OGH 1Ob302/03y

OGH1Ob302/03y16.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Marion L*****, vertreten durch Dr. Gert Paulsen, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei ***** W***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Mag. Thomas di Vora, Rechtsanwalt in Klagenfurt, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei ***** D***** GmbH, ***** vertreten duch Dr. Herwig Aichholzer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung (Streitwert EUR 32.702,78) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. Oktober 2003, GZ 4 R 110/03h-57, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 17. März 2003, GZ 25 Cg 204/00i-49, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die beklagte Partei errichtete über Auftrag der Klägerin unter Mitwirkung der Nebenintervenientin einen Wintergarten.

Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass ihr die beklagte Partei "für sämtliche seit der Auftragsbestätigung vom 11. 8. 1998, auch künftig auftretende, durch die mangelhafte Planung und Herstellung des Wintergartens ... verursachte Schäden haftet". Sie brachte dazu im Wesentlichen vor, in einem Beweissicherungsverfahren seien gravierende Mängel festgestellt worden, die sie in ihrer Klage im Einzelnen aufzählte. Trotz der Ausführungen des Sachverständigen im Beweissicherungsverfahren könne noch nicht ausreichend beurteilt werden, wie die Mängel zu beheben seien und welche Kosten hiefür auflaufen würden. Sie habe daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die beklagte Partei "für sämtliche auch künftig auftretende durch die mangelhafte Errichtung des Wintergartens verursachte Schäden haftet". Dem Einwand der beklagten Partei, das Begehren sei "vollkommen unbestimmt und nicht nachvollziehbar", insbesondere fehle jede genaue Beschreibung der im Urteilsbegehren behaupteten "Schäden", sodass nicht erkennbar sei, für welche Schäden die klagende Partei ihr Feststellungsinteresse überhaupt geltend mache, hielt die Klägerin entgegen, sie habe die von der beklagten Partei zu vertretenden Mängel und Schäden in der Klage im Einzelnen dargestellt; die Wiederholung jedes einzelnen Mangels und jedes einzelnen Schadens (Folgeschadens) im Rahmen der Formulierung des Feststellungsbegehrens sei nicht erforderlich.

Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, ihre Leistungen mangelfrei erbracht zu haben. Das Feststellungsbegehren sei unbestimmt und nicht nachvollziehbar; ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung liege nicht vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf nach einem aufwändigen Sachverständigenverfahren umfassende Tatsachenfeststellungen zur Mangelhaftigkeit des Werks. Es vertrat die Auffassung, das Feststellungsbegehren sei zulässig, weil weder die genaue Ursache der Wassereintritte, noch der Umfang der Mängel und die Möglichkeit der Mängelbehebung ohne Dachabtragung festgestellt werden könnten und auch die genaue Schadenshöhe, vor allem die Höhe der Mängelbehebungskosten und die der zukünftigen Schäden, noch nicht feststehe. Die "Geltendmachung einer konkreten Schadenersatzklage" sei der Klägerin daher verwehrt. In derartigen Fällen solle die Feststellungsklage zur Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten sowie zur Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach dienen. Die Wiederholung jedes einzelnen Mangels und jedes einzelnen Schadens (Folgeschadens) im Rahmen der Formulierung des Feststellungsbegehrens sei nach ständiger Rechtsprechung nicht erforderlich. Die Klage sei insoweit berechtigt, als die behaupteten Mängel und damit der Tatbestand der Gewährleistung festgestellt wurden. Darüber hinaus könne die Klägerin auch Schadenersatz für den durch die Mangelhaftigkeit verursachten Minderwert begehren. Das Feststellungsbegehren sei auch in dieser Hinsicht berechtigt, weil der Klägerin neben dem Anspruch auf Verbesserung wegen des "Verlusts des Vertrauensverhältnisses" auch Schadenersatzansprüche zustünden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Ein Feststellungsinteresse wäre nur dann ausgeschlossen, wenn der Erfolg einer Leistungsklage die Feststellung des ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gänzlich erübrige, wenn das Leistungsbegehren also all das biete, was mit dem Feststellungsbegehren angestrebt werde. Das Feststellungsinteresse sei zu bejahen, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Umfang der Mängel und damit der Umfang der Mängelbehebung und die Höhe ihrer Kosten noch nicht bekannt seien. Insbesondere Art und Umfang der Mängelbehebung sowie die damit verbundenen Kosten könnten erst nach der Öffnung des Daches und nach Abtragung des bestehenden Innenaufbaus festgestellt werden. Erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO seien nicht zu lösen.

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und in ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen (EvBl 1982/3, RIS-Justiz RS0018668), dass ein Feststellungsbegehren im Zusammenhang mit Gewährleistungsansprüchen insbesondere dann gerechtfertigt sei, wenn zwar Mängel feststünden, jedoch noch nicht sicher sei, zu welchen Rechtsfolgen (Preisminderung, Wandlung, Verbesserung ...) diese Mängel schließlich führen könnten; dies könne regelmäßig erst abschließend beurteilt werden, wenn das Gesamtausmaß der Mängel feststeht. Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen, zumal die Klägerin die Verbesserung durch die beklagte Partei unter Umständen auch ablehnen kann; auf das Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen ist das GewRÄG noch nicht anzuwenden. Die Klägerin war daher nicht gehalten, ein Leistungsbegehren zu erheben, weil die Höhe allfälliger Verbesserungskosten (noch) nicht feststeht und damit auch nicht beurteilt werden kann, ob allenfalls wirtschaftliche Unbehebbarkeit vorliegt. Da die beklagte Partei das Vorliegen von Mängeln bestritten hat, kann der Klägerin ein auch in rechtlicher Hinsicht anzuerkennendes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung nicht abgesprochen werden; soweit in der Entscheidung 5 Ob 536/89 eine abweichende Auffassung vertreten worden sein sollte, wurde diese in der jüngeren Judikatur nicht aufrecht erhalten (1 Ob 166/98p, 1 Ob 122/99v, 6 Ob 28/02i, 5 Ob 231/02k ua).

Zutreffend verweist die beklagte Partei allerdings darauf, dass ein rechtliches Interesse der Klägerin an der von ihr gewählten Formulierung des Feststellungsbegehrens nicht bejaht werden kann. Dieses enthält nichts anderes als die bereits im Gesetz festgelegten Rechtsfolgen einer Schlechterfüllung, nämlich die daraus resultierende gewährleistungs- und schadenersatzrechtliche Haftung der beklagten Partei als Werkunternehmerin. Dass die Klägerin in der Sache aber ohnehin durchaus konkretere Feststellungen anstrebte, ergibt sich wohl bereits daraus, dass sie einerseits ein detailliertes Vorbringen zu jenen Tatsachen aufstellte, die sich ihrer Ansicht nach im Beweissicherungsverfahren erwiesen hätten, und andererseits dem Einwand der Unbestimmtheit des Begehrens bzw des fehlenden rechtlichen Interesses entgegenhielt, sie sei nicht gehalten, jeden einzelnen Mangel und jeden einzelnen Schaden bzw Folgeschaden bei Formulierung ihres Feststellungsbegehrens zu wiederholen. Ausgehend von ihrer vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht, das ganz allgemein gehaltene Feststellungsbegehren der Klägerin sei unbedenklich, haben die Vorinstanzen die erforderliche Erörterung des Begehrens unterlassen. Aus ihren klagestattgebenden Entscheidungen ist daher insbesondere auch nicht abzuleiten, für welche der von der Klägerin angeführten Mängel sie eine Haftung der beklagten Partei dem Grunde nach aussprechen wollten. Die Feststellung einer Haftung für "auch künftig auftretende Schäden" käme auch nur insoweit in Betracht, als bereits jetzt ein Mangel festgestellt werden kann, der allenfalls in der Zukunft weitere Schäden nach sich ziehen wird; auch eine Verjährungsunterbrechung kann nur insoweit eintreten. Die Feststellung einer Haftung für "künftige durch mangelhafte Planung und Herstellung" verursachte Schäden kann daher nicht ganz generell, sondern nur für solche Schäden ausgesprochen werden, für deren zukünftiges Entstehen bereits jetzt Grundlagen zu finden sind.

Das Berufungsgericht hat auch nicht dargelegt, aus welchem Grund es ein rechtliches Interesse an der ganz allgemein gehaltenen Feststellung bejaht hat. Die vom Erstgericht dafür ins Treffen geführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs tragen dessen Ergebnis nicht. Die Entscheidung 7 Ob 211/97y setzt sich mit der Frage der Formulierung des auf Feststellung der Haftung wegen Schlechterfüllung gerichteten Begehrens nicht auseinander. Wenn darin von Konstellationen die Rede ist, bei denen Inhalt und Umfang von Gewährleistungsansprüchen noch nicht geklärt sind, so wird damit keinesfalls ausgesprochen, dass es nicht erforderlich wäre, die aufgetretenen Mängel im Feststellungsbegehren konkret darzulegen. In der zu 1 Ob 628/92 ergangenen Entscheidung des erkennenden Senats hatte der dortige Kläger zwar vorerst ganz allgemein die Feststellung der Haftung für sämtliche aus dem Bauvorhaben resultierenden Mängel und Schäden begehrt, zugleich jedoch ("insbesondere") eine Vielzahl einzelner Herstellungsfehler angeführt. Nachdem das Berufungsgericht die ohne Beweisaufnahme ergangene klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts aufgehoben hatte, hatte sich der erkennende Senat auch nicht näher mit der Formulierung des Begehrens auseinanderzusetzen; er verwies allerdings darauf, dass das rechtliche Interesse der Kläger an der alsbaldigen Feststellung der Haftung der Beklagten "für die behaupteten Mängel" zu bejahen sei.

Das Erstgericht wird das Klagebegehren daher im fortzusetzenden Verfahren mit der Klägerin zu erörtern und diese zu einer entsprechenden Klarstellung anzuleiten haben. Bei der Formulierung des Feststellungsbegehrens wird es erforderlich sein, konkrete Tatsachen (vorliegende Mängel bzw bereits vorhandene Ursachen für zukünftige Schäden) anzugeben, aus denen sich die festzustellende Haftung der beklagten Partei ergeben soll. Sollte es nicht möglich sein, einzelne Mängel ausreichend zu konkretisieren - etwa weil die genaue Ursache aufgetretener Probleme nicht ohne weiteres feststellbar ist - reicht es aus, das augenscheinliche Schadensbild darzustellen und insoweit die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für den diesem Schadensbild zugrunde liegenden (Planungs- und/oder Herstellungs-)Fehler zu begehren. Nur eine derart konkrete Formulierung des Feststellungsbegehrens ist geeignet, Unsicherheiten über die Reichweite eines Feststellungsurteils zu vermeiden, zumal in solchen Fällen über die einzelnen Teilbegehren auch mit unterschiedlichem Ergebnis (vgl ewa 4 Ob 332/97w) abgesprochen werden kann.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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