OGH 9ObA289/01t

OGH9ObA289/01t17.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Josef Sinzinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat ***** der A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Adalbert Laimer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung nach § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert EUR 21.801,85), infolge Revision (und des als Teil der Revision zu behandelnden Revisionsrekurses) der beklagten Partei gegen das Urteil (und den in das Urteil aufgenommenen Beschluss) des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungs-(und Rekurs-)gericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 2001, GZ 7 Ra 178/01z-21, womit das Urteil (und der in das Urteil aufgenommene Beschluss) des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 1. März 2001, GZ 21 Cga 145/99t-15, bestätigt wurde(n), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.126,41 (darin enthalten EUR 187,74 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem in das Urteil aufgenommenen Beschluss wies das Erstgericht zwei Schriftsätze der Beklagten, die erst nach Schluss der Verhandlung gemäß § 193 Abs 3 ZPO eingebracht worden waren, teilweise (ON 13) bzw ganz (ON 14) zurück, weil sie über die der Beklagten vom Erstgericht eingeräumte Urkundenerklärung hinausgingen, indem sie neues Tatsachenvorbringen und Beweisanträge enthielten, und der Schriftsatz ON 14 überdies verspätet war. Das Berufungsgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Beklagten mit dem in die Berufungsentscheidung aufgenommenen Beschluss nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Auf die Wiedereröffnung eines nach § 193 Abs 3 ZPO geschlossenen Verfahrens haben die Parteien keinen Anspruch (Fasching II 947; Fucik in Rechberger, ZPO² § 194 Rz 2 mwN; RIS-Justiz RS0036979). Das Unterbleiben einer amtswegigen Wiedereröffnung kann nur dann einen Verfahrensmangel darstellen, wenn neues Prozessmaterial vorliegt, dessen Erörterung erforderlich ist, oder wenn sich weitere Aufklärungen oder Ergänzungen des Vorgebrachten als notwendig erweisen (RIS-Justiz RS0036916).

Die ZPO regelt nicht ausdrücklich den Fall, dass es keinen Anlass zur Wiedereröffnung der geschlossenen Verhandlung von Amts wegen nach § 194 ZPO gibt, wenn im Fall des Schlusses der Verhandlung nach § 193 Abs 3 ZPO ein neues Vorbringen einer Prozesspartei einlangt. Die Nichtbeachtung des vor Schluss der Verhandlung Vorgebrachten, die Unterlassung oder ausdrückliche Zurückweisung der vor Schluss der Verhandlung beantragten Beweisaufnahme (§ 275 Abs 1 ZPO) und die ausdrückliche Zurückweisung wegen Verschleppungsabsicht (§§ 179 Abs 1, 181 Abs 2, 275 Abs 2, 278 Abs 2 ZPO) können durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden (§ 186 Abs 2 ZPO). In allen diesen Fällen können die Parteien ihre Beschwerden mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel geltend machen. Die Aufschiebung der Anfechtbarkeit ist in der Absicht des Gesetzes begründet, Verzögerungen durch Zwischenstreitigkeiten zu vermeiden. Dieselbe Ratio trifft für den vorliegenden Fall zu (vgl SZ 7/74). Sie rechtfertigt nicht nur die Anfechtung der Zurückweisung der Schriftsätze nach Schluss der Verhandlung mit der Berufung bzw Revision (vgl Fasching II 948; Fucik aaO § 194 Rz 2), sondern sie gebietet letztlich auch die Behandlung des gleichzeitig mit der Revision eingebrachten Revisionsrekurses als Teil der Revision (vgl RIS-Justiz RS0035567). In diesem Sinne erklärte bereits die Revisionswerberin von sich aus zutreffend, ihr Revisionsrekursvorbringen auch zum Revisionsvorbringen zu erheben. Nach Schluss der Verhandlung nach § 193 Abs 3 ZPO kann ein neues Vorbringen nicht mehr erstattet werden (vgl Fucik aaO § 193 Rz 4). Die Entscheidung darüber bildet eine Verfahrensfrage. Insoweit hat das Berufungsgericht aber einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens verneint (8 Ob 41/01i). Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch ein in der Berufung geltend gemachter, vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz in der Revision nicht mehr gerügt werden (vgl Kodek in Rechberger, ZPO² § 503 Rz 3 mwN). Die Frage, inwieweit zur Beurteilung der ergänzend eingeholten Beweismittel noch eine Erörterung erforderlich wäre, ist eine Entscheidung im Rahmen der Beweiswürdigung, die ebenfalls im Revisionsverfahren nicht überprüfbar ist (vgl RIS-Justiz RS0036984 mwN).

Auch dem Versuch der Beklagten, in der Berufung (bzw im Rekurs gegen den in das Ersturteil aufgenommenen Beschluss) unter dem Titel der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens erhobene, jedoch letztlich erfolglos gebliebene Einwände nunmehr in der Revision (bzw im Revisionsrekurs gegen den in die Berufungsentscheidung aufgenommenen Beschluss) unter dem Vorwurf der Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 und 8 ZPO geltend zu machen, ist kein Erfolg beschieden:

Eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO liegt vor, wenn einer Partei die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, durch ungesetzlichen Vorgang, insbesondere durch Unterlassung der Zustellung entzogen wurde. Von dem Nichtigkeitsgrund betroffen ist der Ausschluss der Partei von der Verhandlung. Überall dort, wo das Gesetz eine mündliche Verhandlung zwingend vorschreibt, bedeutet die gesetzwidrige Hinderung einer Partei, daran teilzunehmen, den Nichtigkeitsgrund. Allerdings wird dieser Tatbestand nur durch den völligen Ausschluss der Partei von der Verhandlung verwirklicht. Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor. Der Nichtigkeitsgrund wird nicht schon dadurch herbeigeführt, dass der Richter einer Partei das Wort entzieht oder nach durchgeführter Verhandlung vor deren Schluss Erörterungen und Beweisanträge zurückgewiesen hat; in diesem Fall kann allenfalls ein einfacher Verfahrensmangel vorliegen (Kodek aaO § 477 Rz 7 mwN). Die gleichen Erwägungen können für den Fall der Zurückweisung von Schriftsätzen nach Schluss der Verhandlung gelten. Der Vorwurf der Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO ist daher unbegründet.

Eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 8 ZPO liegt vor, wenn der Vorschrift des § 210 Abs 2 ZPO zuwider die Parteien oder deren Bevollmächtigte von ihnen abgefasste Entwürfe zu Verhandlungsprotokollen zu den Akten gebracht haben. Nicht jeder Verstoß gegen Protokollierungsvorschriften ist aber mit Nichtigkeit bedroht; es kommt nicht auf die formale Verletzung dieser Vorschriften, sondern darauf an, ob die Mündlichkeit und Unmittelbarkeit des Verfahrens, deren Verwirklichung und Schutz diese Vorschriften dienen, durch den Verstoß beeinträchtigt werden (Kodek aaO § 477 Rz 11 mwN). Auch davon kann hier keine Rede sein. Richtig ist, dass nach Art 6 EMRK jedermann Anspruch darauf hat, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche zu entscheiden hat. Der Grundsatz eines fairen Verfahrens verlangt, dass der Betroffene seine Rechte effektiv vertreten kann (Mayer, B-VG² Art 6 EMRK II. 2 mwN). Unter dem Begriff des fairen Verfahrens iS dieser Bestimmung wird verstanden, dass es den Parteien ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gibt, sodass nicht eine Partei der anderen gegenüber benachteiligt wird (Prinzip der Waffengleichheit oder Chancengleichheit; RIS-Justiz RS0074990). Unter der Voraussetzung, dass der Zugang zu den Gerichten gewahrt ist, bleibt die weitere Ausgestaltung der Gerichtsbarkeit dem Ermessen der Staaten überlassen. Art 6 EMRK enthält zur Frage der Anfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen keinen Hinweis (9 Ob 336/00b), geschweige denn zur Frage eines Neuerungsverbotes im Rechtsmittelverfahren oder zur Frage, ob der Schluss der Verhandlung erster Instanz den Urteilsgegenstand fixiert. Das Recht auf Zugang zu den Gerichten gewährt kein Recht auf einen Instanzenzug oder - wo ein solcher besteht - auf Gerichtsbarkeit in allen Instanzen (SZ 64/1; RIS-Justiz RS0043962); um so weniger kann aus dieser Bestimmung eine Unzulässigkeit des Neuerungsverbotes im Rechtsmittelverfahren bzw eine Zulässigkeit von weiterem Vorbringen nach Schluss der Verhandlung abgeleitet werden. Der Auffassung der Revisionswerberin, der Grundsatz eines fairen Verfahrens sei verletzt worden, kann daher nicht beigetreten werden. Die Parteien hatten in erster Instanz ausreichende und gleiche Gelegenheit zu Stellungnahmen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (SZ 64/1; 9 ObA 180/01p). Es liegt auch keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) vor; diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Im Übrigen hat das Berufungsgericht das Feststellungsurteil des Erstgerichtes, dass Arbeitnehmer der Beklagten, die als Cockpitpersonal - II. Offizier beschäftigt werden, Anspruch auf Gehalt im Ausmaß des im Anhang II des Kollektivvertrages für ***** A***** AG angeführten Gehaltsschemas mit der Überschrift "mit laufender oder abgeschlossener Rückzahlung der Ausbildungskosten" nach Maßgabe des jeweiligen Verwendungsgruppenjahres haben, auch wenn ihre Ausbildungskosten nicht von der Beklagten getragen wurden, zurecht bestätigt (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin Folgendes entgegenzuhalten:

Unstrittig ist, dass hier der Kollektivvertrag für ***** A***** AG vom 23.7.1987 idF vom 12.1.1998, 20.5. 1998 bzw 25.11.1999 anzuwenden ist. Der Anhang II dieses Kollektivvertrages enthält unter Pkt 1. A die Gehaltstabelle für das Cockpitpersonal. In dieser Gehaltstabelle sind für die Verwendungsgruppe 02 - II. Offizier zwei verschiedene Bezugstabellen vorgesehen, und zwar einerseits für II. Offiziere "mit laufender oder abgeschlossener Rückzahlung der Ausbildungskosten" und andererseits für II. Offiziere "ohne laufender oder abgeschlossener Rückzahlung der Ausbildungskosten". Die erste Bezugstabelle weist gegenüber der zweiten ein höheres Gehalt auf.

Der gegenständlichen Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG liegt die zwischen den Parteien strittige Frage zugrunde, in welche Bezugstabelle dieses Kollektivvertrages II. Offiziere, die nicht von der Beklagten ausgebildet wurden und der Beklagten daher auch nicht die Rückzahlung der Ausbildungskosten schulden, sondern die von anderen Fluggesellschaften ausgebildet wurden und an diese die Ausbildungskosten zurückzahlen, einzustufen sind. Dabei handelt es sich einerseits um eine Gruppe von 12 Piloten, die bei der L***** ausgebildet worden waren und im Jahre 1998 von der Beklagten als II. Offiziere eingestellt wurden, und andererseits um eine zweite Gruppe 12 weiterer Piloten, die von der K***** ausgebildet und im Frühjahr 2000 (vor Schluss der Verhandlung) bei der Beklagten als II. Offiziere eingestellt worden waren. Das Feststellungsbegehren des klagenden Betriebsrates war entgegen des nunmehrigen Einwandes der Revisionswerberin ausreichend bestimmt. Die Revisionswerberin lässt unbeachtet, dass die Bestimmtheit eines Klagebegehrens stets von den Umständen des Einzelfalles anhängt (RIS-Justiz RS0037780); der Grad der gebotenen Individualisierung des Klagebegehrens hängt nicht zuletzt auch von den Einwendungen des jeweiligen Beklagten (in erster Instanz) ab.

Während die Beklagte bis 1990 ihre Piloten noch selbst ausgebildet und mit diesen Rückzahlungsvereinbarungen über die Ausbildungskosten getroffen hatte, wurde die Pilotenschule der Beklagten ab diesem Zeitpunkt ausgelagert. Die Ausbildung der Piloten wurde von der Beklagten bezahlt. Die Piloten mussten daher keine (direkten) Rückzahlungen mehr an die Beklagte leisten; sie wurden aber dafür in die neu eingeführte niedrigere Bezugstabelle des Kollektivvertrages eingestuft, die damals den Namen "Konzernpiloten" trug. Die schon vorher ausgebildeten Piloten, die noch Ausbildungskosten auf Grund früherer abgeschlossener Vereinbarungen zurückzahlten, wurden nach der weiter bestehenden ursprünglichen Bezugstabelle mit höheren Bezügen entlohnt. Die Überschriften der beiden Bezugstabellen wurden mit der Änderung des Kollektivvertrages vom 12. 1. 1998 in "mit laufender oder abgeschlossener Rückzahlung der Ausbildungskosten" bzw "ohne laufender oder abgeschlossener Rückzahlung der Ausbildungskosten" geändert; die zweite Überschrift betraf jene Bezugstabelle, die früher mit "Konzernpiloten" übertitelt war. Die Einstufung in die niedrigere Bezugstabelle war das Äquivalent dafür, dass die darin eingereihten Piloten die Ausbildung auf Kosten der Beklagten ohne Rückzahlungsverpflichtung zur Verfügung gestellt bekommen haben.

Der normative Teil eines Kollektivvertrages ist nach ständiger Rechtsprechung nicht nach den §§ 914, 915 ABGB, sondern nach den Regeln, die für Gesetze gelten (§§ 6, 7 ABGB), nach seinem objektiven Inhalt auszulegen (Arb 10.447; DRdA 1994/18 [B. Schwarz]; RIS-Justiz RS0008782, RS0008807); maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann. Die Normadressaten, denen nur der Text des Kollektivvertrages zur Verfügung steht, können die Vorstellungen, welche die Kollektivvertragsparteien beim Abschluss vom Inhalt der Normen besessen haben, in der Regel weder kennen noch feststellen. Sie müssen sich vielmehr darauf verlassen können, dass die Absicht der Parteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat (RIS-Justiz RS0010088). In erster Linie ist bei der Auslegung eines Kollektivvertrages der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrages ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0010089). Da den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, ist bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (DRdA 1994/18 [B. Schwarz]; RIS-Justiz RS0008828, RS0008897).

Die Vorinstanzen gelangten in Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze zum Ergebnis, dass nur jene II. Offiziere in die niedrigere Bezugstabelle mit der Überschrift "ohne laufender oder abgeschlossener Rückzahlung der Ausbildungskosten" eingestuft werden dürfen, die die Ausbildung auf Kosten der Beklagten ohne Rückzahlungsverpflichtung zur Verfügung gestellt bekommen haben. Dies trifft jedoch nicht auf jene 24 Piloten von der L***** und der K***** zu, die ihre Ausbildung von anderen Fluggesellschaften bekommen haben und an diese einen Ausbildungskostenrückersatz zu leisten haben. Die Beklagte hat nach den bindenden Feststellungen des Erstgerichtes, die sich teilweise - als solche erkennbar - auch in der rechtlichen Beurteilung des Ersturteils befinden, zu deren Ausbildung keinen Beitrag geleistet. In der Klagestattgebung kann daher keine rechtliche Fehlbeurteilung erkannt werden, zumal auch die Beklagte davon ausgeht, dass die Einstufung der Piloten, zu deren Ausbildung sie keinen Beitrag geleistet hat, jedenfalls einer der beiden Bezugstabellen des Kollektivvertrages zu unterliegen hat und keine andere dritte Variante in Betracht kommt.

Auf die von der Revisionswerberin erstmals angestellten historischen Überlegungen zur Auslegung des gegenständlichen Kollektivvertrages kann wegen des im Revisionsverfahren geltenden Neuerungsverbotes nicht Bedacht genommen werden (§ 504 Abs 2 ZPO). In erster Instanz stand auch nicht die Frage einer teilweisen Tragung der Ausbildungskosten durch die Beklagte zur Diskussion; auf die in der Revision dazu angestellten Überlegungen ist daher nicht einzugehen; dies gilt insbesondere auch für die angestellten Überlegungen zu den Kosten des Typeratings.

Die Möglichkeit der Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG wurde eingeführt, weil man davon ausging, dass die Entscheidungen - auch ohne eine über die konkreten Verfahrensparteien hinausgehende Bindungswirkung - besonderes Gewicht haben und auf diese Weise streitvermindernd wirken werden (Kuderna, ASGG² 54 mwN). Diesen Zweck kann eine derartige Klage aber nur dann erfüllen, wenn die Parteien ihre Zweifel in Bezug auf ein behauptetes Recht oder Rechtsverhältnis vollständig in das Verfahren einbringen. Es kommt - entgegen der Annahme der Revisionswerberin - auch nicht darauf an, ob die Mitglieder des berufungsgerichtlichen Senates eine Befähigung zum Pilotieren von Rückstrahlflugzeugen besitzen. Den wirtschaftlichen, insbesondere auf Rationalisierung und Einsparung ausgerichteten Überlegungen der Revisionswerberin ist zu erwidern, dass es nicht Sache der Rechtsprechung ist, unbefriedigend erscheinende Regelungen in einem Kollektivvertrag im Wege der Auslegung zu korrigieren (vgl RIS-Justiz RS0008880). Die Ausführungen der Revisionswerberin lassen auch unbeachtet, dass es ein selbstverständlicher Auslegungsgrundsatz ist, dass Kollektivvertragsvorschriften ohne sichtbaren Grund nicht so ausgelegt werden dürfen, dass sie überflüssig und daher inhaltslos werden (Arb 10.447; RIS-Justiz RS0008773).

Die Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG setzt voraus, dass die festzustellenden Rechte oder Rechtsverhältnisse mindestens drei Arbeitnehmer des Betriebes oder Unternehmens betreffen. Es ist jedoch ohne Belang, wenn sich nach der Streitanhängigkeit die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer des Betriebs oder Unternehmens auf einen Arbeitnehmer verringert oder die Strittigkeit des Rechts oder Rechtsverhältnisses zwar nicht mehr einen Arbeitnehmer des Betriebs oder Unternehmens, wohl aber zumindest noch einen zwischenweilig aus dem Betrieb oder Unternehmen ausgeschiedenen Arbeitnehmer betrifft, worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hinwies. Der vor Schluss der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand der Beklagten, dass jene 12 Piloten, die von der L***** zur Beklagten gekommen waren, "derzeit" nicht mehr bei ihr beschäftigt seien, ist daher ohne Einfluss auf das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung (Kuderna aaO 352).

Auf Überlegungen des Berufungsgerichtes, eine allfällige Einstufung der II. Offiziere, deren Ausbildungskosten nicht von der Beklagten getragen wurden, in die niedrigere Bezugstabelle würde dem Gleichheitsgrundsatz und europarechtlichen Aspekten (Freizügigkeit) widerstreiten, braucht mangels Relevanz nicht eingegangen werden, weil ohnehin die Einstufung in die höhere Tabelle vorzunehmen ist. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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