OGH 3Ob64/03p

OGH3Ob64/03p26.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard R***** , vertreten durch Dr. Thomas Gratzl, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Sieglinde R*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Granner, Rechtsanwalt in Wels als Verfahrenshelfer, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 4. November 2002, GZ 21 R 295/02k-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 30. April 2002, GZ 17 C 26/01g-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 199,87 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 33,31 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde am 23. Juni 1982 rechtskräftig (gemäß § 55a EheG) geschieden.

Der Beklagten wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 5. Februar 2001, GZ 12 E 5741/00s-2, zur Hereinbringung eines die Monate Februar bis November 2000 umfassenden Unterhaltsrückstands von 3.961,90 S und laufender Unterhaltswertsicherungsbeträge von monatlich 396,19 S (ab Dezember 2000) wider den Kläger die Forderungs- und Fahrnisexekution bewilligt.

Die Parteien hatten am 23. Juni 1982 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, worin sich der Kläger zu einer Unterhaltsleistung an die Beklagte von monatlich 4.000 S ab 1. Juli 1982 verpflichtete. Nach Erreichung der Selbsterhaltungsfähigkeit der drei gemeinsamen Kinder sollte sich der monatliche Unterhaltsanspruch der Beklagten um insgesamt 1.000 S erhöhen. Weiters wurde eine Wertsicherung nach dem Verbraucherpreisindex 1976 unter Zugrundelegung der Basiszahl für Juli 1982 vereinbart.

Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Scheidung Einkünfte als Heeresbeamter, die unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen monatlich 14.000 S betrugen und darüber hinaus Nebeneinkünfte als Taxilenker von monatlich etwa 6.000 S. Die Beklagte ging einer Nebenbeschäftigung als Friseurin nach. Die Streitteile gaben diese Nebeneinkünfte damals weder bekannt noch legten sie sie der von ihnen geschlossenen Vereinbarung zugrunde. Beiden war bewusst, dass der jeweils andere Nebenbeschäftigungen zur Verbesserung seiner finanziellen Situation ausübte. Beide wollten aber, dass diese Einkünfte nicht in den Unterhaltsvergleich einfließen. Bei der Ausmessung des Unterhaltsbetrags der Beklagten orientierte man sich am gesetzlichen Unterhalt eines schuldlos geschiedenen Ehegatten. Die vom Kläger übernommene Unterhaltspflicht für seine Kinder betrug ab 1. Juli 1982 monatlich je 1.500 S, gleichfalls unter Zugrundelegung des Verbraucherpreisindex 1976 wertgesichert.

Das Einkommen des Klägers aus seiner Nebenbeschäftigung verschlechterte sich, als er selbständig ein Taxi lenkte. Seit 1. Februar 1995 befindet sich der Kläger als Heeresbeamter im Ruhestand. Seine monatlichen Pensionseinkünfte betrugen im Jahr 2001 (unter Einschluss der Sonderzahlungen) durchschnittlich 19.795 S. Ab Jänner 2002 bezog der Kläger eine monatliche Pension von 1.239,20 EUR. Nach wie vor betreibt er als Selbständiger ein Taxiunternehmen, woraus er aber in den Jahren 2001 und 2002 keine Gewinne erzielte.

Der Kläger begehrte, den zu AZ 12 E 5741/00s des Bezirksgerichts Wels betriebenen Anspruch für erloschen zu erklären. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses habe er so viel verdient, dass er die vereinbarten Unterhaltsbeträge ohne Existenzgefährdung habe zahlen können. Da die Beklagte bereits mehr als 33 % des Nettoeinkommens des Klägers erhalte und dieser keine Nebeneinkünfte mehr beziehe, stünden ihr die begehrten Wertsicherungsbeträge, denen ein Gesamtanspruch von 7.776,97 S entsprechen würde, nicht zu.

Die Beklagte wendete ein, die im Vergleich vereinbarte Wertsicherungsklausel bilde ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Umstandsklausel - vorbehaltlich anderslautender Vereinbarungen - ausgeschlossen worden wäre. Der von ihr betriebene Unterhalt ergebe sich aus der vereinbarten Indexklausel. Durch die betriebene Wertanpassung entstehe auch kein auffallendes Missverhältnis zu den Einkünften des Klägers, das seine Existenz beeinträchtigen könnte. Der derzeitige Unterhaltsanspruch der Beklagten entspreche nur 37,37 % des Pensionsnettoeinkommens des Klägers. Bei Berücksichtigung von knapp über 2.500 S monatlicher Nebeneinkünfte des Klägers habe er nur etwa 33 % seiner Einkünfte an Unterhalt zu leisten. Die Beklagte verlange daher nicht mehr als das ihr zustehende Einkommensdrittel. In der Vereinbarung einer Indexklausel sei ein Ausschluss der Umstandsklausel zu erblicken.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel - soweit wesentliche Einkommensveränderungen gegeben wären - nicht als Ausschluss der Umstandsklausel gelte. Bei einer wesentlichen Einkommensminderung sei daher der Unterhalt neu auszumessen, wobei die im Vergleich festgesetzte Relation zwischen dem Einkommen und dem vereinbarten Unterhaltsbetrag beizubehalten sei. Die Einkommensreduktion aus der Nebentätigkeit des Klägers habe bei einer Neuausmessung unberücksichtigt zu bleiben, weil die Parteien dieses Einkommen der Unterhaltsbemessung nicht zugrunde gelegt hätten. Die mit der Pensionierung des Klägers verbundene Einkommensminderung bilde eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse; sie führe dazu, dass der von der Beklagten tatsächlich bezogene monatliche Unterhalt von 523,34 EUR = 7.200 S bereits den seinerzeit im Vergleich festgesetzten Prozentsatz von 35,7 %, den die Unterhaltsverpflichtung an den damaligen unselbständigen Erwerbseinkünften des Klägers ausgemacht habe, übersteige.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels neuerer Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage, wie ein wertgesichert vereinbarter Unterhalt auf ein im Vergleich zur vereinbarten Wertsicherung relativ geringer gestiegenes Einkommen eines Unterhaltspflichtigen anzupassen sei, zulässig sei.

Unterhaltsvergleichen wohne als eine im redlichen Verkehr geltende Gewohnheit die Umstandsklausel inne; deren Geltung könne im Allgemeinen oder für bestimmte Bereiche aber ausgeschlossen werden. Eine in einem Unterhaltsvergleich vereinbarte Wertsicherungsklausel schließe zwar die Berücksichtigung von Veränderungen aus, soweit diese ausschließlich mit der Geldwertverdünnung im Zusammenhang stehen, von diesem Ausschluss sei aber die Berücksichtigung einer über die Geldwertverdünnung hinausgehenden Steigerung der Leistungsfähigkeit nicht umfasst. Gleiches müsse für eine über die Geldwertverdünnung hinausgehende wesentliche Minderung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners gelten. Eine solche Minderung habe der Kläger aber zu Recht geltend gemacht. Einen auf der Basis eines bestimmten Nettoeinkommens (wertgesichert) vereinbarten Unterhalt müsse man in der Weise auf das aktuelle Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen anpassen, dass er die seinerzeit zwischen der Höhe des Einkommens des Unterhaltspflichtigen und der vereinbarten Unterhaltsleistung gegebene Relation beibehalte. Die seinerzeit vereinbarte Relation müsse von der Anwendung der Wertsicherungsklausel losgelöst werden. Hier habe die Relation zwischen dem (damaligen) Nettoeinkommen des Klägers und dem vereinbarten Unterhalt 35,7 % betragen. Unter Beibehaltung dieser Relation würde sich nach dem nunmehrigen Nettoeinkommen ein Unterhalt von etwa 7.100 S monatlich errechnen lassen. Hier müsse überdies von einer wesentlichen Einkommensverminderung ausgegangen werden, weil unter Zugrundelegung der Wertsicherung (wie für den Unterhaltsbetrag) sich das Einkommen des Unterhaltspflichtigen auf 22.215 S monatlich erhöht haben müsste, tatsächlich dieses aber nur monatlich (umgerechnet) 19.890 S betrage, also um mehr als 10 % weniger.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch der Vorinstanz (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision der Beklagten nicht zulässig.

Zunächst ist festzuhalten, dass nach stRsp in der Revision weder ein vom Berufungsgericht bereits verneinter Verfahrensmangel (RIS-Justiz RS0042963) noch ein in der Berufung nicht geltend gemachter Verfahrensmangel erster Instanz gerügt werden darf (RIS-Justiz RS0043111). Die neuerliche Geltendmachung der erstgerichtlichen Unterlassung, den Kläger zur Vorlage seiner Einkommensteuerunterlagen für die Jahre 1998 bis 2000 aufzufordern, erweist sich daher ebenso als unzulässig wie der Versuch, für diesen bereits geltend gemachten erstinstanzlichen Verfahrensmangel eine weitere (neue) Begründung vorzutragen.

Die Geltendmachung aufgrund unrichtiger Rechtsansicht unterlassener Feststellungen (sekundäre Feststellungsmängel) bildet den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (§ 503 Z 4 ZPO; RIS-Justiz RS0043304).

Die zweitinstanzliche Entscheidung hält sich bei der Beurteilung der Frage, ob und inwieweit die Anpassung des nach dem bestehenden Exekutionstitel vom Kläger an die Beklagte zu leistenden Unterhalts aufgrund geänderter Einkommensverhältnisse des Klägers ungeachtet einer von den Streitteilen vereinbarten Wertsicherungsklausel für den Unterhaltsbetrag vorzunehmen ist, im Rahmen der stRsp, wonach das Vorhandensein einer vereinbarten Wertsicherungsklausel die Anwendung der clausula rebus sic stantibus nicht ausschließt (zuletzt 1 Ob 109/00m; RIS-Justiz RS0019070). Bei geänderten Verhältnissen sind Unterhaltsbeträge regelmäßig so zu bemessen, dass die einmal festgelegte Relation zwischen Einkommenshöhe und Unterhaltshöhe gewahrt bleibt (RIS-Justiz RS0047529 [T 3, T 4]). Die Vorinstanzen haben darüber hinaus auch den Grundsatz der stRsp beachtet, dass nur eine wesentliche Änderung der Verhältnisse die Anwendung der Umstandklausel rechtfertigt, wobei ein Schwellwert von 10 % mehrfach angesprochen wurde (RIS-Justiz RS0018984, RS0007161 [T 8]).

Die Frage nach der Vertretbarkeit einer anderen Lösung der Rechtsfrage ist mangels Vorliegens einer gravierenden Fehlbeurteilung keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0116755); die Revisionswerberin vermag eine derartige gravierende Fehlbeurteilung in keiner Weise aufzuzeigen. Ihr Versuch, die zwischen den Streitteilen vereinbarte Wertsicherungsklausel für den Unterhaltsanspruch in einen Ausschluss der Anwendung der Umstandsklausel auch für die Einkommensentwicklung des unterhaltspflichtigen Klägers unzudeuten (zu erweitern), muss scheitern, zumal sich eine Wertsicherungsklausel ausschließlich auf die Bedarfskomponente und nicht auf die für die Unterhaltsbemessung ebenfalls maßgebende Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen bezieht (JBl 2000, 670 mwN).

Auch bei Einbeziehung der übrigen von der Revisionswerberin angeschnittenen Rechtsfragen (RIS-Justiz RS0042392) ergibt sich daher, dass im vorliegenden Fall keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu beurteilen ist. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen.

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