Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichts wird aufgehoben; dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Das Erstgericht wies den Antrag der mittlerweile volljährig gewordenen Pflegebefohlenen, deren Mutter für die Zeit vom 1. 5. bis 30. 11. 1994 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 290,69 EUR und ab 1. 12. 1994 zu einer solchen von 319,76 EUR zu verpflichten, ab und sprach aus, dass mit Rechtskraft der Entscheidung die einstweilige Verfügung des Erstgerichts vom 8. 9. 1997 außer Kraft trete.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Erstgericht habe ein "reines Aktenverfahren" abgeführt, ohne die Parteien zielgerichtet einzuvernehmen und konkret angebotene Beweise aufzunehmen. Damit sei das Verfahren mangelhaft geblieben; das Erstgericht werde die von ihm angestellten Vermutungen durch sich aus dem Beweisverfahren ergebende Feststellungen ersetzen müssen. Den Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung ließ das Rekursgericht mit Rücksicht darauf zu, dass die Mutter die Zurückweisung des von ihrer Tochter selbst erhobenen inhaltsleeren Rekurses (ON 134) begehrt und dieses Begehren begründet habe. Die Umstände dieser Rekurserhebung seien "nicht als gewöhnlich anzusehen", und durch das vom Gericht erster Instanz eingeleitete Verbesserungsverfahren habe sich die Rekursfrist praktisch um fünf Wochen verlängert. Es könne nicht von vornherein als unbegründet angesehen werden, dass die Rekurswerberin durch den "Einbau" von Formfehlern absichtlich und missbräuchlich gegen Formvorschriften verstoßen habe, um damit einen Verbesserungsauftrag zu provozieren und eine spätere Ausführung des Rechtsmittels und damit eine Verlängerung der Rekursfrist zu erreichen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig und berechtigt.
Vorweg ist klarzustellen, dass die Entscheidung des Rekursgerichts, was die aufgezeigten Mängel des Verfahrens erster Instanz betrifft, keinen Anlass böte, die vom Gericht zweiter Instanz aufgetragene Verfahrensergänzung zu beseitigen. Der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, könnte dem Beschluss des Rekursgerichts, wenn dieses das Verfahren für ergänzungsbedürftig hält, auch gar nicht entgegentreten. Die Aufhebung der Rekursentscheidung ist aber aus einem anderen Grunde unumgänglich:
Die Tochter hatte gegen die erstinstanzliche Entscheidung einen als Rekurs bezeichneten Schriftsatz eingebracht, dem es an jeglicher Begründung und auch an einer Anfechtungserklärung mangelte (ON 134). Das Erstgericht trug der Tochter unter Fristsetzung auf, diesen Rekurs im Original einzubringen und wies darauf hin, dass es ihrer Eingabe an einem Rekursantrag und einem Rekursbegehren mangle (ON 135). Noch ehe der von der Tochter bevollmächtigte Rechtsanwalt, der sie auch schon zuvor vertreten hatte, innerhalb der vom Gericht erster Instanz gesetzten Frist in Ergänzung bzw Verbesserung des von seiner Mandantin eingebrachten Schriftsatzes einen formgerechten Rekurs ausführte (ON 138), beantragte die Mutter die Zurückweisung des "inhaltsleeren Rekurses". Sie wies darauf hin, dass ihre Tochter trotz aufrechten Vertretungsverhältnisses zu ihrem Anwalt einen "leeren Rekurs" eingebracht und damit offenbar absichtlich und missbräuchlich gegen Formvorschriften verstoßen habe, um eine Verlängerung der Rekursfrist zu erreichen (ON 136). Dazu führte das Rekursgericht aus, die Umstände, unter denen es zur Rekurserhebung gekommen sei, seien nicht "als gewöhnlich anzusehen". Die Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung sei an den Vertreter der ehemaligen Pflegebefohlenen erfolgt, diese habe am 2. 8. 2002 persönlich beim Erstgericht vorgesprochen und drei Tage später - am vorletzten Tag der Rekursfrist - einen "leeren Rekurs" gefaxt. Dieser sei von ihrem Vertreter am 11. 9. 2002 verbessert vorgelegt worden, die Rekursfrist habe sich dadurch praktisch um fünf Wochen verlängert. Es könne "nicht von vornherein als unbegründet angesehen werden", in dieser Vorgangsweise einen absichtlichen und missbräuchlichen Verstoß gegen Formvorschriften zu erblicken, um damit einen Verbesserungsauftrag zu provozieren und eine Verlängerung der Rekursfrist zu erreichen.
Mit diesen Ausführungen brachte das Rekursgericht deutlich zum Ausdruck, dass es einen Rechtsmissbrauch der Rekurswerberin als möglich ansieht, legte sich aber nicht fest, ob ein solcher Missbrauch mit der nötigen Sicherheit festzustellen sei, wenngleich es von einem "Einbau von Formfehlern" durch die rechtsanwaltlich vertretene Rekurswerberin spricht. Das Gericht zweiter Instanz wird eine entsprechende Klarstellung vornehmen müssen, denn für den Fall, dass die Mutter den "leeren Rekurs" rechtsmissbräuchlich eingebracht haben sollte, wäre dieses Rechtsmittel zurückzuweisen. Von der Einleitung eines Verfahrens zur Verbesserung fehlerhafter Schriftsätze ist nämlich abzusehen, wenn die Verbesserungsvorschriften der ZPO, die nach ständiger Rechtsprechung auch im Verfahren außer Streitsachen sinngemäß anzuwenden sind (2 Ob 2175/96h; ÖA 1996, 92 uva), ausschließlich dazu benützt werden, das Verfahren zu verzögern (2 Ob 204/01s; 6 Ob 219/01a; 2 Ob 2175/96h; ÖA 1996, 92; RZ 1995/80; AnwBl 1993, 189; 5 Ob 502, 503, 1512/92; SZ 58/17). Das Rekursgericht wird den sich aus dem Akt ergebenden und von der Revisionsrekurswerberin aufgezeigten Hinweisen auf einen Rechtsmissbrauch der ehemaligen Pflegebefohlenen durch geeignete Erhebungen nachzugehen und dann mit gebotener Deutlichkeit auszusprechen haben, ob sich ein solcher Missbrauch mit der nötigen Sicherheit feststellen lasse. Der hier allenfalls vorliegende Rechtsmissbrauch darf nämlich nur angenommen werden, wenn er notorisch ist oder sich zwingend aus aktenkundigen Umständen ergibt (AnwBl 1993, 189; 5 Ob 502, 503, 1512/92).
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