nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die (rechtzeitige [vgl RIS-Justiz RS00356524]) Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem - das Revisionsgericht nicht bindenden (§ 508a ZPO) - Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig, weil eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt.

Die Frage, ob Teiltätigkeiten (hier: jene des Fertigungsprüfers) den Berufsschutz (hier: als Anlagenmonteur) erhalten, ist nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes einzelfallbezogen zu prüfen (RIS-Justiz RS0084541 [T7] und RS0084563 [T9] zuletzt: 10 ObS 138/03x und 10 ObS 162/03a). Demgemäß kommt ihr aber - auch wenn ein völlig gleichartiger Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde - keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu (RIS-Justiz RS0107773). Die in leg cit normierte Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Revision wäre hier (weil es sich um eine Abwägung im Einzelfall [RIS-Justiz RS0042405; RS0044088] handelt) erst dann erfüllt, wenn der (Ermessens-)Spielraum derart überschritten wurde, dass eine Korrektur im Interesse der Rechtssicherheit geboten erscheint (10 ObS 138/03x mwN; vgl auch: RIS-Justiz RS0021095 [T3]; RS0113693 [T1]; Kodek in Rechberger² Rz 3 Abs 4 zu § 502 ZPO; zuletzt: 10 Ob 162/03a). Eine derartige außerhalb der Bandbreite gerichtlicher Entscheidungen liegende und daher vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung wird im vorliegenden Rechtsmittel aber nicht einmal behauptet und ist auch nicht zu erkennen:

Wenn die Revision darzulegen versucht, dass hier weder die Nahebeziehung zwischen Kfz-Mechaniker oder Bauschlosser und Fertigungsprüfer analog anzuwenden sei noch der notwendige unmittelbare Zusammenhang zwischen Anlagenmonteur und Fertigungsprüfer bestehe, beruft sie sich dazu letztlich weiterhin nur darauf, dass Anlagenmonteure nicht zu den Quellenberufen des Fertigungsprüfers zählen. Dass bzw weshalb die (gegenteilige) Beurteilung des Berufungsgerichtes im oa Sinne als grob unrichtig zu betrachten wäre, wird nicht aufgezeigt. Mit seinen weiteren Ausführungen bezweifelt der Revisionswerber vielmehr, ob er in diesem Zusammenhang "überhaupt aus gewissen im erlernten Beruf erworbenen Grundkenntnissen und Fähigkeiten im angelernten Beruf als Anlagenmonteur profitieren konnte" (Seite 5 der Revision), und entfernt sich damit von der irrevisiblen Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Danach hat der Kläger im Rahmen der Lehre als Kfz-Schlosser "Grundkenntnisse der Metallbearbeitung erworben, insb das Handhaben und Instandhalten der zu verwendenden Werkzeuge, Maschinen, Vorrichtungen, Einrichtungen, Arbeitsbehelfe, Messgeräte, Prüfeinrichtungen und Testgeräte, die Kenntnisse der Werk- und Hilfsstoffe, ihrer Eigenschaften, Verwendungs- und Bearbeitungsmöglichkeiten, das Messen, Anreißen, Feilen, Sägen, das Bohren. Senken und Reiben, Schleifen, Gewindeschneiden, Weich- und Hartlöten, Gas-Schmelzschweißen, Elektroschweißen, Brennschneiden, sowie das Schneiden mit Schere. All diese Grundkenntnisse und Fähigkeiten hat der Kläger nach Beendigung seiner Tätigkeit als Kfz-Schlosser im Rahmen der daran anschließenden Facharbeitertätigkeit in der chemischen Industrie anwenden können" (Seite 3 des Ersturteils).

Davon abgesehen macht der Revisionswerber aber nur noch geltend, es sei nicht klar, ob es sich bei der Ausbildung zum Fertigungsprüfer iSd innerbetrieblichen Anlernphase von zwei bis drei Monaten um eine Umschulung, Nachschulung oder gar Zusatzausbildung etwa im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme handle. Diese im Vergleich zum Kfz-Mechaniker relativ kurze Ausbildungsdauer schließe daher keineswegs aus, dass es sich in Wahrheit bei der Verweisung des Anlagenmonteur zum Fertigungsprüfer um einen neuen Beruf handeln könnte, der dem Berufsschutz des Klägers widersprechen würde.

Dabei wird übersehen, dass sich der Oberste Gerichtshof - was die Verweisung auf die Tätigkeit eines Fertigungsprüfers betrifft - bereits wiederholt insb auch mit der Frage der Zumutbarkeit der Nachschulung befasst, und die Verweisbarkeit bei innerbetrieblicher Einschulung auf diesen Verweisungsberuf erst jüngst (E v 16. 12. 2003, 10 ObS 261/03k) wieder bejaht hat, wobei der erkennende Senat - unter Wiederholung der bereits zu 10 ObS 37/03v dargestellten Grundsätze (die bereits das Berufungsgericht zutreffend aufgezeigte) - seine schon bisher vertretene Auffassung wie folgt bekräftigte:

Nichts anderes kann gelten, wenn es (wie bereits in dem zu SSV-NF 4/140 entschiedenen Fall) um einen Schlosser geht, der Berufsschutz genießt, aber - vor Vollendung seines 57. Lebensjahres (§ 255 Abs 4 ASVG; 10 ObS 421/02p mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0100022 [T6 bis T8]) - nach stRsp auf die (berufsschutzerhaltende) Tätigkeit eines qualifizierten Fertigungsprüfers in der Metallbranche verwiesen werden kann (RIS-Justiz RS0084642 [T5] = 10 ObS 399/02b mwN); wozu im vorliegenden Fall feststeht, dass der am 6. 2. 1948 geborene Kläger, ohne sein medizinisches Leistungskalkül zu überschreiten, innerhalb der Berufsgruppe noch als Fertigungsprüfer in der Metallindustrie einsetzbar wäre, und dass für diesen Beruf eine Einschulung in der Dauer von drei Monaten notwendig ist, die innerbetrieblich, meist auf Kosten und am Ort des Unternehmens, bei dem der zu Schulende beschäftigt ist, erfolgt.

Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht die hier getroffenen Feststellungen, wonach der Kläger trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch den Beruf eines Fertigungsprüfers in der Metallindustrie ausüben könnte und für die Tätigkeit als Fertigungsprüfer eine innerbetriebliche Anlernphase von 2 - 3 Monaten erforderlich wäre (Seite 4 bzw 5 des Ersturteils), beurteilt. Legt man diese - unstrittigen - Feststellungen der Tatsacheninstanzen zugrunde, geht es im vorliegenden Fall aber nicht um externe Nachschulungen, die der Versicherungsträger dem Kläger nach dem Grundsatz Rehabilitation vor Pension anzubieten hätte.

Die Revision ist daher mangels erheblicher, für die Entscheidung des Verfahrens relevanter Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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