Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Unbestritten ist, dass der am 28. 2. 1983 geborene Kläger seit 1998 bei seinem Vater als Tischlerlehrling beschäftigt war. Weitere Dienstnehmer waren der Geselle Manfred R***** und der Lehrling Christoph K*****. Bis Ende Jänner 2000 erhielt der Kläger die Lehrlingsentschädigung mehr oder weniger regelmäßig ausbezahlt, dann nicht mehr. R***** erhielt ab Februar 2000 ebenfalls keinen Lohn mehr. Der Lehrling Christoph K***** erhielt ab diesem Zeitpunkt Teilbeträge, weil der die Fahrschule besuchte und dringend Geld brauchte.
Weiters stellte das Erstgericht fest, dass der Dienstgeber seine Dienstnehmer immer wieder vertröstet und versprochen hat, beim nächsten Auftragseingang zu bezahlen. Der Kläger hat bis zur Klage nicht gewusst, dass es wirtschaftlich so schlecht um seinen Vater gestanden ist, weil es immer Aufträge gegeben hat.
Mit Klagen vom 15. bzw 18. 12. 2000 machten die drei Dienstnehmer ihre offenen Ansprüche beim Arbeits- und Sozialgericht geltend. Der Kläger begehrte Lehrlingsentschädigung und Sonderzahlungen in Höhe von S 72.070,-- (= EUR 5.237,53) für die Zeit vom 1. 2. bis 26. 12. 2000, dem Zeitpunkt der einvernehmlichen Beendigung des Lehrverhältnisses. Der Geselle begehrte Löhne von März bis November 2000 und Sonderzahlungen in Höhe von zusammen S 171.785. Der andere Lehrling begehrte restliche Lehrlingsentschädigung in Höhe von S
12.900 für die Zeit bis zur einvernehmlichen Beendigung seines Lehrverhältnisses im Juli 2000. Diese Verfahren endeten mit am 19. 12. 2000 geschlossenen Vergleichen, in welchen sich der Beklagte verpflichtete, alle offenen Forderungen zu bezahlen; die Kläger gestanden eine Reduzierung bzw Pauschalierung der Prozesskosten zu. Mit Beschluss vom 17. 1. 2001 wurde das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des ehemaligen Dienstgebers eröffnet. Alle drei Dienstnehmer meldeten ihre Forderungen entsprechend den getroffenen Vergleichen bei der beklagten Partei zur Zahlung an. Die Forderungen des Gesellen und des anderen Lehrlings wurden zur Gänze bezahlt, jene des Klägers jedoch nicht; dieser sei aus familiären Gründen trotz Nichtzahlung des Lohns im Unternehmen seines Vaters verblieben und habe nicht ernstlich versucht, die offenen Beträge einbringlich zu machen.
Der Kläger begehrt S 91.049,93 sA (= EUR 6.616,86 sA) und zwar Lehrlingsentschädigung für die Zeit vom 1. 2. bis 26. 12. 2000 in Höhe von S 72.070 netto, Sonderzahlungen für den Zeitraum 1. 2. bis 26. 12. 2000 in Höhe von S 4.056 Weihnachtsremuneration und S 4.459 Urlaubszuschuss jeweils netto, die bis 23. 1. 2001 angefallenen gestaffelten Zinsen in Höhe von S 2.905,92, Kosten für das Verfahren vor dem Arbeitsgericht, pauschaliert mit S 11.000, sowie 8 ½ % Zinsen seit 7. 6. 2001. Er bringt dazu vor, er habe sich gleich der übrigen Belegschaft verhalten. Da die beklagte Partei den beiden Mitarbeitern deren geltend gemachte Forderungen zuerkannt habe, sei auch der Kläger in gleicher Weise zu behandeln.
Die beklagte Partei stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit, beantragte aber im Übrigen die Klagsabweisung und wandte ein, der Kläger habe die Lehrlingsentschädigung samt Sonderzahlungen ab Jahresbeginn 2000 nicht erhalten; als Sohn des Firmeninhabers hätte er aber mehr Einblick in die schlechte finanzielle Lage des Unternehmens gehabt, somit liege eine sittenwidrige Verlagerung des Finanzierungsrisikos zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds vor. Im Besonderen werde aufgrund des seit 1. 1. 2001 geänderten § 3a Abs 1 IESG der Anspruch auf Lehrlingsentschädigung für die Monate Februar, März und April 2000 bestritten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Dem Kläger könne auch ein nur bedingter Vorsatz der Überwälzung des Finanzierungsrisikos nicht unterstellt werden, da ihm als Lehrling im Betrieb seines Vaters die wirtschaftlich schlechte Lage nicht bekannt gewesen sei; aufgrund des jugendlichen Alters könne ihm kein entsprechender Weitblick unterstellt werden. Der andere Lehrling habe Teilzahlungen erhalten, sodass der Kläger auf eine Nachzahlung habe hoffen dürfen. Dem Kläger gebühre auch Insolvenz-Ausfallgeld für die Monate Februar bis April 2001, weil die Beträge vor dem arbeitsrechtlichen Ende gerichtlich geltend gemacht worden seien. Ihm stünden daher sämtliche offenen Entgeltansprüche zuzüglich Zinsen und Kosten zu.
Infolge Berufung der beklagten Partei hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Urteilsfällung zurück.
Es führte aus, dass es Bedenken gegen die Feststellungen und die Beurteilung des Erstgerichtes dahingehend habe, dass dem Kläger die wirtschaftliche Lage des Betriebes seines Vaters nicht bekannt gewesen sei und ihm ein entsprechender Weitblick nicht unterstellt werden könne, weil bislang wesentliche, aus den Akten hervorgekommene Umstände mit den Parteien nicht erörtert worden seien. Gemäß § 87 Abs 1 ASGG seien grundsätzlich sämtliche Beweise von Amts wegen aufzunehmen. Das Verfahren erster Instanz leide daher an wesentlichen Mängeln, die eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Rechtssache hinderten. Diese Mängel würden sich aus der gemeinsamen Vorgangsweise der drei Arbeitnehmer sowie aus dem Akt 6 S 3/01m betreffend das Schuldenregulierungsverfahren des Vaters des Klägers ergeben. Die Gründe und Umstände sowie der Ablauf dieser gemeinsamen Vorgangsweise sei im fortgesetzten Verfahren zu erörtern, zumindest der Kläger sei dazu zu vernehmen, insbesondere auch dazu, warum das Lehrverhältnis des weiteren Lehrlings, der immerhin noch Teilzahlungen erhalten hatte, bereits im Juli 2000 beendet worden sei, nicht aber das des Klägers, dessen Lehrlingsentschädigung bereits seit Februar 2000 zur Gänze ausständig gewesen sei. Da, soweit überblickbar, insbesondere die Frage, wie ein Lehrverhältnis im Zusammenhang mit einer Überwälzung des Finanzierungsriskos auf den Fonds zu sehen sei, von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht behandelt worden sei, sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen.
Berechtigt sei der Einwand der beklagten Partei im Bezug auf den Zuspruch von Insolvenz-Ausfallgeld für die Monate Februar, März, April und Mai 2000. Aufgrund der hier geltenden Bestimmung des § 3a Abs 1 und § 3 Abs 2 IESG, jeweils idF BGBl I Nr 142/00 gebühre Insolvenz-Ausfallgeld jedenfalls nicht, soweit die Fälligkeit der Ansprüche weiter als sechs Monate vor Klagseinbringung zurückläge. Zinsen gebührten nach der Neufassung nur mehr bis zum Stichtag; diese Regelung sei abschließend.
Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss, allenfalls nach Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz, im Sinn der Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag an das Erstgericht.
Die beklagte Partei beantragt, den angefochtenen Beschluss zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Zur Frage, wie das Finanzierungsrisiko bei einem Lehrverhältnis, insbesondere im elterlichen Betrieb, zu sehen ist, lag zwar zur Zeit der berufungsgerichtlichen Beschlussfassung noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor, zwischenzeitig hat der erkennende Senat in der Entscheidung 8 ObS 195/02p vom 19. 9. 2002 zu dieser Frage Stellung genommen. Hieraus ist für den vorliegenden Fall als bedeutend hervorzuheben, dass grundsätzlich die ständige oberstgerichtliche Rechtsprechung betreffend den bedingten Vorsatz auf Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds auch bei Lehrverhältnissen anzuwenden ist, sind doch auch diese als Arbeitsverhältnisse zu qualifizieren, bei denen zB dem Lehrling die vorzeitige Auflösung des Lehrvertrages wegen einer erheblichen Entgeltschmälerung zusteht, wobei dann zumindest die Einrechnungsverpflichtung nach § 1162b ABGB zur Anwendung gelangt. Allerdings wird durchaus auf die Besonderheiten des Lehrverhältnisses (Ausbildungsverhältnis; besonderes Beendigungsrecht) Bedacht zu nehmen sein. Auch wenn das Lehrverhältnis vorliegendenfalls mangels Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des damals noch minderjährigen Klägers nicht ordnungsgemäß gelöst worden sein sollte, so ist doch aus der weiteren Vorgangsweise des Klägers nach Eintritt der Volljährigkeit unzweifelhaft die nachträgliche Genehmigung und somit Sanierung des Vorgangs abzuleiten.
Das Risiko, das nach Art einer Versicherung vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds übernommen wird, umfasst im Kernbereich die vom Arbeitnehmer typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des Entgeltverlustes, die daraus entsteht, dass dem typischen Arbeitnehmer der Einblick in wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers verwehrt ist.
Aufgrund der Übergangsbestimmung des § 17a Abs 23 IESG sind § 3 Abs 2 und § 3a Abs 1 IESG idF der Novelle BGBl I 142/2000 auf den vorliegenden Sachverhalt bereits anzuwenden, weil der Beschluss über die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens nach dem 31. 12. 2000, nämlich am 17. 1. 2001, gefasst wurde.
Nach der neuen Rechtslage wird auch bei gerichtlicher Geltendmachtung vor dem Stichtag die Sicherung auf die in den letzten sechs Monaten vor Klagseinbringung entstandenen Entgeltansprüche eingeschränkt. Infolge dieser generellen Einschränkung der Sicherung auf die letzten sechs Monate zeigt sich, dass allein aus der zeitlichen Komponente des Hinnehmens von Entgeltrückständen ein bedingter Vorsatz zum Missbrauch der Sicherungseinrichtung nicht mehr erschlossen werden kann (8 ObS 254/01p; 8 ObS 109/02s; 8 ObS 195/02p). Auf die Kenntnis des Klägers von der finanziellen Situation seines Vaters und Arbeitgebers kommt es daher nicht an. Die Bedenken des Berufungsgerichts gegen die erstgerichtlichen Feststellungen (die im Übrigen das Berufungsgericht durch Beweiswiederholung und nicht durch Rückverweisung an das Erstgericht hätte beseitigen müssen) sind daher irrelevant. Anders als in dem der Entscheidung 8 ObS 195/02p zugrundeliegenden Sachverhalt, bei dem angesichts der dem Kläger schon bei Abschluss des Lehrvertrages bekannten enormen Schuldenbelastung der lehrberechtigten Mutter und seiner mangelnden Auslastung als Lehrling von Anfang an mit einer Inanspruchnahme der Sicherungseinrichtung gerechnet werden musste, liegt im vorliegenden Fall ein derartiger Missbrauch nicht vor. Der Kläger war, wie auch andere Arbeitnehmer dieses Betriebes, bei seinem Vater als Lehrling vollbeschäftigt und bekam zuletzt wie auch der Geselle durch ca 10 Monate kein Entgelt mehr.
Dem Berufungsgericht ist nur insoweit beizupflichten, dass ein Teil des Klagebegehrens jedenfalls nicht berechtigt ist. Dem Kläger steht nämlich Insolvenz-Ausfallgeld für das Entgelt für die letzten sechs Monate zu, die Entgeltansprüche für die länger zurückliegenden Beschäftigungszeiten sind aber wegen der nunmehr auch bei gerichtlicher Geltendmachung in § 3a Abs 1 zweiter Satz IESG vorgesehenen zeitlichen Beschränkung nicht gesichert. Allerdings kommt es in diesem Fall - anders als nach § 3a Abs 1 erster Satz IESG nicht auf die Fälligkeit, sondern auf das Entstehen der Entgeltansprüche an (siehe zum Unterschied Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4 234 f). Der Kläger hat die Klage am 18. 12. 2000 eingebracht; ihm stehen daher Entgeltansprüche ab 19. 6. 2000 zu, für die davor liegenden Zeiten gebührt ihm kein Entgelt.
Auch ein Teil des Zinsenbegehrens ist nicht berechtigt, weil nach der Neuregelung des § 3 Abs 2 IESG idF BGBl I 142/2000 Zinsen nur mehr ab Fälligkeit bis zum Stichtag (17. 1. 2001) zustehen. Einerseits ist die zeitliche Zuordnung der geltend gemachten Ansprüche - ausgehend von der eben dargelegten Rechtsauffassung - erörterungsbedürftig, andererseits sind umfangreiche Berechnungen anzustellen, sodass es aus diesem Grund bei der Aufhebung an das Erstgericht gemäß § 510 Abs 1 ZPO zu verbleiben hat. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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