OGH 1Ob185/03t

OGH1Ob185/03t1.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Abdulkadir C*****, vertreten durch Dr. Johann Kahrer und Dr. Christian Haslinger, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei Gebrüder P***** Gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, wegen 14.316,55 EUR sA infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. Mai 2003, GZ 1 R 236/02k-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das mit Beschluss vom 28. Oktober 2002, GZ 3 Cg 312/01v-24, berichtigte Urteil des Landesgerichts Wels vom 18. Oktober 2002, GZ 3 Cg 312/01v-23, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Zahlung von 14.316,55 EUR sA - abgesehen von einem Teil des Zinsenbegehrens - statt. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Mit Beschluss vom 7. Juli 2003 änderte es diesen Ausspruch dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Seine Begründung dafür lautet:

"Nach Auffassung der Berufungswerberin habe das Berufungsgericht in mehrfacher Hinsicht 'eine grobe Fehlbeurteilung' vorgenommen, insbesondere die Behauptungslast verkannt. Damit bringt sie die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung, sodass gemäß § 508 Abs 5 ZPO spruchgemäß zu entscheiden war (hg 4 R 215/02v iVm 4 Ob 51/03h)."

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

1. Der Oberste Gerichtshof sprach schon in zahlreichen Fällen aus, dass sich die nach dem Gesetz erforderliche Prüfung der Stichhältigkeit eines Abänderungsantrags gemäß § 508 Abs 1 ZPO nicht in einer Scheinbegründung erschöpfen darf (7 Ob 33/01f; 1 Ob 120/01f; 1 Ob 63/99t; 7 Ob 178/99y; 8 Ob 225/98s), und sich das Berufungsgericht bei seiner Prüfung mit den Antragsargumenten sachlich - wenngleich kurz - auseinanderzusetzen hat (7 Ob 33/01f; 1 Ob 120/01f; 7 Ob 178/99y; 8 Ob 225/98s), darf es doch einem solchen Antrag nur dann stattgeben, wenn es ihn für "stichhältig" hält (7 Ob 33/01f; 1 Ob 120/01f; 1 Ob 63/99t; 7 Ob 178/99y; 8 Ob 225/98s). Es kann daher für die Abänderung eines Ausspruchs über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision nicht genügen, lediglich die Ansicht des Revisionswerbers über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ins Treffen zu führen, ohne diese Ansicht vorher auch nur ansatzweise im Zuge einer Auseinandersetzung mit den Antragsargumenten auf deren Stichhältigkeit zu prüfen (siehe zu einem vergleichbaren Fall 7 Ob 33/01f). Andernfalls müsste schlichtweg jeder Abänderungsantrag nach § 508 Abs 1 ZPO erfolgreich sein. Die Entscheidung 4 Ob 51/03h, die den Zulassungsausspruch stützen soll, betrifft die Zurückweisung einer gemäß § 508 Abs 3 ZPO zugelassenen Revision. Dort werden jedoch keine Rechtsfragen, die auch hier von Bedeutung sein könnten, sondern das Leistungsverweigerungsrecht des Werkbestellers erörtert. Der Oberste Gerichtshof ist allerdings gemäß § 508a Abs 1 ZPO bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden.

2. Die Revisionswerberin wirft dem Berufungsgericht eine fehlerhafte Bestätigung des klagestattgebenden Ersturteils vor, weil der Kläger sein Begehren nur auf Wandlung, nicht aber auch auf List bzw auf Veranlassung eines Irrtums beim Vertragsschluss gestützt habe. Sie übergeht jedoch, dass die Beurteilung eines Vorbringens dahin, auf welchen Rechtstitel ein Anspruch gestützt wurde, für sich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufwirft (5 Ob 307/02m; 1 Ob 57/00i ua). Gleiches gilt für die Klärung der Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen sei (1 Ob 162/02h; siehe ferner die Rechtssatzkette RIS-Justiz RS0042828). Die Auslegung eines Parteivorbringens könnte daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen, wenn dem Berufungsgericht eine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

3. Als Voraussetzung für den Erfolg eines Klagebegehrens ist stets

nur entscheidend, auf welche Tatsachen der Kläger seine Forderung

gründet. Er hat die rechtserzeugenden Tatsachen (= den Klagegrund),

auf die sich sein Anspruch stützt, knapp, aber vollständig anzugeben

(Substantiierungstheorie). Die von ihm behauptete Rechtsfolge muss

sich aus diesem Vorbringen ableiten lassen. Lediglich dann, wenn das

Klagebegehren ausdrücklich auf bestimmte Klagegründe beschränkt

wurde, ist es dem Gericht verwehrt, dem Begehren aus anderen Gründen

stattzugeben, ist doch das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas

zuzuerkennen, was sie nicht beantragte. Ein solches aliud liegt auch

dann vor, wenn der begehrte und jener Leistungsgegenstand, der

gegebenenfalls zugesprochen werden könnte, zwar gleichartig sind,

aber aus verschiedenen Sachverhalten abgeleitet werden. Maßgebend für

den Entscheidungsspielraum des Gerichts sind daher die Tatsachen, die

den Klagegrund tragen. Selbst eine unrichtige rechtliche

Qualifikation gereicht dem Kläger dann nicht zum Nachteil, wenn er

alle anspruchsbegründenden Tatsachen vortrug und unter Beweis stellte

(1 Ob 198/02b = ÖBA 2003, 452; ebenso etwa 4 Ob 66/01m = ÖBl 2002,

309; 1 Ob 557/93 = EvBl 1991/169).

4. Der Kläger brachte, ohne sein Begehren ausdrücklich nur auf den

Titel der Gewährleistung zu beschränken, u. a. vor, er habe sich "im

Vertrauen auf die Zusage der Vorschadenfreiheit durch ... (einen

Mitarbeiter der beklagten Partei) ... und die Richtigkeit des

vorgewiesenen Gutachtens (Anm: der beklagten Partei nach § 57a KFG)" zum Kauf des PKW entschlossen. Das Fahrzeug habe aber nicht nur Vorschäden gehabt, sondern sei auch nicht verkehrs- und betriebssicher gewesen (ON 5 S. 3 f). Die Vorschäden seien für einen Laien nicht erkennbar gewesen (ON 1). Auf dem Boden dieses Vorbringens und im Licht der unter 2. und 3. erläuterten Rechtslage ist in der Ansicht der Vorinstanzen, das Klagebegehren sei auch auf eine Irrtumsanfechtung gestützt worden, zumindest keine erhebliche Fehlbeurteilung zu erblicken.

5. Nach allen bisherigen Erwägungen hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ab. Somit ist aber die Revision zurückzuweisen. Dabei kann sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

6. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Dieser Schriftsatz diente mangels eines Hinweises auf die Unzulässigkeit der Revision nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

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