OGH 3Ob209/03m

OGH3Ob209/03m26.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Todeserklärungssache betreffend Engelbert M*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers Robert R*****, Tischler, *****, vertreten durch Dr. Claudia M. Schossleitner, Rechtsanwältin in Ried im Innkreis, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 16. Juli 2003, GZ 3 R 123/03h-7, womit der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 16. Juni 2003, GZ 20 T 55/03v-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Antrag auf Einleitung des Todeserklärungsverfahrens aufgetragen.

Text

Begründung

Der Revisionsrekurswerber (in der Folge Antragsteller) beantragte am 11. März 2003, seinen am 4. Jänner 1944 geborenen, ledigen Onkel (im Folgenden Verschollener) für tot zu erklären. Für den Verschollenen ist seit 1988 - über Antrag seines (inzwischen verstorbenen) Vaters - eine Abwesenheitspflegschaft anhängig; ein Abwesenheitskurator gemäß § 276 ABGB wurde bestellt. Der Verschollene ist Alleineigentümer einer Liegenschaft in Gampern und verfügte über Sparbücher und Girokonten; per 10. Juli 2003 betrugen die Kontostände zusammen rund 21.000 EUR.

Der Antragsteller begründet seinen Antrag damit, der Verschollene sei am 13. März 1981 mit seinem Moped von seinem Wohnsitz in G*****nach F*****gefahren. Seither sei er abgängig. Den Angehörigen seien keine Gründe für sein Verschwinden bekannt. Er habe die Angewohnheit gehabt, jedes Wochenende von zu Hause wegzufahren, ohne seine Angehörigen von seinem Ziel zu informieren, sei aber immer nach kürzester Zeit wieder nach Hause zurückgekehrt. Er sei ein sehr pflichtbewusster Mensch gewesen, sodass sein Verschwinden, vor dem er keinerlei Nachricht hinterlassen habe, unerklärlich sei. Er habe 1981 vor seinem Verschwinden keine wesentlichen Behebungen von seinem Sparvermögen getätigt. Auf Grund der mittlerweile verstrichenen Zeit könne unter Berücksichtigung dieser Umstände nicht mehr angenommen werden, dass er noch am Leben sei.

Ein früherer Antrag der Mutter des Antragstellers und Schwester des Verschollenen auf Todeserklärung wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 6. Juni 1994 abgewiesen.

Die Staatsanwaltschaft beantragte die Abweisung des Todeserklärungsantrags mangels Vorliegens der formellen Voraussetzungen.

Das Erstgericht wies den Todeserklärungsantrag ab. Es ging davon aus, dass alle Nachforschungen und Anfragen nach dem Verbleib des Verschollenen erfolglos geblieben seien. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Auffassung, dass in Anbetracht aller Umstände ernstliche Zweifel am Fortleben des Verschollenen gemäß § 1 Abs 1 TEG durch den seit seinem Verschwinden vergangenen Zeitraum von 22 Jahren nicht bewirkt werden könnten. Der Verschollene sei erst im 60. Lebensjahr; Hinweise auf eine lebensbedrohende Krankheit lägen nicht vor; es sei durchaus möglich, dass er sich dazu entschlossen habe, sich anderswo aufzuhalten und den Kontakt zu Angehörigen und Bekannten abzubrechen. Diese Vermutung sei genauso wahrscheinlich wie sein Ableben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 14 Abs 1 AußStrG sei nicht zulässig, weil der E RZ 1993/63 gefolgt werde. Für die Einleitung des Todeserklärungsverfahrens werde nicht nur der Ablauf der für die Todeserklärung auf Grund allgemeiner Verschollenheit gemäß § 3 TEG vorgesehenen Fristen (von zehn Jahren ab dem letzten Lebenszeichen oder unter entsprechenden Umständen noch kürzere Zeiträume), sondern nach den Umständen des Falls überdies auch das Vorliegen ausreichender Gründe für die Annahme ernstlicher Zweifel am Fortleben des Verschollenen, also eine hohe Wahrscheinlichkeit für sein Ableben, verlangt. Das Erstgericht habe mit zureichenden Gründen das Vorliegen von Hinweisen auf einen Umstand oder eine Situation, wonach für ein Ableben des Vermissten eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, verneint. Das vom Rechtsmittelwerber ins Treffen geführte hohe Pflichtbewusstsein des Verschollenen stehe mit dem Umstand, dass er seine Angehörigen selbst bei Wochenendreisen nicht entsprechend informiert habe, im Widerspruch.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig und berechtigt.

a) Verschollen iSd § 1 TEG 1950 idgF ist, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne dass Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hiedurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden (Abs 1). Verschollen ist nicht, wessen Tod nach den Umständen nicht zweifelhaft ist (Abs 2). Das Todeserklärungsverfahren ist gemäß § 18 TEG einzuleiten, wenn das Gericht das Vorhandensein der gesetzlichen Erfordernisse der Todeserklärung als in ausreichender Weise dargetan erachtet. Für die Einleitung eines Todeserklärungsverfahrens wird somit nicht nur der Ablauf der für die Todeserklärung auf Grund einer allgemeinen Verschollenheit gemäß § 3 TEG vorgesehenen Fristen (hier von 10 Jahren ab dem letzten Lebenszeichen), sondern nach den Umständen des Falls überdies auch das Vorliegen ausreichender Gründe für die Annahme ernstlicher Zweifel an seinem Fortleben (also eine hohe Wahrscheinlichkeit für sein Ableben) verlangt (8 Ob 599/90 = RZ 1993/63; RIS-Justiz RS0075682).

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen bestehen auf der Grundlage des von ihnen festgestellten Sachverhalts ernstliche Zweifel am Fortleben des Verschollenen. Dieser hat seinen Wohnsitz am 13. März 1981 ohne Mitnahme von persönlichen Gegenständen - nach dem Inhalt des Pflegschaftsakts auch ohne Pass und Geldtasche - verlassen und ist seitdem bereits 22 Jahre nachrichtenlos abwesend, ohne dass er versucht hätte, über sein bewegliches Vermögen zu verfügen. Auf dieser Tatsachengrundlage ist die Argumentation des Rekursgerichts, da der Verschollene erst im 60. Lebensjahr stehe und Hinweise auf eine lebensbedrohende Krankheit fehlten, rechtfertige die Dauer der Abwesenheit noch keine ernstlichen Zweifel am Fortleben des Vermissten, nicht überzeugend, weil der Aspekt, dass er möglicherweise einem Verbrechen zum Opfer fiel, gegenüber einem denkbaren Auswandern - etwa nach Übersee - oder Wechsel der Identität, beides ohne Mitnahme von Geld und Pass gänzlich vernachlässigt wird. Irgendwelche Anhaltspunkte für die Annahme, der Verschollene sei nach wie vor am Leben, sind nicht aktenkundig. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sind somit ihre Einwendungen gegen die Einleitung des Verfahrens auf Todeserklärung nicht berechtigt.

b) Diese Erwägungen können hier noch nicht zu einem Auftrag an das Erstgericht zur Einleitung des Verfahrens auf Todeserklärung führen. Denn zuerst muss von den Vorinstanzen geklärt werden, ob dem Rechtsmittelwerber die Antragslegitimation zukommt. Das Recht auf Antragstellung hat nur der, auf dessen Rechte und Pflichten der Tod des Verschollenen Einfluss übt, der somit ein rechtliches Interesse an der Todeserklärung hat (SZ 26/196, SZ 42/70; Dolinar in PraktZPR II5 167; Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen 119). Dies wird noch zu prüfen sein.

c) Die Frage, ob dann ein Kurator zur Vertretung des Verschollenen im Verfahren zu bestellen ist, dem es insbesondere obliegt, die zur Auffindung des Verschollenen geeigneten Nachforschungen zu pflegen, oder ob sich dies hier nach den Umständen des Falls als entbehrlich erweisen würde, stellt sich derzeit noch nicht.

d) Da das Rechtsmittel somit berechtigt ist, bleibt nur noch die Frage zu lösen, ob der verspätet, weil nach Ablauf der Frist von 14 Tagen (§ 11 Abs 1 AußStrG) eingebrachte Revisionsrekurs gemäß § 11 Abs 2 AußStrG zu berücksichtigen ist (RIS-Justiz RS007086). Dies ist der Fall, weil sich die Beschlüsse der Vorinstanzen auf Abweisung des Antrags auf Einleitung des Todeserklärungsverfahrens noch ohne Nachteil eines Dritten abändern lassen (RIS-Justiz RS0007371). Demnach ist spruchgemäß zu entscheiden.

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