OGH 9ObA261/02a

OGH9ObA261/02a19.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Krüger und Anton Gabmayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Heinz B*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei T***** AG ***** vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer und Dr. Josef Klaunzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen EUR 3.373,59 sA und Feststellung (Streitwert EUR 11.264,29), infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse EUR 11.264,29) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. September 2002, GZ 15 Ra 83/02x-14, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. Mai 2002, GZ 42 Cga 39/02k-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 686,88 (darin enthalten EUR 114,48 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hat die begehrte Feststellung, dass der Kläger Anspruch auf Valorisierung seiner Betriebspension nach der "Automatikklausel" des § 74 der Betriebsvereinbarung mit dem Stand 1989 habe, zutreffend verneint, sodass auf dessen Begründung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers Folgendes entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber, der per 31. 12. 1989 als Vorstandsmitglied der Beklagten in Pension ging, bekämpft die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die Valorisierung nach der Automatikklausel in der geltenden Fassung 1997 zu erfolgen habe. Unstrittig ist hingegen, dass das Betriebspensionsgesetz (BPG) auf den vorliegenden Sachverhalt noch nicht Anwendung zu finden hat. Auszugehen ist davon, dass eine Betriebspensionsvereinbarung ein zweiseitig verbindliches, entgeltliches Rechtsgeschäft (JBl 1986, 264; SZ 70/213 ua) und die Betriebspension als Entgelt anzusehen ist (9 ObA 7/01x; RIS-Justiz RS0027950 ua). Außerhalb des Geltungsbereiches des BPG bestand für diesen Schuldvertrag grundsätzlich Vertragsfreiheit, solange nicht gerade gegen zwingendes Recht bzw die guten Sitten verstoßen wurde (vgl SZ 70/213 mwN; 9 ObA 306/01t; RIS-Justiz RS0033390). Besteht keine lohngestaltende Norm ist im Allgemeinen jede Entgeltvereinbarung zulässig; die Grenze bildet die Sittenwidrigkeit (8 ObA 164/97v mwN).

In Pkt IX Abs 8 ("Ruhe- bzw Versorgungsgenüsse") des Anstellungsvertrages des Klägers vom 4. 10. 1979 erklärten die Parteien ausdrücklich die Pensionsordnung der Betriebsvereinbarung in der jeweils geltenden Fassung für sinngemäß anwendbar. Der Auslegung des Revisionswerbers, diesem Vertragspassus sei die Deutung zu geben, dass damit (gerade) nicht die jeweilige Fassung der Pensionsordnung, sondern die im Zeitpunkt des Pensionsantritts geltende Fassung gemeint sei, kann nicht beigetreten werden.

Pensionsvereinbarungen sind nach den §§ 914, 915 zweiter HalbsatzABGB auszulegen (SZ 70/213 mwN). Kann dabei mit den Auslegungsregeln des § 914 ABGB das Auslangen gefunden werden, liegt der Fall des § 915 zweiter Halbsatz ABGB ("undeutliche Äußerung") nicht vor (RIS-Justiz RS0017752). Bei der Auslegung sind die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war (RIS-Justiz RS0014205). Wenn auch bei der Vertragsauslegung nicht am Buchstaben zu kleben ist, so muss doch zunächst vom erklärten Ausdruck ausgegangen werden; denn jeder Vertragspartner ist berechtigt, der Erklärung den Sinn beizumessen, den sie nach der Sachlage notwendigerweise für ihn haben musste (RIS-Justiz RS0017748). Dabei ist auch der Zusammenhang der einzelnen Bestimmungen und der gebrauchten Ausdrücke zu beachten (RIS-Justiz RS0017755). Danach gibt es aber im vorliegenden Fall keine tragfähigen Anhaltspunkte für die vom Revisionswerber gewünschte Auslegung. Seine Überlegungen stellen auch weniger das gewöhnliche Verständnis der Wortfolge "in der jeweils geltenden Fassung" als vielmehr die dynamische Verweisung in der Pensionsvereinbarung als solche in Frage - worauf sogleich näher einzugehen sein wird -, lassen aber keinen überzeugenden Aspekt erkennen, weshalb im vorliegenden Fall das vereinbarte Abstellen auf die "jeweils geltende Fassung" beim Pensionsantritt des Klägers enden sollte.

Zur Frage der Zulässigkeit der dynamischen Verweisung auf die Betriebsvereinbarung ist zu beachten, dass Rechtsgrundlage des Pensionsanspruches des Klägers im vorliegenden Fall nicht die Betriebsvereinbarung, sondern ein Einzelvertrag ist. Die hierin erfolgte dynamische Verweisung auf die Betriebsvereinbarung (in der jeweils geltenden Fassung) führt entgegen der Auffassung des Revisionswerbers bei privatrechtlichen Vereinbarungen nicht "ins Rechtsunwirksame", sondern ist grundsätzlich zulässig (SZ 66/48; 8 ObA 164/97v [= RIS-Justiz RS0050838/T3]), und zwar selbst dann, wenn die Betriebsvereinbarung als solche unzulässig ist (vgl DRdA 1982/9; Arb 10.872; SZ 66/48 ua; RIS-Justiz RS0018115).

In Lehre und Rechtsprechung herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass Vorstandsmitglieder keine Arbeitnehmer sind (Schrammel, BPG 5 mwN). Sie stehen in keinem abhängigen Arbeitsverhältnis; soweit ein Anstellungsvertrag besteht, begründet dieser lediglich ein sogenanntes freies Dienstverhältnis (Jabornegg, DRdA 1991, 8 [13]; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht9 195 f; Arb 10.406; Arb 11.519, jeweils mwN; RIS-Justiz RS0027911 ua). Dies gilt auch für Vorstandsmitglieder einer Sparkasse iSd Sparkassengesetzes (DRdA 1990/34 [Floretta]; Schrammel aaO; Runggaldier/Schima, Manager Dienstverträge² 14, 33). Zutreffend führt Wachter (in WBl 1991, 81 [85]) aus, dass bei der deutlichen Mehrheit der Vorstandsmitglieder keine Rede davon sein könne, dass sie sich im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit auf Grund ihrer wirtschaftlichen Situation in einer gleichen oder ähnlichen Lage befinden wie die breite Masse der Arbeitnehmer und daher ebenfalls ein erhebliches Maß an sozialer Schutzbedürftigkeit aufweisen. Sie seien nämlich augenscheinlich selbst in der Lage, sich eine "standesgemäße" Rechts- und Einkommensposition am Verhandlungstisch zu verschaffen; des Schutzes arbeitsrechtlicher Vorschriften seien sie sohin nicht bedürftig (Arb 11.519). Auch Floretta (in DRdA 1990/34) weist darauf hin, dass sich Vorstandsmitglieder ihre vertragliche Stellung selbst "erkämpfen" müssen (und auch: können), wobei natürlich gesetzliche, kollektivertragliche - aber auch betriebsvertragliche - Positionen einzelvertraglich übernommen werden können ("lex contractus"). Die konkrete Gestaltung der Pensionsregelung eines Vorstandsmitgliedes wird sohin einerseits von seiner Interessenlage, seinem Verhandlungsgeschick und seiner "Marktmacht" sowie andererseits von der Interessenlage, der Unternehmensphilosophie und der Tradition des Unternehmens abhängen. Aus rechtlicher Sicht gibt es jedenfalls - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen (vgl Widerrufsklauseln) - keine Einschränkung auf eine bestimmte Form bzw Ausgestaltung (Runggaldier/Schima, Rechtsstellung von Führungskräften 202, 204 ff; Runggaldier/Schima, Manager Dienstverträge² 109).

Geht man also davon aus, dass Rechtsgrundlage der Betriebspension des Klägers ein Einzelvertrag ist, so ist aus seinen Überlegungen zur Rechtsprechung, die sich mit Betriebspensionsfällen, in denen Grundlage des Anspruches eine Betriebsvereinbarung war, die nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Aktivstand geändert wurde (vgl DRdA 2002/20 [Runggaldier]; RIS-Justiz RS0050955 ua), nichts zu gewinnen. Die im Einzelvertrag des Klägers erfolgte dynamische Verweisung auf die Betriebsvereinbarung war - wie schon erwähnt - grundsätzlich zulässig. Dafür, dass die im vorliegenden Fall ab 1. 2. 1997 vorgenommene Neuregelung der Valorisierung ("Automatikklausel") in § 74 der Betriebsvereinbarung ("Die Gesamtpensionsleistung wird bis zum Betrag von jeweils 80 % der Besoldungsgruppe IV a, Stufe 29 des Kollektivvertragsbesoldungsschemas um den jeweiligen Kollektivvertragssatz valorisiert, übersteigende Beträge mit dem jeweiligen ASVG-Anpassungsfaktor [Splitting bei der Valorisierung der Pension]") sittenwidrig sei, werden vom Revisionswerber keine überzeugenden Argumente vorgetragen; hiefür bestehen auch keine sonstigen Anhaltspunkte. Die Valorisierung wird in der erfolgten Neuregelung weder aufgehoben, noch die Betriebspension ihres Zwecks, der Sicherung eines gehobenen Lebensstandards für die Ruhestandsdauer (RIS-Justiz RS0017765), entkleidet. Auch die vorherige Regelung der "Automatikklausel" stellte bereits auf ein Splitting bei der Valorisierung der Betriebspension (Änderung der "Aktivitätsbezüge"/ASVG-Erhöhung) ab.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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