Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 3. 1. 2002 hat das beklagte Land Steiermark dem am 7. 4. 1991 geborenen Kläger ab 1. 11. 2001 ein Pflegegeld der Stufe 3 von monatlich 413,50 EUR (abzüglich eines aufgrund des Bezugs der erhöhten Familienbeihilfe anzurechnenden Betrags von 60 EUR) gewährt. Die beklagte Partei ging dabei von einem Pflegebedarf von monatlich mehr als 120 Stunden, jedoch höchstens 160 Stunden aus. Aufgrund der dagegen erhobenen Klage hat das Erstgericht dem Kläger Pflegegeld der Stufe 6 in Höhe von 1.148,70 EUR abzüglich der gemäß § 6 des Stmk PGG anzurechnenden Leistungen zuerkannt. Dabei nahm es folgenden Betreuungs- und Hilfeaufwand an:
Tägliche Körperpflege 25 Stunden/Monat
An- und Auskleiden 20 Stunden/Monat
Einnahme von Mahlzeiten 30 Stunden/Monat
Verrichtung der Notdurft 30 Stunden/Monat
Maßnahmen zur Verhinderung ernsthafter
körperlicher Gefahr 120 Stunden/Monat
Mobilitätshilfe im weiteren Sinn 10 Stunden/Monat
235 Stunden/Monat
Da die für den Kläger zu erbringenden Betreuungsmaßnahmen zeitlich unkoordiniert, sowohl tagsüber als auch nachts erbracht werden müssten, lägen die Voraussetzungen der Gewährung von Pflegegeld der Stufe 6 vor.
Über Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht das Ersturteil im Sinne eines Zuspruchs von Pflegegeld der Stufe 3 ab; das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass "Maßnahmen zur Verhinderung ernsthafter körperlicher Gefahr bei ausgeprägter oder dauernder starker Antriebs- und Stimmungsstörung" weder dem StmkPGG noch der dazu erlassenen EinstV bekannt seien. Die Zeit der reinen Beaufsichtigung sei im Übrigen bei Ermittlung des Betreuungsaufwandes nach § 1 EinstV zum StmkPGG nicht in Anschlag zu bringen. Dieses Kriterium werde erst von Bedeutung, wenn der Pflegebedarf schon ohne diese Beaufsichtigung durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich betrage. Da beim Kläger einschließlich des von der beklagten Partei zugestandenen Werts für Motivationsgespräche von 10 Stunden pro Monat (ohne Berücksichtigung der notwendigen Beaufsichtigung) ein Pflegebedarf von 125 Stunden bestehe, habe er Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 3.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht hat zutreffend den Anspruch auf ein Pflegegeld der Stufe 6 nur dann für gegeben angesehen, wenn das Erfordernis der dauernden Beaufsichtigung (bzw zeitlich unkoordinierbarer Betreuungsmaßnahmen oder dauernder Anwesenheit einer Pflegeperson) zusätzlich zu einem zeitlichen Mindestaufwand von 180 Stunden monatlich hinzutritt (SSV-NF 12/23, 12/94, 13/27, 13/136, 14/99 ua; zuletzt 10 ObS 31/03m; RIS-Justiz RS0109571). Da die Beaufsichtigung einer pflegebedürftigen Person weder zur Betreuung noch zur Hilfe im eigentlichen Sinn gehört, ist der dafür zu veranschlagende Aufwand nicht in den zeitlichen Mindestaufwand von 180 Stunden einzurechnen. Für Personen mit geistiger oder psychischer Behinderung, die zwar körperlich in der Lage sind, die dauernd wiederkehrenden lebensnotwendigen Verrichtungen selbst auszuführen und daher vielfach nicht pflegebedürftig im eigentlichen Sinn, sondern durch die Unfähigkeit zur sozialen Anpassung und Integration außer Stande sind, für sich selbst entsprechend zu sorgen, sieht § 4 Abs 1 EinstV ausdrücklich vor, dass die Anleitung sowie die Beaufsichtigung bei der Durchführung der in §§ 1 und 2 angeführten Verrichtungen der Betreuung und Hilfe gleichzusetzen ist. Diese Tätigkeiten sind daher zum Pflegebedarf zu zählen und für das Bedarfsausmaß zu berücksichtigen. Sind mit geistig oder psychisch behinderten Menschen zur selbständigen Durchführung von in den §§ 1 und 2 EinstV angeführten Verrichtungen Motivationsgespräche zu führen, so ist für diese Betreuungsmaßnahme gemäß § 4 Abs 2 EinstV von einem - auf einen Monat bezogenen - zeitlichen Richtwert von insgesamt 10 Stunden auszugehen. Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Betreuungsaufwandes aufgrund geistiger oder psychischer Behinderung gemäß § 4 EinstV ist jedoch, dass es sich dabei um die Betreuung bei lebensnotwendigen Tätigkeiten (Körperpflege, Instandhaltung des Haushaltes, selbständige Nahrungszubereitung usw) handelt. Da der Aufwand für die bloße Beaufsichtigung (nicht bei den in den §§ 1 und 2 EinstV genannten Verrichtungen) sich seiner Art nach von den in der EinstV genannten Betreuungs- und Hilfshandlungen grundsätzlich unterscheidet und es sich dabei somit um eine andere Dimension eines Pflegeaufwandes handelt, erscheint es auch nicht unsachlich, die hiefür notwendige Zeit bei der Ermittlung des Zeitwertes für den Pflegebedarf nicht in Anschlag zu bringen (SSV-NF 12/23, 12/94, 13/136, 14/99; zuletzt 10 ObS 31/03m).
In diesem Sinn räumt der Revisionswerber selbst ein, dass der Verordnungsgeber der EinstV zum StmkPGG die für eine notwendige Beaufsichtigung erforderliche Zeit bei der Ermittlung des Betreuungs- und Hilfsaufwands nach den §§ 1 und 2 EinstV nicht einbeziehen wollte. Er meint aber, dass Maßnahmen zur Verhinderung ernsthafter körperlicher Gefahr bei dauernder starker Antriebs- und Stimmungsstörung anders zu beurteilen seien, weil eine Nichtberücksichtigung dieser Zeiten unbillig wäre und seiner besonderen Situation nicht Rechnung trage.
Unabhängig von ihrer Benennung handelt es sich bei den genannten Maßnahmen um eine Umschreibung für das Erfordernis der dauernden Anwesenheit einer Pflegeperson wegen wahrscheinlicher Eigen- oder Fremdgefährdung im Sinne des § 4 Abs 2 Stufe 6 Z 2 StmkPGG. Für den Obersten Gerichtshof ist nicht erkennbar, worin eine anders gelagerte Situation besteht, zumal gerade die Eigen- oder Fremdgefährdung in § 4 Abs 2 Stufe 6 Z 2 StmkPGG ausdrücklich angesprochen wird. Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass der Erlass des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 13. 5. 1996 (ARD 4765/36/96) für die Gerichte nicht verbindlich ist, sodass sich ein Eingehen auf die behauptete Gleichheitswidrigkeit erübrigt. Die Grundlagen für den vom Revisionswerber ins Treffen geführten Mehraufwand für die Zubereitung und die Einnahme von Mahlzeiten sowie die Verrichtung der Notdurft hat das Berufungsgericht überprüft und festgehalten, dass sich diesbezüglich keine Hinweise für ein Abweichen von den Mindestwerten laut § 1 Abs 4 EinstV ergeben. Dies ist für den Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht weiter überprüfbar.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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