OGH 6Ob42/03z

OGH6Ob42/03z24.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin mj Cornelia B*****, in Pflege der Mutter Payoong S*****, beide wohnhaft in B*****, vertreten durch Dr. Michaela Iro, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Antragsgegner Dieter B*****, vertreten durch Dr. Michael Göbel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 19 AußStrG, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Dezember 2002, GZ 42 R 697/02i‑22, womit über den Rekurs der Minderjährigen der Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 5. November 2002, GZ 3 P 140/95m‑19, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2003:0060OB00042.03Z.0424.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass er zu lauten hat:

Das angerufene Außerstreitgericht ist mangels Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs unzuständig. Das bisher durchgeführte Verfahren ist nichtig.

Die Kostenersatzanträge der Antragstellerin und des Antragsgegners auf Zuspruch von Kosten für den Revisionsrekurs bzw für die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.

 

Begründung:

 

Das antragstellende uneheliche Kind ist wie seine Mutter staatenlos und lebt in Thailand. Der Vater ist österreichischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Österreich. Seine Vaterschaft wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus rechtskräftig festgestellt. Der Vater verpflichtete sich im Zuge des Prozesses am 2. 3. 2000 in einem gerichtlichen Vergleich zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von 1.360 S und ferner dazu, bis zum 31. 3. eines jeden Jahres einen Einkommensnachweis für das vorangegangene Kalenderjahr zu erbringen.

Mit dem am 7. 6. 2002 beim Erstgericht eingelangten Antrag beantragte das Kind, dem Vater den Auftrag zu erteilen, gemäß seiner Verpflichtung auf Grund des Vergleichs einen Einkommensnachweis für das vorangegangene Kalenderjahr, zu Handen der Rechtsvertreterin des Kindes vorzulegen und seine Vermögensverhältnisse darzulegen. Das Erstgericht erließ am 11. 6. 2002 den beantragten Auftrag. Der Vater übermittelte einen vorläufigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001. Daraufhin beantragte das Kind die Androhung einer Ordnungsstrafe, "sollte die endgültige Einkommensteuererklärung nicht vorgelegt werden". Der Unterhaltspflichtige habe "aus eigenem die Berechnungsgrundlagen beizubringen".

Das Erstgericht erklärte sich gemäß § 42 Abs 1 JN mangels inländischer Gerichtsbarkeit für unzuständig und das bisher durchgeführte Verfahren für nichtig. Gemäß § 110 JN sei die inländische Gerichtsbarkeit für die im § 109 JN genannten Angelegenheiten gegeben, wenn der Minderjährige österreichischer Staatsbürger sei oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw sein Vermögen im Inland habe. Unterhaltsstreitigkeiten zählten zu den vom § 109 JN erfassten Angelegenheiten. Da die Antragstellerin staatenlos sei und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Thailand habe und der Streitgegenstand nicht ihr Vermögen im Inland sei, sei keine inländische Gerichtsbarkeit gegeben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes Folge, hob den erstinstanzlichen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Durchführung des weiteren Verfahrens gemäß § 19 AußStrG auf. Die Verpflichtung des Vaters zur Vorlage eines Einkommensnachweises stehe im engen Zusammenhang mit dem im Außerstreitverfahren zu behandelnden Unterhaltsanspruch des mj Kindes. Die Verpflichtung sei wie eine Verfügung im Außerstreitverfahren vollstreckbar. Das berechtigte Kind habe die Wahl, ob es zur Erzwingung seines Anspruches den Außerstreitrichter anrufe oder einen Exekutionsantrag nach der EO stelle. Beim Antrag handle es sich zwar nicht um ein Unterhaltsbegehren, wegen des "evidenten Konnexes" mit dem Unterhaltsanspruch sei der Antrag aber im Außerstreitverfahren zu behandeln. Gemäß § 110 Abs 1 Z 3 JN sei die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, wenn der Minderjährige Vermögen im Inland habe. Unter Vermögen sei auch der titulierte Unterhaltsanspruch zu verstehen. Nach ständiger Rechtsprechung werde die inländische Gerichtsbarkeit zur Genehmigung einer Schadenersatzklage eines im Ausland lebenden Minderjährigen mit ausländischer Staatsbürgerschaft gegen einen inländischen Haftpflichtversicherer oder einen sonst direkt Haftenden bejaht, weil auch die geltend gemachte Forderung als Vermögen anzusehen sei. Dies müsse umso mehr für eine bereits titulierte Unterhaltsforderung gelten. Das beantragte Zwangsmittel sei eine Maßnahme betreffend das Vermögen (den Unterhaltsanspruch) des Kindes.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung darüber nicht vorliege, ob der Unterhaltsanspruch der staatenlosen Minderjährigen, die nicht in Österreich aufhältig ist, als Vermögen im Sinne des § 110 Abs 1 Z 3 JN zu qualifizieren ist.

Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Vater die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses und Kostenersatz für den Revisionsrekurs.

Das Kind beantragt die "Verwerfung" des Revisionsrekurses und Kostenersatz für die Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber setzt sich ‑ wie das Rekursgericht ‑ nur mit der Rechtsfrage auseinander, ob die titulierte Unterhaltsforderung ein inländisches Vermögen des Kindes im Sinn des § 110 Abs 1 Z 3 JN darstellt und steht auf dem Standpunkt, dass schon der gerichtliche Vergleich mangels Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit in einem nichtigen Verfahren erwirkt worden sei, sodass schon deshalb die Unterhaltsforderung kein Vermögen darstellen könne. Die vom Rekursgericht zitierte Judikatur könne auf den Unterhaltsstreit nicht umgelegt werden, weil es sich bei den Vorentscheidungen (Prozesse gegen Haftpflichtversicherer bzw Drittschuldner) um von den klageweise geltend gemachten Ansprüchen unabhängiges Vermögen gehandelt habe. Dazu ist Folgendes auszuführen:

Ansprüche minderjähriger Kinder auf den gesetzlichen Unterhalt sind nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung im außerstreitigen Verfahren zu verfolgen sind (Mayr in Rechberger ZPO2 Rz 2 zu § 109 JN mwN; SZ 62/149; 8 Ob 564/90 uva), sodass sich bei Kindern, die nicht österreichische Staatsbürger sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, die Frage nach der inländischen Gerichtsbarkeit stellt. Nach § 110 Abs 1 Z 3 JN ist die inländische Gerichtsbarkeit trotz Fehlens der österreichischen Staatsbürgerschaft und eines Aufenthalts im Inland zu bejahen, wenn der Minderjährige Vermögen im Inland hat, soweit es um dieses Vermögen betreffende Maßnahmen geht. Zu untersuchen ist nun, welche Maßnahmen von der zitierten Gesetzesstelle erfasst sind.

Wohl kann die pflegschaftsbehördliche Genehmigung einer Schadenersatzklage eines ausländischen Minderjährigen gegen eine österreichische Haftpflichtversicherung oder gegen einen sonst direkt Haftenden auch von einem österreichischen Gericht (Außerstreitgericht) erteilt werden, weil die geltend gemachte Forderung als Vermögen angesehen werden kann (2 Ob 13/94). Damit vergleichbar wäre eine Klagegenehmigung zur Durchsetzung einer Unterhaltsklage eines ausländischen Minderjährigen im streitigen Rechtsweg, der ‑ wie noch auszuführen sein wird - von ausländischen oder staatenlosen Minderjährigen mit Aufenthalt im Ausland zu beschreiten ist. Um die Genehmigung einer Unterhaltsklage geht es hier aber nicht. Die vom Kind beantragten Vollstreckungsmaßnahme nach § 19 AußStrG könnte zwar der Vorbereitung eines Unterhaltserhöhungsverfahrens dienen, ist selbst aber keine Maßnahme im Sinne des § 110 Abs 1 Z 3 JN, weil diese Gesetzesbestimmung teleologisch auf dringende Maßnahmen wegen Fürsorgebedürftigkeit des Ausländers zu reduzieren ist. In der Entscheidung 3 Ob 2008/96g (SZ 69/67) wurde dazu Folgendes ausgeführt:

"Bei den im § 110 Abs 1 Z 3 JN genannten Vermögensrechten kann zwischen solchen unterschieden werden, die der dauernden Ausübung fähig sind und anderen, für die nur punktuelle Maßnahmen zu setzen wären. Es liegt auf der Hand, dass Rechte wie bücherliches Eigentum an einer inländischen Liegenschaft, hypothekarisch sichergestellte Forderungen, Mietrechte, Anteile an Personen‑ und Kapitalgesellschaften, Patentrechte und ähnliches ständiger Verwaltungs‑ und Vertretungshandlungen bedürfen. Hier ergibt sich eine Nahebeziehung zum Inland ähnlich wie beim ständigen Aufenthalt eines Fremden in Österreich, zumal Vertretungs‑ und Verwaltungshandlungen immer wieder zu erwarten sein werden. Anders liegt die Interessenlage aber dann, wenn es sich um nur einmal zu setzende Maßnahmen wie etwa die Genehmigung einer Klagsführung oder die Einbringung einer Klage handelt. Hier ist die Fürsorgebedürftigkeit ähnlich zu beurteilen, als hätte der Ausländer nur einen schlichten Aufenthalt in Österreich. Die daraus folgende teleologische Reduktion der Vorschrift des § 110 Abs 1 Z 3 JN führt dann aber zum Ergebnis, dass die Ermöglichung der Führung eines Schadenersatzprozesses durch einen prozessunfähigen Ausländer, für den sein Heimatstaat die erforderlichen Maßnahmen nicht getroffen hat, durch Bestellung eines inländischen Sachwalters nur dann zu erfolgen hat, wenn es sich um eine dringende Maßnahme gerade in Bezug auf dieses Vermögen handelt, weil andernfals die erforderliche Fürsorgebedürftigkeit des Ausländers nicht vorliegt".

Um die Verwaltung, Sicherung oder Durchsetzung von Vermögen (etwa eines Unterhaltsrückstandes) des Kindes mit der aufgezeigten Dringlichkeit geht es im vorliegenden Fall nicht. Zur Durchsetzung des Anspruchs auf Vorlage eines Einkommensnachweises liegt allenfalls bereits ein bestimmter und schon vollstreckbarer Exekutionstitel vor, der im Vaterschaftsprozess geschaffen wurde und ‑ entgegen den Revisionsrekursausführungen ‑ schon infolge der Rechtskraftwirkung zu beachten und keineswegs unwirksam ist. Der Titel wurde aber nicht in einem außerstreitigen Verfahren, sondern in einem Zivilprozess erwirkt. Seine Durchsetzbarkeit im außerstreitigen Verfahren nach § 19 AußStrG setzt die Zulässigkeit der Führung eines Pflegschaftsverfahrens voraus.

Wenn keiner der Anknüpfungspunkte des § 110 Abs 1 JN gegeben ist, fehlt es an der inländischen Gerichtsbarkeit zur Führung einer Pflegschaftssache (5 Ob 1533/93). § 110 JN schließt die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ausländischer Minderjähriger mit ständigem Wohnsitz im Ausland im außerstreitigen Verfahren aus (7 Ob 684/84). Solche Minderjährigen können allerdings ihre Unterhaltsansprüche im ordentlichen Rechtsweg geltend machen (SZ 47/51; RIS‑Justiz RS0045813; Fucik/Rechberger in Rechberger ZPO2 Rz 7 zu Art I EGZPO mwN), wenn für sie ‑ wie hier ‑ in Österreich kein Pflegschaftsverfahren zu führen ist (7 Ob 139/99p), weil ihnen andernfalls der Rechtsschutz verweigert würde (3 Ob 552/88). Dies könnte hier etwa deshalb der Fall sein, weil die Entscheidung einer thailändischen Behörde über den Unterhaltsanspruch des Kindes mangels entsprechender bilateraler oder multilateraler Abkommen in Österreich nicht anerkannt würde. Der Konnex der mit der beantragten Maßnahme nach § 19 AußStrG durchzusetzenden Auskunftspflicht mit dem im streitigen Rechtsweg durchzusetzenden Unterhaltsanspruch, spricht gegen die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs. Wenn der Unterhaltsanspruch nur im streitigen Rechtsweg verfolgt werden kann und aus den dargelegten Gründen auch keine Pflegschaftssache zu führen ist, kann die Verpflichtung aus dem Unterhaltsvergleich zur Vorlage von Einkommensnachweisen nicht im außerstreitigen Verfahren durchgesetzt werden.

Die erstinstanzliche Entscheidung ist daher mit der Maßgabe zu bestätigen, dass (nur) die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges und die Nichtigerklärung des über den Antrag geführten Verfahrens auszusprechen ist, die inländische Gerichtsbarkeit jedoch derzeit nicht zur Gänze verneint werden kann, weil der Anspruch der Minderjährigen mit Klage oder Exekutionsantrag in Österreich verfolgt werden darf. Ob der verfahrenseinleitende Antrag zurückzuweisen oder aber gemäß § 40a JN (als Klage oder Exekutionsantrag) umzudeuten ist (zur Umdeutung Ballon in Fasching, Zivilprozessgesetze2 Rz 3 zu § 40a JN; Mayr in Rechberger ZPO2 Rz 2 zu § 40a JN), kann dahingestellt bleiben, weil diese Frage nicht Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist und darüber nur das funktionell zuständige Erstgericht zu befinden hat.

Die Kostenersatzanträge sind zurückzuweisen, weil im außerstreitigen Verfahren außer in den gesetzlich geregelten ‑ hier nicht vorliegenden ‑ Fällen ein Kostenersatz nicht stattfindet (RS0005964).

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