Spruch:
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Beklagte hatte bei der klagenden Versicherung einen Haftpflichtversicherungsvertrag für seinen PKW abgeschlossen. Zufolge Prämienrückstandes wurde er am 21. 10. 1999, mit eingeschriebenem Brief zur Post gegeben am 22. 10. 1999, aufgefordert, binnen zwei Wochen die per 1. 10. 1999 fällig gewordene Prämie von S 1.908,83 zu bezahlen. Diese Mahnung war dabei so gestaltet, dass sie aus einem Textblatt und einem Zahl-(Erlag-)schein mit dem offenen Betrag als Allonge bestand. Der standardisierte Textvordruck auf der Vorderseite lautete (auszugsweise):
"Sehr geehrter Kunde!
Leider haben Sie übersehen, die nebenan angeführte Prämie rechtzeitig zu entrichten. Wir räumen Ihnen gemäß § 39 Versicherungsvertragsgesetz eine
Zahlungsfrist von 2 Wochen
bei Gebäudeversicherungen von 1 Monat, ein. Bitte beachten Sie den umseitig wiedergegebenen Gesetzestext, dem Sie die Rechtsfolgen, die mit dem fruchtlosen Ablauf dieser Frist verbunden sind, entnehmen können."
Auf der Rückseite des Formulars ist ua unter der Überschrift "Auszug aus § 39 Versicherungsvertragsgesetz" dessen Gesetzestext großteils (insbesondere dessen Abs 2 vollständig) wiedergegeben.
Die so gestaltete Mahnung wurde vom Beklagten am 27. 10. 1999 beim Postamt behoben. Ihm war bewusst, dass er die fällige Prämie nicht bezahlt hatte, er war jedoch der Meinung, dass er in jedem Fall noch sechs Wochen ab dem Verzug "nachversichert" sei bzw dass für den Fall der Leistungsfreiheit des Versicherers zuvor die Kennzeichentafeln abgenommen werden würden. Demgemäß bezahlte er die fällige Prämie vorerst nicht und stellte auch kein Stundungsansuchen.
Am 16. 11. 1999 - sohin nach Ablauf der 14-tägigen Zahlungsnachfrist - geriet der Beklagte mit seinem PKW auf einer Gemeindestraße bei feuchter Fahrbahn und Dunkelheit mit eingeschaltetem Abblendlicht und einer Geschwindigkeit von ca 80 km/h (aus nicht näher geklärtem Grund) in eine Schleuderbewegung, worauf er eine Vollbremsung einleitete, dabei auf die Gegenfahrbahn geriet und dort mit dem entgegenkommenden Fahrzeug des Helmut Z***** kollidierte. Dieser hatte sich mit der gleichen Geschwindigkeit aus der Gegenrichtung genähert und konnte trotz Vollbremsung die Kollision nicht verhindern. Hätte er allerdings bei ebenfalls eingeschaltetem Abblendlicht nur eine (erlaubte) Geschwindigkeit von 75 km/h eingehalten, so hätte er innerhalb seiner Sichtstrecke (bei gleichem Reaktionsverhalten) ohne Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Beklagten anhalten können. Z***** erlitt dabei eine leichte Halswirbelsäulenverletzung. Die klagende Partei anerkannte in der Folge dessen Schadenersatzbegehren (Kfz-Schaden, Schmerzengeld und sonstige Kosten) mit insgesamt S 58.052, welcher Betrag am 16. 3. 2000 überwiesen wurde.
Erst am Tag nach diesem Unfall, am 17. 11. 1999, faxte der Beklagte über seinen Versicherungsvertreter ein Stundungsansuchen bis 20. 12. 1999 an die klagende Partei, das von dieser mit Schreiben vom 18. 11. 1999 unter Hinweis darauf, dass kein Versicherungsschutz bestehe, abgelehnt wurde.
Mit der am 7. 8. 2001 eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei die Verurteilung des Beklagten zum Rückersatz der von ihr für den geschädigten Dritten erbrachten Leistungen in Höhe von S 73.837 samt 4 % Zinsen seit 1. 6. 2000; dieses Begehren wurde später auf restlich EUR 4.964,93 sA eingeschränkt.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren - ihre weiters "aus Gründen advokatorischer Vorsicht" erhobenen Prozesseinreden der örtlichen Unzuständigkeit und der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit wurden beschlussmäßig rechtskräftig verworfen - im Wesentlichen mit der (noch im Revisionsverfahren aufrechten) Begründung, dass ihr keine qualifizierte Mahnung im Sinne des § 39 VersVG zugekommen sei. Die von der klagenden Partei gewählte Form der Mahnung sei nicht ausreichend und der Beklagte überdies ohne sein Verschulden (zufolge Lohnrückstandes seines damaligen Arbeitgebers) an der rechtzeitigen Prämienzahlung gehindert gewesen. Schließlich treffe den Unfallgegner Z***** ein erhebliches Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalles und sei auch dessen geltend gemachter Sachschaden überhöht.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der klagenden Partei EUR 4.706,29 samt 4 % Zinsen seit 1. 6. 2000 zu bezahlen und wies das Mehrbegehren von EUR 258,14 sA - unangefochten und rechtskräftig - ab. Nach Auffassung des Erstgerichtes habe die gewählte Form des Mahnschreibens samt Allonge ausgereicht, um die Folgen des § 39 VersVG auszulösen. Es wäre dem Beklagten auch zumutbar gewesen, bereits vor dem Unfall ein Ratengesuch zu stellen. Das Alleinverschulden am Unfall treffe den Beklagten, weil die vom Zeugen Z***** nur um 5 km/h überhöhte Geschwindigkeit in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang zum Unfall stehe. Lediglich dessen Sachschaden sei zu kürzen gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es hatte ebenfalls keine Bedenken gegen die Recht- und Ordnungsmäßigkeit der Prämienmahnung, deren Textierung auch inhaltlich eine korrekte Rechtsbelehrung hinsichtlich der Verzugsfolgen der maßgeblichen Gesetzesstelle darstelle, zumal deren Gesetzestext als integrierender Bestandteil des Mahnschreibens gestaltet sei. Ein allfälliges mangelndes Verschulden an der (sofortigen) Prämiennachzahlung könnte nur dann vorliegen, wenn der Beklagte an der Durchführung des Zahlungsvorganges in entsprechender Weise gehindert gewesen wäre; seine angespannte finanzielle Situation hätte ihn hingegen zu einem (früheren) Stundungsansuchen veranlassen müssen. Das Einhalten einer überhöhten Geschwindigkeit von nur 5 km/h (80 statt 75 km/h) durch den Unfallsgegner sei als so geringfügig zu betrachten, dass es im Verhältnis zum Fahrfehler des Beklagten, der auf die Gegenfahrbahn geraten sei, vernachlässigt werden könne.
Für die Zulassung der ordentlichen Revision sah das Berufungsgericht zunächst keinen Anlass, weil es zu den zu lösenden Rechtsfragen ausreichende neuere Judikatur des Obersten Gerichtshofes gebe.
Über Antrag der beklagten Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO änderte das Berufungsgericht diesen Ausspruch in der Folge dahin ab, dass es die Revision doch für zulässig erklärte, weil der Beklagte in seiner verbundenen Revision mit Recht darauf hinweise, "dass es für derartige Ausgestaltung von qualifizierten Mahnungen wie sie hier vorliegen keine Judikatur gibt, dass aber die Frage, ob solche Mahnschreiben ausreichen, um die Voraussetzungen des § 39 VersVG zu erfüllen, eine Rechtsfrage des materiellen Rechts darstellt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt."
In der auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revision beantragt der Beklagte, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer vollständigen Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die von der klagenden Partei nach Freistellung durch das Berufungsgericht erstattete Revisionsbeantwortung wurde vom Berufungsgericht mit Beschluss vom 30. 12. 2003 als verspätet zurückgewiesen.
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig; gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Wiedergabe der Zurückweisungsgründe beschränken.
In der Revision werden zwei Fragen als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO releviert, und zwar:
a) Eine wie von der klagenden Partei gestaltete Mahnung, bei der der Gesetzestext des § 39 VersVG nur auf der Rückseite einer Allonge zum Zahlschein abgedruckt und dort auch nur auszugsweise wiedergegeben sei, sei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes als unzureichend abzulehnen. Für einen Fall wie den vorliegenden fehle es hiezu auch an Rechtsprechung des Höchstgerichtes.
b) Das Berufungsgericht sei auch von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage, wann ein Verschulden angenommen (bzw vernachlässigt) werden dürfe, abgewichen und hätte es die Klageforderung zumindest um ein Viertel (an anderer Stelle heißt es hiezu: um drei Viertel) reduzieren müssen (was freilich mit dem bereits wiedergegebenen Revisionsantrag auf vollinhaltliche Klageabweisung im Widerspruch steht).
Rechtliche Beurteilung
Hiezu ist Folgendes zu erwidern:
Zu a):
Der Versicherungsnehmer muss nach dem äußeren Anschein der Mahnung jedenfalls besonders eindrucksvoll an seine Zahlungspflicht erinnert werden, soll dem Gesetzeszweck, ihn aufgrund der äußeren Form der Mahnung vor einem Übersehen seiner Zahlungspflicht zu schützen (Riedler in Berliner Kommentar, Rn 21 zu § 39 VersVG), entsprochen werden. Demgemäß sind an Form und Inhalt eines Mahnschreibens nach § 39 VersVG grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (7 Ob 57/79; RIS-Justiz RS0080636). Der Oberste Gerichtshof hat - davon ausgehend - hiezu zwar in seiner Entscheidung 3 Ob 314/55 (SZ 28/162 = JBl 1955, 602) den Standpunkt eingenommen, die nur auf einer Allonge eines Posterlagscheins enthaltene Mahnung entspreche nicht den Erfordernissen des § 39 VersVG, in der Folge jedoch - in Anlehnung an die Besprechung dieser Entscheidung durch Ehrenzweig in JBl 1955, 602 f - klargestellt, dass es hiefür stets auf die leichte Erkennbarkeit anzukommen habe und daher nur Mahnungen und Rechtsbelehrungen, welche als solche für den Versicherungsnehmer nicht leicht erkennbar waren, als ungenügend angesehen (zuletzt 7 Ob 7/89 = VersE 1426; RIS-Justiz RS0080763). Demgemäß wurde nicht nur in dieser Entscheidung (VersE 1426), sondern auch zu 7 Ob 68/77 (VR 1979, 68) und zu 7 Ob 70/80 (VersR 1982, 864) eine Mahnung und Rechtsbelehrung des Versicherers, die oberhalb des Erlagscheines angebracht und als solche leicht erkennbar war, vom Obersten Gerichtshof ebenso für ausreichend und ordnungsgemäß befunden wie zu 7 Ob 15/77 (SZ 50/28) eine dem entsprechende Prämienmahnung auch auf einem Beiblatt unterhalb des zugehörigen Erlagscheins (siehe hiezu nochmals auch Riedler, aaO). Lediglich in der Entscheidung 7 Ob 57/79 (VersR 1980, 882) wurde ausgeführt, dass eine Mahnung nicht einmal auf einer Allonge des Erlagscheines, sondern direkt auf dessen Rückseite, welche sich überdies in ihrem Auffälligkeitwert überhaupt nicht von (sonstigen) Werbemitteilungen auf der Rückseite abhebt, nicht ausreiche und damit nicht den Voraussetzungen für eine qualifizierte Mahnung entspreche. Müsse nämlich der Versicherte aus verschiedenen ihm zugesandten Stücken erst "mühselig die für ihn wesentliche Mitteilung zusammensuchen", könne von einer ordnungsgemäßen Mahnung keine Rede sein, weil in einem derartigen Fall wesentliche Teile der Mahnung eben der notwendigen Auffälligkeit entbehrten.
Davon kann jedoch vorliegendenfalls keine Rede sein. Die von der klagenden Partei hier - wenngleich formalisiert und standardisiert - gewählte Form der Mahnung und Belehrung im Sinne einer seitlich an den Erlagschein angebrachten, jedoch dort deutlich in Form- und Textwahl gestalteten und sich abhebenden Allonge ist daher nicht zu beanstanden. Auch im vorliegenden Fall konnte (und musste) dem beklagten Prämienschuldner sein Zahlungsverzug samt daraus resultierenden Rechtsfolgen ob der leichten und fassbaren Formulierung samt Textgestaltung unmissverständlich klar sein. Von einer unzureichenden und damit Rechtsfolgen nicht zureichend auslösen könnenden Mahnung und Belehrung kann daher nach Auffassung des Senates nicht gesprochen werden. Die Mahnung entsprach demnach in der vorliegenden Form (einschließlich des abgedruckten maßgeblichen Gesetzestextes auf der Rückseite der Allonge) den gesetzlichen Form- und Inhaltserfordernissen des § 39 VersVG und war damit rechtswirksam. Schon Ehrenzweig hat in der eingangs zitierten Besprechung (JBl 1955, 603) die Verbindung des Mahnschreibens mit einem Erlagschein ausdrücklich als "praktisch wertvoll" bezeichnet; daran ist - freilich in Verbindung mit den weiteren Erfordernissen der Klarheit und leichten Erkennbarkeit des Zahlungsrückstandes samt Prämienverzugsfolgen für den säumigen Versicherungsnehmer als Prämienschuldner, welche hier aber nach dem Vorgesagten allesamt erfüllt sind - festzuhalten.
Zu b):
Ob eine bestimmte Verschuldensteilung durch die Vorinstanzen angemessen ist, ist eine Ermessensentscheidung, bei welcher nur im Falle einer gravierenden Fehlbeurteilung und damit krassen Verkennung der Rechtslage eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen ist (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu § 502; RIS-Justiz RS0087606); dies gilt auch für die hier relevierte Frage, ob ein geringes Verschulden noch vernachlässigt werden kann (2 Ob 213/02s). Dass die diesbezügliche Argumentation des Revisionswerbers überhaupt mit sich selbst im Widerspruch steht (zu P. 2.4.2 seines Rechtsmittels vertritt er die Auffassung, die Klageforderung wäre "zumindest um ein Viertel zu reduzieren gewesen"; zwei Absätze weiter heißt es, das Klagebegehren hätte "dem Grunde nach zumindest in einem Ausmaß von drei Viertel abgewiesen werden müssen" und schließlich wird in den Revisionsanträgen zu lit a derselben die gänzliche Klageabweisung, also überhaupt unter Negierung jeglichen Mitverschuldens des Beklagten selbst, angestrebt), ist damit ebenfalls nicht weiter beachtenswert. Es steht fest, dass der Beklagte nicht nur eine (so wie der Zeuge Z*****) angesichts der vom jeweils eingeschalteten Abblendlicht ausgehenden Sichtweite relativ überhöhte Geschwindigkeit einhielt, sondern auch - anders als der Lenker des entgegenkommenden Fahrzeuges - seinen PKW nicht zu beherrschen vermochte, in eine Schleuderbewegung geriet und dabei auf die Gegenfahrbahn abkam (also damit auch gegen das grundlegende Rechtsfahrgebot des § 7 StVO verstieß), wohingegen Z***** trotz sofortiger Bremsreaktion sein Fahrzeug spurhaltend zu beherrschen vermochte, jedoch eine Kollision vermeiden hätte können, wenn er tatsächlich um 5 km/h langsamer gefahren wäre. Daher ist die Annahme der Vorinstanzen, dass dieser Umstand gegenüber dem wesentlich gravierenderen Fehlverhalten des Beklagten vernachlässigbar sei, nicht zu beanstanden und bedarf daher keiner Korrektur im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.
Die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle liegen damit zu beiden Rechtsfragen nicht vor. Zur Höhe der zugesprochenen (restlichen) Klageforderung enthält das Rechtsmittel keine Ausführungen, sodass hierauf seitens des Obersten Gerichtshofes nicht weiter einzugehen ist.
Eine Kostenentscheidung zur Revisionsbeantwortung der klagenden Partei hatte zu entfallen, weil diese bereits vom Berufungsgericht als verspätet zurückgewiesen wurde.
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