OGH 7Ob57/79

OGH7Ob57/796.12.1979

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Wurz und Dr. Jensik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann G*****, vertreten durch Dr. Josef Lechner, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei N*****, vertreten durch Dr. Friedrich Grohs, Rechtsanwalt in Steyr, wegen Gewährung von Versicherungsschutz (Streitwert 720.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. September 1979, GZ 1 R 123/79-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichts Steyr vom 18. Juni 1979, GZ 2 Cg 84/79-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 13.515,24 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.200 S Barauslagen und 912,24 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hatte am 19. 9. 1978 seinen LKW Mercedes mit dem Kennzeichen ***** bei der Beklagten gegen Haftpflicht versichert. An diesem Tage verschuldete ein bei ihm angestellter Kraftfahrer mit dem LKW einen Verkehrsunfall, dessentwegen die Beklagte Versicherungsleistungen an geschädigte Dritte zu erbringen hat.

Die am 10. 6. 1978 zur Zahlung fällig gewesene Folgeprämie wurde vom Kläger erst nach dem Unfall gezahlt. Die Beklagte hatte dem Kläger im Mai 1978 einen Erlagschein zur Zahlung dieser Prämie über 14.978,80 S zugestellt. Da eine Überweisung des angegebenen Betrags nicht erfolgte, sandte sie dem Kläger am 21. 7. 1978 einen Erlagschein, auf dessen Rückseite folgender Text abgedruckt war: „Sehr geehrter Versicherungsnehmer! Die Prämie zu der auf diesem Erlagschein bezeichneten Versicherung ist bei uns noch nicht eingegangen. Sie laufen daher Gefahr, den Versicherungsschutz zu verlieren. Gemäß § 39 VersVG sind wir verpflichtet, dieses Schreiben an Sie zu richten. Bei Nichtzahlung des ausständigen Betrags innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieser Mahnung treten die auf der beiliegenden roten Karte angeführten Rechtsfolgen ein. Bitte zahlen Sie möglichst unverzüglich den auf diesem Erlagschein ausgewiesenen Betrag (Mahnspesen inkl 18 % Mehrwertsteuer sind inbegriffen).“

Auf der dem Erlagschein beiliegenden roten Karte war der Wortlaut des § 39 Abs 2 und 3 VersVG abgedruckt. Die Rückseite enthielt einen Hinweis für den Kunden, dem zufolge bei Unklarheiten Rückfrage bei den angegebenen Filialdirektionen oder Geschäftsstellen genommen werden solle. Diese Sendung ist dem Kläger zugekommen.

Das Erstgericht hat das auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Versicherungsschutz für den genannten Unfall gerichtete Begehren mit der Begründung abgewiesen, die Sendung vom 21. 7. 1978 habe eine ausreichende Mahnung iSd § 39 VersVG dargestellt.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es aussprach, dass der Wert des Streitgegenstands 2.000 S übersteigt. Es vertrat den Standpunkt, die Sendung vom 21. 7. 1978 habe nicht den Vorschriften des § 39 VersVG entsprochen, weshalb Leistungsfreiheit der Beklagten wegen des Verzugs mit einer Folgeprämie nicht eingetreten sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten aus den Gründen des § 502 Z 2 - 4 ZPO mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erblickt die Beklagte darin, dass das Berufungsgericht den vollen Wortlaut der auf der Rückseite des Erlagscheins aufscheinenden Mahnung angeführt hat, während dieser Wortlaut der Entscheidung des Erstgerichts nicht zu entnehmen ist. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin wurde hiemit jedoch nicht von den erstrichterlichen Feststellungen abgewichen, weil das Berufungsgericht den Wortlaut der Mahnung der von der Beklagten vorgelegten Beil ./2, deren Richtigkeit nicht bestritten wurde, entnommen hat. Die Revision behauptet auch nicht eine unrichtige Wiedergabe dieses Wortlauts. Demnach bedurfte es hiefür keiner Beweiswiederholung.

Einer Verfahrensergänzung zwecks Feststellung, dass dem Beklagten der Zugang der Mahnung bewusst war, bedurfte es schon aus rechtlichen Gründen nicht, weil gemäß § 39 Abs 1 VersVG eine Fristbestimmung ohne Beachtung dieser Vorschriften unwirksam ist. Die in § 39 VersVG behandelten Rechtsfolgen der Nichtzahlung einer Folgeprämie hängen daher sämtlich von der qualifizierten Mahnung ab (Bruck-Möller VVG8 I, 500; vgl Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht, 143). Es ist daher unerheblich, ob sich der Versicherungsnehmer seiner Prämienschuld bewusst war, falls die Einmahnung einer Folgeprämie nicht § 39 VersVG entsprochen hat. Demnach war nur diese Frage zu prüfen. Hiebei handelt es sich um die Auslegung ihrem Inhalt nach unbestrittener Urkunden ohne Zuhilfenahme von Aussagen, sohin um eine rein rechtliche Beurteilung (MietSlg 23.674, Arb 8578 ua). Aus diesem Grunde sind weitere Verfahrensschritte nicht erforderlich, weshalb ein Verfahrensmangel nicht gegeben sein kann.

Da nur der Urkundeninhalt von Bedeutung ist, dieser aber richtig wiedergegeben wurde, muss auf die Ausführungen zur Aktenwidrigkeit nicht weiter eingegangen werden, weil diese im einzig entscheidenden Punkt keinerlei Abweichungen vom Akteninhalt aufzeigen.

Wie das Berufungsgericht richtig ausführt, sind im Hinblick auf die mit einem Prämienverzug verbundenen schwerwiegenden Folgen an die Form und den Inhalt des in § 39 VersVG genannten Mahnschreibens strenge Anforderungen zu stellen (Möller, Versicherungsvertragsrecht3, 99). Dieses Schreiben muss einerseits alle Rechtsfolgen angeben und neben der Setzung einer Zahlungsfrist auch die Aufforderung zur Zahlung enthalten (Bruck-Möller VVG8 I, 502 f) und andererseits derart deutlich sein, dass der Versicherungsnehmer keinerlei Zweifel an den Folgen seiner Nichtbeachtung der an ihn gerichteten Aufforderung haben kann. In diesem Sinne hat die Judikatur ständig den Standpunkt vertreten, ein Mahnschreiben, das nur auf einer Allonge eines Posterlagscheins enthalten ist, entspreche nicht den Anforderungen, die das Gesetz stellt, wenn es an die Nichtbeachtung der Mahnung die im § 39 VersVG angeführten schwerwiegenden Folgen knüpft (SZ 27/162, JBl 1955/602 ua).

Im vorliegenden Fall scheint die eigentliche Mahnung nicht einmal auf einer Allonge des Erlagscheins, sondern direkt auf dessen Rückseite auf, wobei sie sich in ihrem Auffälligkeitswert überhaupt nicht von Werbemitteilungen auf der Rückseite abhebt. Demnach ist diese Art der Mahnung noch weniger auffällig als die durch eine Mitteilung auf einer Allonge des Erlagscheins. Die an sich auffällige beigelegte Karte enthält zwar den Wortlaut des § 39 Abs 2 und 3 VersVG lässt jedoch keinerlei Bezug auf den Einzelfall erkennen. Für sich allein entspricht sie nicht den Voraussetzungen für eine qualifizierte Mahnung. Muss aber der Versicherte aus verschiedenen ihm zugesandten Stücken mühselig die für ihn wesentliche Mitteilung erst zusammensuchen, kann von einer ordnungsgemäßen Mahnung vor allem dann keine Rede sein, denn in einem Fall entbehren wesentliche Teile der Mahnung der notwendigen Auffälligkeit.

Demnach erweist sich die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, dass die Mahnung nicht den Vorschriften des § 39 VersVG entsprochen hat, als richtig. Aus diesem Grunde konnten die in dieser Gesetzesstelle genannten Rechtsfolgen nicht eintreten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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