OGH 1Ob59/03p

OGH1Ob59/03p25.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Erlagssache des Erlegers Bernhard S*****, wider die Erlagsgegnerin I***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Koller & Schreiber Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen Ausfolgung eines Gerichtserlags infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Erlegers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. Dezember 2002, GZ 43 R 690/02t-208, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 23. Oktober 2002, GZ 1 Nc 151/95v-202, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit mehreren rechtskräftigen Erlagsbeschlüssen nahm das Erstgericht die vom Rechtsmittelwerber als "Miteigentümer" (Wohnungseigentümer) im Zeitraum von Juli 1995 bis einschließlich August 2000 "als überhöhte Betriebskosten" erlegten Beträge von 800 S monatlich an. In den Erlagsanträgen wurde eine Gesellschaft mbH als Verwalterin der Liegenschaft und Erlagsgegnerin bezeichnet. Die Bedingungen für die Ausfolgung der Erläge lauten:

"Die Ausfolgung des Erlagsgegenstandes erfolgt über einvernehmlichen Antrag des Erlegers und des Erlagsgegners oder gegen Vorlage einer auf Ausfolgung lautenden gerichtlichen Entscheidung oder eines auf Ausfolgung lautenden gerichtlichen rechtwirksamen Vergleiches."

Am 3. 9. 2002 beantragte der Erleger die "Rückausfolgung der gesamten hinterlegten Beträge samt Zinsen ab 1. 1. 1998", weil sich in einem außerstreitigen Wohnrechtsverfahren herausgestellt habe, dass ab 1. 1. 1998 nicht mehr die Erlagsgegnerin, sondern eine Rechtsanwältin Verwalterin der Liegenschaft sei. Er habe daher ab 1. 1. 1998 "zugunsten eines Nichtschuldners hinterlegt". Deshalb sei ab diesem Zeitpunkt die Erlagsgegnerin "nicht Partei im gegenständlichen Verfahren" (ON 194).

Die Erlagsgegnerin beantragte, den Ausfolgungsantrag abzuweisen (ON 201).

Das Erstgericht wies das Ausfolgungsbegehren ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach dessen Ansicht kann die Ausfolgung eines nach § 1425 ABGB erlegten Geldbetrags nur dann erfolgen, wenn die vom Erleger gesetzte Bedingung eingetreten sei. Da die Erlagsgegnerin in eine Ausfolgung nicht eingewilligt habe, müsse sie auf Zustimmung zur Ausfolgung geklagt werden. Die gerichtlichen Verfahren - so auch ein als Neuerung erst im Rekurs (ON 203) erwähnter Zivilprozess -, die der Rechtsmittelwerber für seinen Standpunkt ins Treffen führe, hätten nach den Sprüchen der ergangenen Entscheidungen nicht die Ausfolgung von Erlagsbeträgen, sondern andere Themen betroffen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig. Die "höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob der Erlag mangels Vorbehaltes widerruflich" sei, entbehre der Einheitlichkeit. Das folge aus den Entscheidungen 3 Ob 47/99d (= MietSlg 52.217) und 10 Ob 2058/96m (= NZ 1997, 88) sowie aus den weiteren Nachweisen bei Reischauer (in Rummel, ABGB² § 1425 Rz 30).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

1. In der in einem Zivilprozess ergangenen Entscheidung 10 Ob 2058/96m sprach der Oberste Gerichtshof obiter aus, der Schuldner werde gemäß § 1425 ABGB nur durch einen rechtmäßigen Erlag befreit. Dieser sei ab der Verständigung des Gläubigers grundsätzlich nicht mehr widerrufbar. Im Erlagsgesuch des Beklagten seien als Erlagsgegner und Prätendenten die Klägerin und der Nebenintervenient bezeichnet. Jene sei mit ihrer Forderungsklage gegen den Beklagten als Schuldner trotz des Erlags mangels dessen Rechtmäßigkeit durchgedrungen. Der Nebenintervenient bekämpfe die Rechtmäßigkeit des Erlags nicht, sondern er sei sogar der unmittelbare Erlagsanlass gewesen. Gegen diesen müsse der Beklagte schon deshalb keine Zustimmung zur Zurücknahme des Erlagsbetrags zur Leistung an die Klägerin im Prozessweg erwirken, weil ihm "nach dem Vorgesagten im Verhältnis zum Erleger und Beklagten keine Gläubigerstellung und damit auch - mangels Berechtigung - kein Ausfolgeanspruch" zukomme. Nur "unter dieser Voraussetzung (offenkundig gemeint: im Fall einer Gläubigerstellung) wäre aber eine Herausgabe an die Klägerin bzw Rückgabe an den Beklagten (auch) an dessen Zustimmung geknüpft. Sei der Nebenintervenient als "formeller Erlagsgegner" materiell am Erlagsgegenstand nicht berechtigt, weil er "keinen Anspruch auf Zahlung" habe, so müsse dem Kläger "auch das Recht zustehen, den Erlag ohne dessen (zustimmende) Mitwirkung wiederum zurücknehmen zu können".

2. Die soeben referierte Entscheidung ist in der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vereinzelt. Der erkennende Senat tritt ihren allgemeinen Erwägungen im erörterten Punkt nicht bei. Gerade die Frage nach der materiellen Berechtigung am Erlagsobjekt und daher die Gläubigerstellung ist im Ausfolgungsprozess zu klären, wenn der Erlagsgegner die Einwilligung in die Rückausfolgung des Erlags an den Erleger im Außerstreitverfahren verweigerte. Somit ist aber an der gefestigten jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs festzuhalten, wonach die Ausfolgung eines Erlags nach § 1425 ABGB voraussetzt, dass diejenigen, zu deren Gunsten erlegt wurde, in die Ausfolgung einwilligen, oder gegen sie ein Urteil auf Zustimmung erwirkt (6 Ob 623/91 = JBl 1992, 592) oder eine sonstige Ausfolgungsbedingung erfüllt (3 Ob 171/01w) wird. Daraus folgt, dass die einseitige Rücknahme eines Erlags - zumindest eines solchen ohne Vorbehalt - jedenfalls unzulässig ist (3 Ob 171/01w), findet doch im Erlagsverfahren eine Untersuchung der rechtlichen Beziehungen der Beteiligten nicht statt (6 Ob 159/00a mwN). Deshalb kann im Außerstreitverfahren auch die mangelnde Einwilligung eines Erlagsgegners in die Ausfolgung des erlegten Betrags nicht erzwungen werden (3 Ob 171/01w).

3. Im Anlassfall mangelt es, wie auf der Hand liegt, an der Erfüllung einer der in den Erlagsbeschlüssen niedergelegten Ausfolgungsbedingungen. Der Revisionsrekurswerber verficht dennoch den Standpunkt, seinem Ausfolgungsantrag sei stattzugeben, weil die Erlagsgegnerin ab 1. 1. 1998 nicht mehr Liegenschaftsverwalterin sei und seither nicht mehr Gläubigerin sein könne. Überdies habe die Erlagsgegnerin gegen ihn in jenem Zivilprozess, den der Rechtsmittelwerber erstmals im Rekurs erwähnte, ein Urteil auf Zahlung erwirkt, sodass deren Einwilligung in die Ausfolgung nicht mehr erforderlich sei. Dort war allerdings die Wohnungseigentümergemeinschaft Klägerin. Der Erleger wurde als Beklagter zur Zahlung von 4 % Zinsen aus den monatlichen Akontozahlungen für Betriebskosten von jeweils 1.514,07 S - betreffend die Monate März bis inklusive November 2000 - verurteilt. Von einem Urteil, das die mangelnde Einwilligung der Erlagsgegnerin in die Ausfolgung des Erlagsbetrags ersetzte, kann somit keine Rede sein. Der Revisionsrekurswerber strebt mit seinen Ausführungen - entgegen der unter 2. referierten Rechtslage - die Überprüfung der materiellen Rechtslage unter den Beteiligten des Erlagsverfahrens schon im Außerstreitverfahren an. Das ist im Kern verfehlt. Es muss daher nicht mehr erörtert werden, ob im Übrigen die Berufung auf den erwähnten Zivilprozess als eine im Rekursverfahren eingeführte Neuerung schon aus rein verfahrensrechtlichen Gründen unbeachtlich wäre.

4. Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 16 Abs 3 AußStrG bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an einen Ausspruch des Rekursgerichts nach § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG nicht gebunden. Nach allen bisherigen Erwägungen besteht kein Anlass wegen einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung von der gegenteiligen gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abzugehen. Der Revisionsrekurs ist daher mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen, stützt sich doch der angefochtene Beschluss auf gefestigte Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

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