OGH 10ObS399/02b

OGH10ObS399/02b14.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Eveline Umgeher (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Thomas Albrecht (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Osman M*****, Schweißer, *****, vertreten durch Dr. Willibald Rath und andere, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. September 2002, GZ 7 Rs 191/02s-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Mai 2002, GZ 37 Cgs 266/01w-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 2. 1. 1949 geborene Kläger hat in Slowenien den Beruf eines Schlossers erlernt und auch eine Ausbildung zum Schweißer erworben. Danach war er in Bosnien und ab 1991 in Österreich als Schweißer tätig. Der Kläger besitzt Schweißprüfungszeugnisse aus den Jahren 1993 und 1995, wonach er berechtigt ist, mit Sauerstoff-Acethylen-Flamme zu schweißen. Dabei handelt es sich um das Autogenschweißverfahren. Andere Schweißverfahren hat der Kläger nicht erlernt und auch nicht ausgeübt.

Der Kläger ist noch in der Lage, ganztägig leichte und halbtägig mittelschwere Arbeiten für praktisch Einäugige zu verrichten. Räumliches Sehvermögen fehlt ihm. Ausgeschlossen sind Arbeiten in und aus gebückter Körperhaltung sowie in vorgeneigter stehender und sitzender Zwangsarbeitshaltung; diese Haltungen müssen bei gerechter Verteilung auf ein Viertel eines Arbeitstages beschränkt werden. Arbeiten in kniender und hockender Körperhaltung sind auf ein Viertel zu reduzieren. Ständiges Stiegensteigen ist zu vermeiden. Überkopfarbeiten sind um die Hälfte eines Arbeitstages zu verkürzen und gleichmäßig auf diesen zu verteilen. Arbeiten an exponierten Stellen scheiden ebenso aus wie Akkord-, Fließband- und Nachtarbeiten. Ein forciertes Arbeitstempo ist halbtägig möglich. Das Lenken eines Kraftfahrzeugs zu Berufszwecken ist nicht möglich. Anweisbarkeit und Anlernbarkeit sind gegeben. Es besteht auch Schulbarkeit im Rahmen des bisherigen Ausbildungs- und Tätigkeitsniveaus bis zur Dauer von drei Monaten.

Mit Bescheid vom 10. 9. 2001 lehnte die Pensionsversicherungsanstalt (der Arbeiter) den Antrag des Klägers vom 15. 6. 2001 auf Zuerkennung der Invaliditätspension mit der Begründung ab, dass dem Kläger kein Berufsschutz zukomme und er in der Lage sei, eine auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bewertete Tätigkeit auszuüben.

Das Erstgericht wies das auf Zuerkennung der Invaliditätspension ab Antragstellung gerichtete Klagebegehren ab. Da der Kläger nur Autogenschweißen gelernt und ausgeübt habe, handle es sich bei den von ihm erworbenen Kenntnissen nur um Teilkenntnisse des gesamten Berufsbildes eines Universalschweißers. Da der Kläger keinen Berufsschutz genieße, komme für ihn im Hinblick auf Alter und beruflichen Werdegang § 255 Abs 3 ASVG zum Tragen. Nach dem ihm verbliebenen Leistungskalkül sei der Kläger zwar nicht mehr in der Lage, die Tätigkeit eines Schweißers auszuüben, jedoch reiche das Leistungskalkül aus, um ihn auf die Tätigkeit eines Büroboten zu verweisen, die auch in ihrer sozialen Wertigkeit der vom Kläger bisher ausgeübten Tätigkeit entspreche. Wäre auf den Kläger § 255 Abs 2 ASVG anzuwenden, wäre er in der Verweisungsgruppe der Schweißer in der Lage, die Tätigkeit eines Qualitätskontrollors auszuüben. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Im Falle eines Berufsschutzes wäre der Kläger auf die Tätigkeit eines qualifizierten Fertigungsprüfers in der Metallbranche verweisbar; dieser Beruf, mit dessen Anforderungen das medizinische Leistungskalkül des Klägers unstrittig noch in Einklang gebracht werden könne, komme nach ständiger Rechtsprechung als Verweisungsberuf für gelernte Facharbeiter der Metallbranche in Frage.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Entscheidung ist zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Eingangs ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei amtswegig von "Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit 1. 1. 2003 alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF der 59. ASVGNov BGBl I 2002/1).

Der Kläger macht in seinen Revisionsausführungen im Wesentlichen geltend, dass er Berufsschutz als Schweißer genieße und eine Verweisbarkeit auf die Tätigkeit eines qualifizierten Fertigungsprüfers geradezu auszuschließen sei, zumal jemand, der über kein räumliches Sehen verfüge und daher aus augenfachärztlicher Sicht selbst keine Schweißarbeiten mehr durchführen könne, aufgrund des eingeschränkten Sehvermögens sicherlich auch nicht allfällige Schweißarbeiten als Fertigungsprüfer überprüfen könne. Gerade die Tätigkeit eins Fertigungsprüfers erfordere denknotwendigerweise eine noch bessere Sehfähigkeit als die Tätigkeit eins Schweißers. Im erstinstanzlichen Verfahren sei überhaupt keine Aussage darüber getroffen worden, ob der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung in der Lage sei, den Verweisungsberuf eines Qualitäts- oder Fertigungsprüfers auszuüben. Darüber hinaus sei nicht geprüft worden, inwieweit die Tätigkeit eines qualifizierten Fertigungsprüfers von einem Nicht-Österreicher überhaupt ausgeübt werden könne, zumal die Qualitätskontrolle bekanntermaßen branchenbedingt nicht mit Ausländern besetzt würde. Diese Ausführungen sind nicht berechtigt.

Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob sich der Kläger einen Berufsschutz als Schlosser durch seine Tätigkeit als Schweißer erhalten hat, ob er Berufsschutz als Schweißer erworben hat oder ob er keinen Berufsschutz genießt. Für diesen letztgenannten Fall bedarf es keiner näheren Erörterung, dass Invalidität iSd § 255 Abs 3 ASVG nicht vorliegt, weil der Kläger in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumindest die ihm zumutbare Tätigkeit eines Büroboten auszuüben. Genießt der Kläger aber Berufsschutz als Schlosser oder Schweißer, kann er auf die berufsschutzerhaltende Tätigkeit eines qualifizierten Fertigungsprüfers in der Metallbranche verwiesen werden (SSV-NF 11/21; 10 ObS 202/01f).

Nach den Feststellungen des Erstgerichts muss für die Tätigkeit eines qualifizierten Qualitäts-/Fertigungsprüfers in metallbe- und -verarbeitenden Betrieben das Sehvermögen für die bis zu einem Drittel der täglichen Arbeitszeit vorkommenden Arbeiten im Nahsehbereich korrigiert intakt sein; im Übrigen kann mit einer leichten Seheinschränkung das Auslangen gefunden werden. Ein räumliches Sehen ist nicht berufsnotwendig.

Sowohl aus der Entscheidung des Erstgerichts als auch des Berufungsgerichts geht (in Übereinstimmung mit dem Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen) hervor, dass die Tätigkeit eines qualifizierten Fertigungsprüfers keine Anforderungen stellt, die über das Leistungskalkül des Klägers hinausgehen. Die umfangreichen Feststellungen des Erstgerichts zum Anforderungsprofil eines qualifizierten Qualitäts-/Fertigungsprüfers in metallbe- und -verarbeitenden Betrieben blieben im Berufungsverfahren unangefochten. Ihre Anfechtung kann nicht im Revisionsverfahren nachgetragen werden, da die Feststellungen der Tatsacheninstanzen einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen sind. Die Unmöglichkeit, einen konkreten Arbeitsplatz zu erlangen, gehört nicht zum Risikobereich der Pensionsversicherung, sondern zu jenem der Arbeitslosenversicherung (SSV-NF 1/23, 2/14, 6/56, 14/81 uva; RIS-Justiz RS0084720 [T8], RS0084833). Auch das Fehlen der österreichischen Staatsangehörigkeit bildet kein Verweisungshindernis (SSV-NF 6/28; RIS-Justiz RS0084359).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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