OGH 1Ob10/01d

OGH1Ob10/01d22.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Martin Karbiener, Rechtsanwalt, Schwanenstadt, Stadtplatz 17, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Ing. Klemens H*****, wider die beklagten Partei 1.) Ing. Walter H*****, und 2.) Hermine H*****, beide vertreten durch Dr. Maximilian Ganzert, Rechtsanwalt in Wels als Verfahrenshelfer, wegen Anfechtung eines Mietvertrags, Zahlung von 65.450 S sA und Räumung (Gesamtstreitwert 257.450 S) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. November 2000, GZ 1 R 54/00t-18, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 5. Jänner 2000, GZ 1 Cg 25/99t-13, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Februar 2000, GZ 1 Cg 25/99t-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben; die Rechtssache wird an das Gericht zweiter Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Zweitbeklagte - deren Ehegatte der Erstbeklagte ist - war Alleineigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses. Sie verkaufte nach der Nutzwert-Festsetzung mit Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 1. Dezember 1994 a) an ihren Sohn (den Gemeinschuldner) die top 1 (Erdgeschoß [EG] Werkstätte), top 3 (EG, 1.OG, DG-Wohnung) und top 4 (EG-Doppelgarage) um den Gesamtkaufpreis von 1,9 Mio S zuzüglich der Übernahme der Pfandrechte CLNr 5a, 6a, 11a und 12a mit einem zum Stichtag 1. Oktober 1994 aushaftenden Saldo von insgesamt 682.678,44 S sowie b) an dessen Schwester (Tochter der Beklagten) die top 2 (EG-Wohnung). Der Gemeinschulder vermietete mit Vertrag vom 4. Jänner 1996 (im Folgenden nur Mietvertrag) seinen Eltern, den Beklagten, einen im Wesentlichen den top 3 und 4 entsprechenden Teil der Räumlichkeiten, verzichtete auf eine Aufkündigung bis 31. Dezember 2015 und räumte ihnen mit weiterer Erklärung vom selben Tag an seinen Liegenschaftsanteilen top 1, 3 und 4 das in der Folge grundbücherlich einverleibte Belastungs- und Veräußerungsverbot (§ 364c ABGB) ein. Zuvor war unter CLNr 17a auf Grund der Pfandurkunde vom 17. Juli 1995 auf den Anteilen des Gemeinschuldners das Pfandrecht bis zum Höchstbetrag von 520.000 S für ein Kreditinstitut einverleibt worden, danach - aber auf Grund von Vorrangsein- räumungserklärungen der Beklagten im Rang vor dem Belastungs- und Veräußerungsverbot - wurden Pfandrechte unter CLNr 20a auf Grund der Pfandbestellungsurkunde vom 8. März 1996 bis zum Höchstbetrag von 1,5 Mio S und unter CLNr 21a auf Grund der Pfandbestellungsurkunde vom 17. November 1997 bis zum Höchstbetrag von 1,95 Mio S für ein weiteres Kreditinstitut eingetragen.

Am 16. Dezember 1998 wurde über das Vermögen des Sohns der Beklagten der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Der Kläger begehrte, den Mietvertrag gegenüber den Gläubigern im Konkurs des Gemeinschuldners für unwirksam zu erklären sowie die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von zuletzt 65.450 S sA (als Differenz zwischen angemessenem und vereinbartem Mietzins für Jänner bis einschließlich November 1999) und zur Räumung der Bestandräumlichkeiten zu verpflichten.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab, weil nicht festgestellt werden könne, dass der Gemeinschuldner bei Mietvertragsabschluss die Absicht gehabt habe, seine Gläubiger zu benachteiligen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, weil der Kläger die Befriedigungstauglichkeit nicht (ausreichend) behauptet und bewiesen habe. Denn es sei nicht "ersichtlich", dass der Kläger das Belastungs- und Veräußerungsverbot zu Gunsten der Beklagten rechtzeitig angefochten (dazu das Schreiben des Masseverwalters an die Beklagten vom 16. März 1999, Beilage K), die Zustimmung der Beklagten zur konkursmäßigen Verwertung der Liegenschaftsanteile des Gemeinschuldners erlangt oder die Forderungen der Hypothekargläubiger voll befriedigt und deren Hypotheken übernommen habe. Daher scheide eine kridamäßige Veräußerung der Liegenschaftsanteile des Gemeinschuldners aus. Aus dem Leistungsbegehren folge, dass der Kläger die Differenz zum angemessenen Mietzins (Benützungsentgelt) für die Vergangenheit und die Räumung des Bestandobjekts für die Zukunft begehre. Die Räumung würde dem Masseverwalter an sich die Neuvermietung der Bestandräumlichkeiten ermöglichen. Selbst wenn die Verpflichtung des Gemeinschuldners in den Pfandbestellungs- urkunden, die verpfändeten Liegenschaftsanteile nur mit Zustimmung der Pfandgläubiger zu vermieten, wegen ihrer obligatorischen Natur den Kläger nicht bände, käme doch die Rechtsprechung zu § 458 ABGB und zu § 2 AnfO bzw. § 28 KO zum Tragen, nach der die - insbesondere langfristige - Vermietung des Pfandobjekts dessen Verwertbarkeit erheblich beeinträchtige. Da der Masseverwalter allen Beteiligten, also auch den Absonderungsgläubigern gegenüber, zur Interessen- wahrung verpflichtet sei, dürfe er somit die Liegenschafts- anteile des Gemeinschuldners nicht neu vermieten. Andernfalls würde ein Schadenersatzanspruch der Absonder- ungsgläubiger gemäß § 46 Abs 1 Z 5 KO als Masseforderung die Konkursmasse sogar beeinträchtigen. Es verbleibe also nur die für die Vergangenheit begehrte Differenz zum "angemessenen Mietzins" (Benützungsentgelt), doch werde die begehrte Benützungsentschädigung - als noch nicht bezogene Frucht des Pfands - von der Hypothek erfasst; demnach käme die begehrte Benützungsentschädigung nur den Hypothekargläubigern zugute. Es sei also nicht ersichtlich, ob ein Erfolg der Anfechtungsklage die Befriedigungsaussichten der Konkurs- bzw. der Massegläubiger verbessern würde. Auch in der Klage werde nur darauf hingewiesen, dass bei Veräußerung des Mietobjekts die Forderung eines Hypothekargläubigers wahrscheinlich zur Gänze gedeckt wäre.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend erkannten die Vorinstanzen, dass das Anfechtungsbegehren schon aus zeitlichen Gründen mit Erfolg nur auf § 28 Z 1 KO gestützt werden kann: Danach sind alle Rechtshandlungen, der der Gemeinschuldner in der dem anderen Teil bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, in den letzten zehn Jahren vor der Konkurseröffnung vorgenommen hat, anfechtbar.

Das Gericht zweiter Instanz hielt das Anfechtungsbegehren des Klägers schon deshalb für nicht berechtigt, weil dieser die Befriedigungstauglichkeit nicht ausreichend dargetan habe. Die erfolgreiche Anfechtung setzt in der Tat auch Befriedigungstauglichkeit voraus. Demgemäß muss die Beseitigung des Erfolgs der Rechtshandlung geeignet sein, die Befriedigungsaussichten der Gläubiger, zumindest der Massegläubiger, zu fördern (JBl 1990, 666 u.a.; Koziol/Bollenberger in Buchegger, Österr. Insolvenzrecht, § 27 KO Rz 50 mwN in FN 118; Feil, Konkursordnung3, § 27 KO Rz 22). Jede Erweiterung der Möglichkeiten der Gläubiger zum Zugriff auf Vermögensstücke des Schuldners lässt die Anfechtung daher fürs Erste als befriedigungstauglich erscheinen, wenn die Beseitigung der Rückwirkungen der Schuldnerhandlung die Befriedigungsaussichten der Gläubiger zu fördern (8 Ob 27/94 = SZ 68/29 = JBl 1995, 729 = EvBl 1995/167 = ÖBA 1995, 723; deutlicher noch 1 Ob 627/95 = ÖBA 1996, 565 = ecolex 1996, 165 = RdW 1996, 364 = ZIK 1996, 216), das heißt, die zumindest teilweise Befriedigung der Gläubiger herbeizuführen oder doch zu erleichtern oder zu beschleunigen imstande ist (6 Ob 167/99y = ÖBA 2000, 817 = ZIK 2000, 176). Da die Befriedigungstauglichkeit zum objektiven Tatbestand gehört, hat diese stets der Kläger zu behaupten und zu beweisen (SZ 68/29; ÖBA 1996, 565; 2 Ob 265/00k = ZIK 2001, 59 u.v.a.; Koziol/Bollenberger aaO § 27 KO Rz 50 mwN in FN 120; Feil aaO § 27 KO Rz 22). Die den Anfechtungsgegner für die Befriedigungstauglichkeit treffende Beweislast ist jedoch dahin einzuschränken, dass der Nachweis einer bloßen Wahrscheinlichkeit der Befriedigungsaussichten der Gläubiger iS einer günstigen Prognose genügt (SZ 68/29 mwN u.v.a.; RIS-Justiz RS0050751; Koziol/Bollenberger aaO § 27 KO Rz 50 mwN in FN 121; König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung2 Rz 103 mwN).

Demgemäß ist die zuletzt in den Entscheidungen 6 Ob 2312/96k = ÖBA 1997, 934 mwN und 7 Ob 2336/96x = ÖBA 1998, 313 = ZIK 1998, 66 gezogene Schlußfolgerung, "im Zweifel ist zugunsten der Anfechtung zu entscheiden", als Prima-facie -Beweis zugunsten der Anfechtung zu verstehen, worauf Klicka (in seiner Glosse in ÖBA 1997, 936) sowie Koziol/Bollenberger (aaO Rz 50) zutreffend hingewiesen haben: Der dem Anscheinsbeweis vorausgesetzte typische Geschehensablauf kann darin erblickt werden, dass die nach der erfolgreichen Anfechtung gebotene Rückabwicklung der angefochtenen Rechtshandlung in typischer Weise die Befriedigungsaussichten der Gläubiger erhöht, weil der Anfechtungsgegner die empfangene Leistung an die Masse herausgeben muss, selbst aber auf eine Konkursforderung beschränkt ist. Zeigt der Anfechtungsgegner in Erschütterung des ersten Anscheins die ernsthafte Möglichkeit einer atypischen Lage auf bzw. ergeben sich solche Zweifel bereits aus dem Vorbringen des Klägers (oder dessen Beweismitteln), so hat es mit der Beweislast des Anfechtenden sein Bewenden.

Die Auslegung des Parteivorbringens dahin, ob im Hinblick auf den Inhalt von Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist oder nicht, stellt im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage dar, sofern nicht die Auslegung des Parteivorbringens mit dessen Wortlaut unvereinbar ist (3 Ob 583/91 = SZ 64/188 u.a.; RIS-Justiz RS0044273). Im vorliegenden Fall brachte der klagende Masseverwalter vor (ON 1 AS 5), im Konkurs des Gemeinschuldners seien Forderungen von 12,949.245,03 S angemeldet und davon 3,656.721,15 S festgestellt worden. Zu den festgestellten Konkursforderungen gehöre insbesondere die grundbücherlich vor dem zugunsten der Beklagten einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbot sichergestellte Forderung des weiteren Kreditinstituts von 2,414.175,40 S. Diese Forderung könne bei Veräußerung des Mietobjekts wahrscheinlich zur Gänze gedeckt werden.

Soweit das Gericht zweiter Instanz dieses Vorbringen als nicht ausreichend ansah, um damit die Wahrscheinlichkeit der Befriedigung der Hypothekargläubiger und demgemäß die Erhöhung der Befriedigungsaussichten der übrigen Konkursgläubiger aus der allgemeinen Masse - nehmen Absonderungsgläubiger doch mit dem (mutmaßlichen) Ausfall an der Verteilung der allgemeinen Masse teil (vgl. § 103 Abs 3 und § 132 KO) - darzulegen, liegt darin eine offenbare Fehlbeurteilung des Vorbringens, das auch angesichts einer außerordentlichen Revision aufzugreifen ist. Jedenfalls für jenen Konkursgläubiger, der auch Hypothekargläubiger ist und im Rang dem Belastungs- und Veräußerungsverbot vorgeht, würden sich die Befriedigungsaussichten zwangsläufig verbessern, und zwar unabhängig davon, ob er nun selbst oder ein anderer Pfandgläubiger die Zwangsversteigerung der entsprechenden Liegenschaftsanteile betreibt. Damit hat der Kläger die Befriedigungstauglichkeit seiner Anfechtung fürs Erste zureichend dargetan; die Beklagten haben die Anscheinslage nicht erschüttert.

Weiters führt der Revisionswerber durchaus in Kenntnis des Umstands, nun Neuerungen vorzutragen, aus, das zu CLNr. 6 aushaftende Pfandrecht über 242.900 S sei von ihm eingelöst worden und es komme ihm daher ein Rang vor dem Belastungs- und Veräußerungsverbot zu. Darauf kann als Neuerung ebenso wenig eingegangen werden wie auf die erstmals aufgestellte Behauptung, nun betreibe eine näher bezeichnete Bank die Zwangsversteigerung der Liegenschaftsanteile. In welcher Weise das Mietobjekt veräußert werden solle (durch Zwangsversteigerung über Antrag grundbücherlich sichergestellter Gläubiger oder im Wege kridamäßiger Verwertung durch den Masseverwalter), habe der Kläger - so sein Rechtsmittelvortrag - in seiner Klage noch offen gelassen, die Verwertungsmöglichkeit des Mietobjekts bei Anfechtung des Mietvertrags hätten die Beklagten indes niemals konkret bestritten. Der Revisionswerber räumt auch ausdrücklich ein, dass mangels nachgewiesener Zustimmung der Beklagten zur konkursmäßigen Verwertung der Liegenschaftsanteile des Gemeinschuldners bzw. mangels Nachweises einer Forderungseinlösung durch den Masseverwalter eine kridamäßige Veräußerung der Liegenschaftsanteile des Gemeinschuldners ausscheide. Darauf kommt es indes nicht mehr an, weil die von der zweiten Instanz ins Treffen geführten Erwägungen für die Klageabweisung nicht zutreffen.

Sie wird sich daher in ihrer neuerlichen Entscheidung mit der Mängel- sowie der Beweis- und Tatsachenrüge zu der vom Erstgericht nicht als erwiesen angenommenen Benachteiligungsabsicht der Beklagten auseinander zu setzen haben. Die Beweislast hat das Erstgericht - trotz des Angehörigkeitsverhältnisses (§ 32 KO) - zutreffend dem klagenden Masseverwalter unterstellt, weil der Anfechtungstatbestand und des § 28 Z 1 KO ("actio Pauliana") für diesen Fall die Beweislastverschiebung nicht vorsieht (SZ 63/71 ua; Kojiol/Bollenberger aaO § 28 Rz 16), wenn - wie hier - die angefochtene Rechtshandlung schon mehr als zwei Jahre vor der Konkurseröffnung vorgenommen wurde (sodass sich der Masseverwalter auf den für ihn bei weitem günstigeren Anfechtungstatbestand des § 28 Z 3 KO nicht mehr mit Erfolg stützen kann). Die Entscheidung des Berufungsgerichts muss demnach aufgehoben werden.

Der Kostenvorbehalt fußt auf dem § 52 ZPO.

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