OGH 6Ob215/02i

OGH6Ob215/02i12.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****-AG, ***** vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak OEG, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei P***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Greiter Pegger Kofler & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei Österreichische Bundesbahnen, Elisabethstraße 9, 1010 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, wegen 14.227,23 EUR, über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. April 2002, GZ 2 R 49/02a-67, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12. Dezember 2001, GZ 40 Cg 78/99b-61, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 812,52 EUR (darin 135,42 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung sowie der Nebenintervenientin die mit 677,10 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Ein Elektrogerätehersteller lieferte 1998 den Österreichischen Bundesbahnen (der Nebenintervenientin) eine Stromversorgungsanlage. Es wurde vereinbart, dass der Versand 14 Tage vor der Zustellung am Bahnhof in Kalsdorf einem technischen Angestellten der Bundesbahnen (Ing. J*****) zu avisieren ist. Der Lieferant beauftragte das beklagte Speditionsunternehmen mit dem Transport, der bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin versichert wurde. Der Transport des aus zwei elektrischen Schränken bestehenden Frachtgutes erfolgte per Sammelladung zu fixen Kosten. Die Transportmodalitäten des Frachtvertrages wurden in einem Telefax vom 2. 6. 1998 wie folgt festgehalten:

"Abholung am: 3. 6. 1998 16 h

Anlieferung: Jederzeit (Kundenaviso)

Anlieferort: Bahnhof Kalsdorf A-8401

Versandaviso an: Ing. J***** 04242 *****

Einbringung: frei Vewendungsstelle gemäß Beschreibung

Kosten: laut Liste + separater Mehraufwand".

Das vereinbarte Versandaviso an den Techniker der Nebenintervenientin erfolgte nicht. Der von der Beklagten beauftragte Frächter konnte die Schränke am 9. 6. 1998 nicht in der "Verwendungsstelle", einem Relaisraum im Bahnhof Kalsdorf, abstellen, weil dort ein noch nicht ausgehärteter Estrich verlegt worden war. Das mit wasserdichter Dehnfolie verpackte und mit den normgemäßen Symbolen für "Vor Nässe schützen" "Oben" "Zerbrechlich" und "Vorsicht hochempfindliche elektrische Geräte" versehene Transportgut wurde im Freien abgestellt und in der Folge durch Korrosion beschädigt. Im Zuge des Rücktransportes an die Lieferantin (der Absenderin) entstanden weitere mechanische Schäden. Der Versicherer leistete 195.771 S (14.227,23 EUR).

Die Klägerin begehrt den Ersatz ihrer Zahlung. Die Beklagte habe vereinbarungswidrig kein Versandaviso an den Techniker der Nebenintervenientin vorgenommen. Bei rechtzeitigem Aviso hätte die Beklagte in Kenntnis gesetzt werden können, dass zum Zeitpunkt der vorgesehenen Ablieferung die Zustellung am vorgesehenen Ort nicht möglich gewesen wäre. Auch nach dem Abstellen der hochempfindlichen elektronischen Anlage im Freien habe die Beklagte weder die Absenderin noch den Techniker der Nebenintervenientin über die Umstände der Ablieferung und den Lageort der Anlage informiert. Die Absenderin habe erst über Urgenz der Nebenintervenientin vom 25. 6. 1998 Nachforschungen anstellen können. Sie habe dann umgehend die Rückabholung der Anlage veranlasst. Auch der Rücktransport sei unfachgemäß erfolgt. Ein weiterer Schaden sei entstanden. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Einbringung "frei Verwendungsstelle" sei nicht möglich gewesen. Der diensthabende Fahrdienstleiter des Bahnhofs habe sich mit der Absenderin in Verbindung gesetzt und den von der Beklagten beauftragten Frächter angewiesen, die Anlage im Freien abzustellen. Bei der Ablieferung sei das Einvernehmen mit der Empfängerin hergestellt worden. Für danach eingetretene Schäden hafte die Beklagte nicht. Die mangelhafte Verwahrung sei von der Empfängerin und von der Absenderin durch ungeeignete Weisungen selbst verschuldet worden. Die Nebenintervenientin habe die Stromversorgungsanlage unter der ausdrücklichen Bedingung bestellt, dass ihr Techniker 14 Tage vor dem Liefertermin über diesen zu verständigen sei. Diese zusätzliche Vereinbarung sei der Beklagten nicht mitgeteilt worden. Der Beklagten sei auch nicht gesagt worden, dass einzig und allein der namhaft gemachte Techniker als Empfänger fungieren dürfe. Für den Fall der Bejahung einer Haftung der Beklagten werde ein Mitverschulden der Absenderin eingewandt. Es liege der Haftungsbefreiungsgrund des Art 17 Abs 4 lit c CMR vor, weil der Schaden auf die Behandlung des Frachtgutes durch den Empfänger zurückzuführen sei. Zwischen der Absenderin und der Beklagten sei die Geltung der Allgemeinen Österreichischen Speditionsbedingungen (AÖSp) vereinbart worden. Nach deren § 33 sei die Beklagte berechtigt gewesen, die Ablieferung an jede zum Geschäft der Empfängerin gehörige Person vorzunehmen. Die Beklagte sei bei der Abladung einer Weisung des Empfängers nachgekommen. Der Frächter habe das Bahnhofspersonal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verpackungsfolie möglicherweise nicht dicht sei und dass Nässe in die Geräte eindringen könne. Die mechanischen Schäden seien auf verladungstechnische Maßnahmen zurückzuführen. Die Verladung falle in den Verantwortungsbereich des Absenders.

Die Nebenintervenientin brachte ergänzend vor, es sei vereinbart gewesen, dass die Anlage ausschließlich an den namhaft gemachten Techniker der Nebenintervenientin zu übergeben sei. Die Klägerin ergänzte, dass die Beklagte ein grobes Verschulden treffe, sodass weder die AÖSp noch die Haftungsbeschränkungen der CMR Anwendung fänden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Von seinen Feststellungen ist über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch Folgendes als wesentlich hervorzuheben:

Zwischen der Absenderin und der Nebenintervenientin sei vereinbart gewesen, dass der Techniker 14 Tage vor dem Liefertermin verständigt werde. Diese Vereinbarung sei der Beklagten nicht weitergegeben worden. Der Techniker sei bei der Auslieferung der Anlage am 9. 6. 1998 am Bahnhof nicht anwesend gewesen. Der von der Beklagten beauftragte Frächter habe mit dem Fahrdienstleiter Kontakt aufgenommen. Dieser sei aber nur für den Fahrbetrieb und nicht für den Baustellenbetrieb zuständig gewesen. Der Frächter habe darauf bestanden, die Anlage auszuliefern. Der Fahrdienstleiter habe erklärt, man könne die Anlage im Freien aufstellen. Es sei nicht feststellbar, dass der Fahrdienstleiter erklärt habe, dass er die Verantwortung übernehme oder dass man die Anlage selbst wegräumen werde. Der Frächter habe nach dem Abstellen der Anlage weder bei der Beklagten noch bei der Absenderin eine Weisung eingeholt. Wann der Techniker der Nebenintervenientin über die Zustellung informiert worden sei, könne nicht festgestellt werden. Der Techniker habe die Absenderin am 25. 6. 1998 und am 2. 7. 1998 über den Sachverhalt informiert. Die Absenderin habe dann die Beklagte zum sofortigen Rücktransport der Anlage aufgefordert. Bei der Rückstellung an die Absenderin seien die beiden Schränke nicht mehr originalverpackt gewesen. Ein Schrank sei umgelegt transportiert worden bzw während des Transportes umgefallen und dadurch beschädigt worden. Durch die langfristige unsachgemäße Lagerung der Anlage im Freien seien an beiden Schränken korrosionsbedingte Beschädigungen aufgetreten, die durch eine Planenabdeckung nicht verhindert hätten werden können. Unter Berücksichtigung eines Restwertes betrage der rostbedingte und mechanische Schaden insgesamt 195.771 S. Davon entfalle ein Teilschadensbetrag von 22.000 S auf die mechnischen Beschädigungen während des Rücktransports. Die Absenderin sei mit der Beklagten in jahrelanger Geschäftsbeziehung gestanden. Auf dem Geschäftspapier der Beklagten sei auf die Anwendbarkeit der AÖSp verwiesen worden. Die Absenderin habe dagegen nie einen Einwand erhoben. Die Absenderin habe eine Transportversicherung bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin eingedeckt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die Beklagte die Rechte und Pflichten eines Frachtführers nach § 413 HGB gehabt habe. Nach Art 3 CMR hafte die Beklagte für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen. Abweichende Vereinbarungen seien gemäß Art 41 CMR nichtig. Die Unterlassung des Versandavisos sei grob fahrlässig gewesen, sodass sich die Beklagte nicht auf eine Haftungsbegrenzung berufen könne. Angesichts des Ablieferungshindernisses hätte die Beklagte eine Weisung der Absenderin einholen müssen. Der Fahrdienstleiter des Bahnhofs sei nicht Empfänger gewesen. Ein allfälliges geringes Mitverschulden der Klägerin deshalb, dass der Rücktransport nicht um einige Tage früher organisiert worden sei, sei jedenfalls vernachlässigbar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen, dass vereinbart gewesen sei, dass die Anlage nur zu Handen des namhaft gemachten Technikers der Nebenintervenientin zu übergeben sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht im Wesentlichen aus, dass auf den Transportauftrag gemäß § 439a Abs 1 HGB die zwingenden Bestimmungen der CMR anzuwenden seien. Es seien zwar auch die AÖSp vereinbart worden, der Spediteur dürfe sich aber nach § 41 lit c AÖSp gegenüber dem Auftraggeber nicht auf die Allgemeinen Bedingungen berufen, wenn er entgegen dem § 39 lit a AÖSp die Speditionsversicherung nicht eingedeckt habe. Für die Deckung dieser Versicherung treffe den Spediteur die Behauptungs- und Beweislast. Diesen Beweis habe die Beklagte nicht erbracht. Schon aus diesem Grund seien die AÖSp nicht anzuwenden.

An wen mit haftungsbefreiender Wirkung die Ablieferung des Gutes zu erfolgen habe, sei in den CMR nicht geregelt. Diese Frage sei nach österreichischem Recht zu beurteilen. Hier seien empfindliche elektronische Geräte zu transportieren gewesen. Die Vereinbarung eines konkreten Versandavisos und die Zustellung in einen bestimmten Raum hätten den klar erkennbaren Zweck gehabt, die sichere Übernahme zu gewährleisten. Darüber habe die Absenderin die Beklagte nicht weiter aufklären müssen. Die Unterlassung des Versandavisos habe zu einem Ablieferungshindernis geführt. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, das Frachtgut einem zufällig anwesenden, mit der Sachlage offensichtlich nicht vertrauten Mitarbeiter der Nebenintervenientin auszuhändigen. Die Beklagte hätte eine Weisung bei der Absenderin einholen müssen. Das Fehlverhalten des Frächters sei als grob fahrlässig zu qualifizieren. Das Abstellen eines feuchtigkeitsempfindlichen Transportgutes im Freien führe mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Schäden. Auch der Rücktransport sei auf das schuldhafte Verhalten der Beklagten zurückzuführen. Die Nichtweiterleitung der Vereinbarung zwischen Absenderin und Empfängerin über eine Verständigung 14 Tage vor der Ablieferung begründe kein Mitverschulden, weil die Beklagte das ihr jedenfalls überbundene Versandaviso überhaupt unterlassen habe und auch ein unmittelbar vor Transportbeginn erfolgtes Versandaviso noch sinnvoll gewesen wäre. Wenn die Absenderin nach Erhalt der Nachricht, dass die Schränke im Freien abgestellt worden waren, nicht sofort reagiert und noch eine Woche zugewartet habe, bis der Rücktransport veranlasst worden sei, liege darin kein gegenüber dem Fehlverhalten der Beklagten zu berücksichtigendes Mitverschulden. Ein Mitverschulden der Empfängerin des Transportgutes komme wegen der groben Fahrlässigkeit des Frächters nicht in Frage. § 1304 ABGB sehe nur die Berücksichtigung eines Mitverschuldens eines Geschädigten vor. Dass auch die Nebenintervenientin einen Schaden erlitten habe, habe die Beklagte nicht behauptet.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Die Klägerin und die Nebenintervenientin beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin steht zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass sie der Klägerin das Verschulden der Bahnbediensteten entgegenhalten könne, weil der Empfänger (die Österreichischen Bundesbahnen) bei der Erfüllung des Frachtvertrages als Gehilfe des Absenders (§ 1313a ABGB) tätig werde (zum Verschulden des Empfängers wird auch geltend gemacht, dass das Berufungsgericht die gerügten Feststellungsmängel über eine erfolgte Gefahrenaufklärung durch den Frächter nicht behandelt habe); dass der Schaden auf das Verhalten des Empfängers zurückzuführen sei (Art 17 Abs 4 CMR), der nach Übernahme des Transportgutes allein die Möglichkeit gehabt habe, Schutzmaßnahmen gegen Witterungseinflüsse zu ergreifen; dass die Unterlassung des Versandavisos zwar eine Verletzung der Sorgfaltspflicht, aber keine grobe Fahrlässigkeit bedeute; dass der Absenderin und der Empfängerin seit dem 25. 6. 1998 der Umstand der Lagerung der Geräte im Freien bekannt geworden sei und dass der Schaden in der Zeit bis zum verspätet angeordneten Rücktransport entstanden habe sein können, sodass die Absenderin gemäß Art 18 Abs 2 CMR den Gegenbeweis zu erbringen hätte; dass die beim Rücktransport entstandenen Schäden (22.000 S) keine adäquat kausale Folge des unterlassenen Versandavisos seien und dass die vereinbarten AÖSp anwendbar seien.

Zu diesem Revisionsvorbringen ist Folgendes auszuführen:

1. Die Spedition zu fixen Kosten und die Beförderung in Sammelladung führt zur Anwendung des Frachtrechtes (§ 413 HGB). Die Bestimmungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) gelten auch für den Gütertransport auf Straßen im Inland (§ 439a HGB). Der Frachtführer haftet gemäß Art 3 CMR für Handlungen und Unterlassungen aller Personen, deren er sich bei Ausübung der Beförderung bedient wie für eigene Handlungen und Unterlassungen.

2. Bei Ablieferungshindernissen stellt sich die Frage der Dauer der Frachtführerhaftung. Der Frachtführer haftet für den gänzlichen oder teilweisen Verlust oder die Beschädigung des Frachtgutes, soferne der Schaden zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt (Art 17 Abs 1 CMR; RS0073771). Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass zwar die Schadensursache (das unterlassene Aviso) in einem solchen Zeitraum eintrat, der Schaden selbst aber allenfalls erst danach (wenn eine wirksame Ablieferung an den Empfänger bejaht werden könnte). Grundsätzlich endet der Aufgabenbereich des Frachtführers mit der Übergabe des Transportgutes an den annahmebereiten Empfänger (RS0062537), dem die Gewahrsame eingeräumt wird. Die Ablieferung kann nur mit dem Wissen und dem Willen, also unter Mitwirkung des Empfängers, erfolgen (RS0074012; zuletzt 1 Ob 28/00z).

Das Transportgut konnte am vereinbarten Ort, das ist hier die Relaisstation des Bahnhofs, nicht zugestellt werden. Wenn nach Ankunft des Gutes am Bestimmungsort ein Ablieferungshindernis eintritt, hat der Frachtführer eine Weisung des Absenders einzuholen (Art 15 Abs 1 CMR). Der Empfänger war noch nicht verfügungsberechtigt. Ein Verfügungsrecht des Empfängers wegen entsprechenden Vermerks im Frachtbrief (Art 12 Abs 3 CMR) wurde weder behauptet noch festgestellt. Das Verfügungsrecht nach Art 13 CMR setzt die Ankunft des Gutes an dem für die Ablieferung vorgesehenen Ort voraus (vgl SZ 55/20).

Die Beklagte beruft sich auf Weisungen der Bahnhofsbediensteten, die nach den getroffenen Feststellungen weder nach der internen Organisationsregelung (das Aufgabengebiet des Bahnhofsvorstands betrifft den Fahrbetrieb und nicht bautechnische Angelegenheiten) noch nach einer dem Bahnhofsvorstand konkret erteilten Empfangsvollmacht zur Empfangnahme des Frachtgutes berechtigt waren. Dazu hätte es der Mitwirkung eines solchen Bevollmächtigten, insbesondere des namhaft gemachten Technikers, bedurft. Die Auslegung des Frachtvertrages dahin, dass die Vereinbarung einer konkreten Ansprechperson des Empfängers den Sinn hatte, Ablieferungshindernissen zu begegnen, ist geradezu zwingend und lässt den rechtlichen Schluss zu, dass damit auch über die Vertretungsbefugnis im Organisationsbereich der Empfängerin abgesprochen wurde, auch wenn das Berufungsgericht die Feststellung des Erstgerichtes über eine vereinbarte Zustellung zu Handen des in den Frachtbedingungen angeführten Vertreters der Nebenintervenientin nicht übernommen hat. Der Frachtführer hätte jedenfalls entweder die Absenderin oder doch den technischen Angestellten der Empfängerin, dem der Transport zu avisieren war, um Weisung ersuchen müssen, womit Schadensfolgen aus der Unterlassung des Avisos vermieden hätten werden können. Wegen unwirksamer Zustellung an einen nicht empfangsbevollmächtigten Bahnangestellten ist der Schaden noch im haftungsrelevanten Zeitraum des Art 17 Abs 1 CMR entstanden. Selbst wenn man diese Ansicht nicht teilte, wäre für die Revisionswerberin nichts gewonnen:

3. Alles, was die CMR als Vertragsordnung nicht regelt, ist nach dem nationalen Vertragsrecht zu beurteilen (RS0073696). Der Frachtführer haftet nach dem allgemeinen Schuldrecht für die außerhalb der Obhutszeit verursachten Vermögensschäden (Schütz in Straube HGB2 Rz 1 zu Art 17 CMR Anh I § 452 mwN). Die schuldhafte Verletzung des Frachtvertrages (§ 425 HGB) besteht hier in der Unterlassung des vereinbarten Versandavisos. Schon diese Unterlassung war schadenskausal. Dies gilt im Gegensatz zur Auffassung der Revisionswerberin auch für die erst beim Rücktransport entstandenen Schäden. Der Transport empfindlicher elektronischer Geräte ist mit einem erhöhten Transportrisiko verbunden. Wenn die Beklagte einen weiteren Transport verursachte, hat sie damit auch ein weiteres Transportrisiko geschaffen, das keineswegs atypisch ist. Davon abgesehen hat die Beklagte (ihr Erfüllungsgehilfe) nach den getroffenen Feststellungen den Rücktransport selbst durchgeführt. Die weitere Schadensursache, dass die Beklagte nach Auftreten des Ablieferungshindernisses weder bei der Absenderin noch beim kompetenten bautechnischen Vertreter der Nebenintervenientin Weisungen einholte, sondern sich mit der Zustimmung des unzuständigen Bahnhofspersonals begnügte, wurde schon erläutert.

4. Die Beurteilung der Vertragsverletzung der Beklagten als grob schuldhaft ist zutreffend. Eine relevante, bei einer Verschuldensteilung zu berücksichtigende Mitverantwortung der Absenderin ist zu verneinen. Diese hat für das Verschulden der Empfängerin (Nebenintervenientin) nicht einzustehen. Der Empfänger, an den der Frachtführer abzuliefern hat, ist nicht Vertragspartner des Frachtvertrages. Dieser ist nach herrschender Lehre ein echter Vertrag zu Gunsten Dritter (Schütz aaO Rz 26 zu § 425 mwN), wovon die Revisionswerberin selbst ausgeht. Ihre Ansicht, dass der begünstigte Dritte nicht nur in eigenem Interesse, sondern wie der Vertragspartner bei der Erfüllung des Frachtvertrages tätig wird, auch im Interesse des Absenders mitzuwirken hat und deshalb dessen Erfüllungsgehilfe sei, ist nicht zu teilen. Der Empfänger erwirbt zwar in Abhängigkeit vom Fortschreiten des Frachtvertrages eigene Rechte gegen den Frachtführer (§§ 433 bis 435 ABGB) und hat nach der Annahme des Gutes und des Frachtbriefes dem Frachtführer Zahlung zu leisten (§ 436 ABGB). Diese gesetzlichen Rechte und Pflichten machen den Empfänger des Transportgutes aber nicht zum Erfüllungsgehilfen des Absenders. Eine solche Rechtsstellung ist aus dem Frachtvertrag nicht abzuleiten. Der Frachtführer hat keinen eigenen Anspruch darauf, dass der Empfänger das Transportgut übernimmt oder bei der Übernahme mitwirkt. Er muss sich an den Absender halten (Schütz aaO Rz 3 zu § 435). Die Verweigerung der Übernahme durch den Empfänger berechtigt den Frachtführer lediglich zur Ausladung und zur Verwahrung des Gutes bei einem Dritten (Art 16 CMR; § 437 HGB). Es hat daher die Absenderin (hier ihren Versicherer) für das schuldhafte Verhalten der Empfängerin, die der Entladung des sensiblen Transportgutes im Freien zustimmte, nicht einzustehen. Dies gilt gleichermaßen für die Beurteilung nach den CMR als auch für diejenige nach dem österreichischen Frachtrecht. Im Übrigen ist auch hier auf die schon dargelegte fehlende Empfangsvollmacht des Bahnhofspersonals zu verweisen. Ein Verschulden der Empfängerin könnte nur auf eine mangelhafte Organisation gestützt werden.

5. Zu der von der Revisionswerberin bestrittenen Haftung für die anlässlich des Rücktransportes entstandenen Schäden ist sie auf die erstinstanzlichen Feststellungen zu verweisen, dass der Schaden "auf eine unsachgemäße Verladung oder einen unsachgemäßen Umschlag bei den Subfrächtern der Beklagten" zurückzuführen ist, sodass schon aus diesem Grund ein Mitverschulden der Absenderin ausscheidet. Selbst wenn eine mangelhafte Verladung beim Rücktransport nicht mehr als "adäquat kausale Folge des Wochen zuvor unterlassenen Versandavisos" zu qualifizieren wäre, haftete die Beklagte für das Verschulden ihrer Subfrächter (§ 431 HGB; Art 3 CMR). Der Frachtführer hat zu beweisen, dass ihn oder seine Leute kein Verschulden trifft. Unklarheiten gehen zu seinen Lasten (Schütz aaO Rz 5 zu § 429). Hier wurde eine Sorgfaltsverletzung der Subfrächter vom Erstgericht ausdrücklich festgestellt. Daran ist der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, gebunden.

6. Der Einwand, die Absenderin hätte schon eine Woche früher den Rücktransport veranlassen müssen, sodass eine Haftung der Beklagten nach der Vermutung des Art 18 Abs 2 iVm Art 17 Abs 4 CMR ausscheide, versagt dann, wenn der Beförderungsvertrag durch die Übernahme des Frachtgutes durch die Empfängerin beendet wurde, wovon die Revisionswerberin selbst ausgeht. Aber schon bei Anwendung des CMR-Frachtrechtes hätte sie eine der im Art 17 Abs 4 CMR angeführte besondere Gefahr substanziiert darlegen und beweisen (HS 14.220/18), jedenfalls aber die praktische Möglichkeit der Schadensentstehung zumindest glaubhaft machen müssen (SZ 60/159). Dies ist hier entgegen der Ansicht der Revisionswerberin aber nicht geschehen, weil ihr Vorbringen über das Aufzeigen einer bloß hypothetischen (weiteren) Schadensursache nicht hinausgeht. Das Transportgut stand nach den Feststellungen bei der Nebenintervenientin immerhin 2 ½ Wochen im Freien. Dass der Korrosionsschaden auf die Verzögerung des Rücktransports um eine weitere Woche zurückzuführen wäre und nicht schon bis dahin entstanden war, hätte die Beklagte konkret darzulegen und insbesondere auch auszuführen gehabt, dass die Absenderin ein Verschulden an der Verzögerung treffe. Dazu wurde kein konkreter Sachverhalt behauptet, sodass der Revisionswerberin nur noch der durchaus zutreffende Hinweis des Erstgerichtes entgegenzuhalten ist, dass ein allfälliges Mitverschulden der Absenderin gegenüber demjenigen des Frachtführers nicht messbar ins Gewicht fällt.

7. Zur Unanwendbarkeit der AÖSp kann auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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