OGH 1Ob158/02w

OGH1Ob158/02w13.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold J*****, vertreten durch Heller-Pitzal-Pitzal, Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die beklagte Partei Barbara E*****, vertreten durch Dr. Egon Engin-Deniz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. Februar 2002, GZ 39 R 6/02z-34, womit das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 24. September 2001, GZ 9 C 385/99z-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlcher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 624,06 EUR (darin 104,01 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger kündigte der Beklagten die von ihr gemietete Wohnung gemäß § 30 Abs 2 Z 1 MRG auf; die Beklagte sei trotz erfolgter Mahnung mit der Zahlung der Mietzinse seit Februar 1999 im Rückstand.

Die Beklagte wendete ein, sie habe die fälligen Mietzinszahlungen zu Recht bei Gericht hinterlegt, weil nicht klar sei, wer Eigentümer des Hauses sei, in dem sich das Mietobjekt befindet. An einem etwaigen Mietzinsrückstand treffe die Beklagte kein Verschulden.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung vom 13. 9. 1999 für rechtswirksam und verurteilte demgemäß die Beklagte zur Räumung der Wohnung. Sie habe auf Grund einer für sie unklaren Rechtslage den Mietzins ab April 1999 gerichtlich hinterlegt. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 8. 11. 2000 sei gemäß § 33 Abs 2 MRG ein Mietzinsrückstand von S 190.717,48 rechtskräftig festgestellt, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (31. 8. 2001) aber nicht beglichen worden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die (ordentliche) Revision zulässig sei. Es sei bereits im erstinstanzlichen Verfahren unstrittig gewesen, dass der Mietzinsrückstand vor Zustellung der Aufkündigung eingemahnt worden sei. Der Erlag des Mietzinses bei Gericht habe keine schuldbefreiende Wirkung gezeitigt, weil kein Erlagsgrund vorgelegen sei, zumal die Beklagte bei einer ihr zumutbaren Prüfung des Sachverhalts hätte erkennen müssen, dass der Kläger als ihr Vertragspartner Anspruch auf Zahlung des Mietzinses gehabt habe. Nur bei tatsächlicher Nachzahlung des gemäß § 33 Abs 2 MRG festgestellten Mietzinsrückstands wären die Rechtsfolgen der Wirksamerklärung der Aufkündigung abzuwenden gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist unzulässig.

Ein Beschluss nach § 33 Abs 2 MRG über den Mietzinsrückstand wirkt zwar nicht über das Räumungs- (oder Kündigungs-)verfahren hinaus, spricht aber über die Vorfrage des Mietzinsrückstands für das Räumungs- (oder Kündigungs-)begehren mit bindender Wirkung ab (8 Ob 534/88 = MietSlg 41.365; SZ 38/203; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 30 zu § 33 MRG). Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen (rechtskräftig) einen am 28. 6. 2000 bestehenden Mietzinsrückstand von S 190.717,48 festgestellt (ON 23). Dieser Rückstand wurde bis zum Schluss der Verhandlung am 31. 8. 2001 nicht beglichen. Damit hat die Beklagte den Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 1 MRG verwirklicht, zumal sie von der im § 33 Abs 2 MRG vorgesehenen Möglichkeit, den geschuldeten Betrag vor Schluss der der Entscheidung des Gerichts erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung zu entrichten, nicht Gebrauch machte. Die vom Berufungsgericht und von der Beklagten für erheblich angesehene Rechtsfrage, ob sie die Mietzinse mit schuldbefreiender Wirkung nach § 1425 ABGB hinterlegen durfte, stellt sich in diesem Verfahrensstadium also gar nicht mehr. Ausführungen hiezu haben demnach zu unterbleiben. Von der "Entrichtung" des geschuldeten Betrags im Sinne des § 33 Abs 2 MRG könnte nur dann gesprochen werden, wenn kein Mietzinsrückstand bestünde, was aber von den Vorinstanzen im Wege der Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 MRG ausdrücklich verneint wurde.

Das Gericht zweiter Instanz hat dargelegt, dass die Tatsache der vor Zustellung der Aufkündigung erfolgten Mahnung im erstinstanzlichen Verfahren unstrittig gewesen sei und die Mahnung daher nicht gesondert festgestellt habe werden müssen (S 3 des Berufungsurteils). Die Überprüfung der Würdigung, ob ein Tatsachengeständnis vorliegt, ist im Rahmen einer Verfahrensrüge möglich (SZ 66/59). Nun vertritt die Beklagte in ihrer Revision (S 4) lediglich die Ansicht, das Berufungsgericht habe die Einmahnung des Mietzinsrückstands und den Zugang eines Mahnschreibens nicht festgestellt, in Ermangelung einer der Beklagten zugegangenen Mahnung sei der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 1 MRG nicht verwirklicht. Sie bekämpft somit in Wahrheit gar nicht die Ansicht des Gerichts zweiter Intanz, dass die Mahnung und deren Zugang zugestanden worden seien. Im Übrigen ist die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts aber auch wohlbegründet und richtig: Das Mahnschreiben vom 7. 9. 1999 (Blg./E) wurde von der Beklagten für echt befunden und nie erklärt, es sei ihr nicht zugekommen; aus dem Inhalt der Blg./E ergibt sich, dass die Beklagte dieses an sie adressierte Mahnschreiben nicht behoben hat; Gründe für die mangelnde Behebung hat sie nicht genannt, sodass die Mahnung mittels eingeschriebenen Briefes als ihr zugekommen gilt (SZ 68/85; WoBl 1993/22; JBl 1984, 487; vgl EvBl 1977/81; SZ 44/1; SZ 34/118; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 43 zu § 29 MRG; Rummel in Rummel, ABGB3, Rz 2 zu § 862a). Dazu kommt noch, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Parteienvernehmung letztlich selbst einräumte, gemahnt worden zu sein. Am Zugeständnis der Mahnung und deren Zugangs besteht demnach kein Zweifel.

Die Beklagte zeigt insgesamt keine relevanten Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung auf - und es liegen solche auch nicht vor -, weshalb die Revision zurückzuweisen ist. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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