OGH 9ObA58/02y

OGH9ObA58/02y27.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl. Tzt. Ulrike Zimmerl und Franz Gansch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef W*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer ua, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei T.***** HandelsgesmbH, ***** vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler ua, Rechtsanwälte in St. Florian, wegen EUR 5.947,18 (Revisionsinteresse) brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. November 2001, GZ 7 Ra 160/01f-38, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. März 2001, GZ 25 Cga 56/00t-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in der Abweisung von S 102.487,19 sA als unangefochten unberührt bleiben, werden im Übrigen aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war vom 26. 8. 1996 bis 11. 2. 2000 bei der beklagten Partei, die ein Personalbereitstellungsunternehmen betreibt, als Facharbeiter (Elektriker) beschäftigt. Im klagegegenständlichen Zeitraum (Mai 1997 bis Dezember 1999) war der Kläger der Firma E***** auf deren Baustelle ***** in H***** zugeteilt, wo er mit verschiedenen Elektroarbeiten befasst war; auf diesen Beschäftigerbetrieb kommt der Kollektivvertrag für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie zur Anwendung. Der Kläger erhielt in den Jahren 1997 bis 1999 folgende Bruttoentgelte: S 260.197,11, S 277.237,63 und S 296.239,33.

Mit seiner am 16. 5. 2000 eingebrachten Klage begehrt er letztlich unter Berufung auf § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG Zahlung von S 184.322,18 brutto samt Zinsen als Differenz zwischen dem tatsächlich bezahlten und dem ihm zustehenden "angemessenen ortsüblichen" Entgelt. Die überlassene Arbeitskraft habe Anspruch auf ein auf den Standort des Überlasserbetriebes bezogenes ortsübliches angemessenes Entgelt. Zu dessen Ermittlung sei die von der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie verfasste Zusammenstellung ortsüblicher Löhne für den Raum Oberösterreich unter Berücksichtigung der Daten der Wirtschaftskammer für die gesamte Industrie im Arbeitsmarktbezirk Linz heranzuziehen. Seine Ansprüche seien entgegen der Auffassung der beklagten Partei keineswegs verfallen, da der Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs nicht unmittelbar wirke. Im Übrigen seien arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die die gesetzlichen Verfalls- und Verjährungsfristen verkürzen, verboten.

Die beklagte Partei wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass das angemessene ortsübliche Entgelt nach § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG danach zu bestimmen sei, was Leiharbeitsunternehmen üblicherweise einem Arbeitnehmer mit entsprechendem Ausbildungsstand unabhängig davon zahlten, ob und in welchem Unternehmen der Arbeitnehmer zum Einsatz komme. Dieses Entgelt habe der Kläger erhalten. Das vom Kläger herangezogene Entgelt könne nicht repräsentativ sein, weil die beklagte Partei kein Industriebetrieb in der Metallbranche sei, sondern ein Gewerbebetrieb. Ein Gesetzesauftrag, der den Überlasser verpflichte, höhere Löhne zu zahlen, als der Beschäftiger seinen Arbeitnehmern zahle, sei verfassungs- und EU-Rechts-widrig. Da der Kläger seine Ansprüche vor der Klageführung nicht geltend gemacht habe, seien sie nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag für die Metallindustrie, der eine dreimonatige Geltendmachungsfrist vorsehe, verfallen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von S 81.834,99 brutto samt 8,5 % Zinsen statt; die Abweisung des Mehrbegehrens (S 102.487,19 sA) erwuchs unbekämpft in Rechtskraft. Es vertrat die Rechtsansicht, dass § 10 Abs 1 AÜG einen gesetzlichen Anspruch auf ein Mindestentgelt statuiere, das sich während der Überlassung auf das im Beschäftigerbetrieb nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende Entgelt gemäß Abs 3 erhöhen könne. Bestehe - wie hier - für den Überlasser kein Kollektivvertrag, habe die Arbeitskraft jedenfalls Anspruch auf ein angemessenes, auf den Standort des Überlasserbetriebes bezogenes ortsübliches Entgelt. Nur dann, wenn von vornherein der Beschäftigerbetrieb feststehe und eine branchenspezifische Tätigkeit vereinbart sei, komme es auf das angemessene ortsübliche Entgelt im Industriezweig des Beschäftigerbetriebs an. Dies sei hier nicht der Fall. Es sei daher für die Beurteilung der Angemessenheit der Entlohnung auf das ortsübliche Entgelt am Überlasserstandort, somit auf das in Linz-Land übliche Lohnniveau, abzustellen. Nach den repräsentativen Erhebungen der Wirtschaftskammer sei von (ziffernmäßig näher dargestellten) durchschnittlichen Monatseinkommen auszugehen. Da der anzuwendende Kollektivvertrag für die Metallindustrie bis zur Fassung ab 1. November 1998 in Punkt XX eine viermonatige Verfallsfrist mangels mündlicher oder schriftlicher Geltendmachung vorgesehen habe, während die nachfolgende Fassung auf die gesetzlichen Vorschriften verweise, habe der Kläger durch seine Urgenz Ende Februar 1998 seine Ansprüche von November 1997 bis Februar 1998 rechtsrichtig geltend gemacht. Der Lohn für Oktober 1998 sei am 15. des Folgemonats fällig gewesen, weshalb dieser und die nachfolgenden Ansprüche nicht verfallen seien. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Nach herrschender Rechtsprechung sei bei Ermittlung des Grundentgelts nach § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG nicht nur ein möglichst sacheinschlägiger Kollektivvertrag, sondern auch eine ortsübliche Überzahlung des kollektivvertraglichen Mindestentgelts zu berücksichtigen. Dabei sei der Begriff der Ortsüblichkeit auf den Standort des Überlassers zu beziehen, wobei auf das Lohnniveau der betreffenden als einheitlicher Arbeitsmarkt in Betracht kommenden Region abzustellen sei. Aufgabe des § 10 Abs 1 AÜG sei es, Leiharbeitern ein bestimmtes Lohnniveau unabhängig von den einzelnen Überlassern zu sichern; wechselnde Einsätze sollten nicht zu stets schwankendem Entgelt führen. Unter Berücksichtigung der dargestellten Rechtsprechung und der Aufgabe des § 10 Abs 1 AÜG sei die Heranziehung von Statistiken, die Durchschnittslöhne einzelner Branchen in verschiedenen Regionen enthalten, zur Ermittlung des Grundlohns im Hinblick auf das weitere Kriterium der Angemessenheit als gangbarer Weg zu sehen. Da beim Grundentgelt auch ortsübliche Überzahlungen der kollektivvertraglichen Entgelte zu berücksichtigen seien, sei die Feststellung, ob einzelne Betriebe nur das kollektivvertragliche Entgelt bezahlen, entbehrlich. Das angemessene, ortsübliche Entgelt sei nicht nach den von Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen bezahlten Löhnen zu bemessen. Es komme vielmehr auf die vereinbarten Dienste und damit auf die in Aussicht genommenen Beschäftiger an.

Verjährungs- und Verfallsbestimmungen der für die jeweiligen Beschäftigerbetriebe geltenden Kollektivverträge seien auf Entgeltansprüche nach § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG nicht anzuwenden; Ansprüche nach Satz 3 würden hier nicht geltend gemacht. Der Kläger gründe sein Begehren somit gar nicht auf die Entgeltbestimmungen eines Kollektivvertrags, sodass kein Grund dafür bestehe, kollektivvertragliche Verfallsfristen heranzuziehen. Dazu komme, dass § 11 Abs 2 Z 5 AÜG die Verkürzung von Verfallsfristen im Geltungsbereich des AÜG verbiete. In der Literatur werde dieses Verbot zwar teilweise auf Einzelverträge beschränkt, zum Teil aber als auch für Kollektivverträge sachgerecht angesehen. Mangels Anwendbarkeit der Verfallsfrist im für den Beschäftigerbetrieb geltenden Kollektivvertrag seien die erstmalig in diesem Verfahren geltend gemachten Ansprüche des Klägers nicht verfallen. Die Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil der Frage der Anwendung von Verfallsfristen des Beschäftigerkollektivvertrages, wenn die überlassene Arbeitskraft das höhere ortsüblich angemessene Entgelt begehrt, eine erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist schon deshalb zulässig, weil das Berufungsgericht mit seiner Bedachtnahme auf den Durchschnittslohn eines Facharbeiters in der Metallindustrie von der neuesten Judikatur des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Sie ist in ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Es entspricht ganz herrschender Judikatur (SZ 64/161, Arb 10.979, 9 ObA 195/01v, 8 ObA 28/01b ua), dass mit den Sätzen 1 und 2 des § 10 Abs 1 AÜG das der Arbeitskraft unabhängig von der einzelnen Überlassung gebührende Entgelt (Grundentgelt) inhaltlich geregelt wird. In Ermangelung eines Kollektivvertrags für Arbeitskräfteüberlassungsbetriebe im Sinne von Satz 2 ist zur Ermittlung dieses Grundentgelts allein Satz 1 heranzuziehen. Der danach zu ermittelnde Grundentgeltsanspruch ist dem Arbeitnehmer jedenfalls gesichert, und zwar auch dann, wenn er in einem Beschäftigerbetrieb eingesetzt werden sollte, für den ein Kollektivvertrag ein niedrigeres Mindestentgelt vorsieht (DRdA 2001/4).

In seiner Entscheidung vom 13. 12. 2001 (8 ObA 226/01w) hat sich der Oberste Gerichtshof mit einem ganz ähnlichen Fall - auch dort ging es um einen Elektro-Facharbeiter - mit den auch hier maßgeblichen Rechtsfragen auseinandergesetzt und nach Eingehen auf die bisher in Rechtsprechung und Lehre vertretene Argumente bekräftigt, dass der Grundanspruch nach Satz 1 unter Heranziehung eines möglichst sacheinschlägigen Kollektivvertrages und einer ortsüblichen Überzahlung des kollektivvertraglichen Mindestentgeltes in der als einheitlicher Arbeitsmarkt in Betracht kommenden Region zu ermitteln ist, wogegen es auf den in dieser Region von Überlasserbetrieben gewöhnlich bezahlten Lohn nicht ankommt. Den Bedenken, dass die Ermittlung dieses Grundentgelts schwierig sein könnte, sei entgegenzuhalten, dass dem Gesetzgeber durchaus unterstellt werden könne, durch die gesetzliche Regelung insbesondere für die Arbeitgeber (Überlasser) einen Anreiz zum Abschluss von unmittelbar anzuwendenden Kollektivverträgen im Sinne des Satzes 2 gegeben haben zu wollen (so schon SZ 64/161). Die verwaltungsgerichtliche Judikatur (RdW 1996, 589 = ARD 4790/20/96) zeige, dass auch mit den Mitteln des Verwaltungsverfahrens die Ermittlung des angemessenen Entgelts auf Grundlage des § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG möglich sei. Bei der Ermittlung des angemessenen, ortsüblichen Entgelts sei vom wahren Willen der Parteien über die in Aussicht genommene Art der Arbeitsleistung, die der Leiharbeitnehmer zu erbringen hat, auszugehen. Dabei werde zu berücksichtigen sein, inwieweit entsprechende Berufsausbildungen, Berufserfahrungen und Vorkenntnisse Bedeutung haben und ob eine Einschränkung auf die Tätigkeit in bestimmten Branchen vorgesehen ist. Auf dieser Grundlage sei dann festzustellen, von welchen Kollektivverträgen - sei es im Bereich des Gewerbes oder der Industrie - diese "Art der Arbeitsleistung" (§ 11 Abs 1 Z 4 AÜG) so erfasst ist, dass die größtmögliche Übereinstimmung der aufgezählten Parameter festgestellt werden kann. Kämen danach mehrere Kollektivverträge in Betracht, so sei darauf abzustellen, ob einer dieser Kollektivverträge deutlich mehr Arbeitnehmer mit dieser "Art der Arbeitsleistung" erfasst als die anderen Kollektivverträge; dann sei dieser maßgeblich. Sollte dies nicht der Fall sein, so sei der Durchschnitt aus diesen kollektivvertraglichen Ansätzen zu bilden. In weiterer Folge sei das ortsübliche Entgelt, also die Frage der ortsüblichen Überzahlung, zu ermitteln. Dafür sei in der als einheitlicher Arbeitsmarkt in Betracht kommenden Region festzustellen, wie jene Arbeitnehmer, die in diesen Kollektivverträgen Tätigkeiten der "Art der Arbeitsleistung" der Leiharbeitnehmer verrichten, über den Kollektivvertrag entlohnt werden. Dabei sei jedoch nicht nur ein Durchschnittswert festzustellen, sondern - unter Ausschaltung von extremen Abweichungen - die Bandbreite, in der diese Überzahlung erfolgt. Diese Bandbreite (exakter: deren unterer Wert) bilde dann die Untergrenze des angemessenen Entgelts im Sinne des § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG, die bei der gemeinsamen Festlegung des Entgelts entsprechend § 11 Abs 1 Z 1 AÜG zu beachten sei. Soweit das vereinbarte Entgelt gegen diese Untergrenze verstoße, stehe dem Arbeitnehmer die Möglichkeit offen, diese Vereinbarung gemäß § 879 ABGB anzufechten, indem er den Beweis dafür antritt, dass das festgelegte Entgelt außerhalb der Bandbreite im Sinne des § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG liegt. Zur Vermeidung der Schwierigkeiten bei dieser Entgeltermittlung könnten beide Vertragsparteien bei der Einschätzung dieser Bandbreite regelmäßig nicht nur auf die eigenen Erfahrungen, sondern auch auf die Erfahrungen der gesetzlichen und freiwilligen kollektivvertragsfähigen Interessenvertretungen zurückgreifen. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist daher für die Ermittlung des angemessenen, ortsüblichen Entgelts nach § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG nicht ein Durchschnittswert der im betreffenden Arbeitsmarkt für vergleichbare Arbeitskräfte bezahlten Löhne heranzuziehen. Vielmehr ist - unter Ausschaltung von extremen Abweichungen bzw nicht repräsentativen Einzelfällen - die Bandbreite der bezahlten Löhne zu ermitteln. Da alle in dieser Bandbreite liegenden Entgelte sowohl als ortsüblich als auch als angemessen anzusehen sind, kann der überlassene Arbeitnehmer unter Berufung auf § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG jedenfalls keinen höheren Lohn verlangen, als es dem unteren Wert dieser Bandbreite entspricht, sofern nicht ein höheres Entgelt vereinbart wurde. Arbeitet eine nicht unmaßgebliche Anzahl vergleichbarer Arbeitnehmer zum Kollektivvertragslohn, kann - mangels günstigerer Vereinbarung - auch eine bei einem Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen beschäftigte Arbeitskraft als Grundentgelt nicht mehr verlangen; dann ist ja auch der Kollektivvertragslohn als ortsüblich und angemessen anzusehen. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings den Einwand der beklagten Partei verworfen, dass die in für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden Kollektivverträgen enthaltenen Verfalls- bzw Verjährungsfristen auch auf den Grundlohn-Anspruch nach § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG anzuwenden wären. Diese Bestimmung stellt in keiner Weise auf kollektivvertragliche Regelungen ab, sondern verweist ausschließlich auf das (tatsächlich gezahlte) angemessene, ortsübliche Entgelt für vergleichbare Leistungen. Dass das Grundentgelt nicht niedriger sein kann als das Kollektivvertragsentgelt nach dem ungünstigsten in Betracht kommenden Kollektivvertrag, liegt in der Natur der Sache, ändert aber nichts daran, dass rechtlich die Bestimmungen der "sachnahen" Kollektivverträge keine Bedeutung für den Grundlohn-Anspruch der Arbeitskraft haben. Die Nichtanwendung kollektivvertraglicher Verfalls- und Verjährungsfristen beruht daher keineswegs auf einer "Rosinentheorie", sondern vielmehr auf der Entscheidung des Gesetzgebers, der der Arbeitskraft zumindest das für ihre Tätigkeit ortsübliche und angemessene Entgelt zukommen lassen will. Ob "Erhöhungsbeträge" nach § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG im Hinblick auf die Verjährung allenfalls anders zu behandeln wären, ist hier nicht zu erörtern. Wenn in § 11 Abs 2 Z 5 AÜG allerdings ausdrücklich Vertragsbedingungen verboten werden, die die Verfalls- oder Verjährungsvorschriften verkürzen, so ist damit zwar primär die Verkürzung gesetzlicher oder für den Überlasserbetrieb allenfalls bestehender kollektivvertraglicher Fristen gemeint; diese zu Gunsten des Arbeitnehmers verfügte Beschränkung der Vertragsfreiheit spricht aber eher gegen eine Ergänzung des Einzelvertrags durch Hereinnahme von Bestimmungen allenfalls in Betracht kommender "sachnaher" Kollektivverträge als dafür. Abgesehen davon, dass die in Betracht kommenden Kollektivverträge dem Arbeitnehmer möglicherweise gar nicht bekannt sind - den Überlasser trifft auch keine gesetzliche Verpflichtung, die Arbeitskraft von deren Inhalt in Kenntnis zu setzen -, kann dem Arbeitnehmer auch nicht das Risiko aufgebürdet werden, den "richtigen" Kollektivvertrag zu ermitteln, was insbesondere dann von Bedeutung wäre, wenn mehrere in Betracht kommende Kollektivverträge unterschiedliche Verfalls- oder Verjährungsregelungen enthalten. Die für die potentiellen Beschäftigerbetriebe geltenden kollektivvertraglichen Bestimmungen sind daher auf den Grundentgeltsanspruch überlassener Arbeitskräfte auch in ihren Verfalls- und Verjährungsregeln nicht anzuwenden (so schon 8 ObA 1208/95). Auf eine Verjährung nach den allgemeinen Regeln des ABGB beruft sich die beklagte Partei in ihrer Revision nicht. Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren - sofern der Kläger nach Erörterung entsprechende Prozessbehauptungen aufstellt - die Bandbreite der für die Arbeitsleistung eines Elektroinstallateurs (Facharbeiters) in den fraglichen Zeiträumen in der als einheitlicher Arbeitsmarkt in Betracht kommenden Region, in der die beklagte Partei ihren Sitz hat, bezahlten Löhne zu ermitteln haben. Sollte sich danach ergeben, dass das dem Kläger bezahlte Entgelt nicht einmal die Untergrenze dieser Bandbreite erreicht hat, steht ihm die jeweilige Differenz zu, um das durch § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG zwingend verfügte gesetzliche Mindestentgelt zu erreichen.

Zu den in der Revision ausgeführten verfassungs- und europarechtlichen Bedenken der beklagten Partei ist festzuhalten, dass sich diese auf die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes beziehen, das das angemessene, ortsübliche Entgelt durch Heranziehung eines Durchschnittslohns ermittelt hat. Da diese Rechtsauffassung vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt wird, erweisen sich die diesbezüglichen Ausführungen in der Revision als gegenstandslos. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit und die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit des § 10 Abs 1 erster Satz AÜG hat der erkennende Senat nicht.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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