OGH 8ObA226/01w

OGH8ObA226/01w13.12.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wilhelm Koutny und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wolfgang V*****, vertreten durch Dr. Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Anton Moser, Rechtsanwalt in Traun, wegen S 124.510,49 sA, infolge Rekurses der klagenden und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Juni 2001, GZ 11 Ra 189/00w-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. Februar 2001, GZ 11 Cga 176/00v-7 aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Der Rekurs und die Rekursbeantwortung der beklagten Partei werden als verspätet zurückgewiesen.

II. Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Nach dem Dienstvertrag des Klägers vom 21. Juni 1996 wurde er von der Beklagten als Elektriker aufgenommen und auch vereinbart, dass er aufgrund seiner Ausbildung als Elektriker eingesetzt wird. Die Einstufung wurde im Dienstvertrag nach den Kollektivvertrag für Arbeiter des eisen- und metallverarbeitendes Gewerbe vorgenommen und der Kläger darin als Facharbeiter eingestuft und festgestellt, dass er mit 24. 6. 1996 in ein neues Berufsjahr eintritt. Die Beklagte ist ein "Mischunternehmen" das einerseits über eine Gewerberechtigung für Elektroanlagenbau und ein technisches Büro für Maschinenbau und Elektrotechnik für die Vermietung von Arbeitshebebühnen und Elektrohandel aber auch für Arbeitskräfteüberlassung verfügt. Der Kläger war jedoch mit einer kurzen Ausnahme (28. 7. 1998 bis 21. 8. 1998) ausschließlich im Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen tätig. Er ist HTL-Absolvent und hat auch bereits früher bei der Beklagten als Elektriker gearbeitet.

Er wurde bei der Beklagten nach dem vereinbarten Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe entlohnt und erhielt 1997 einen Stundenlohn von S 99,80 samt Gefahrenzulage von S 4,50 und Montagezulage von S 6,50. 1998 stieg dann der Stundengrundlohn auf S 102,50 und die Montagezulage auf S 7,10.

Der Kläger begehrt nun insgesamt S 124.510,49 samt gestaffeltem Zinsenbegehren. Er stützt dies darauf, dass auf sein Arbeitsverhältnis kein Kollektivvertrag anzuwenden sei und er seinen Entgeltanspruch insbesondere aus § 10 Abs 1 Satz 1 ArbeitskräfteüberlassungsG (AÜG) ableite. Danach habe er Anspruch auf ein angemessenes ortsübliches Entgelt, das im Arbeitsmarkt Bezirk Linz für Facharbeiter ohne Zulagen 1997 S 24.500, 1998 S 25.200 und 1999 S 26.200 betragen habe. Dies sei als sein Grundentgelt gemäß § 10 Abs 1 erster Satz AÜG anzusehen. Dieses Grundentgelt diene sowohl der Absicherung seines Einkommens als auch der Vermeidung von Lohndumping im regionalen Arbeitsmarkt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass nach der ausdrücklichen Vereinbarung im Arbeitsvertrag der Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe anzuwenden sei. Im Übrigen sei nicht das ortsübliche Entgelt im Arbeitsmarktbezirk Linz, sondern jenes unter Berücksichtigung des Bezirkes Wels-Land heranzuziehen, da sich die Beklagte am Rande des Bezirkes Linz-Land befinde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich aus dem einleitend dargestellten Sachverhalt, dass auf das "angemessene, ortsübliche" Entgelt nur im Falle des Fehlens einer einzel- oder kollektivvertraglichen Entgeltregelung abzustellen sei. Bei einer einzelvertraglichen Vereinbarung eines möglichst sacheinschlägigen Kollektivvertrages habe eine weitere Prüfung nicht stattzufinden. Da ein Kollektivvertrag für Arbeiter von Arbeitskräfteüberlassungunternehmen fehle, sei hier der vereinbarte Kollektivvertrag für Arbeiter des eisen- und metallverarbeitenden Gewerbes heranzuziehen. Es wäre auch nicht gerechtfertigt zwar bei Unternehmen ohne Arbeitskräfteüberlassung die Vereinbarung eines kollektivvertraglichen Mindestentgeltes zuzulassen bei Unternehmen mit Arbeitskräfteüberlassung aber auf das ortsübliche höhere Entgelt abzustellen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge und ging davon aus, dass Satz 1 und 2 des § 10 Abs 1 AÜG den Entgeltsanspruch regle, der schon vor der Überlassung zwischen Überlasser und Arbeitnehmer unabhängig von den einzelnen Überlassungen zu vereinbaren sei. Für die Dauer der Überlassung sei dann für die Beurteilung der Angemessenheit des Entgeltes auch auf das im Beschäftigerbetrieb für vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt "Bedacht zu nehmen". Dann sei also auf das Mindestentgelt nach den Kollektivvertrag im Beschäftigerbetrieb abzustellen. Ein höherer Grundentgeltanspruch bleibe unberührt. Da kein Kollektivvertrag für den Überlasserbetrieb über die Festlegung des Grundanspruches nach § 10 Abs 1 Satz 2 AÜG vorliege, sei der Grundanspruch auf das angemessene Entgelt nach Satz 1 des § 10 Abs 1 AÜG nach dem ortsüblichen Entgelt auf dem - ausgehend vom Standort des Betriebes des Überlassers sich ergebenden - einheitlichen Arbeitsmarkt zu bestimmen. Es sei daher nicht bloß auf die möglichst sacheinschlägigen Kollektivverträge, sondern auch auf allfällige Überzahlungen abzustellen. Es sei eine "grobe Einteilung" der vereinbarten Tätigkeiten allein in die Kategorien ungelernte Tätigkeiten, angelernte Tätigkeiten und Facharbeiter und die dafür geleisteten Istlöhne abzulehnen. Es habe dabei zu bleiben, dass Anknüpfungspunkt des angemessenen Entgeltes iSd § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG die sacheinschlägigen Kollektivverträge seien. Dies ergebe sich aus der Maßgeblichkeit allfälliger Kollektivverträge des Arbeitskräfteüberlassers aber auch aus dem Erfordernis nach § 11 Abs 1 Z 4 AÜG, die voraussichtliche Art der Arbeitsleistung, zu vereinbaren. Es sei jeweils eine berufsbezogene Beschreibung, wie etwa Maurer, Schlosser, Tischler, Mechaniker und dergleichen, hier konkret "Elektriker" vorzunehmen. Nur bezogen auf das zu der Berufsbezeichnung gegebene Berufsbild sei ein angemessenes Entgelt zu ermitteln. Dass das Kollektivvertragssystem auf dem Industrieverbandsystem aufbaue und es daher keine Kollektivverträge für Berufsgruppen gebe, biete keinen Anlass, von diesen Grundsätzen abzuweichen. Regelmäßig sei ohnehin davon auszugehen, dass der Arbeitskräfteüberlasser ausreichend Kenntnis davon habe, was das angemessene, ortsübliche "Entgelt" in der Berufssparte sei. Es sei im Hinblick auf die vom Gesetz selbst in Kauf genommene Schwierigkeiten der Bestimmung des Grundlohnanspruches trotz dessen Unabdingbarkeit davon auszugehen, dass dem Überlasser ein gewisser Spielraum zustehe. Gegebenenfalls trage der Arbeitskräfteüberlasser das Risiko eines zu geringen Grundlohnes. Letztlich seien die Lohnordnungen der in Betracht kommenden Kollektivverträge heranzuziehen, wenn in der Region überhaupt keine Betriebe, die entsprechenden Arbeitskräfte beschäftigen. Maßgeblich seien jene Kollektivverträge für Gewerbebetriebe oder Branchen, die einen Gewerbebetrieb ähnlich seien, nicht jedoch die Kollektivverträge für Industrie- oder Spezialbranchen. Gehörten doch auch Arbeitskräfteüberlasser der Sektion Gewerbe der Wirtschaftskammer an. Dies gelte auch dann, wenn der überwiegende Einsatz im Industriebetrieben vorgesehen sei. Für diese gelte dann ohnehin der "angemessene" Beschäftigungslohn und nicht der nach Satz 1 des § 10 Abs 1 AÜG ermittelte "angemessene" Grundlohn. Das Erstgericht habe daher ergänzend Feststellungen über die in der maßgeblichen Region üblicherweise unter vergleichbaren Umständen Elektrikern in Gewerbebetrieben bezahlten Istlöhne sowie die nach den in Betracht kommenden Gewerbekollektivverträgen gebührenden Löhnen zu treffen. Dies sei auch mit den Parteien noch zu erörtern, da der Kläger ein dahingehendes Vorbringen noch nicht erstattet habe. Einen Einwand, dass auf den Kläger überhaupt mangels Selbständigkeit der Betriebsabteilung im Sinne des § 9 Abs 2 ArbVG ein sonst anzuwendender Kollektivvertrag zur Anwendung gelange, sei nicht erhoben worden.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da sich aus der jüngeren Literatur ergebe, dass ausgehend von den bereits durch die Rechtsprechung herausgearbeiteten Leitsätzen eine Lösung des Einzelfalles noch nicht konkret ableitbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Der von der beklagten Partei erhobene Rekurs sowie die von dieser zum Rekurs der klagenden Partei erstattete Rekursbeantwortung sind verspätet. Die Zustellung des Beschlusses des Berufungsgerichtes bzw des Rekurses der klagenden Partei an die beklagte Partei erfolgten selbst nach deren eigenen Angaben bereits am 6. 6. 2001 bzw am 9. 7. 2001. In Arbeits- und Sozialrechtssachen gelten die Bestimmungen über die Gerichtsferien nicht (vgl § 39 Abs 4 ASGG). Daher waren der erst am 6. 9. 2001 zur Post gegebene Rekurs sowie die erst am 28. 9. 2001 eingebrachte Rekursbeantwortung als verspätet zurückzuweisen.

Der gegen den Beschluss des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs der klagenden Partei ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach § 11 Abs 1 AÜG hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer im Falle von Arbeitskräfteüberlassungen neben der Höhe des Entgeltes (Z 1) unter anderem die voraussichtliche Art der Arbeitsleistung (Z 4) zu vereinbaren.

§ 10 Abs 1 AÜG legt zu den Ansprüchen des Arbeitnehmers folgendes fest:

Satz 1: "Die Arbeitskraft hat Anspruch auf ein angemessenes, ortsübliches Entgelt, das mindestens einmal monatlich auszuzahlen und schriftlich abzurechnen ist."

Satz 2: "Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, denen der Überlasser unterworfen ist, bleiben unberührt."

Satz 3: "Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist für die Dauer der Überlassung auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt Bedacht zu nehmen."

Der Oberste Gerichtshof hat dies nun in seinen Entscheidungen vom 20. 11. 1991 zu 9 ObA 196/91 (= SZ 64/161 = Arb 10.977 = JBl 1992, 265 = DRdA 1992/45 ua) sowie 9 ObA 602/91 (Arb 10.979 = 64/162 = DRdA 1992/46) und auch in den nachfolgenden Entscheidungen (vgl etwa zuletzt OGH 5. 9. 2001, 9 ObA 195/01v und OGH 25. 10. 2001, 8 ObA 28/01b) dahin ausgelegt, dass mit Satz 1 und 2 der Bestimmung der gemäß § 10 Abs 1 AÜG schon vor Überlassung zwischen Überlasser und Arbeitskraft unabhängig von der einzelnen Überlassung zu vereinbarende Anspruch inhaltlich geregelt wird (Grundentgelt), während Satz 3 eine ergänzende Regelung für die Zeit der Überlassung trifft (Beschäftigerentgelt). Weiters wurde dabei stets daran festgehalten, dass für das Grundentgelt außerhalb der Überlassungszeiten, sowie jenes im Sinne der Sätze 1 und 2 in erster Linie ein für den Überlasserbetrieb geltender Kollektivvertrag im Sinne des Satzes 2 maßgeblich ist. Dann ist auch dessen Zugehörigkeit in der Wirtschaftskammer (Gewerbe) entscheidend. Nur dann, wenn - so wie hier - kein Kollektivvertrag für den Überlasserbetrieb besteht, ist der Grundanspruch nach Satz 1 zu bestimmen. Dabei ist dann nicht nur auf einen "möglichen sacheinschlägigen Kollektivvertrag", sondern auch auf eine ortsübliche Überzahlung des kollektivvertraglichen Mindestentgeltes zur Feststellung des angemessenen, ortsüblichen Entgeltes im Sinne des Satzes 1 abzustellen. Für die Ortsüblichkeit wurde dabei auch bereits wiederholt festgehalten, dass es nicht auf die Ortsgemeinde, sondern auf die als einheitlicher Arbeitsmarkt in Betracht kommende Region abzustellen ist. Dieser - so - festgestellte Grundentgeltanspruch ist dem Arbeitnehmer als Untergrenze jedenfalls gesichert, und zwar auch dann, wenn er in einem Beschäftigerbetrieb eingesetzt wird, bei dem ein Kollektivvertrag ein niedrigeres Mindestentgelt vorsieht (vgl OGH 9. 3. 2000, 8 ObA 332/99b = DRdA 2001/4 [Schindler]).

Da sich der Kläger gar nicht auf allfällige Kollektivverträge in den Beschäftigerbetrieben im Sinne des § 10 Abs 1 Satz 3 stützt, ist also die von den Arbeitsvertragsparteien festgelegte Entgeltbestimmung unter dem Blickwinkel des § 10 Abs 1 Satz 1und 2 AÜG zu überprüfen.

Im Sinne der dargestellten Judikatur stellt sich damit zuerst die Frage, ob nicht ohnehin ein Kollektivvertrag im Sinne des § 10 Abs 1 Satz 2 AÜG zur Anwendung zu kommen hat. Darauf haben sich jedoch die Parteien in erster Instanz nicht berufen. Auch das Vorbringen der Beklagten kann nur dahin verstanden werden, dass sie geltend macht, dass der Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe auf Grund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung zur Anwendung gelange. Die Regelung des § 10 Abs 1 zweiter Satz AÜG stellt aber nicht auf einen durch Vereinbarung zur Anwendung gelangenden Kollektivvertrag ab, sondern auf Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, denen der Unterlasser unterworfen ist, also auf solche, die entsprechenden § 8 f ArbVG zur Anwendung gelangen (vgl auch Leutner/Schwarz/Ziniel, Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, 106). Da es an einem entsprechenden Vorbringen fehlt, bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit bei einem Mischbetrieb die Frage der Anwendung eines nicht die Arbeitskräfteüberlassung regelnden Kollektivvertrages, dem der Arbeitgeber auf Grund einer anderen Tätigkeit angehört, entsprechend § 9 ArbVG zu lösen ist.

Ausgehend davon, dass der Grundanspruch sich nicht aus der Regelung einer "Norm der kollektiven Rechtsgestaltung, der der Überlassung unterworfen ist" im Sinne des § 10 Abs 1 zweiter Satz ergibt, ist also entsprechend der dargestellten Judikatur der Grundanspruch nach Satz 1 unter Heranziehung eines möglichst sacheinschlägigen Kollektivvertrages und einer ortsüblichen Überzahlung des kollektivvertraglichen Mindestentgeltes in der als einheitlicher Arbeitsmarkt in Betracht kommenden Region zu prüfen.

Die Literatur hat nun gegen dem in der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes festgehaltenen Ansatz, dass für die Angemessenheit vorweg auf die Kollektivverträge für vergleichbare Arbeiten abzustellen wäre (vgl dazu auch schon Ritzberger-Moser, Der Entgeltanspruch der überlassenen Arbeitskraft nach § 10 Abs 1 AÜG, DRdA 1992, 330 ff) Bedenken aufgezeigt.

Schindler (Der Entgeltanspruch bei Arbeitskräfte-Überlassung RdW 2000/735) problematisiert dabei, dass sich der "sacheinschlägige" Kollektivvertrag auf die Tätigkeit in Branchen- und Arbeitsorten beziehe, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch gar nicht bekannt seien. Auch bezögen sich die Kollektivverträge nicht auf Tätigkeiten, wie etwa die Berufstätigkeit als Elektriker, sondern auf Branchen. Ein Elektro-Installateur könne genauso mit der Instandhaltung einer Textilfabrik wie eines Handelsunternehmens befasst sein. Noch weniger Anhaltspunkte gäbe es bei ungelernten Arbeitern. Für die überwiegende Mehrzahl der Leiharbeiter sei es unmöglich, einen "sacheinschlägigen" Kollektivvertrag ausfindig zu machen. Regelmäßig sei auch nicht die Verwendung in einer bestimmten Branche vereinbart. Im Ergebnis müsse daher von vornherein eine Kategorisierung der Tätigkeiten relativ grob vorgenommen werden und zwar im Arbeiterbereich überhaupt nur in ungelernte, angelernte und Facharbeitertätigkeiten. Für diese drei Gruppen seien auch entsprechende Lohnstatistiken vorhanden. Da das Lohnniveau in den Gewerbebetrieben im Durchschnitt um 20 % niedriger sei als in der Industrie, wäre von den Werten bei einem ausschließlich vereinbarten Arbeitseinsatz im Gewerbe dieser Prozentsatz, bei einer Mischverwendung jedoch jener von 10 % abzuziehen.

Auch Schrammel (Zum Grundlohnanspruch überlassener Arbeitskräfte, ecolex 2001, 252) zeigt das Problem bei der Ermittlung der "sacheinschlägigen" Vergleichskollektivverträge auf, da das Kollektivvertragssystem auf dem "Industrieverbandssystem" beruhe und sich außerdem noch die Frage der konkreten Einordnung in den Kollektivvertrag stelle. Der gleiche Arbeitnehmer könne für unterschiedlich einzustufende Tätigkeiten und auch in unterschiedlichen Branchen eingesetzt werden. Ansatzpunkt müsse daher nicht die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers, sondern der Überlasser sein, und zwar welcher Lohn in Überlasserbetrieben dieser Region gewöhnlich bezahlt werde. Sollte aber doch auf die sacheinschlägigen Kollektivverträge abgestellt werden, so wäre auf die einschlägigen Gewerbekollektivverträge abzustellen, da auch die Überlasser der Sektion Gewerbe in der Wirtschaftskammer angehören. Die Kollektivverträge für Industriebetriebe oder Spezialbranchen, wie Brauereien und Erdölverarbeitung seien von vornherein auszuscheiden, da das angemessene und ortsübliche Entgelt nur auf Grundlage von Gewerbebetrieben ermittelt werden könnte. Als "sacheinschlägig" könnten zwar die Kollektivverträge der Beschäftigerbetriebe herangezogen werden, jedoch würde dies in Widerspruch zu Satz 3 den Unterschied zwischen angemessenen Grundlohn nach Satz 1 und 2 einerseits und dem Beschäftigerlohn im Satz 3 andererseits verwischen. Dies würde auch nicht darauf Bedacht nehmen, dass die Überlassung ja in verschiedenste Branchen erfolgen könne. Ein allfälliger Durchschnittslohn aus diesen Branchen könne zu Beginn nicht ermittelt werden. Daher sei auf die tatsächlichen Lohnverhältnisse im Gewerbe der Arbeitskräfteüberlasser abzustellen. Müsse doch davon ausgegangen werden, dass in einem funktionierenden Markt angemessene und ortsübliche Löhne gezahlt werden. Eine gewisse Richtschnur biete der für den Überlasser anzuwendende Kollektivvertrag für Angestellte des Gewerbes. Der unter Zugrundelegung der vereinbarten Arbeitsgebiete ermittelte Grundlohn sei ex post unter Heranziehung der tatsächlichen Einsatzbereiche zu überprüfen.

Der Oberste Gerichtshof hält trotz der geltend gemachten Bedenken an seiner Rechtsprechung fest, dass bei Ermittlung des angemessenen ortsüblichen Entgeltes im Sinne des § 10 Abs 1 erster Satz AÜG auf einen möglichst sacheinschlägigen Kollektivvertrag sowie die ortsübliche Überzahlung des kollektivvertraglichen Mindestentgeltes abzustellen ist. Den übereinstimmenden Bedenken, dass die Ermittlung des Entgeltes schwierig sein könnte, ist entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof bereits in der vorliegenden Entscheidung vom 20. 11. 1991 zu 9 ObA 196/91 (= SZ 64/161 = Arb 10.977 = JBl 1992, 265 = EvBl 1992/67 = DRdA 1992/45 uva) die Schwierigkeit aufgezeigt hat und folgendes ausgeführt hat:

"Erscheint dem Gesetzgeber die im Übrigen auch wesentlich praktikablere Regelung durch Kollektivverträge im Sinne des Vorranges der Tarifautonomie wünschenswert, dann kann ihm auch unterstellt werden, dass er durch eine entsprechende Höhe des subsidiären Entgeltanspruches insbesondere für die Arbeitgeber (Überlasser) einen Anreiz zum Abschluss von unmittelbar anzuwendenden Kollektivverträgen im Sinne des Satzes 2 geben wollte."

Dass aber die Ermittlung des angemessenen Entgeltes ohne Kollektivvertrag auf Grundlage des § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG auch mit den Mitteln des Verwaltungsverfahrens möglich ist, zeigt sich etwa aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. 11. 1995 zu Zl 93/08/208 = RdW 1996, 589 = ARD 4790/20/96; vgl auch Andexlinger, ecolex 1997, 183).

Auch sonst erachtet der Gesetzgeber ja das durch die Kollektivverträge erarbeitete Entgeltsystem als geeigneten Ausgangspunkt für die Erstreckung auf nicht erfasste Bereiche. So sieht doch etwa § 18 ArbVG vor, dass das Bundeseinigungsamt auf Antrag einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft einen Kollektivvertrag durch Erklärung zur Satzung auch außerhalb seines räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereiches rechtsverbindliche Wirkung zuerkennen kann, wenn der gehörig kundgemachte Kollektivvertrag eine überwiegende Bedeutung erlangt hat und die durch die Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse jenen, die dem Kollektivvertrag unterliegen, im Wesentlichen gleichartig sind.

War doch auch einer der Ausgangspunkte bei der Schaffung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes überhaupt der Umstand, dass die überlassenen Arbeitskräfte in der Regel nicht durch kollektivvertragliche Arbeitsbedingungen oder Löhne geschützt sind (vgl S 13 der RV 450 der Beil Nr 17. GP).

Es ist nun zutreffend, dass in Österreich seit langem das System der Branchen- und Flächen- Kollektivverträge (vgl dazu etwa Firlei, Flucht aus dem Kollektivvertrag DRdA 2001, 221 [234] zur "Krise des Flächen-Kollektivvertrages") vorherrscht und dies die allein berufsbezogene und an der "voraussichtlichen Art der Arbeitsleistung" (vgl § 11 Abs 1 Z 4 AÜG) anknüpfende Feststellung eines "sacheinschlägigen" Kollektivvertrages nicht einfach macht.

Auszugehen ist vom wahren Willen der Parteien über die in Aussicht genommene Art der Arbeitsleistung, die der Leiharbeitnehmer zu erbringen hat. Dabei wird zu berücksichtigen sein, inwieweit entsprechende Berufsausbildungen, Berufserfahrungen und Vorkenntnisse Bedeutung haben und ob eine Einschränkung auf die Tätigkeit in bestimmte Branchen vorgesehen ist.

Auf dieser Grundlage ist dann festzustellen, von welchen Kollektivverträgen - sei es im Bereich des Gewerbes oder der Industrie (ist doch hier im Überlasserbetrieb [Gewerbe] typischerweise keine Tätigkeit zu verrichten, die ein geeigneter Anknüpfungspunkt sein könnte) - diese "Art der Arbeitsleistung" so erfasst ist, dass die größtmögliche Übereinstimmung der aufgezählten Parameter festgestellt werden kann. Bezogen auf den vorliegenden Fall ist nur festgestellt, dass der Kläger als Elektromonteur unter Berücksichtigung seiner facheinschlägigen Ausbildung beschäftigt werden sollte. Eine Einschränkung auf bestimmte Branchen der Verwendung wurde nicht festgestellt. Daher wird im Folgenden zu beurteilen sein, in welchen Kollektivverträgen auf die Tätigkeit von Elektromonteuren überhaupt konkret abgestellt wird. Primär ist auf diese speziell auf den Typus und die Art der Arbeitsleistung abstellende Kollektivverträge Bedacht zu nehmen (typische Kollektivverträge). Nur dann, wenn diese nicht vorhanden oder nicht repräsentativ sind, auf jene Kollektivverträge, die diese Art der Arbeitsleistung nur indirekt erfassen. Das bedeutet, dass also etwa dann, wenn die Leiharbeitskraft allgemein für Reinigungsarbeiten aufgenommen wird, primär auf den Kollektivvertrag für das Reinigungsgewerbe abzustellen ist und nur dann, wenn kein solcher bestehen würde, auf andere Kollektivverträge, die diese Tätigkeit ebenfalls (indirekt) erfassen.

Bestehen auf einer dieser beiden Ebenen (typische Kollektivverträge oder nur indirekt diese Art der Tätigkeit erfassende Kollektivverträge) mehrere Kollektivverträge, so ist darauf abzustellen, ob einer dieser Kollektivverträge deutlich mehr Arbeitnehmer mit dieser "Art der Arbeitsleistung" erfasst als die anderen Kollektivverträge; dann ist dieser maßgeblich. Sollte dies nicht der Fall sein, so ist der Durchschnitt aus diesen kollektivvertraglichen Ansätzen zu bilden. Eine analoge Heranziehung der Regelungen des § 9 ArbVG - auch dies wurde als eine Möglichkeit in der Literatur erörtert (vgl Schindler aaO) - kommt nicht in Betracht. Von einer entsprechend klaren Gliederung, wie sie § 9 ArbVG für Betriebe oder Unternehmen voraussetzt, kann hier nicht ausgegangen werden. Auch kann es nicht auf die Zufälligkeit geringfügiger Schwankungen auf dem einschlägigen Arbeitsmarkt ankommen, sodass dann im Sinne der "Maßgeblichkeit" nach § 9 Abs 3 ArbVG einmal der eine und dann der andere Kollektivvertrag heranzuziehen wäre. Es ist also nur dann auf "einen" Kollektivvertrag abzustellen, wenn dieser in seiner Bedeutung deutlich überwiegt. Sind in einem Kollektivvertrag mehrere Einstufungen möglich, so ist sinngemäß vorzugehen.

Bei dieser Auslegung behält auch Satz 3 des § 10 Abs 1 AÜG weiter seinem Anwendungsbereich, da etwa dann, wenn bei einer Reinigungskraft für den Grundlohn nach § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG nach der dargestellten Vorgangsweise auf den Kollektivvertrag für die Reinigungsunternehmen abzustellen ist, für den Zeitraum der Überlassung an ein erdölverarbeitendes Industrieunternehmen im Sinne der Z 3 des § 10 Abs 1 AÜG der dort maßgebliche Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebes als Untergrenze Bedeutung erlangt.

Allein auf den Markt der Arbeitnehmer bei Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen kann nicht abgestellt werden, da es ja gerade Ziel des § 10 Abs 1 AÜG ist, die Festlegung des Entgeltes nicht von dem Willensentschluss der einzelnen Arbeitnehmer abhängig zu machen. Wird es doch in der arbeitsrechtlichen Lehre geradezu als typisch für die Verhandlungssituation des potentiellen Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber angesehen, dass dem Arbeitnehmer bei der Vertragsgestaltung weniger Einflussmöglichkeiten zukommen, weshalb auch regelmäßig einseitig zwingende, an tatsächliche Umstände, anknüpfende Regelungen vorgesehen werden (vgl dazu etwa OGH 9. 11. 2000, 8 ObS 204/00h = RdW 2001/463 = WBl 2001/118 mwN = Tomandl in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht4 1, 109; Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsverhältnisses, 76;

Spielbüchler/Grillberger, Arbeitsrecht I4 250; Firlei, Flucht aus dem Arbeitsrecht, DRdA 1987, 271; Schauer, Rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Arbeitnehmereigenschaft, RdW 1997, 732 ff).

Im Bereich der Festsetzung des Entgeltes wird dieses Verhandlungsdefizit durch die Übertragung der Möglichkeit der Festsetzung von Mindestentgelten auf die Kollektivvertragsparteien ausgeglichen. Das von diesen festgelegte Entgelt wird regelmäßig als angemessen beurteilt wird (vgl dazu OGH 20. 11. 1991, 9 ObA 196/91 mit den oben zitierten Fundstellen mwN).

Wurde nun in der oben dargestellten Weise der oder die sacheinschlägigen Kollektivverträge ermittelt, so ist das ortsübliche Entgelt, also die Frage der ortsüblichen Überzahlung, zu ermitteln. Dafür ist in der als einheitlicher Arbeitsmarkt in Betracht kommenden Region festzustellen, wie jene Arbeitnehmer, die in diesen Kollektivverträgen Tätigkeiten der "Art der Arbeitsleistung" der Leiharbeitnehmer verrichten, über den Kollektivvertrag entlohnt werden. Dabei ist jedoch nicht nur ein Durchschnittswert festzustellen, sondern unter Ausschaltung von extremen Abweichungen, die Bandbreite, in der diese Überzahlung erfolgt. Diese Bandbreite bildet dann die Untergrenze des angemessenen Entgeltes im Sinne des § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG, die bei der gemeinsamen Festlegung des Entgeltes entsprechend § 11 Abs 1 Z 1 AÜG zu beachten ist. Soweit das nach § 11 Abs 1 Z 1 AÜG festgelegte Entgelt gegen diese Untergrenze verstößt, steht dem Arbeitnehmer die Möglichkeit offen, diese Vereinbarung gemäß § 879 ABGB anzufechten, indem er den Beweis dafür antritt, dass das festgelegte Entgelt außerhalb der Bandbreite im Sinne des § 10 Abs 1 erster Satz AÜG liegt. Zur Vermeidung der Schwierigkeiten bei dieser Entgeltermittlung werden beide Vertragsparteien bei der Einschätzung dieser Bandbreite regelmäßig nicht nur auf die eigenen Erfahrungen, sondern auch auf die Erfahrungen der gesetzlichen und freiwilligen kollektivvertragsfähigen Interessenvertretungen zurückgreifen können.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher das Erstgericht mit dem Kläger zu erörtern haben, auf welche sacheinschlägigen Kollektivverträge er sich beruft und welche regionale Überzahlung er geltend macht.

Im Ergebnis war daher dem Rekurs des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG und 52 ZPO.

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