OGH 8Ob605/93

OGH8Ob605/9330.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Peter Schiemer, Dr. Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr. Ilse Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der ***** mj. Marion ***** mj. Manuela B*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 18. Mai 1993, GZ 44 R 213/93-174, womit infolge Rekurses des Vaters E***** B*****, ***** ***** der Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha vom 10. März 1993, GZ P 3/83-170, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der erstgerichtliche Beschluß wieder hergestellt.

Text

Begründung

Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1. Mai 1992 für die beiden Töchter, die nunmehr 12 und 13 Jahre alt sind, auf je S 2.000, wobei es wegen der Sorgepflicht für seine einkommenslose Ehefrau von einem Unterhaltsanspruch der Töchter in der Höhe von je 15 % der Bemessungsgrundlage ausging und ein monatliches Durchschnittseinkommen einschließlich der Sonderzahlungen ab 1.Mai 1992 von S 13.362 zugrundelegte. Der dem Vater (und seiner Gattin) verbleibende Betrag von S 9.362 sei zwar nicht sehr hoch, aber auch der von ihm zu leistende Unterhaltsbeitrag von S 2.000 je Kind liege beträchtlich unter dem vom statistischen Zentralamt errechneten Durchschnittsbedarf Gleichaltriger.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß es den Unterhalt für die Minderjährigen für die Zeit vom 1.Mai 1992 bis Jahresende mit je S 1.450 und ab 1.Jänner 1993 bis auf weiteres mit je S 1.400 monatlich festsetzte, das Mehrbegehren abwies und den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zuließ, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, welches Einkommen dem Verpflichteten bei geringem Einkommen und konkurrierenden Unterhaltsansprüchen nunmehr nach der EO-Novelle 1991 im Hinblick auf die Entscheidung SZ 63/88 zu verbleiben habe, fehle.

Es stellte - ausgehend von den in der E SZ 63/88 entwickelten Unterhaltsbemessungsgrundsätzen bei geringem Einkommen und konkurrierenden Unterhaltsansprüchen - umfangreiche, dem Obersten Gerichtshof kaum nachvollziehbare Berechnungen über das nach der Neuregelung durch die EO-Novelle 1991 zugunsten Unterhaltsberechtigter pfändbare Einkommen an, ging rechtlich davon aus, daß sowohl von den Sonderzahlungen als auch vom Steigerungsbetrag gemäß § 291 a Abs 5 EO dem Unterhaltsschuldner 75 % des ihm nach § 291 a EO zustehenden Betrages pfändungsfrei verbleiben müsse, und kam zum Ergebnis, daß 1992 ein Betrag von S 8.000 und 1993 ein solcher von S 8.300 auch für Unterhaltsexekutionen unpfändbar sei (näheres S 3 - 5, insb. S 5 vorletzter Absatz). Ausgehend von einem nach der Prozentmethode errechneten theoretischen Unterhaltsanspruch der Gattin von S 3.340 (25 %) und der Töchter von je S 2.000 (je 15 %) gelangte es daher zu einer Gesamtunterhaltsverpflichtung des Rekurswerbers von S 7.340 und meinte, daß dem Vater dann nur ein unzumutbar geringer Betrag von rund S 6.000 tatsächlich verbliebe, sodaß die Unterhaltsansprüche aller Beteiligten anteilsmäßig gekürzt werden müßten; dies führe 1992 zu einem Abzug von monatlich S 550 pro Kind und 1993 zu einem von S 630; daraus errechne sich ein Unterhaltsanspruch der Töchter für 1992 von je S 1.450 und ab 1.Jänner 1993 von je S 1.400.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Minderjährigen mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wieder herzustellen. Abgesehen von sonstigen Mängeln der Entscheidung sei es jedenfalls unzulässig, den Unterhalt nach der Exekutionsordnung zu bemessen. Diese diene der Befriedigung von Gläubigeransprüchen, keinesfalls aber der Bemessung der Unterhaltsansprüche. Die in der Entscheidung vorgenommene Verquickung von Unterhalts- und Exekutionsrecht führe zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung von Unterhaltsschuldnern; außerdem würde die jeweilige Anpassung der Existenzminimumverordnung dazu führen, daß die Unterhaltsansprüche noch weiter verkürzt würden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Minderjährigen ist zulässig und berechtigt. Es liegt, soweit ersichtlich, noch keine oberstgerichtliche Judikatur vor, die sich ausdrücklich mit dem Einfluß der EO-Novelle 1991 auf die Unterhaltsbemessung befaßt. Davon abgesehen ist der vom Rekursgericht eingeschlagene Weg der umfangreichen Detailberechnung nach exekutionsrechtlichen Grundsätzen grundsätzlich nicht zu billigen und die von ihm vorgenommene Berechnung nicht zutreffend.

Weiterhin ist im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 63/88; ÖA 1991, 102; RZ 1991, 146 u.a.) davon auszugehen, daß ein Anhaltspunkt dafür, nach welchen Kriterien der Unterhaltsbeitrag der Eltern zu ermitteln ist, nur die Verknüpfung der Bedürfnisse des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern sowie deren Verpflichtung ist, zum Unterhalt nach ihren Kräften beizutragen. Ein konkretes Berechnungssystem kann dem Gesetz, das die Bemessungskriterien nur durch unbestimmte Rechtsbegriffe umschreibt, nicht entnommen werden. Es ist daher auch dem Obersten Gerichtshof verwehrt, Regeln der Unterhaltsbemessung derart zu einem System zu verdichten, daß als Ergebnis geradezu eine Tabelle für jeden möglichen Anspruchsfall zur Verfügung stünde. Es können nur jene Umstände aufgezeigt werden, auf die es im Einzelfall ankommt. Demnach kann er auch keine Prozentsätze festlegen. Solche Hundertsätze können lediglich bei der konkreten Berechnung des Unterhaltsanspruches im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle herangezogen, nicht aber etwa generell als Maßstab für die Unterhaltsbemessung schlechthin festgelegt werden. Andererseits widerspricht der Zuspruch des Unterhalts jeweils in der Höhe des Regelbedarfs, dem die nach dem Verbraucherpreisindex den gegenwärtigen Verhältnissen angepaßte Verbrauchsausgabenstatistik zugrundeliegt und der als Orientierungshilfe für die Bedürfnisse des Minderjährigen dient, dem Gesetz, soweit ein solcher Betrag nicht auch den Lebensverhältnissen der Eltern gerecht wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen relativ niedrig und ein Zuspruch in Höhe des Regelbedarfs nicht möglich oder zumindest für den Unterhaltsschuldner zu belastend ist. Aber auch ein Zuspruch nach Prozentsätzen kann bei relativ niedrigem Einkommen und mehreren Sorgepflichten dem Unterhaltsschuldner nicht mehr zumutbar sein. Deshalb sieht der Oberste Gerichtshof nunmehr in ständiger Rechtsprechung (siehe oben) einen weiteren Anhaltspunkt, an der sich die Belastbarkeit des Unterhaltsverpflichteten orientieren kann, in den Pfändungsfreibeträgen von Arbeits- und Pensionseinkommen (§ 291 b EO; früher § 6 LPfG). Hiebei kann - ohne eine dem Zweck der Unterhaltsbemessung abträgliche allzu aufwendige Stoffsammlung - jener Teil des durchschnittlichen Nettoeinkommens des Unterhaltsschuldners, der ihm auch im Fall der exekutiven Durchsetzung des Unterhaltstitels verbleiben muß, als Anhaltspunkt genommen werden. Er ist - nur überschlagsmäßig, wie es einem nur als Orientierungshilfe dienenden Kriterium entspricht - zu ermitteln, von der Bemessung auszunehmen und damit ist bloß der der Pfändung unterworfene Bezugsteil entsprechend dem festgestellten Bedarf der Unterhaltsberechtigten auf die miteinander konkurrierenden Unterhaltsberechtigten aufzuteilen. Dies ist einerseits dadurch gerechtfertigt, daß den Eltern die Einrede, bei der gegebenen Unterhaltsbemessung wäre der eigene angemessene Unterhalt gefährdet, nicht zusteht, andererseits aber auch dadurch, daß der Unterhaltsschuldner nicht über Gebühr in Anspruch genommen werden darf, weil er sonst in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet wäre oder an der Erzielung weiteren Einkommens jedes Interesse verlieren könnte. Bis zu diesem Betrag kann aber nach ständiger Rechtsprechung die Bemessungsgrundlage voll ausgeschöpft werden; das ist - wie im vorliegenden Fall - insbesondere bei relativ niedrigen Einkommen und mehreren Sorgepflichten notwendig.

Nach früherem Recht wurde dieser für Exekutionen wegen Unterhaltsansprüchen zu belassende Mindestbetrag nach den im § 6 LPfG genannten Kriterien im Einzelfall festgesetzt; für die Unterhaltsbemessung war von dem voraussichtlich vom Exekutionsgericht festzusetzenden Betrag auszugehen. Nunmehr läßt sich dieser Betrag direkt aus dem Gesetz (§ 291 b EO) ermitteln. Das heißt aber nicht, daß er in jedem Fall eine äußerste starre Untergrenze bildet, weil er gemäß § 292 b EO auf Antrag vom Exekutionsgericht angemessen herabzusetzen ist, wenn die laufenden gesetzlichen Unterhaltsforderungen durch die Exekution nicht zur Gänze hereingebracht werden können. Hieraus folgt aber auch, daß bei Nichtzulangen des nach Abzug des nach § 291 b EO verbleibenden Existenzminimums für die Befriedigung der laufenden Unterhaltsansprüche sich nicht nur alle Unterhaltsberechtigten einen anteiligen Abzug gefallen lassen müssen, sondern, daß sich der Unterhaltsschuldner und die Unterhaltsberechtigten den Fehlbetrag angemessen zu teilen haben; schon aus dieser exekutionsrechtlichen Regelung folgt, daß genaue Berechnungen in diesem Bereich ausscheiden, sondern im Einzelfall eine nach den gegebenen Umständen noch am ehesten tragbare Regelung getroffen werden muß.

Zur Feststellung des dem Unterhaltsverpflichteten bei Exekutionen wegen Unterhaltsansprüchen zu verbleibenden Existenzminimums - das, wie schon mehrfach erwähnt - nur eine der überschlagsmäßig zu ermittelnden Orientierungshilfen bei der Festsetzung des angemessenen Unterhalts sein kann - ist zu bemerken, daß das Rekursgericht zwar zutreffend davon ausging, dem Unterhaltsschuldner müßten sowohl von den Sonderzahlungen als auch vom Steigerungsbetrag nach § 291 a Abs 5 und 6 EO nur 75 % des ihm nach § 291 a EO zustehenden Betrages pfändungsfrei verbleiben, es aber sodann eine nicht nachvollziehbare Berechnung vornahm. Zur Berechnung des dem Unterhaltsschuldner nach § 291 b Abs 2 EO zu belassenden Existenzminimums siehe ÖA 1992, 72: es ist zuerst - unter Berücksichtigung des Umstandes, daß für die Personen, die Unterhaltsexekution führen, ein Unterhaltsgrund- und Unterhaltssteigerungsbetrag nicht gebührt - der verbleibende Freibetrag nach § 291 a EO zu errechnen; von diesem sind dem Verpflichteten 75 % als unpfändbar zu belassen.

Zur Klarstellung wird hier die Berechnung dargestellt:

Bemessungsgrundlage 1992 S 13.362,--

Pfändungsfreibetrag nach § 291 a EO:

Allgemeiner Grundbetrag

nach Abs 1 S 6.500,--

Allgemeiner Grundbetrag

für die Gattin nach Abs S 1.200,--

S 7.700,--

Nach Abs 5 und 6 zu

verbleibender Steigerungsbetrag

(30 % für den Verpflichteten

und 10 % für die Gattin

= S 13.362 - S 7.700

= S 5.662,--, hievon 40 %) S 2.265.--

Pfändungsfreibetrag nach § 291 a

EO daher S 9.965,--

Pfändungsfreibetrag nach § 291 b

Abs 2 EO (75 % hievon) S 7.474,--

daher pfändbar für

Unterhaltsexekutionen S 5.888,--.

Im Sinn der herrschenden Rechtsprechung hat das Rekursgericht den Unterhaltsanspruch der Gattin nach der Prozentmethode mit S 3.340 (25 % der Bemessungsgrundlage) und mit je S 2.000 (je 15 %) für die Kinder angenommen, sodaß sich eine Unterhaltsverpflichtung von insgesamt S 7.340 ergibt. Da ein Teil des Unterhaltsanspruchs der Gattin bereits bei Errechnung des Existenzminimums berücksichtigt wurde (S 1.200 Grundbetrag und S 566 Steigerungsbetrag), wäre aus dem pfändbaren Teil nur mehr ein Unterhaltsrest für die Gattin zu decken, der zusammen mit dem Unterhaltsanspruch von zusammen S 4.000 für die minderjährigen Töchter den pfändbaren Betrag nach § 291 b EO noch nicht zur Gänze ausschöpft, sodaß es hier zu keiner anteilsmäßigen Kürzung im Sinne der obigen Ausführungen kommen muß.

Gleiches gilt aber auch für das Folgejahr 1993. Zwar wurde mit 1. Jänner 1993 der allgemeine Grundbetrag gemäß § 291 a Abs 1 EO von S

6.500 auf S 7.000 angehoben; es darf aber nicht übersehen werden, daß auch die Löhne angehoben worden sind; eine genaue Erhebung erübrigt sich für die Ermittlung des nur als weitere Orientierungshilfe dienenden Existenzminimums, weil die Löhne gerichtsbekanntermaßen um mindestens 3 % angehoben wurden; dies ergibt im vorliegenden Fall eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage um mindestens S 400, sodaß auch für das Jahr 1993 davon auszugehen ist, daß der Unterhaltsschuldner je S 2.000 für seine beiden minderjährigen Töchter bezahlen kann. Im übrigen scheint dem Obersten Gerichtshof eine so minimale Abänderung, wie sie das Rekursgericht vorgenommen hat (Absenkung um S 50 monatlich), dem Wesen der globalen Unterhaltsbemessung zu widersprechen.

Aus diesen Ausführungen folgt, daß der vom Rekursgericht vorgenommene Ausspruch der Kürzung der Unterhaltsbeträge zu beheben und der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen ist.

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