OGH 8ObA21/04b

OGH8ObA21/04b15.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Walter Zeiler und Mag. Thomas Maurer-Mühlleitner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Werner Masser, Dr. Ernst Grossmann, Dr. Eduard Klingsbigl, Dr. Robert Lirsch, Mag. Florian Masser, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Jürgen S*****, vertreten durch Mag. Manuela Strinzel-Kohler, Rechtsanwältin in Kremsmünster, wegen 182.371,28 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. September 2003, GZ 7 Ra 25/03b-39, womit über Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21. Oktober 2002, GZ 23 Cga 226/01z-26, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte war bei der klagenden Partei vom 30. 11. 1992 bis zum 31. 12. 2000 angestellt. Er war zunächst als Berufsanwärter tätig. Am 2. 12. 1992 unterfertigte er eine Dienstordnung, in welcher unter Punkt 2.9 unter dem Titel Konkurrenzverbot und Konventionalstrafe festgehalten war: "Jeder Dienstnehmer der Gesellschaft verpflichtet sich, für den Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung seines Dienstverhältnisses bei der Gesellschaft keine unter die Bestimmungen der WTBO fallende Tätigkeit im Kreise der von der L***** zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Ausscheidens vertretenen Auftraggeber auszuüben. Das gilt für jede der L***** nach § 32 WTBO zustehende Vorbehaltsaufgabe, sei es als selbständige Tätigkeit oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses. Im Falle des Zuwiderhandelns gegen diese Verpflichtung wird die Entrichtung einer Konventionalstrafe in eineinhalbfacher Höhe des letzten von der L***** an diesen Auftraggeber verrechneten Jahreshonorars vereinbart."

Nach seiner Berufsanwärtertätigkeit war der Beklagte als Steuerberater in der Zweigstelle K***** beschäftigt. Er war einziger Steuerberater und damit Leiter der Zweigstelle. Außer ihm arbeiteten in der Zweigstelle ein Buchhalter, eine Buchhalterin und eine Sekretärin.

Unter Einhaltung der vereinbarten einmonatigen Kündigungsfrist kündigte der Beklagte das Dienstverhältnis am 30. 11. 2000 zum 31. 12. 2000. Mit 1. 1. 2001 eröffnete er eine eigene Steuerberatungskanzlei in K*****.

Durch diese Kündigung war die Zweigstelle der klagenden Partei in K***** ohne Steuerberater und ohne Leiter. Die klagende Partei teilte daher ihren Klienten mit Schreiben vom 19. 12. 2000 mit, dass der Nachfolger des Beklagten ein Mitarbeiter der Zweigstelle L***** sei, welcher entweder in der Zweigstelle K***** oder in L***** erreichbar sei und selbst mit den Klienten Kontakt aufnehmen werde.

Ende Dezember 2000 kündigte eine der beiden Mitarbeiterinnen und begann Anfang Februar 2001 beim Beklagten zu arbeiten.

Zwischen 9. 1. und 19. 1. 2001 kündigten 18 Klienten der klagenden Partei schriftlich und wechselten zum Beklagten. Der Beklagte teilte diesen Klienten mit, dass sie erst bei der klagenden Partei kündigen müssten, bevor sie von ihm genommen würden. Der Großteil der Kündigungsschreiben dieser Klienten hatte denselben Text und lautete: "Ich kündige hiemit meinen Auftrag für die laufende Lohnverrechnung und Bilanzierung und ersuche um unverzügliche Übermittlung meiner Lohnverrechnungsunterlagen....."

Insgesamt kündigten rund 50 Klienten, wovon zumindest 42 zum Beklagten wechselten. Schließlich kündigte die zweite Mitarbeiterin der klagenden Partei zum 15. 2. 2001. Aufgrund der Klienten- und Mitarbeiterkündigungen entschloss sich die klagende Partei, die Filiale in K***** zu schließen. Sie teilte den verbleibenden Klienten mit Schreiben vom 22. 1. 2001 mit, dass diese ab sofort vom Standort S***** aus betreut würden. Mit 31. 3. 2001 wurde die Zweigstelle K***** geschlossen. Die klagende Partei geht in einer Aufstellung jener Klienten, die gekündigt haben, davon aus, dass 45 Klienten zum Beklagten wechselten, die einen Nettojahresumsatz 2000 von 1,567.562 S brachten. Unter Berücksichtigung weiterer 10 Klienten, die gekündigt haben, beträgt der Jahresnettoumsatz der betroffenen Klienten für das Jahr 2000 1,672.989 S.

Der Beklagte verdiente bei der klagenden Partei rund 25.000 S netto 14 x jährlich. Ihn treffen keine Sorgepflichten. Der Beklagte hat keine Schulden.

Die klagende Partei begehrt 182.371,28 EUR. Der Beklagte habe gegen die als Kundenschutzklausel auszulegende Dienstordnung dadurch verstoßen, dass er 42 ehemalige Klienten der klagenden Partei übernommen habe, wobei der Wechsel im Wesentlichen im Jänner 2001 und der ersten Februar-Woche 2001 erfolgt sei. Es handle sich um jene Unternehmer bzw Unternehmungen, die in der gleichzeitig mit der Klage vorgelegten Liste in den beiden ersten Absätzen verzeichnet seien. Daraus errechne sich ein relevantes Jahreshonorar von 1,672.989 S, woraus sich die begehrte Konventionalstrafe (150 % dieses Betrages) ergebe. Die Schließung der Zweigstelle in K***** sei deshalb erfolgt, weil die Aufrechterhaltung des Betriebes im Hinblick auf die Tatsache, dass ein Großteil der Klienten auf dessen aktives Betreiben zum Beklagten gewechselt hätten, wirtschaftlich nicht vertretbar gewesen sei.

Der Beklagte behauptet, die von ihm unterfertigte Dienstordnung habe nur für den Zeitraum seiner Tätigkeit als Berufsanwärter gegolten. Er habe keine Klienten aktiv abgeworben. Die klagende Partei habe sich ihres Klientenschutzes selbst dadurch begeben, dass sie die Zweigstelle in K***** aufgelassen habe. Bei der von der klagenden Partei vorgelegten Schadensaufstellung handle es sich um eine "Milchmädchenrechnung", die möglicherweise sämtliche Klienten bzw Honorare aufliste, die der Zweigstelle K***** durch die Schließung der Kanzlei abhanden gekommen seien, nicht jedoch durch Aktivitäten des Beklagten. Vorsichtshalber werde die Anwendung des richterlichen Mäßigungsrechtes beantragt. Es sei ein Konkurrenzverbot nur hinsichtlich der gemäß § 32 WTBO geregelten Vorbehaltsaufgaben der Buchprüfer vereinbart worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren bezüglich eines Betrages von 25.435,49 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 1. 2001 statt und wies das Mehrbegehren bezüglich weiterer 156.935,79 EUR sA ab.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass die in der Dienstordnung vereinbarte Konkurrenzklausel nach dem klaren Wortlaut jeden Dienstnehmer der klagenden Partei betreffe. Sie gelte auch für jede der klagenden Partei nach § 32 WTBO zustehende Vorbehaltsaufgabe. Dass der Beklagte für die von der klagenden Partei übernommenen Klienten Tätigkeiten verrichtet hätte, die nicht unter § 32 WTBO fielen, habe das Beweisverfahren weder ergeben noch sei Entsprechendes behauptet worden. Die vereinbarte Konkurrenzklausel sei grundsätzlich wirksam; unwirksam sei gemäß § 36 Abs 2 AngG nur die vereinbarte Dauer von zwei Jahren. Daraus resultiere eine Teilnichtigkeit, die auch die Hälfte der eingeklagten Konventionalstrafe betreffe. Im Übrigen unterliege diese Konventionalstrafe dem richterlichen Mäßigungsrecht. Bei der dabei anhand der Umstände des Einzelfalls vorzunehmenden Interessenabwägung seien die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe und die Umstände auf Seiten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. An sich stelle der tatsächlich eingetretene Schaden die Untergrenze der Herabsetzung der Vertragsstrafe dar. Die Vertragsstrafe könne jedoch auch dann begehrt werden, wenn kein Schaden eingetreten sei. Stehe die Höhe des tatsächlichen Schadens nicht fest, dann bedeute das nur, dass der wirkliche Schaden als Mäßigungskriterium unberücksichtigt zu bleiben habe. Ein Vorbringen über den tatsächlich eingetretenen Schaden habe die klagende Partei nicht erstattet. Die vereinbarte Höhe der Konventionalstrafe stehe in einem auffallend krassen Missverhältnis zum Einkommen des Beklagten. Es erscheine eine Konventionalstrafe in Höhe eines Jahreseinkommens des Beklagten angemessen. Eine weitergehende Mäßigung komme nicht in Betracht, weil der Beklagte aktiv gegen das Konkurrenzverbot verstoßen habe und Klienten der klagenden Partei dazu animiert habe, zu kündigen.

Das Berufungsgericht gab den von beiden Parteien erhobenen Berufungen Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Arbeitsrechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, und zwar "sowohl aus der Sicht der Komplexität des Sachverhalts und der noch aufzutragenden Ergänzungsfragen als auch der Problematik der vom Beklagten aufgeworfenen Frage der Berufsaufgabenteilung sowie Berufsanwärter, wozu keine Judikatur vorhanden ist".

Das Berufungsgericht erledigte die Tatsachenrüge des Beklagten, die sich gegen die Feststellung des Erstgerichtes wendet, dass 42 Klienten von der klagenden Partei zum Beklagten wechselten, nicht. Es vertrat rechtlich zusammengefasst folgende Auffassung: Unklar sei die für die Ermittlung der Konventionalstrafe heranzuziehende Bemessungsgrundlage. Die von der klagenden Partei im Verfahren gebrauchten Begriffe "Nettoerlöse und Jahreshonorare aus den diversen Auftragsverhältnissen" lasse noch keine Beurteilung zu, welcher Schaden der klagenden Partei entstanden sei. Allerdings ergebe sich aus dem Vorbringen der klagenden Partei mit hinreichender Klarheit, dass der vom Beklagten verursachte Schaden begehrt werde. Dieser könne nur durch ein "synoptisches Sachverständigengutachten" aus einer Kombination aller betriebswirtschaftlichen und bilanztechnischen Komponenten ermittelt werden. Das sei mit den Streitteilen zu erörtern. Erst dadurch werde ein verlässliches Bild über den tatsächlich eingetretenen Schaden zu gewinnen sein, der wiederum für die Frage der Mäßigung der Konventionalstrafe von Bedeutung sei. Aus diesen Blickwinkeln sei das Verfahren ergänzungsbedürftig.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Beklagten erhobene Rekurs ist zulässig, weil sich das Berufungsgericht mit den in beiden Berufungen aufgeworfenen Rechtsfragen inhaltlich nicht auseinandersetzte. Die Frage der Zuordnung und Zulässigkeit von Mandantenschutzklauseln stellt sich als erhebliche Rechtsfrage dar.

Der Rekurs ist im Ergebnis auch berechtigt.

Vereinbarungen, welche einem Arbeitnehmer nach dessen Ausscheiden die Betreuung von Mandanten seines früheren Arbeitgebers als Angestellter in einem anderen Arbeitsverhältnis oder als Selbständiger verbieten, werden als sogenannte Mandantenschutzklauseln bezeichnet, deren Zweck darin liegt, den Klientenstock des Dienstgebers zu schützen (vgl zum Begriff ZAS 1988/17 [Weilinger]; Löschnigg Arbeitsrecht10 267; Löschnigg, Klientenschutzvereinbarung eines angestellten Wirtschaftstreuhänders, DRdA 1981, 415 [420]). Von der deutschen Lehre und Rechtsprechung werden Mandantenschutzklauseln den Konkurrenzklauseln zugeordnet und unterliegen den für diese geltenden Bestimmungen (Schaub, Arb-HdB10 § 58 RN 13; Staub Großkomm z HGB4 Vor § 74 Rz 23 jeweils mit Hinweisen auf die Rsp des BAG). Auch für das österreichische Recht ist die prinzipielle Zuordnung von Klientenschutzklauseln zu den Konkurrenzklauseln zu bejahen: Auch der durch eine Mandantenschutzklausel gebundene ehemalige Arbeitnehmer ist in der Ausübung seines Berufes zumindest dann erheblich eingeschränkt, wenn er sich im Wirkungsbereich seines früheren Arbeitgebers selbständig machen will. Gerade im freien Beruf des Wirtschaftstreuhänders sind das allmählich anwachsende Vertrauen des Klienten und der Umstand, dass der Beratende in dem bestimmten Lebensbereich als kenntnisreich und zuverlässig bekannt ist, ausschlaggebend für den Aufbau einer eigenen Kanzlei. All das zeigt, dass die typische Klienten- oder Mandantenschutzklausel vom Tatbestand der Konkurrenzklausel des § 36 AngG erfasst wird (so auch Löschnigg aaO 420).

Nur wenn eine Konkurrenzklauselvereinbarung im Einzelfall unabhängig von den Kriterien des § 36 AngG aufgrund besonderer Umstände - insbesondere wegen der Art und Weise ihres Zustandekommens - gegen die guten Sitten verstößt, ist sie gemäß § 879 Abs 1 ABGB von Anfang an nichtig und unwirksam, ohne dass noch geprüft werden müsste, ob und inwieweit sie im Sinne des § 36 Abs 2 AngG die künftige Erwerbstätigkeit des Angestellten in unbilliger Weise beschränkt (RIS-Justiz RS0029891; zuletzt 9 ObA 182/99a). Von der Ausübung erheblichen Druckes der klagenden Partei auf den Beklagten kann hier keine Rede sein.

Vor einem näheren Eingehen auf die Zulässigkeit der vereinbarten Konkurrenzklausel bedarf es der Ermittlung ihres Inhaltes; gegebenenfalls unter Heranziehung der Bestimmungen der §§ 914 f ABGB (RIS-Justiz RS0111387). Schon das Erstgericht hat den Einwand des Beklagten, er habe die Dienstordnung als Berufsanwärter unterfertigt, sie gelte daher für seine ab 1. 8. 1995 ausgeübte Tätigkeit als angestellter Wirtschaftstreuhänder nicht, zutreffend verworfen: Aus dem klaren und insoweit nicht auslegungsbedürftigen Wortlaut der Dienstordnung geht hervor, dass sich jeder Dienstnehmer der Gesellschaft verpflichtet, für den Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung des Dienstverhältnisses keine unter die Bestimmungen der WTBO fallende Tätigkeit im Kreis der von der L***** zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Ausscheidens vertretenen Auftraggeber auszuüben. Warum diese Dienstordnung nur für den Zeitraum der Tätigkeit des Klägers als Berufsanwärter Geltung haben soll, zeigt der Rekurs nicht auf. Auch wenn Konkurrenzklauseln im Zweifel einschränkend ausgelegt werden müssen (RIS-Justiz RS0016612), ist der klagenden Partei darin zu folgen, dass die vereinbarte Konkurrenzklausel nicht nur auf die im § 32 WTBO normierten Vorbehaltsaufgaben der Buchprüfer (Prüfungsaufgaben, mit denen die Erteilung eines förmlichen Bestätigungsvermerkes verbunden ist; Erstattung von Sachverständigengutachten in bestimmten Angelegenheiten) beschränkt ist: Der erste Satz der Konkurrenzklausel ("keine unter die Bestimmungen der WTBO fallende Tätigkeit....") spricht jedenfalls für diese Auslegung. Der zweite Satz "dies gilt für jede der L***** nach § 32 WTBO zustehende Vorbehaltsaufgabe, sei es als selbständige Tätigkeit oder ihm Rahmen eines Dienstverhältnisses" ist nach dem klar erkennbaren Zweck der Regelung nicht als Einschränkung des ersten Satzes zu verstehen, sondern als Klarstellung, dass unter "Tätigkeit" nicht nur die Vorbehaltsaufgaben der Steuerberater (§ 33 WTBO), sondern auch die ausdrücklich den Buchprüfern vorbehaltenen Aufgaben (§ 32 WTBO) zu verstehen sind. Das ergibt sich im Übrigen auch aus § 32 Abs 3 WTBO, der ausdrücklich normiert, dass Buchprüfer und Steuerberater und Buchprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften zugleich alle Befugnisse des Steuerberaters (§ 33 WTBO) genießen. Darauf, dass der Beklagte für jene Klienten, die nach der (bekämpften) Feststellung des Erstgerichtes zum Beklagten wechselten, keine unter die WTBO fallende Tätigkeit ausübt, berief sich der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren nicht. Er behauptete lediglich, als Steuerberater tätig zu sein, während in § 32 WTBO Vorbehaltsaufgaben des Buchprüfers geregelt seien. Aus den dargelegten Gründen ist aber jede unter die WTBO fallende Tätigkeit des Beklagten für Klienten der klagenden Partei von der vereinbarten Konkurrenzklausel umfasst.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes ist die Konkurrenzklausel auch in der Frage der Höhe der Konventionalstrafe weder unklar noch überhaupt auslegungsbedürftig: Nach dem klaren Wortlaut wird für den Fall des Zuwiderhandelns die Entrichtung einer Konventionalstrafe in eineinhalbfacher Höhe des letzten von der klagenden Partei an diesen Auftraggeber verrechneten Jahreshonorars vereinbart. Inwiefern der Begriff "letztes Jahreshonorar" erörterungsbedürftig ist, ist dem Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes nicht konkret zu entnehmen. Einer Heranziehung des § 915 zweiter Halbsatz ABGB bedarf es daher nicht (RIS-Justiz RS0017752).

Misst man nun die vorliegende Konkurrenzklausel an § 36 AngG, so ergibt sich - auch von der klagenden Partei nicht bezweifelt - zunächst, dass die dem Beklagten auferlegte Beschränkung insoweit teilnichtig (RIS-Justiz RS0029953) ist, als sie den Zeitraum von einem Jahr übersteigt. Im Übrigen ist jedoch von einer Wirksamkeit der Klausel auszugehen: Weder war der Beklagte zur Zeit der Vereinbarung minderjährig noch bezieht sich die Beschränkung auf eine Tätigkeit außerhalb des Geschäftszweiges der klagenden Partei (§ 36 Z 1 und 2 AngG). Auch von einer "unbilligen Erschwerung" des Fortkommens des Beklagten im Sinne des § 36 Z 3 AngG kann in Ansehung der hier zu beurteilenden Mandantenschutzklausel nicht ausgegangen werden: Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0029956; ARD 4432/7/93; SZ 66/158) darf der Angestellte durch die mit einer Konkurrenzklausel verbundene Erwerbsbeschränkung nicht gezwungen werden, seine Kenntnisse und Berufserfahrungen brachliegen zu lassen, einen allenfalls erlernten Spezialberuf aufzugeben und damit zwangsläufig in eine berufsfremde Sparte mit geringerem Einkommen überzuwechseln. Bei der Interessenabwägung im Rahmen des gesetzlichen beweglichen Systems des § 36 Z 3 AngG ist einerseits das Interesse der klagenden Partei an der Erhaltung ihres Klientenstockes, andererseits aber auch der Umstand zu berücksichtigen, dass die klagende Partei, die einen weitgehend auf persönlicher Betreuung der Klienten beruhenden freien Beruf in der Rechtsform einer GmbH mit Zweigniederlassungen ausübt, auch ohne aktive Konkurrenzierung durch einen ehemaligen Mitarbeiter mit dem Verlust eines erheblichen Teiles des von ihm betreuten Kundenstockes insbesondere dann rechnen muss, wenn dieser Mitarbeiter jahrelang zur Zufriedenheit der Kunden gearbeitet hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die klagende Partei in ihrer Existenz dadurch gefährdet ist, dass anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses eines Mitarbeiters ein Teil des ausschließlich von ihm betreuten Klientenstockes verloren geht (vgl dazu SZ 66/158). Der wesentliche Unterschied zwischen dem hier zu beurteilenden Fall und der Konkurrenzklausel, der der Entscheidung SZ 66/158 zugrunde lag (siehe dazu auch N.N. Unwirksame Konkurrenzklausel eines Wirtschaftstreuhänders RdW 1995, 244), liegt darin, dass dem Beklagten durch die Dienstordnung hier nicht generell die Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Geschäftszweig der klagenden Partei verboten wurde, sondern nur eine unter die Bestimmungen der WTBO fallende Tätigkeit für zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten bestehende Kunden der klagenden Partei. Damit ist aber dem Beklagten hier nicht die Möglichkeit genommen worden, seine in seinem erlernten Beruf erworbenen Spezialkenntnisse für die Dauer eines Jahres nach Beendigung des Dienstverhältnisses der klagenden Partei zu verwerten. Er konnte vielmehr sowohl Angestellter einer Wirtschaftstreuhandkanzlei werden als auch seinen Beruf als Steuerberater selbständig ausüben, soferne er nur nicht während des ersten Jahres nach Beendigung seines Dienstverhältnisses Kunden der klagenden Partei betreute. Unter diesen Umständen ist - mit der Einschränkung der Beschränkung auf ein Jahr - die Konkurrenzklausel als wirksam anzusehen (so auch Löschnigg aaO 421). Die Frage, ob die Konkurrenzklausel einer örtlichen Begrenzung bedurft hätte (siehe ebenfalls Löschnigg aaO 420) muss hier nicht beantwortet werden, weil aus den insoweit unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes mit hinreichender Deutlichkeit abzuleiten ist, dass jene Klienten, die zum Beklagten wechselten, Klienten der klagenden Partei in der Zweigstelle K***** waren.

Zur Höhe der vereinbarten Konventionalstrafe vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass die aus § 36 Z 2 AngG resultierende Beschränkung der Wirksamkeit der Konkurrenzklausel auf den Zeitraum eines Jahres auch zur Halbierung der vereinbarten Konventionalstrafe zu führen habe

In der Entscheidung 4 Ob 138/82 (= Arb 10.190) wurde ausgesprochen, dass bei Mäßigung der Konventionalstrafe die für die Dauer einer Beschränkung von zwei Jahren vereinbarte Konventionalstrafe mit der Dauer des gesetzlich zulässigen Höchstausmaßes von einem Jahr in Einklang gebracht werden müsse. Daraus folgt aber nur, dass die Teilnichtigkeit einer Konkurrenzklausel im Hinblick auf die zeitliche Beschränkung gegebenenfalls im Rahmen der Mäßigung der Konventionalstrafe zu berücksichtigen ist. Eine "automatische" Verknüpfung dahin, dass die im zeitlichen Bereich teilnichtige Beschränkung auch zu einer prozentuellen Kürzung der vereinbarten Konventionalstrafe zu führen habe, ist aus der Entscheidung nicht abzuleiten. Gerade im hier zu beurteilenden Fall ist eine solche Vorgangsweise abzulehnen: Das eineinhalbfache Jahreshonorar, welches als Konventionalstrafe vereinbart wurde, bezieht sich jeweils auf jene Klienten, die der Beklagte vereinbarungswidrig nach Beendigung des Dienstverhältnisses zur klagenden Partei betreute. Eine "natürliche" Reduktion der Konventionalstrafe ergibt sich ohnedies bereits daraus, dass der Beklagte - wegen der insoweit gegebenen Teilnichtigkeit der Vereinbarung - nur dann rechtswidrig handelt, wenn er im ersten Jahr nach Beendigung seines Dienstverhältnisses frühere Klienten der klagenden Partei betreut. Die Annahme einer darüber hinausgehenden Teilnichtigkeit der Konventionalstrafe wegen der Teilnichtigkeit des vereinbarten Zeitraumes, für den die Konkurrenzklausel gilt, ist daher nicht geboten.

Damit ist zuletzt auf die Frage der Mäßigung der Konventionalstrafe einzugehen: Entgegen der von der klagenden Partei vertretenen Auffassung hat sich der Beklagte in erster Instanz ausreichend auf das richterliche Mäßigungsrecht berufen. Neben dem allgemeinen Hinweis auf die vorsichtshalber beantragte richterliche Mäßigung (S 3 in ON 3) ist auch der Beweisantrag des Beklagten auf seine Einvernahme bezüglich seiner Einkünfte während des aufrechten Dienstverhältnisses zur klagenden Partei (S 3 in ON 24) zumindest als impliziter Hinweis auf die im Rahmen des richterlichen Mäßigungsrechtes zu berücksichtigenden persönlichen Verhältnisse des Beklagten zu verstehen. Der Beklagte ist somit seiner entsprechenden Behauptungslast (RIS-Justiz RS0032195) gerade noch ausreichend nachgekommen. Bereits das Erstgericht hat jene Faktoren, die für die Beurteilung, ob die vereinbarte Konventionalstrafe übermäßig ist, heranzuziehen sind, richtig dargestellt. Es sind die Verhältnismäßigkeit der Strafe, die wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnisse des Arbeitnehmers, insbesondere seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse, ferner Art und Ausmaß seines Verschuldens an der Vertragsverletzung sowie die Höhe des durch die Vertragsverletzung dem Arbeitgeber entstandenen Schadens zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0029967). Dabei entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass eine Übermäßigkeit der Vertragsstrafe insbesondere dann vorliegt, wenn der erlittene Schaden unverhältnismäßig kleiner ist als der bedungene Vergütungsbetrag (RIS-Justiz RS0032138). Die Vertragsstrafe kann nicht unter die Höhe des tatsächlichen Schadens herabgesetzt werden (RIS-Justiz RS0032156; DRdA 1984/8 [kritisch Steinbauer]). In diesem Zusammenhang ist zunächst klarzustellen, dass entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung die klagende Partei im erstinstanzlichen Verfahren auf die Höhe des tatsächlich eingetretenen Schadens nicht Bezug nahm. Ihr erst im Berufungsverfahren dazu erstattetes Vorbringen unterliegt dem Neuerungsverbot. Die vereinbarte Konventionalstrafe (1,5-fache Jahreshonorare) kann schon begrifflich nicht mit dem der klagenden Partei eingetretenen Schaden gleichgesetzt werden: Die Gleichsetzung eines einem Klienten verrechneten Jahreshonorars (wobei hier überdies als Konventionalstrafe das Eineinhalbfache des Jahreshonorars vereinbart wurde) mit dem aus einer Klientenbetreuung resultierenden Jahresgewinn würde tatsächlich - wie vom Beklagten in erster Instanz auch vorgebracht - einer "Milchmädchenrechnung" gleichkommen. Entsprechendes hat aber die klagende Partei ohnedies nicht behauptet. Sie ist im Übrigen, wie sich bereits aus dem klaren Wortlaut des § 1336 Abs 2 ABGB ergibt, nicht damit behauptungs- und beweisbelastet, dass der eingetretene Schaden die Konventionalstrafe erreiche. Vielmehr läge es am Beklagten, einen tatsächlich eingetretenen niedrigeren Schaden zu behaupten und nachzuweisen (DRdA 1984/8 uva). Der vom Berufungsgericht amtswegig erteilte Auftrag auf Einholung eines "synoptischen Sachverständigengutachtens" zur Ermittlung des der klagenden Partei tatsächlich entstandenen Schadens kommt ohne entsprechendes Vorbringen des Beklagten nicht in Betracht.

Aus folgenden Überlegungen ist die Rechtssache jedoch noch nicht entscheidungsreif:

Das Berufungsgericht hat die Beweisrüge des Beklagten zur - verfahrensentscheidenden - Feststellung, dass 42 Klienten zum Beklagten wechselten, nicht behandelt. Bevor nicht feststeht, ob diese erstgerichtliche Feststellung über den Klientenwechsel zutrifft, lässt sich nicht einmal beurteilen, ob der Beklagte überhaupt gegen die vereinbarte Mandantenschutzklausel verstoßen hat.

Sollte das Berufungsgericht die bekämpfte Feststellung übernehmen, wird überdies zu beachten sein, dass die Höhe der der klagenden Partei gebührenden Konventionalstrafe unmittelbar von der Höhe jener Jahreshonorare abhängt, die die klagende Partei jenen Kunden verrechnete, die der Beklagte entgegen der Mandantenschutzklausel im ersten Jahr nach Beendigung seines Dienstverhältnisses übernahm. Die klagende Partei selbst geht in ihrer Aufstellung/C - wie auch vom Erstgericht festgestellt - davon aus, dass unter Berücksichtigung von 55 Klienten, die zum Beklagten wechselten, die entsprechenden Jahreshonorare 1,672.989 S betrügen. Von diesem Betrag ging die klagende Partei auch bei Errechnung der ihr gebührenden Konventionalstrafe aus. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes wechselten 42 Klienten zum Beklagten; ein Wechsel von 45 Klienten hätte einem Nettojahresumsatz 2000 von 1,567.562 S entsprochen. Da aber Ausgangsbasis für die Höhe der Konventionalstrafe genau jene Klienten bzw die ihnen von der klagenden Partei im Jahr 2000 verrechneten Honorare sind, die zum Beklagten wechselten, wird es zur Beurteilung der Höhe der Konventionalstrafe unerlässlich sein, festzustellen, welche Jahreshonorare die klagende Partei im Jahr 2000 genau jenen Klienten verrechnete, die tatsächlich zum Beklagten wechselten. Erst dann wird sich die Ausgangsbasis für die Konventionalstrafe und die sich daran anknüpfende Ausübung des richterlichen Mäßigungsrechtes ergeben. Dem Einwand des Beklagten, die klagende Partei habe ihre Zweigstelle geschlossen, sie habe sich daher ihres Klientenschutzes begeben, ist zu entgegnen, dass dieser Einwand jedenfalls dann als nicht zutreffend zu qualifizieren ist, wenn der Klientenwechsel zum Beklagten vor Schließung der Filiale in K***** erfolgte. Wechselte nämlich ein wesentlicher Teil der Klienten, deren Jahreshonorare hier Bemessungsgrundlage für die Konventionalstrafe sind, vor Schließung der Filiale, kann die Schließung der Filiale in K***** weder ein "Mitverschulden" der klagenden Partei am Verstoß des Beklagten gegen die Konkurrenzklausel darstellen noch im Rahmen des Mäßigungsrechtes berücksichtigt werden.

Das Berufungsgericht wird daher zunächst die Tatsachenrüge des Beklagten in seiner Berufung zu erledigen haben. Aus diesem Grund hatte eine Aufhebung des Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichtes zu erfolgen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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