OGH 2Ob17/03v

OGH2Ob17/03v27.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef K* , vertreten durch Dr. Oswin Lukesch und Dr. Anton Hintermeier, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1.) Birgit H*, 2.) G* Versicherungs AG, *, beide vertreten durch Dr. Karl Haas und Dr. Georg Lugert, Rechtsanwaltpartnerschaft in St. Pölten, wegen EUR 4.567,22 sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 5. November 2002, GZ 36 R 318/02m‑16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 31. Juli 2002, GZ 7 C 524/02d‑12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2003:E68759

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 1.146,26 (darin EUR 161,89 USt und EUR 174,90 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Am 6. 12. 2001 ereignete sich auf der B 20 (Vorrangstraße) im Ort Göblasbruck ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit seinem PKW Audi und die Erstbeklagte mit dem von ihr gelenkten und gehaltenen PKW Opel Tigra, der bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert ist, beteiligt waren.

Der Kläger begehrte die ihm erwachsenen Reparaturkosten zuzüglich Generalunkosten von den Beklagten mit der Begründung ersetzt, die Erstbeklagte sei unachtsam gewesen und habe eine überhöhte Fahrgeschwindigkeit eingehalten. Er habe sein Rechtsabbiegemanöver in die B 20 bereits längst abgeschlossen gehabt, als die Erstbeklagte vorschriftswidrig mit überhöhter Geschwindigkeit überholt habe. Eine Vorrangsituation sei nicht mehr vorgelegen.

Die Beklagten bestritten das Klagsvorbringen und wendeten ein, den Kläger treffe das Alleinverschulden, weil er den Vorrang der Erstbeklagten verletzt habe; deren Überholmanöver sei zulässig gewesen. Der Schaden der Erstbeklagten wurde als Gegenforderung geltend gemacht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil schon die Klagsforderung nicht zu Recht bestehe. Es ging hiebei im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Die Unfallstelle befindet sich im Gemeindegebiet von Göblasbruck, im Bereich der Kreuzung der B 20 mit der Freiligrathgasse. In Fahrtrichtung der Erstbeklagten beschreibt die B 20 vor der Unfallstelle eine langgezogene Doppelkurve links beginnend, führt in der Folge geradlinig über die Kreuzung hinaus und geht danach in eine leichte übersichtliche Linkskurve über. Die Freiligrathgasse mündet unmittelbar außerhalb des Ortsgebietes von Göblasbruck linksseitig unter einem Winkel von 90 Grad in die B 20 ein. Unmittelbar vor der Kreuzung befinde sich links die Tafel "Ortsende Göblasbruck" (auf Höhe dieser Tafel wurde quer zur Fahrbahnlängsachse der B 20 die Bezugslinie angenommen).

Im Bereich der Unfallstelle ist die Fahrbahn der B 20 gemessen zwischen den Randlinien 7,0 m breit. Es gilt dort eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h. Für einen Fahrzeuglenker, der sich aus der Freiligrathgasse kommend der B 20 nähert, ist die Sicht nach rechts bis ca 400 m weit ungehindert möglich. Die Freiligrathgasse ist durch das Verkehrszeichen "Vorrang geben" gegenüber der B 20 benachrangt.

Am 6. 12. 2001 fuhr der Kläger mit seinem PKW Audi in der Freiligrathgasse und näherte sich der B 20. Er beabsichtigte nach rechts in die B 20 einzubiegen. Zum Unfallszeitpunkt herrschte Tageslicht, die Asphaltfahrbahn war nass. Um sich einen Überblick über die Verkehrslage zu verschaffen, hielt der Kläger sein Fahrzeug mit der Front ca 40 cm außerhalb der Randlinie der B 20 an. Zwischenzeitig näherte sich die Erstbeklagte mit ihrem PKW Opel Tigra der späteren Unfallstelle. Vor ihr auf der B 20 fuhr ein anderes Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von rund 65 bis 70 km/h. Die Erstbeklagte entschloss sich, dieses Fahrzeug zu überholen. Rund 40 m vor der Bezugslinie (und rund 2 Sekunden vor der Kollision) überfuhr sie die Leitlinie und begann den Überholvorgang. Die Geschwindigkeit ihres Fahrzeuges betrug bei Beginn des Ausscherens auf den linken Fahrstreifen rund 80 km/h. Währenddessen entschloss sich der Kläger in die B 20 einzufahren. Er fuhr ca 1,8 Sekunden vor der späteren Kollision los, ohne auf das auch für ihn bereits erkennbar ausscherende Fahrzeug der Erstbeklagten zu achten. Für diese wurde das Einfahren des Klägers zu einem Zeitpunkt erkennbar, zu dem die Front seines Fahrzeuges die Randlinie überfuhr. In dieser Position befand sich ihr Fahrzeug rund 24,4 m von der späteren Kollisionsstelle entfernt. Trotz Einleitung einer Vollbremsung und trotz Auslenken des Fahrzeuges nach rechts konnte die Erstbeklagte eine Kollision nicht verhindern, sodass es im Bereich von rund 4,5 bis 5 m nach der Bezugslinie im linken Fahrstreifen der B 20 - in Fahrtrichtung der Erstbeklagten gesehen - zur Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen kam. Hätte die Erstbeklagte lediglich eine Geschwindigkeit von maximal 70 km/h eingehalten, so wäre es mit einer deutlich größeren Überdeckung zur Kollision der Fahrzeuge gekommen und somit zu einer Vergrößerung der Unfallsfolgen; ein kollisionsfreies Anhalten wäre der Erstbeklagten auch bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 70 km/h nicht möglich gewesen.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht das Alleinverschulden des Klägers, weil dieser den Vorrang der Erstbeklagten verletzt habe; hingegen sei deren Geschwindigkeitsüberschreitung nicht unfallskausal gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das (klagsabweisende) erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass es dessen Spruch zwei Absätze voranstellte, in denen die Klagsforderung mit EUR 1.522,40 und die Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung als zu Recht bestehend erkannt wurden. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei und führte ‑ ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen ‑ zur Rechtsrüge folgendes aus:

Der Kläger habe eine Vorrangverletzung im Sinn des § 19 Abs 7 StVO zu verantworten, weil er nach dieser Gesetzesstelle durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Erstbeklagte als Lenkerin eines Fahrzeuges mit Vorrang weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihres Fahrzeuges hätte nötigen dürfen. Bereits zum Zeitpunkt seines Einfahrens in die Kreuzung hätte er bei entsprechender Aufmerksamkeit das 0,2 Sekunden zuvor begonnene Überholmanöver der Erstbeklagten wahrnehmen können, schon deshalb liege eine Vorrangverletzung vor. Der Vorrang beziehe sich nämlich auf die gesamte Fahrbahn der bevorrangten Straße und gehe auch dann nicht verloren, wenn sich der im Vorrang befindliche Verkehrsteilnehmer verkehrswidrig verhalte, etwa indem er sich auf der linken Fahrbahnhälfte bewege. Eine Vorrangverletzung wäre nur dann ausgeschlossen,wenn es dem Wartepflichtigen auch bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit überhaupt nicht möglich gewesen wäre, das andere Fahrzeug als bevorrangt wahrzunehmen, nicht aber dann, wenn das Nichtwahrnehmen auf ein Fehlverhalten des Wartepflichtigen zurückzuführen sei. Im konkreten Fall hätte sich der Beklagte vor dem Einfahren in die bevorrangte B 20 spätestens aber im Zuge des Rechtsabbiegens durch einen Kontrollblick nach rechts noch einmal davon überzeugen müssen, dass die Fahrbahn der bevorrangten Straße für sein Einbiegemanöver frei ist. In dem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass ja auch noch eine Reaktion des Klägers durch Bremsung mit 6 m/sec2 spätestens 1,1 Sekunden vor der Kollision, also 0,7 sec nach dem Losfahren für eine Unfallvermeidung ausgereicht hätte. Das Erstgericht habe dem Kläger daher zutreffend eine Vorrangverletzung zur Last gelegt.

Zu prüfen bleibe ein Mitverschulden der Erstbeklagten am Verkehrsunfall. Das Erstgericht habe ein Mitverschulden unter Hinweis darauf verneint, dass die überhöhte Fahrgeschwindigkeit "nicht unfallskausal" gewesen sei. Tatsächlich wolle es damit auf rechtmäßiges Alternativverhalten hinaus, also auf den Einwand des Übertreters eines Schutzgesetzes, der Schaden wäre auch bei vorschriftsmäßigem Verhalten eingetreten. Nach völlig einheitlicher Rechtsprechung obliege aber die Behauptung und der Beweis, dass der Schaden auch im Fall vorschriftsmäßigen Verhaltens eingetreten wäre, dem beklagten Schädiger, hier also den Beklagten, die einen derartigen Einwand in erster Instanz nicht einmal erhoben hätten. Die diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes seien daher als überschießend zu betrachten und damit unbeachtlich, was auf Grund der Rechtsrüge in der Berufung, die die Kausalitätsfrage in Bezug auf die Geschwindigkeitsübertretung ‑ wenn auch in etwas anderem Zusammenhang (nämlich im Zusammenhang mit dem Überholverbot) - aufgreife, vom Berufungsgericht wahrzunehmen gewesen sei. Der Erstbeklagten liege daher eine Geschwindigkeitsüberschreitung als Verschulden zur Last, dazu komme aber auch noch der Verstoß gegen das Überholverbot nach § 16 Abs 1 lit b StVO, wonach der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen dürfe, wenn der Unterschied der Geschwindigkeiten des Überholenden und des eingeholten Fahrzeuges unter Bedachtnahme auf allenfalls geltende Geschwindigkeitsbeschränkungen für einen kurzen Überholvorgang zu gering sei. Tatsächlich habe der Umstand, dass das überholte Fahrzeug bereits mit 65 bis 70 km/h unterwegs gewesen sei und die Erstbeklagte dessen ungeachtet sich zum Überholen entschlossen habe, zu der bereits erwähnten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit geführt. Der Zweck dieser Verbotsnorm sei zwar wohl primär der Schutz des Überholten und des Gegenverkehrs, das Berufungsgericht vertrete aber die Auffassung, dass auch benachrangter Querverkehr, der sich in einer Situation wie der Kläger befinde, grundsätzlich vom Schutzzweck dieses Überholverbotes erfasst werde, zumal im Sinn des § 3 StVO ein benachrangter Verkehrsteilnehmer etwa darauf vertrauen dürfe, dass ein gemäß § 16 Abs 2 lit b StVO verbotenes Überholmanöver eines in der LKW‑Kolonne fahrenden PKWs unterbleiben werde. Nichts anderes könne für den vorliegenden Fall gelten, in dem der Kläger das verbotene Überholmanöver zwar noch wahrnehmen hätte können, ein Kollision aber zweifelsfrei dann unterblieben wäre, wenn die Erstbeklagte dieses an sich auf Grund der Geschwindigkeitsbeschränkung nicht erlaubte Überholmanöver unterlassen hätte. Das Berufungsgericht sehe somit sehr wohl auch eine im Sinn von § 1304 ABGB, § 11 Abs 1 letzter Satz EKHG relevantes Mitverschulden der Erstbeklagten an diesem Verkehrsunfall als gegeben an, das mit einem Drittel zu veranschlagen sei, weil einerseits Vorrangverletzungen im Straßenverkehr grundsätzlich schwerer wiegen würden als sonstige Verkehrsordnungswidrigkeiten, andererseits die Erstbeklagte hier durch ihr Fahrverhalten gegen zwei ‑ wenn auch inhaltlich zusammenhängende - Verbote der Straßenverkehrsordnung verstoßen habe.

Die ordentliche Revision sei im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zuzulassen gewesen, weil zur Frage des Schutzzweckes des Überholverbotes nach § 16 Abs 1 lit b StVO in Bezug auf den benachrangten Querverkehr noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der beklagten Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision nicht zuzulassen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen im Wesentlichen geltend, der Schutzzweck der von der Erstbeklagten allenfalls übertretenen Normen könne nicht auf im benachrangten Querverkehr befindliche Straßenbenützer ausgedehnt werden, weshalb es am Rechtswidrigkeitszusammenhang fehle.

Hiezu wurde erwogen:

Das Berufungsgericht hat der Erstbeklagten zunächst einen Verstoß gegen die für die Unfallstelle geltende Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h angelastet, weil sie eine Fahrgeschwindigkeit von rund 80 km/h eingehalten hat. Allerdings wären nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes bei einer Fahrgeschwindigkeit von 70 km/h wegen dann größerer Überdeckung der beiden Fahrzeuge die Unfallsfolgen größer gewesen. Rechtmäßiges Verhalten wäre also noch nachteiliger gewesen; es fehlt am Zusammenhang zwischen Rechtswidrigkeit und eingetretenem Erfolg, was insoweit zur Haftungsbefreiung der Beklagten führt (vgl zum sog rechtmäßigen Alternativverhalten etwa 2 Ob 20/99a = ZVR 1999/97; RIS‑Justiz RS0022908, RS0027364; Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/60 ff; Welser in Koziol/Welser II12 298; Reischauer in Rummel, ABGB2 § 1311 Rz 8 mwN).

Das Berufungsgericht hat die betreffenden Feststellungen allerdings für überschießend und damit unbeachtlich angesehen. Nach der Rechtsprechung dürfen sogenannte überschießende Feststellungen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (RIS‑Justiz RS0040318RS0037972RS0037964RS0036933). Dieser Rahmen darf aber nicht zu eng gesehen werden; ganz präzises Vorbringen ist insoweit nicht zu fordern. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten die Vorwürfe des Klägers bestritten und ihrerseits dessen Alleinverschulden am Unfall behauptet. Sie haben somit hinreichend deutlich geltend gemacht, die Erstbeklagte selbst habe rechtmäßig gehandelt. Die Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhanges bzw des rechtmäßigen Alternativverhaltens fiel dann aber - als Teilaspekt der Rechtswidrigkeit ‑ noch in den Rahmen ihrer Einwendungen und durfte daher berücksichtigt werden.

Der zweite vom Berufungsgericht der Erstbeklagten angelastete Verstoß betrifft das Überholverbot gemäß § 16 Abs 1 lit b StVO. Danach darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn der Unterschied der Geschwindigkeiten des überholenden und des eingeholten Fahrzeuges unter Bedachtnahme auf allenfalls geltende Geschwindigkeitsbeschränkungen für einen kurzen Überholvorgang zu gering ist. Dass die (erlaubte) Geschwindigkeitsdifferenz im vorliegenden Fall zu gering war, liegt auf der Hand.

Der ‑ im konkreten Fall vom Berufungsgericht bejahte - Schutzzweck einer Norm ergibt sich aus ihrem Inhalt; das anzuwendende Schutzgesetz ist teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift, die übertreten wurde, den in einem konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten wollte (RIS‑Justiz RS0008775). Überholverbote dienen in der Regel dem Schutz des Gegenverkehrs und des überholten Verkehrs (vgl etwa RIS‑Justiz RS0027630, RS0027626). Die Frage, ob auch der Querverkehr in den Schutzbereich einzubeziehen ist, bedarf einer differenzierenden Betrachtung. So dient das Überholverbot gemäß § 16 Abs 2 lit c StVO (auf ungeregelten Kreuzungen) nach ständiger Rechtsprechung dem Schutz des von rechts, nicht aber des von links kommenden Querverkehrs (RIS‑Justiz RS0074174; Reischauer aaO § 1304 Rz 17 lit f, § 1311 Rz 11, 12 mwN).

§ 16 Abs 1 lit b StVO bezweckt kurze und zügige Überholmanöver. Auch diese Forderung liegt im Interesse der überholten und der entgegenkommenden Fahrzeuge (vgl 2 Ob 103/83 = ZVR 1984/162; Dietrich/Stolzlechner § 16 StVO Rz 24). Hingegen war es für das Verhalten des im Querverkehr befindlichen Klägers, der den für die gesamte Fahrbahn geltenden Vorrang der Erstbeklagten missachtete (vgl RIS‑Justiz RS0073758RS0074324), ohne Bedeutung, ob zwischen dem auf der linken Fahrbahnhälfte überholenden Fahrzeug der Erstbeklagten und dem überholten Fahrzeug eine für ein zügiges Überholmanöver ausreichende Geschwindigkeitsdifferenz bestand. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger hierauf vertraut hätte. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes bezieht sich der Schutzzweck des Überholverbotes gemäß § 16 Abs 1 lit b StVO somit nicht auf den benachrangten Querverkehr. Die in der Berufungsentscheidung und in der Revisionsbeantwortung zitierte Entscheidung 2 Ob 94/98g = ZVR 1999/24 betraf einen anders gelagerten Sachverhalt.

Die von der Erstbeklagten begangenen Normverletzungen führen somit zu keiner Mitverantwortung für die Unfallsfolgen, weshalb das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte