OGH 11Os91/00

OGH11Os91/0012.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Krüger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter Uruvwoma E***** wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. März 2000, GZ 4c Vr 9495/99-73 nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, und des Verteidigers Mag. Maier, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Unterlassung des Ausspruches, dass der Angeklagte die zu Punkt A angeführte Tat gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande begangen hat, und demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich des Widerrufsbeschlusses aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen Teilfreispruch enthaltenden - Urteil wurde Peter Uruvwoma E***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG (A) des Urteilssatzes und des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG (B) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte

(zu A) in einer insgesamt großen Menge in Verkehr gesetzt, indem er

1.) von Juli bis Anfang September 1999 dem gesondert verfolgten Geza L***** zwei bis dreimal jeweils geringe Mengen Heroin und Kokain,

2.) von Anfang September bis Anfang Oktober 1999 dem gesondert verfolgten Erwin K***** 6 bis 7 Kugeln Heroin und Kokain

3.) von Juli bis Anfang Oktober 1999 dem gesondert verfolgten Hüseyin K***** insgesamt 10 Kugeln Heroin und Kokain (50 : 50) und

4.) von Jänner bis Ende Oktober 1999 zumindest 300 Gramm Heroin und Kokain (mehr Heroin als Kokain, ca 70 : 30/ 80 : 20) Unbekannten verkaufte, sowie

(zu B) Marihuana und Kokain im August 1999 wiederholt erworben und besessen.

Hinsichtlich des dem Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG (A) zu Grunde liegenden Verhaltens verneinte das Erstgericht das Vorliegen der Qualifikationen der gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Tatbegehung nach § 28 Abs 3 erster und zweiter Fall SMG, weil diese die Begehung der Tat in Bezug auf eine jeweils große Menge voraussetzen, der Angeklagte jedoch nicht jeweils große Mengen Suchgift in Verkehr gesetzt, sondern die Grenzmenge nur durch die kontinuierliche Begehung der Taten und den daran geknüpften Additionseffekt überschritten habe (US 12 f iVm US 8).

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit welcher diese Auffassung bekämpft wird, kommt - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - Berechtigung zu:

Nach der Grundstrafdrohung des § 28 Abs 2 SMG ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wer den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in großer Menge erzeugt einführt, ausführt oder in Verkehr setzt. § 28 Abs 3 erster Satz SMG droht eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren demjenigen an, der die im Absatz 2 bezeichnete Tat gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande begeht. Die Absätze 4 und 5 sehen noch höhere Strafdrohungen für die Begehung der im Absatz 2 bezeichneten Tat unter den im Gesetz jeweils angeführten qualifizierten Umständen vor. Der Gesetzgeber hat somit gleichsam einen Stufenbau der Sanktionen vorgesehen, nach dem die Strafen für Suchtgifthändler nach dem Gewicht belastender Umstände abgestuft sind (siehe den JAB zur Suchtgiftgesetznovelle 1985, 586 BlgNR XVI. GP, 3).

Zur Erfüllung des Grundtatbestandes des § 28 Abs 2 SMG muss der Täter die große Menge Suchtgift nicht auf einmal erzeugen, einführen, ausführen oder in Verkehr setzen. Vielmehr sind Einzelmengen aus einer Serie von Tathandlungen zusammenzurechnen, wenn im Sinne einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung die betreffenden Einzelakte objektiv mit einer am einheitlichen Gefahrenbegriff orientierten Kontinuität gesetzt wurden und auf der subjektiven Tatseite der (zumindest bedingte) Vorsatz des Täters jeweils auch den an die bewusst kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfasste (SSt 50/38 = EvBl 1980/20 uva; siehe auch Foregger/Litzka/Matzka SMG § 28 Erl III. 2, Kodek/Fabrizy SMG § 28 Anm 1.2, Ratz WK2 Vorbem zu §§ 28-31 Rz 107).

Ist die Erfüllung des Grundtatbestandes des § 28 Abs 2 SMG durch eine Addition von Teilmengen auf Grund einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung rechtlich möglich, so müssen in einem solchen Fall auch die Qualifikationen nach § 28 Abs 3 bis 5 SMG anwendbar sein; andernfalls wäre dem Stufenbau der Sanktionen nicht entsprochen. Freilich müssen die speziellen Erfordernisse des jeweiligen Qualifikationstatbestandes erfüllt sein. So fordert das Gesetz für die Erfüllung der Qualifikation nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG, dass der Täter in der Absicht handelt (§ 5 Abs 2 StGB), sich durch wiederkehrendes Erzeugen, Einführen, Ausführen oder Inverkehrsetzen einer jeweils großen Menge (das ist die in § 28 Abs 1 SMG bezeichnete Tat) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (13 Os 8, 11/98 ua).

Unerheblich ist freilich, ob die von der Absicht des Täters auf fortlaufende Einnahmegewinnung umfassten großen Suchtgiftmengen auf ein Mal oder bewusst kontinuierlich in Teilmengen erzeugt, eingeführt, ausgeführt oder in Verkehr gesetzt werden sollen. Es kann daher auch ein fortlaufendes - der Zielsetzung des § 70 StGB entsprechendes - Tatgeschehen, bei dem die Grenzmenge überschritten wurde, nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG qualifiziert sein, sofern der Vorsatz des Täters bei Setzung der die Grenzmenge erreichenden Teilakte darauf gerichtet war, die Tat durch weitere Teilakte, die jeweils zur Summierung des Suchtgiftes zu großen Mengen führen sollen, zu wiederholen. In diesem Sinne kann daher nach Erreichen der Grenzmenge jeweils gedanklich "abgetrennt" auch die Absicht des Täters auf Verschaffung einer fortlaufenden Einnahme durch wiederkehrende Begehung der Tat geprüft werden (vgl Ratz WK2 Vorbem zu §§ 28-31 Rz 107; s. auch 15 Os 52/00).

Für die Erfüllung der Qualifikation nach § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG fordert das Gesetz bloß, dass der Täter eine große Menge Suchtgift als Mitglied einer Bande erzeugt, eingeführt, ausgeführt oder in Verkehr gesetzt hat. Unerheblich ist auch hier, ob die große Menge von einer einzigen Tathandlung umfasst wird oder durch Addition von Teilmengen auf Grund bewusst kontinuierlich gesetzter Teilakte zustande kommt. Es genügt daher, dass der Täter die die Grenzmenge erreichenden Teilakte als Mitglied einer Bande gesetzt hat. Folgte man der Rechtsansicht des Erstgerichtes, so wären beide Qualifikationen nach § 28 Abs 3 SMG im Falle der bewusst kontinuierlichen Tatbegehung durch Erzeugung, Einfuhr, Ausfuhr oder Inverkehrsetzen von jeweils unter der Grenzmenge liegenden Teilmengen Suchtgift generell ausgeschlossen. Gleiches müsste für die höheren Qualifikationen nach § 28 Abs 4 und 5 SMG gelten, weil diese in gleicher Weise an § 28 Abs 2 SMG anknüpfen. Diese Gesetzesauslegung würde dem Stufenbau der Sanktionen des § 28 Abs 2 bis 5 SMG nicht gerecht werden und der Absicht des Gesetzgebers, Suchtgifthändler nach dem Gewicht belastender Gesichtspunkte strenger zu bestrafen (586 BlgNR XVI. GP, 3), zuwiderlaufen.

Soweit das Erstgericht die Ablehnung der Qualifikation nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG auf die Entscheidungen 13 Os 8, 11/98 und 11 Os 129/98 stützt, übersieht es, dass der Oberste Gerichtshof gewerbsmäßiges Handeln im Falle einer fortlaufenden Verwirklichung des Tatbestandes des § 28 Abs 2 SMG infolge bewusst kontinuierlicher Tatbegehung keineswegs ausgeschlossen hat, diese Fallkonstellation vielmehr unerörtert geblieben ist. Zu 15 Os 28, 29/00, welcher Entscheidung der wiederholte Verkauf von Kleinmengen Suchtgift zu Grunde lag, fand der Oberste Gerichtshof keinen Anlass zu einem Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 StPO in Bezug auf die angenommene Qualifikation nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG.

Unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass der Angeklagte ein Vielfaches der Grenzmenge Suchtgift in bewusst kontinuierlicher Tatbegehung in Verkehr gesetzt hat (US 12), hätte das Erstgericht Feststellungen dahin treffen müssen, ob er die die Grenzmenge erreichenden Teilakte in der Absicht gesetzt hat, die Tat durch weitere Teilakte, die jeweils zur Summierung des Suchtgiftes zu großen Mengen führen sollten, zu wiederholen, um sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 28 Abs 3 erster Fall SMG). Zur Beurteilung, ob der Angeklagte als Mitglied einer Bande gehandelt hat (§ 28 Abs 3 zweiter Fall SMG), wären nähere Feststellungen über die Tätergruppen erforderlich gewesen, denen der Angeklagte angehörte, denn die Ausführungen des Erstgerichtes hiezu erschöpfen sich in einem substanzlosen Gebrauch der verba legalia (US 7). Auch wenn es für eine Bande keiner besonderen Organisation bedarf, setzt eine solche Gemeinschaft doch voraus, dass sich die Täter ernsthaft dahin einigen, für eine gewisse Dauer zwecks zukünftiger verbrecherischer Betätigung zusammenzubleiben, sich der einzelne insoweit dem Willen der Gemeinschaft unterwirft und alle Beteiligten durch ihre Zugehörigkeit zur Bande einen entsprechenden Rückhalt bei der Ausführung der ins Auge gefassten Straftaten finden (15 Os 125/95 ua). Das Urteil leidet daher an Feststellungsmängeln, die seine Nichtigkeit aus dem Grunde der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO bewirken. Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und eine neuerliche Hauptverhandlung anzuordnen sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

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