OGH 9ObA112/03s

OGH9ObA112/03s19.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Helmut Brandl und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Leo ***** W*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Walter Silbermayr, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P***** HandelsgmbH, *****, 2203 Großebersdorf, vertreten durch Brandstetter, Pritz & Partner Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen EUR 1.670,67 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juni 2003, GZ 8 Ra56/03v-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Jänner 2003, GZ 9 Cga 184/02k-10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionsgegner hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO mit der Begründung zu, dass die Frage der “Anrechnung von Sachbezügen auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt" soweit überblickbar vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht beantwortet worden sei.

Eine beim vorliegenden Fall zu lösende erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird damit vom Berufungsgericht nicht aufgezeigt. Auch die Parteien zeigen keine auf und gehen in den Rechtsmittelschriften auch nicht auf die Zulässigkeit der Revision ein. Das Revisionsgericht ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

Der Kläger war bei der Beklagten vom 6. 6. 2000 bis 30. 4. 2002 als Angestellter im Außendienst beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis, das durch Arbeitnehmerkündigung beendet wurde, unterlag dem Kollektivvertrag für Handelsangestellte. Dem Kläger wurde das kollektivvertragliche Mindestgehalt nicht vollständig in bar ausgezahlt, weil die Beklagte hierauf Sachbezüge (Dienstwagen, Telefon) - ohne diesbezügliche Vereinbarung - anrechnete. Die nicht ausbezahlte Entgeltdifferenz für die Jahre 2001 und 2002 wird vom Kläger mit der vorliegenden Klage geltend gemacht.

Der schriftliche Provisionsvertretervertrag der Parteien vom 29. 1. 2001 (Beil./5) sah als Entgelt ein monatliches Fixum von ATS 15.000, Sonderzahlungen (Urlaubszuschuss, Weihnachtsremuneration) laut Kollektivvertrag für Handelsangestellte, Provisionen sowie Umsatzprämien in Geld vor. Die Zahlung des Gehaltes sollte jeweils am Letzten eines jeden Kalendermonates, die Auszahlung der Provisionen am Letzten des Folgemonates erfolgen. Von der Anrechnung von Sachbezügen auf das Entgelt in Geld ist im Vertrag keine Rede.

Im anzuwendenden Kollektivvertrag für Handelsangestellte ist das Entgelt in Geld ausgedrückt (siehe insbesondere die Gehaltsordnung und die Gehaltstafeln); es erfolgt darin ebenfalls keine Bezugnahme auf die Anrechnung von Sachbezügen.

Die Zulassung der Revision zur Frage der “Anrechnung von Sachbezügen auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt" ist näher besehen zu weit gefasst; sie zielt nämlich offenbar auf die Diskussion im Schrifttum ab, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer wirksam vereinbaren können, dass Sachbezüge auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt angerechnet werden (vgl dazu insbesondere Korn, ASoK2002, 184; Müller, ASoK 2002, 220; Montmorency, ZAS 2003, 62; Müller, ZAS 2003, 122; DRdA 2003/31 [Löschnigg] ua).

Darum geht es jedoch im vorliegenden Fall nicht; eine derartige Vereinbarung wurde nicht getroffen. Hier geht es darum, ob der Arbeitgeber einseitig, also ohne diesbezügliche Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer, Sachbezüge auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt anrechnen kann. Dass derartige einseitige Änderungen des Arbeitsvertrages aber nicht zulässig sind, folgt schon aus dem allgemeinen Grundsatz der Vertragstreue (vgl Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 267; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht Bd 24 74; Korn aaO 186 ua; vgl auch RIS-Justiz RS0021486). Dass es sich bei der Zurverfügungstellung von Sachbezügen anstelle der vereinbarten Geldleistung um ein Aliud handelt, wurde vom Obersten Gerichtshof zuletzt zu 9 ObA 220/02x ausgesprochen. Mit der Anrechnung von Sachbezügen auf das Entgelt war der Kläger nicht einverstanden.

Abweichendes folgt entgegen der Auffassung der Revisionswerberin auch nicht aus der Nennung von “Naturalbezügen" in § 6 Abs 1 AngG. An einer “Vereinbarung" des geschuldeten Entgelts in Geld mangelt es nämlich hier gerade nicht. Für den Standpunkt der Revisionswerberin ist auch nichts aus 9 ObA 161/01v zu gewinnen.

Kosten der Revisionsbeantwortung waren nicht zuzusprechen, weil der Revisionsgegner auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962).

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