OGH 13Os169/01

OGH13Os169/016.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lauermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Jochen S***** wegen des Verbrechens nach §§ 127ff und 15 StGB, § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG und anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 5. September 2001, GZ 17 Hv 1035/01-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, soweit sie sich gegen den Schuldspruch zu I.1. bis 5. richtet, wird zurückgewiesen. Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, das in den Schuldsprüchen I. und III. unberührt bleibt,

im Schuldspruch zu II. 1. und 2. sowie

im Straf- und Einziehungsausspruch

aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen und seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390a StPO hat der Angeklagte die durch den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Text

Gründe:

Jochen S***** wurde im (zu I. 1. bis 5.) des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 15 StGB, (zu II. 1. "und 2.") des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG (richtig:

der Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter Fall und Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG; Aus- und Einfuhr als alternatives, im Übrigen kumulatives Mischdelikt) und (zu III.) des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er

(zu I.) am 27. August 1999 in Amstetten und Mauer (zusammengefasst) anderen Personen durch Einbruch fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S übersteigenden Wert mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen (1. bis 3.) bzw wegzunehmen versucht (4. und 5.);

(zu II) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift

1) in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in mehrfachen Tathandlungen ab April 2000 bis 7. Mai 2001 auch nach Österreich eingeführt und in Enns, Wien und anderen Orten gewerbsmäßig durch Verkauf an den abgesondert verfolgten Harald T***** und weitere Suchtgiftabnehmer, in einer Gesamtmenge von ca 1.000 Gramm Speed, 6.000 Stück Ecstasy sowie zumindest 70 Gramm Kokain in Verkehr gesetzt;

2) von November 1999 bis 7. Mai 2001, und zwar in Enns und anderen Orten, Cannabisharz, Kokain und Ecstasy erworben und bis zum Eigenkonsum besessen;

III) zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2001 in Enns durch Lichtbildtausch eine echte Urkunde, nämlich den Führerschein des Ernst F*****, mit dem Vorsatz verfälscht, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, sohin eine der im § 223 mit Strafe bedrohte Handlung in Beziehung auf eine inländische öffentliche Urkunde begangen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die zu den Diebstählen I. erhobenen Formalrügen, soweit sie hinsichtlich "der ihm (auch sonst) angelasteten Straftaten" - ersichtlich jedoch eingeschränkt auf die Diebstähle (I.) -, auf eine Beurteilung als Beschaffungskriminalität im Sinne von § 35 Abs 2 iVm § 37 SMG abzielen, gehen ins Leere.

Voraussetzung für die begehrte Bewertung der Diebstähle als strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit der Beschaffung eines Suchtmittels begangen wurden, ist nämlich ua, dass sie nicht in die Zuständigkeit des Schöffengerichts fallen (§ 35 Abs 2 SMG). In diesem Zusammenhang übersieht die Beschwerde, dass die angelasteten Diebstähle - wie im Urteil (US 10) auch ausdrücklich erwähnt - im Rückfall (§ 39 StGB) begangen wurden (s AS 31, 33), sodass fallbezogen für die Verhandlung und Urteilsfällung über die Diebstähle - somit auch ohne Konnexität mit den gleichzeitig angelasteten Suchtgiftverbrechen - die Zuständigkeit des Schöffengerichtes gegeben ist (§ 8 Abs 3 StPO).

Schon aus diesem Rechtsgrunde konnten die Formalrügen keine erheblichen (Z 4) oder entscheidenden (Z 5, 5a) Tatsachen betreffen. Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich jedoch der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, dass das Gesetz durch den Schuldspruch II zum Nachteil des Angeklagten nichtigkeitsbegründend ("Rechtsfehler zufolge fehlender Feststellungen" nach Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO) verletzt wurde:

Es fehlen nämlich Konstatierungen, ob und welche Wirkstoffmengen welchen Suchtmittels (bzw welchen psychotropen Stoffes) die eingeführten bzw in Verkehr gesetzten Tabletten bzw welche Reinmenge an Wirkstoff das gegenständliche Kokain enthielt. Die bloße Nennung der Zahl an Tabletten und deren "Handelsnamen" unter Hinzufügung von "70 Gramm Kokain" und der Bezeichnung als insgesamt "große" Menge vermag zwar eine solche (§ 28 Abs 2, Abs 6 SMG) zu indizieren, nicht jedoch die Feststellung der konkreten Suchtgiftmenge, auf Grund derer die Beurteilung als "groß" vorgenommen werden könnte, zu ersetzen. Das Urteil enthält aber auch keine Feststellung zur subjektiven Tatseite des Angeklagten zur Tatbegehung (und deren Gewerbsmäßigkeit) in Bezug auf eine große Suchtgiftmenge, sei es uno actu bei der Einfuhr (§ 28 Abs 2 zweiter Fall SMG), sei es in Teilmengen bei der Inverkehrsetzung (§ 28 Abs 2 vierter Fall SMG), und zu einer allfälligen Zusammenrechnung (11 Os 91/00 = JBl 2001/802). Es fehlt somit an Voraussetzungen zur Annahme des § 28 Abs 2 SMG, wodurch auch der Beurteilung nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG der Boden entzogen ist.

Da sich das Fehlen dieser Feststellungen zum Nachteil des Angeklagten auswirkt, ist ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO geboten und weil die erforderlichen Konstatierungen durch den Obersten Gerichtshof nicht nachgeholt werden können, diesbezüglich eine neue Hauptverhandlung (und Entscheidung) nicht zu vermeiden.

Dabei war zu II. noch zu erwägen (vgl 15 Os 138/01):

Die Kassierung einer unselbständigen Qualifikation ändert nichts am Schuldspruch wegen des Grunddeliktes, es ist jedoch nicht möglich, bei Aufhebung einer selbständigen Qualifikation im Hinblick auf das Grunddelikt einen Schuldspruch zu kassieren, diesbezügliche Urteilsannahmen aber isoliert bestehen zu lassen. Muss der Schuldspruch im § 28 Abs 2 zweiter bzw vierter Fall SMG aufgehoben werden, weil die Beurteilung der Menge des eingeführten bzw in Verkehr gesetzten Suchtgiftes als groß (§ 28 Abs 6 SMG) und die diesbezügliche subjektive Tatseite des Angeklagten fraglich ist, können jene Annahmen, die einen (gar nicht erfolgten) Schuldspruch wegen § 27 Abs 1 vierter bzw sechster Fall SMG tragen würden, für sich allein nicht bestehen bleiben.

Im Übrigen gibt der (aufgehobene) Schuldspruch II. zu folgenden Bemerkungen Anlass:

II. 2. wurde - obwohl der Wortlaut dieses Schuldspruches und die Feststellungen hiezu eine rechtliche Beurteilung der Tat nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG gebieten - gemeinsam (der Anklage folgend) mit Punkt I. 1. dem § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG unterstellt. Das allein hätte sich jedoch im Ergebnis nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirkt, weil ein zusätzlicher Schuldspruch wegen eines Vergehens unterblieb, II. 2. keinen Einfluss auf die Unterstellung nach § 28 SMG hatte und auch nicht gesondert als erschwerend gewertet wurde.

Demnach war bei der nichtöffentlichen Beratung die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, soweit sie Schuldspruch I. betraf, zurückzuweisen (§ 285d StPO), des weiteren das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, von Amts wegen (§ 290 StPO) im Schuldspruch II. sowie in den Aussprüchen, denen durch die kassatorische Entscheidung der Boden entzogen wurde, aufzuheben und insoweit die Verfahrenserneuerung anzuordnen, schließlich der Angeklagte mit seiner auf formelle Gründe gestützten, die Privilegierung nach § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG anstrebenden, gegenstandslos gewordenen Nichtigkeitsbeschwerde zum Schuldspruch II. und mit seiner Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Stichworte