Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird als nichtig aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Revisionskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Das Erstgericht wies das auf Gewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem 1. 4. 2002 gerichtete Klagebegehren ab.
In seiner Berufung beantragte der Kläger, ".....das angefochtene Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 18. 12. 2002 dahingehend zu ändern, dass die beklagte Partei bei Exekution für schuldig erkannt werde, dem Kläger ab Stichtag eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu leisten und ihm die im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung bereits fällig gewordenen Beträge und die Kosten dieses Verfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen, in eventu das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen und eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen."
Das Berufungsgericht entschied über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung und gab ihr nicht Folge. Weiters sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
In seiner außerordentlichen Revision releviert der Kläger unter anderem eine Nichtigkeit der Berufungsentscheidung, weil das Berufungsgericht trotz des ausdrücklichen Antrages des Klägers, eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden habe.
Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil eine dem Berufungsgericht unterlaufene Nichtigkeit wahrzunehmen ist (Kodek in Rechberger, ZPO² Rz 4 zu § 502; 7 Ob 131/00s ua); sie ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Wurde von einer Partei eine mündliche Berufungsverhandlung (nach § 492 Abs 1 ZPO) beantragt, trotz eines solchen Antrages eine solche jedoch nicht abgehalten, so wird nach herrschender Auffassung der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO erfüllt (Kodek aaO Rz 7 zu § 477; RZ 1990/18; RZ 1993/80; SSV-NF 7/53; 2 Ob 78/97b; 8 ObA 373/97d ua; RIS-Justiz RS0042118 und RS0042245). Eine solche Vorgangsweise hat also die Nichtigkeit der berufungsgerichtlichen Entscheidung zur Folge, welche nur dann unter Umständen unbeachtet bleiben könnte, wenn sie den Revisionswerber nicht beschwerte (RS0042208), wovon hier jedoch schon aufgrund des ausdrücklich darauf hinweisenden Rechtsmittels nicht ausgegangen werden kann. Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Entscheidung 8 ObA 373/97d nicht veranlasst gesehen, von dieser - bereits jahrzehntelang herrschenden (SZ 7/388; SZ 10/80 uva) - Rechtsansicht aus der Erwägung abzugehen, dass man ihr allenfalls entgegenhalten könnte, dass sich der Berufungswerber bereits schriftlich äußern konnte und in der mündlichen Berufungsverhandlung kein neues Vorbringen mehr erstatten kann, sodass er durch deren Nichtabhaltung nur insoweit beschwert ist, als er gehindert war, seine Berufungsausführungen nochmals - eventuell unter Setzung besonderer Schwerpunkte - dem Berufungssenat mündlich zu erläutern. Hieran ist auch weiterhin - nicht zuletzt wegen der essentiellen Bedeutung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs im Zivilprozess (hiezu ausführlich Ballon, Die Beachtung des rechtlichen Gehörs im Sinn des Art 6 MRK durch die Rechtsmittelgerichte, JBl 1995, 623 ff) - festzuhalten (vgl 10 ObS 113/03w; 7 Ob 131/00s).
Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Fall nicht begründet, warum es trotz des ausdrücklichen Antrages des Klägers auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden hat. Es kann daher nur vermutet werden, dass das Berufungsgericht den oben wiedergegebenen Berufungsantrag dahin ausgelegt hat, dass der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung nur hilfsweise ("in eventu") gestellt worden sei. Diese Auslegung ist jedoch, wie der Oberste Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall (6 Ob 257/00p = RdW 2001/316) bereits ausgeführt hat, nicht zweifelsfrei. Genauso gut kann nämlich der Passus "in eventu" nur auf den unmittelbar nachfolgenden Antrag "das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen" bezogen werden, der den neben einem Abänderungsantrag üblicherweise immer nur hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag zur Verfahrensergänzung enthält. Da es beim Verzicht auf eine Berufungsverhandlung (§ 492 Abs 1 ZPO), wie bereits ausgeführt, um den tragenden Verfahrensgrundsatz des Parteiengehörs geht, sind zweifelhafte Parteierklärungen zugunsten der Wahrung dieses Grundsatzes auszulegen, allenfalls wäre im Wege eines Verbesserungsverfahrens Klarheit zu schaffen gewesen. Der erkennende Senat ist ebenfalls der Auffassung, dass der Berufungsantrag des Klägers dahin auszulegen ist, dass der Kläger nur den Aufhebungsantrag hilfsweise gestellt hat, den Antrag auf Anberaumung einer Berufungsverhandlung aber unbedingt, sodass durch die Berufungsentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO verwirklicht wurde (6 Ob 257/00p = RdW 2001/316 ua; RIS-Justiz RS0042208).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)