Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Frank C***** wurde des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG schuldig erkannt. Danach hat er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte, nämlich Heroin und Kokain in einer insgesamt großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), teilweise gewerbsmäßig, in Verkehr gesetzt, indem er
I) von etwa Oktober 1999 bis Anfang Februar 2000 ein- bis zweimal
wöchentlich jeweils 0,4 Gramm Heroin, somit eine Gesamtmenge von rund 10 Gramm Heroin an den gesondert verfolgten Franz N***** verkaufte und dem Genannten Anfang Mai 2000 eine geringe Menge Heroin unentgeltlich überließ;
II) von etwa Oktober 1999 bis etwa Anfang Februar 2000 in wiederholten Angriffen insgesamt rund 10 Gramm Heroin an den mittlerweile verstorbenen Suchtgiftkonsumenten namens "Pelej" verkaufte;
III) von Dezember 1999/Anfang Jänner 2000 bis am 15. Mai 2000, mit einer Unterbrechung in der Dauer von etwa drei Wochen im März/April 2000, ein- bis zweimal wöchentlich jeweils etwa 0,4 Gramm Heroin und Kokain, somit eine Gesamtmenge von rund 12 Gramm an den abgesondert verfolgten Roman H***** verkaufte;
IV) von Anfang Februar 2000 bis 15. Mai 2000, mit einer Unterbrechung in der Dauer von etwa drei Wochen im März/April 2000, in mehreren Angriffen jeweils etwa 0,4 bis 0,8 Gramm Heroin, somit eine nicht mehr feststellbare Gesamtmenge von mehreren Gramm an die gesondert verfolgte Rosina G***** verkaufte;
V) von etwa Ende Jänner/Anfang Februar 2000 bis am 15. Mai 2000, mit
einer Unterbrechung in der Dauer von etwa drei Wochen im März/April 2000, in etwa 10 Angriffen insgesamt maximal 4 bis 5 Gramm Heroin an den gesondert verfolgten Andreas D***** verkaufte;
VI) von etwa Ende April/Anfang Mai 2000 bis am 15. Mai 2000 in wiederholten Angriffen insgesamt rund 5 Gramm Heroin und Kokain an den gesondert verfolgten Adem D***** verkaufte bzw an Unbekannte zur Weitergabe an D***** übergab;
VII) im Mai 2000 eine geringe Menge Heron an den gesondert verfolgten Senad B***** verkaufte.
Die dagegen aus Z 3, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten erweist sich bereits aus dem letztangeführten Grund als berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend reklamiert die Beschwerde als Feststellungsmangel (Z 10) unzureichende Konstatierungen zur großen Menge der Suchtmittel und darauf basierend, zur gewerbsmäßigen Begehung. Denn die Urteilsannahme der auf (aus fünf Angriffen stammenden) Gesamtmenge von 20 Gramm Heroin plus einer nicht mehr feststellbaren Menge von mehreren Gramm plus vier bis fünf Gramm und einer geringen Menge Heroin sowie einer weiteren (aus zwei Angriffen stammenden) Gesamtmenge von 17 Gramm Heroin und Kokain von nicht mehr feststellbarer "zumeist aber zumindest durchschnittlicher" Straßenqualität lässt mangels näherer Feststellungen über die Beschaffenheit dieser Suchtmittel und die darin enthaltenen Reinsubstanzen schon deshalb einen sicheren Schluss auf die vom Erstgericht angenommene große (Gesamt-)Menge nicht zu. Angesichts des relativ geringen Bruttogewichtes der verfahrensverfangenen Suchtgifte und im Hinblick auf den notorisch häufigen Vertrieb "gestreckten" Suchtgifts sind Konstatierungen über den Reinheitsgehalt zur Beurteilung des Vorliegens einer "großen Menge" - deren Untergrenze nach § 28 Abs 6 SMG in Verbindung mit § 1 der (im Hinblick auf den Tatzeitraum bis Mai 2000 zugunsten des Angeklagten hier anzuwendenden) Suchtgiftgrenzmengenverordnung BGBl II Nr 374/1997/Anhang I bei Heroin mit fünf Gramm und bei Kokain mit fünfzehn Gramm Reinsubstanz festgesetzt wurde - unerlässlich. Dies umsomehr, als der übliche Reinheitsgehalt von Heroin und Kokain, jeweils in Straßenqualität, nach forensischer Erfahrung 10 bis 25 % bzw 40 bis 50 % beträgt und eine Aufschlüsselung der unter Faktum III und VI angeführten Heroin- und Kokainmengen nicht erfolgt ist. Zwar sind Mengen verschiedener Suchtmittel grundsätzlich zusammenzurechnen, da aber unterschiedliche Grenzmengen bei Heroin und Kokain zur Verwirklichung des § 28 Abs 6 SMG erforderlich sind, wäre auch unter diesem Aspekt eine Präzisierung der Urteilsannahmen erforderlich gewesen.
Angesichts der aufgezeigten Feststellungsmängel können selbst unter Zusammenrechnung der Einzelmengen aus verschiedenen Tathandlungen und unter Annahme des Vorsatzes des Täters auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen und damit auf den an die bewussst kontinuierliche Tatbegehung geknüpften Additionseffekt realistische Zweifel an der Überschreitung der für die Verwirklichung des - qualifizierenden - Tatbildes des § 28 relevanten Grenzmenge nicht ausgeräumt werden. Fehlt aber die Voraussetzung zur Annahme des § 28 Abs 2 SMG, ist auch einem Schuldspruch nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG der Boden entzogen.
Mangels der Behebbarkeit der aufgezeigten Mängel durch den Obersten Gerichtshof ist eine neue Hauptverhandlung (und Entscheidung) nicht zu vermeiden, sodass der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung Folge zu geben war (§ 285e StPO).
Die Aufhebung einer unselbständigen Qualifikation ändert nichts am Schuldspruch wegen des Grunddelikts, es ist jedoch nicht möglich, bei Aufhebung einer selbständigen Qualifikation im Hinblick auf das Grunddelikt einen Schuldspruch zu kassieren, diesbezügliche Urteilsannahmen aber isoliert bestehen zu lassen (arg: § 289 StPO). Muss der Schuldspruch im § 28 Abs 2 vierter Fall SMG nur deshalb aufgehoben werden, weil die Beurteilung der Menge des in Verkehr gesetzten Suchtgiftes als groß (§ 28 Abs 6 SMG) fraglich ist, können nicht jene Annahmen, die einen gar nicht erfolgten Schuldspruch wegen § 27 Abs 1 sechster Fall SMG tragen würden, für sich allein bestehen bleiben. Demnach war das Urteil zur Gänze aufzuheben.
Damit erübrigt sich eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens.
Im neuen Rechtsgang wird das Erstgericht sein besonderes Augenmerk auch darauf zu legen haben, dass bei Prüfung der Eignung der Aussage eines Zeugen, die Gefahr einer Selbstbezichtigung herbeizuführen, darauf zu achten ist, dass von dem einen gegen ihn erhobenen Vorwurf als zu Recht bestehend anerkannt habenden Zeugen generell nicht angenommen werden kann, er werde sich mit einer im Umfang seines Geständnisses inhaltsgleich wahrheitsgemäßen Aussage zusätzlich belasten und damit ein weiteres Beweismittel gegen sich schaffen (vgl hiezu EvBl 1994, 138 uam).
Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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