Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsgericht hat zutreffend den Anspruch auf ein die Stufe 4 übersteigendes Pflegegeld nur dann für gegeben angesehen, wenn die in den höheren Stufen genannten zusätzlichen Kriterien zu einem zeitlichen Mindestaufwand von 180 Stunden monatlich hinzutreten (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Den Revisionsausführungen ist noch folgendes entgegenzuhalten:
Der Revisionswerber räumt selbst ein, dass ein von den Vorinstanzen nach den Bestimmungen der EinstV zum K-PGG (EinstV) ermittelte Pflegebedarf (von 90 Stunden monatlich) den als Anspruchsvoraussetzung für das von ihm begehrte Pflegegeld der Stufe 5 normierten Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich nicht erreicht. Die Auffassung des Revisionswerbers, dass von einem Pauschalstundensatz von zumindest 180 Stunden monatlich ausgegangen werden müsse, wenn die dauernde Bereitschaft oder Anwesenheit einer Pflegeperson erforderlich sei, steht im Widerspruch zur Gesetzeslage. Nach dem eindeutigen Wortlaut der hier maßgebenden Bestimmung des § 4 Abs 2 K-PGG ist Grundvoraussetzung für einen Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufen 5, 6 oder 7, dass bereits ohne den bei diesen Stufen genannten zusätzlichen qualifizierten Pflegeaufwand ein Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich gegeben ist (vgl SSV-NF 14/72; 10/135 ua).
Der erkennende Senat teilt auch nicht die vom Revisionswerber gegen diese Gesetzeslage geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Pflegegeld ist als Beitrag zur pauschalierten Abgeltung der notwendigen pflegebedingten Mehraufwendungen konzipiert. Welche Verrichtungen anderer Personen in diesem Sinne notwendig sind, ergibt sich vor allem aus der Umschreibung der Anspruchsvoraussetzungen für das Pflegegeld. Das PGG (ebenso das K-PGG) verwendet den Begriff "Pflegebedarf" als Oberbegriff für den ständigen Bedarf an Betreuung und Hilfe. Während der Bereich der Betreuung (§ 1 EinstV) primär den persönlichen Lebensbereich des Pflegebedürftigen betrifft, handelt es sich bei den in § 2 EinstV taxativ angeführten Maßnahmen im Rahmen der Hilfe dagegen eher um den sachlichen Lebensbereich. Die Beaufsichtigung einer pflegebedürftigen Person gehört weder zur Betreuung noch zur Hilfe im eigentlichen Sinn. Für Personen mit geistiger oder psychischer Behinderung, die zwar körperlich in der Lage sind, die dauernd wiederkehrenden lebensnotwendigen Verrichtungen selbst auszuführen und daher vielfach nicht pflegebedürftig im eigentlichen Sinn, sondern durch die Unfähigkeit zur sozialen Anpassung und Integration außer Stande sind, für sich selbst entsprechend zu sorgen, sieht § 4 Abs 1 EinstV ausdrücklich vor, dass die Anleitung sowie die Beaufsichtigung von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung bei der Durchführung der in §§ 1 und 2 angeführten Verrichtungen der Betreuung und Hilfe gleichzusetzen ist. Diese Tätigkeiten sind daher zum Pflegebedarf zu zählen und für das Bedarfsausmaß zu berücksichtigen. Sind mit geistig oder psychisch behinderten Menschen zur selbständigen Durchführung von in den §§ 1 und 2 angeführten Verrichtungen Motivationsgespräche zu führen, so ist für diese Betreuungsmaßnahme gemäß § 4 Abs 2 EinstV von einem - auf einen Monat bezogenen - zeitlichen Richtwert von insgesamt 10 Stunden auszugehen. Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Betreuungsaufwandes auf Grund geistiger oder psychischer Behinderung gemäß § 4 EinstV ist jedoch, dass es sich dabei um die Betreuung bei lebensnotwendigen Tätigkeiten (Körperpflege, Instandhaltung des Haushaltes, selbständige Nahrungszubereitung usw) handelt. Da der Aufwand für die bloße Beaufsichtigung (nicht bei den in den §§ 1 und 2 EinstV genannten Verrichtungen) sich seiner Art nach von den in der EinstV genannten Betreuungs- und Hilfshandlungen grundsätzlich unterscheidet und es sich dabei somit um eine andere Dimension eines Pflegeaufwandes handelt, erscheint es auch nicht unsachlich, die hiefür notwendige Zeit bei der Ermittlung des Zeitwertes für den Pflegebedarf nicht in Anschlag zu bringen (vgl SSV-NF 12/23; 12/94 ua). Gerade die vom Revisionswerber vertretene Auffassung, bei ihm sei im Hinblick auf die Notwendigkeit der ständigen Anwesenheit einer Pflegeperson von einem Betreuungsaufwand von 720 Stunden monatlich auszugehen, zeigt, dass bei einer solchen Betrachtungsweise die vom Revisionswerber angestrebte umfassende Einbeziehung des allgemeinen Aufsichts- und Betreuungsbedarfs wegen der Dominanz des Zeitfaktors bei der Bemessung des Pflegebedarfs zu einer Überbewertung führen würde, da der Bedarf zumeist rund um die Uhr besteht, die tatsächliche Belastung der Pflegepersonen jedoch das Ausmaß, das eine Zuordnung zu einer der höheren Pflegestufen rechtfertigen könnte, zumeist nicht erreicht.
Während die Pflegegeldregelungen bei der Ermittlung des Pflegebedarfes und damit bei der Bemessung des Pflegegeldes somit in erster Linie auf den Aufwand in zeitlicher Hinsicht abstellen, sind für das Ausmaß des Pflegegeldes ab Stufe 5 zusätzlich zu einem zeitlichen Mindestaufwand von 180 Stunden auch andere Kriterien maßgebend, welche das Erfordernis besonders qualifizierter Pflege indizieren sollen. So wird für die Stufe 5 ein "außergewöhnlicher Pflegeaufwand" verlangt. Es erscheint auch nicht unsachlich, Pflegegeld der Stufe 5 nur in Fällen vorzusehen, in denen diese beiden Voraussetzungen vorliegen, nicht aber auch in Fällen, in denen nur eine der beiden Voraussetzungen gegeben ist (vgl VfSlg 12.244). Im vorliegenden Fall bestehen auch schon deshalb keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die geltende Gesetzeslage, weil der mittlerweile 13jährige Kläger den Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich derzeit vor allem deshalb nicht erreicht, weil bei der Beurteilung des Pflegebedarfs von Kindern und Jugendlichen nur jenes Ausmaß an Pflege zu berücksichtigen ist, das über das erforderliche Ausmaß bei gleichaltrigen nicht behinderten Kindern und Jugendlichen hinausgeht (§ 4 Abs 3 K-PGG). Die sachliche Rechtfertigung dieses Grundsatzes wird auch vom Revisionswerber ausdrücklich anerkannt. Der erkennende Senat sieht sich somit nicht veranlasst, einen Antrag auf Gesetzesprüfung an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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