OGH 10ObS53/03x

OGH10ObS53/03x18.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Georg Eberl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj Lukas S*****, geboren am ***** 1994, vertreten durch die Mutter Sylvia R*****, vertreten durch Prof. Dr. Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Land Kärnten, vertreten durch das Amt der Kärntner Landesregierung, Arnulfplatz 2, 9020 Klagenfurt, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. November 2002, GZ 7 Rs 271/02f-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. Mai 2002, GZ 34 Cgs 344/01m-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung, wonach der am ***** 1994 geborene und zum Stichtag 1. 8. 2001 sechs Jahre alte Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung eines die Stufe 4 übersteigenden Pflegegeldes nicht erfüllt, ist zutreffend, sodass auf deren Richtigkeit hingewiesen werden kann (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Den Revisionsausführungen ist noch folgendes entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Dass bei der Beurteilung des Pflegebedarfs für Kinder nur jenes Ausmaß an Betreuung und Hilfe zu berücksichtigen ist, welches über das altersgemäß erforderliche Ausmaß hinausgeht (§ 4 Abs 3 KrntPGG; RIS-Justiz RS0106555) zieht die Revision nicht in Zweifel. Sie gesteht auch ausdrücklich zu, dass der Pflegebedarf der Klägers "unter Berücksichtigung des Kindesalters" nach der EinstV 147,5 Stunden monatlich beträgt und daher die 180-Stunden-Grenze als Voraussetzung für die Zuerkennung "einer Pflegegeldstufe 5 und mehr" nicht erfüllt. Der Revisionswerber vertritt jedoch den Standpunkt, bei richtiger rechtlicher Beurteilung sei zu berücksichtigen, dass es dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche, insbesondere bei Kindern das Überschreiten dieser Grenze als weitere Voraussetzung neben jener eines außergewöhnlichen Pflegebedarfes zu fordern. Die Unsachlichkeit liege einerseits darin, dass ein Pflegebedarf von 180 Stunden monatlich (gerade wegen der Berücksichtigung nur des Mehraufwandes bei behinderten Kindern) wenn überhaupt nur in den aller seltensten Fällen überschritten werden könne, und andererseits in dem Umstand, dass wenn einmal ein außergewöhnlicher Pflegebedarf vorliege, dieser ohne Berücksichtigung des Pflegebedarfes nach der EinstV gegeben sei. Der Kläger würde nämlich verwahrlosen, würde man ihm nur die Pflegeleistungen, die den 147,5 errechneten Pflegestunden entsprechen, zukommen, ihn aber sonst unbeaufsichtigt lassen. Wenn ständige Bereitschaft von Pflegepersonen erforderlich sei, müsse dies als festgelegter Zustand nach dem Pflegegeldgesetz für sich allein ausreichen und dürfe nicht durch eine "Sperrklausel" von 180 Pflegestunden verhindert werden.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass das Pflegegeld den Zweck hat, in Form eines Beitrags pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten. Da Kinder Hilfe und Betreuung im Sinne der Pflegegeldgesetze auch ohne Zusammenhang mit einer Behinderung benötigen, ist bei der Beurteilung des Pflegebedarfs bei Kindern nur jenes Maß an Betreuung und Hilfe zu berücksichtigen, das über das altersmäßig erforderliche Ausmaß hinausgeht (§ 4 Abs 3 KrntPGG; RIS-Justiz RS0106555 [T14]). Damit wird naturgemäß - soweit nicht in dem besonderen Ausnahmefall bei taubblinden Personen eine diagnosebezogene Einstufung nach § 4a Abs 6 KrntPGG zu einer höheren Einstufung führt - der Zugang von Kindern zu den Pflegegeldstufen 5 - 7 eingeschränkt, weil sie den dafür erforderlichen Pflegebedarf von 180 Stunden schwer erreichen. Dies ist jedoch Folge des Umstands, dass das Pflegegeld nur einen pauschalierten Beitrag zu pflegebedingten Mehraufwendungen leisten soll. Das Ausmaß des Betreuungs- und Hilfsbedarfs bei einem völlig gesunden Kleinkind entspräche letztlich den für die Stufen 5 und 6 aufgestellten Voraussetzungen (Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich [1994] 172). Dieser Personenkreis sollte aber gerade nicht von den Pflegegeldgesetzen erfasst werden, auch wenn Kleinkinder für den Fall des Fehlens der dauernden Bereitschaft oder Anwesenheit einer Pflegeperson der Verwahrlosung ausgesetzt wären. Auch daraus ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Pflegegeldvoraussetzungen bei den Stufen 5 - 7 nicht zwischen Erwachsenen und Kindern differenzieren will, weil bei beiden Gruppen letztlich der pflegebedingte Mehraufwand gegenüber vergleichbaren gesunden Personengruppen maßgebend ist. Soweit auch ein gesundes Kind der dauernden Anwesenheit einer Pflegeperson bedarf wäre das entsprechende Erfordernis bei einem behinderten Kind nicht als plegegeldrelevanter Mehraufwand anzusehen.

In diesem Sinn vermag der Oberste Gerichtshof in der Regelung des Kärntner Landespflegegeldgesetzes keine Sachwidrigkeit zu erkennen, die eine Verfassungswidrigkeit wegen Verletzung des Gleichheitssatzes nach sich zöge, zumal nicht jede subjektiv als ungerecht empfundene einfachgesetzliche Regelung den Gleichheitssatz verletzt. Wie bei Erwachsenen (dazu RS0107439 [T1]; SSV-NF 10/135; SSV-NF 14/72 ua) ist daher auch bei Kindern Grundvoraussetzung für den Zugang zu den Pflegegeldstufen 5 - 7, dass zusätzlich zu dem bei den Stufen 5 - 7 angeführten qualifizierten Pflegeaufwand ein Pflegebedarf von mehr

als 180 Stunden monatlich gegeben ist (10 ObS 404/98d = ARD

5042/36/99; zuletzt 10 ObS 309/02t mwN = RIS-Justiz RS0109571 [T8]).

Der Revision muss daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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