Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden wie folgt abgeändert:
Die monatlichen Unterhaltsbeiträge des Thomas B*****, geb. am 12. Februar 1965, für seinen Sohn Manuel B*****, geb. am 6. Juni 1989, werden mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2002 auf Euro 148,-- pro Monat herabgesetzt.
Das Mehrbegehren Thomas B*****, seine monatlichen Unterhaltsbeiträge darüber hinaus um weitere EUR 48,- -, also auf EUR 100,- -, herabzusetzen, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Der Vater des Pflegebefohlenen, Thomas B*****, wurde mit Beschluss des Erstgerichtes vom 29. 11. 2001 (ON 31) zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von ATS 2.900,-- (EUR 210,75) an den Mj. Manuel verpflichtet. Dem lag ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen von ATS 20.540,-- (EUR 1.492,70) zugrunde, aus dem noch Sorgepflichten für vier weitere Kinder zu bestreiten waren.
Am 25. 3. 2003 beantragte der Vater die rückwirkende Herabsetzung der geschuldeten Unterhaltsleistung auf monatlich EUR 100,-- , weil er (als Paketzusteller bei der Österr. Post AG) Gehaltseinbußen erlitten habe und nur mehr EUR 1.182,-- im Monat verdiene.
Das Erstgericht setzte auf Grund dieses Antrags den zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrag ab 1. 1. 2002 mit monatlich EUR 167,-- fest. Es ging dabei von einem monatlichen Durchschnittseinkommen des Vaters von 1.285,38 netto und vier weiteren Sorgepflichten des Thomas B***** aus, nämlich für die am 19. 9. 1985 geborene Sabrina P*****, die am 21. 8. 1991 geborene Yvonne B*****, den am 9. 9. 1995 geborenen Stefan M***** und die am 2. 3. 1997 geborene Angelina B*****. Thomas B***** ist seit 17. 11. 2000 mit Susanne B***** verheiratet, die seit längerer Zeit arbeitslos ist und im Zeitpunkt der Entscheidung ein Arbeitslosengeld von monatlich EUR 692,28 bezog.
Das vom unterhaltspflichtigen Vater angerufene Rekursgericht setzte den von ihm an den Mj. Manuel zu leistenden Unterhaltsbeitrag ab 1. 1. 2001 mit monatlich EUR 130,-- fest. Es stellte (bei sonst gleich gebliebenen Entscheidungsgrundlagen) das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen mit EUR 1.300,-- monatlich (12 mal im Jahr) fest und führte in rechtlicher Hinsicht aus:
Das Erstgericht habe die Anteile der fünf Kinder des Thomas B***** am zur Verfügung stehenden Einkommen richtig ermittelt, nämlich mit 16 % für Sabrina P*****, mit je 14 % für Manuel B***** und Yvonne B*****, und mit je 11 % für Stefan M***** und Angelina B*****. Nach der Prozentsatzmethode würden sich gerundet Unterhaltsbeiträge von EUR 208,-- (für Sabrina), je EUR 182,-- (für Manuel und Yvonne) und je EUR 143,-- (für Stefan und Angelina) ergeben. Die Summe der Unterhaltsansprüche betrüge EUR 858,- -.
Nun treffe es zu, dass das Rekursgericht bisher in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten hat, bei einer Vielzahl von Sorgepflichten müssten dem Unterhaltspflichtigen jedenfalls EUR 500,-- im Monat für die Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse bleiben. Der unpfändbare Freibetrag nach § 291b EO (das "Unterhaltsexistenzminimum") sei zwar eine erste Orientierungshilfe (niedrigstes Unterhaltsexistenzminimum im Jahr 2003 EUR 482,25, wenn der Unterhaltspflichtige Sonderzahlungen erhält, ohne Sonderzahlungen EUR 562,50 pro Monat), aber keine absolute Untergrenze. Gemäß § 292b EO könne der unpfändbare Betrag noch weiter herabgesetzt werden. Würde man die gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Höhe nach immer auf das Unterhaltsexistenzminimum beschränken, so wäre ein Anwendungsfall des § 292b Z 1 EO gar nicht denkbar, weil es in Summe keine laufenden gesetzlichen Unterhaltsforderungen geben könnte, die durch das Unterhaltsexistenzminimum nicht gedeckt sein sollten. Auch der Oberste Gerichtshof habe in seiner älteren Rechtsprechung, aber auch noch in neuester Zeit die Auffassung vertreten, das Unterhaltsexistenzminimum gemäß § 291b EO könne nicht als absolute Belastbarkeitsgrenze angesehen werden (6 Ob 285/97y; zuletzt 3 Ob 4/03i).
Andererseits habe sich in jüngster Zeit (ausgehend von in Konkurs verfallenen Unterhaltspflichtigen, 1 Ob 191/01x) eine Rechtsprechung entwickelt, wonach das Unterhaltsexistenzminimum gemäß § 291b EO in der Tat eine absolute Untergrenze für die Belastbarkeit des Unterhaltspflichtigen darstelle (zuletzt etwa 6 Ob 284/02m).
Ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 1.300,-- (12 mal pro Jahr) wäre ein Betrag von EUR 686,25 unpfändbar (Tabelle 2bm). Die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten zur Verfügung stehende Differenz betrüge EUR 613,75 oder 71,5 % der Gesamtunterhaltslast nach der Prozentsatzmethode (EUR 858,- -). Kein anderes Ergebnis erhielte man, wenn man die Unterhaltsbemessungsgrundlage auf 14 Monate (fiktive Sonderzahlungen) aufteilt. Nach der Tabelle 2am wären von EUR 1.114,29 (EUR 1.300,-- : 14 x 12) EUR 585,08 unpfändbar, die abschöpfbare Differenz betrüge EUR 529,21, dies aber 14-mal jährlich. 14 x EUR 529,21 seien EUR 7.408,88 oder (: 12) etwa EUR 617,-- pro Monat. EUR 617,-- entsprächen 71,96 % der gesamten Unterhaltsansprüche nach der Prozentsatzmethode (EUR 858,- -).
Für den Mj. Manuel bedeute dies, dass auch er nur 72 % des nach der Prozentsatzmethode ermittelten Anspruchs (EUR 182,- -) erhalten könne, rechnerisch also EUR 131,04 monatlich.
Das Rekursgericht orientiere sich bei der vorliegenden Entscheidung an der neuen Rechtsprechung (auch 1 Ob 38/02y, 1 Ob 242/02y), gebe aber zu bedenken, dass bei Zugrundelegung des Unterhaltsexistenzminimums als absolute Belastbarkeitsgrenze die ohnedies niedrigen monatlichen Unterhaltsbeiträge verhältnismäßig mehr gekürzt werden, als der Unterhaltspflichtige Abstriche bei der eigenen Lebensführung machen muss. So blieben etwa im vorliegenden Fall für den 14-jährigen Manuel B***** EUR 130,-- bei einem Regelbedarf von EUR 293,- -, mithin nur 44,4 % des Regelbedarfs, dem Vater hingegen EUR 686,25, also rund 95 % des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach dem ASVG (EUR 643,54 x 14 : 12 abzüglich 3,75 % Krankenversicherungsbeitrag). Bei besser verdienenden Unterhaltspflichtigen mit vielen Sorgepflichten steige das Unterhaltsexistenzminimum (relativ gesehen) erheblich stärker an als der Anteil jedes einzelnen Unterhaltsberechtigten an der abschöpfbaren Differenz zwischen Unterhaltsbemessungsgrundlage und Unterhaltsexistenzminimum. Problematisch sei auch die völlige Aushöhlung des Anwendungsbereiches des § 292b EO.
Das Rekursgericht sprach in dieser Entscheidung aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Frage, ob das Rechenergebnis nach § 291b EO in Zukunft tatsächlich in allen Fällen die absolute Belastbarkeitsgrenze für die Unterhaltspflichtigen sein soll oder ob nach wie vor - wie bisher auch (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht, Rz 270) - von Rechenergebnissen losgelöst eine darunter liegende maximale Belastbarkeitsgrenze des Unterhaltspflichtigen angenommen werden kann (um etwa das Verhältnis Unterhaltsbeitrag/Regelbedarfssatz zu den dem Unterhaltspflichtigen verbleibenden monatlichen Beträgen/Ausgleichszulagenrichtsatz) einigermaßen wahren zu können, stelle nämlich eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG dar.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes hat die Jugendabteilung der BH Tulln in Vertretung des Pflegebefohlenen Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, sie so abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.
Dem Unterhaltspflichtigen wurde die Möglichkeit eingeräumt, sich zu diesem Revisionsrekurs zu äußern; er hat in seiner Rechtsmittelbeantwortung sinngemäß die Bestätigung der rekursgerichtlichen Entscheidung beantragt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist teilweise auch berechtigt.
Die im Revisionsrekurs vorgetragenen Argumente lassen sich so zusammenfassen, dass im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des Rekursgerichtes das dem Unterhaltspflichtigen zu belassende (absolute) Existenzminimum mit monatlich EUR 500,-- festzulegen sei, um iSd § 291b EO zu einer gerechten Aufteilung des Unterhaltsfonds zu kommen.
Dazu wurde erwogen:
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Judikatur zu Fragen der Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche stets daran festgehalten, dass der dem Verpflichteten nach § 291b Abs 2 EO zu bleibende unpfändbare Freibetrag zwar eine Orientierungshilfe für die Bestimmung der Belastungsgrenze beim Unterhaltsschuldner bildet, diese Grenze jedoch nach Maßgabe des § 292b Z 1 EO unterschritten werden kann und muss, wenn laufende gesetzliche Unterhaltsforderungen durch die Exekution nicht zur Gänze hereingebracht werden können (RIS-Justiz RS0047455; zuletzt 6 Ob 233/00h, 3 Ob 4/03i und 6 Ob 284/02m; vgl auch RIS-Justiz RS0017946). Das dem Unterhaltsschuldner unbedingt zu belassende Existenzminimum kann daher unter dem nach § 291b Abs 2 EO zu errechnenden Betrag (dem entsprechenden Ansatz der jeweils aktuellen ExMinV) liegen.
Die vom Rekursgericht als ein Abgehen von dieser Judikaturlinie gedeuteten Entscheidungen 1 Ob 38/02y und 1 Ob 242/02y (gemeint ist offensichtlich die mit 1 Ob 191/01x = SZ 74/138 beginnende Entscheidungskette) betrafen das spezifische Problem von Unterhaltsgewährungen zu Lasten der Konkursmasse und haben sich mit der hier interessierenden Frage, ob der Unterhaltsschuldner gehalten sein kann, mit einem unter der Pfändungsfreigrenze des § 291 Abs 2 EO liegenden Betrag sein Auslangen zu finden, nicht beschäftigt. Am Grundsatz, dass sich der Unterhaltsschuldner strengste Einschränkungen bei der Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse gefallen lassen muss, um die Unterhaltsberechtigten an den zur Verfügung stehenden Ressourcen teilhaben zu lassen, wurde jedenfalls festgehalten (vgl 1 Ob 242/02y = JBl 2003, 461).
Bei der Bemessung des gesetzlichen Unterhalts ist also, wenn laufende gesetzliche Unterhaltsforderungen mangels vorhandener Mittel nicht in einer den Lebensbedarf deckenden Höhe gewährt werden können, in sinngemäßer Anwendung des § 292b Z 1 EO zu ermitteln, welche Einschränkungen der Unterhaltspflichtige hinnehmen muss, um seinen Alimentationsverpflichtungen - wie es § 94 Abs 1 und § 140 Abs 1 ABGB verlangen - nach Kräften nachzukommen.
Die Herabsetzung des pfändungsfreien Betrags nach § 292b Z 1 EO und demgemäß die Festlegung der absoluten Leistungsgrenze des Unterhaltspflichtigen hat "angemessen" zu erfolgen. Das bedeutet nach den Gesetzesmaterialien (181 BlgNR 18. GP, 34), dass die Interessen aller (auch der nicht Exekution führenden) Unterhaltsgläubiger zu berücksichtigen sind. Es ist ein Betrag zu wählen, der alle Unterhaltsansprüche anteilsmäßig gleich abdeckt; bei Gewährung von Naturalunterhalt ist dieser auf Geldunterhalt umzurechnen. Der durch die Herabsetzung des in § 291b Abs 2 EO für den Unterhaltsschuldner vorgesehenen Existenzminimums gewonnene Betrag ist dann an den Unterhaltsschuldner und alle Unterhaltsberechtigten zu verteilen (RIS-Justiz RS0013458).
Da die vom Gesetzgeber angestrebte Verteilung der vorhandenen Mittel die jeweiligen Lebensumstände der Betroffenen berücksichtigen muss, scheidet eine genaue Berechnung des Herabsetzungsbetrages bzw des dem Unterhaltsschuldner zu bleibenden Betrages idR aus. Es ist vielmehr eine dem konkreten Einzelfall gerecht werdende Lösung zu suchen (8 Ob 605/93 = ÖA 1995, 160; 10 Ob 83/00b ua). Eine absolute Leistungsgrenze, die nicht zu Lasten des Unterhaltsschuldners überschritten werden darf, gibt es jedoch: Ihm hat jener Betrag zu bleiben, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit unbedingt notwendig ist (3 Ob 5/94 = SZ 67/47; siehe im Übrigen RIS-Justiz RS0008667).
Im gegenständlichen Fall, der sich dadurch auszeichnet, dass die Unterhaltsansprüche der Kinder wegen des geringen Einkommens des Unterhaltsschuldners und seiner vielen Sorgepflichten weit hinter der Bedarfsdeckung zurückbleiben, trifft dies zu. Die Ermittlung des Herabsetzungsbetrages hat daher bei dem von der Judikatur (RIS-Justiz RS0008667) vorgegebenen absoluten Existenzminimum anzusetzen. Der erkennende Senat nimmt dies im konkreten Fall mit EUR 600,-- monatlich an. Daraus ergibt sich nach den vom Rekursgericht zutreffend aufgezeigten Grundsätzen der Unterhaltsbemessung Folgendes:
Zieht man vom monatlichen Durchschnittseinkommen des Unterhaltspflichtigen (EUR 1.300,- -) das absolute Existenzminimum (EUR 600,- -) ab, bleibt ein Fonds von monatlich EUR 700,- -, um die mit insgesamt EUR 858,-- ermittelten Unterhaltsansprüche der Kinder zu decken. Da dem Unterhaltsschuldner bereits das Existenzminimum zugestanden wurde, ist der Fonds unter den unterhaltsberechtigten Kindern aufzuteilen, die demnach nur rund 81,5 % ihrer Unterhaltsansprüche erhalten können. Bezogen auf den Pflegebefohlenen Manuel B*****, dem monatlich EUR 182,-- zustünden, sind das gerundet EUR 148,-- im Monat.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
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