OGH 9Ob286/01a

OGH9Ob286/01a23.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der antragstellenden und gefährdeten Partei Evelyne S*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Gegner der antragstellenden und gefährdeten Partei Roland S*****, Privater, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang Weilguni, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO (Streitwert EUR 4.360,47), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der antragstellenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 2. Oktober 2001, GZ 45 R 557/01x-35, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8. August 2001, GZ 8 C 92/01v-24, infolge Rekurses des Gegners der antragstellenden und gefährdeten Partei dahin abgeändert wurde, dass der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Der Gegner der antragstellenden und gefährdeten Partei ist schuldig, der antragstellenden und gefährdeten Partei die mit EUR 399,76 (darin EUR 66,63 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Parteien haben am 3. 1. 1996 die Ehe geschlossen. Der Ehe entstammen zwei Töchter (geb. 1994 und 1996). Die Ehewohnung der Parteien befindet sich in ***** Wien, Z*****gasse *****. Die Antragstellerin begehrt als Klägerin mit der am 22. 2. 2001 beim Erstgericht zu 8 C 28/01g eingebrachten Klage die Ehescheidung aus dem Alleinverschulden des Antragsgegners als dortigem Beklagten. Im Verlauf des Ehescheidungsverfahren gaben die Parteien dem Erstgericht bekannt, dass sie versuchen wollen, für die nächsten Monate das Verfahren nicht fortzusetzen und durch eine räumliche Trennung der Wohnsituation eine Versöhnung herbeizuführen, und schlossen in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 29. 3. 2001 für die Dauer der Ruhensvereinbarung folgende Vereinbarung:

"1) Die Gesamtbenützung an der Ehewohnung in *****Wien, Z*****gasse *****, verbleibt für die Dauer dieser Vereinbarung bei der Ehefrau.

2) Der Ehemann verpflichtet sich, bis 5. 4. 2001 die Ehewohnung samt seinen persönlichen Fahrnissen zu verlassen und für die Dauer dieser Vereinbarung nicht mehr zu betreten.

3) Der Ehemann wird für die Dauer der Vereinbarung in der Wohnung *****Wien, S*****gasse *****, wohnen.

4) ....."

Im unmittelbaren Anschluss vereinbarten die Parteien Ruhen des Scheidungsverfahrens.

Mit dem vorliegenden, am 10. 5. 2001 gesondert eingebrachten Antrag begehrt die Antragstellerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO. Dem Antragsgegner möge für die Dauer des Scheidungsverfahren aufgetragen werden, die Ehewohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verlassen; weiters möge ihm die Rückkehr in die Ehewohnung und deren unmittelbare Umgebung verboten werden. Sie begründet ihren Antrag damit, dass sie der 17-fach einschlägig vorbestrafte Antragsgegner mehrmals geschlagen habe, dass er sich nicht an die Vereinbarung im Scheidungsverfahren vom 29. 3. 2001 gehalten habe, die Wohnung nach Belieben zu jeder Tages- und Nachtzeit betrete, mitten in der Nacht einen Streit beginne, sie beschimpfe und sie bedroht habe ("Wenn sie die Scheidungsklage nicht zurückziehe, dann würde sie den Tag bereuen, an dem sie ihn kennen gelernt habe" bzw "Wenn er nicht das Sorgerecht für die mj. Iris bekomme, dann würde es keiner bekommen, dann bezahle er es mit dem Leben"). So sei der Antragsgegner am 5. 5. 2001 beispielsweise um 1.00, 1.45 und 3.00 Uhr in der Wohnung gewesen, um sie zu kontrollieren. Am 13. 5. 2001 habe er sie um 2.00 Uhr nachts telefonisch bedroht ("Sie werde es nicht mehr erleben, wenn sie ihren Anwalt nicht zurückziehe"). Die Antragsgegnerin und ihre beiden Töchter lebten in ständiger Angst, dass der Antragsgegner die Drohungen ausführe. Sie könne in der Nacht nicht schlafen, weil sie immer damit rechnen müsse, dass er heimlich in der Wohnung auftauche. Er stelle ihr ständig nach und treibe sich in der Nacht in dem zur Wohnung gehörigen Garten herum, um - nach dem Überklettern mehrerer Mauern - zu beobachten, ob sie zuhause sei. Ihr Gesundheitszustand sei durch die unerträgliche nervliche Belastung bereits erheblich beeinträchtigt. Es gehe dem Antragsgegner offensichtlich nur darum, sie durch seine Drohungen so zu zermürben, damit sie ihre Scheidungsabsicht aufgebe. Ein weiteres Zusammenleben sei ihr mit dem Antragsgegner nicht mehr zumutbar. Sie habe ein dringendes Wohnbedürfnis an der Ehewohnung. Der Antragsgegner habe eine ausreichende Ersatzwohnung in der S*****gasse *****, *****Wien. Der Antragsgegner beantragte, die begehrte einstweilige Verfügung abzuweisen. Er habe die Antragstellerin weder bedroht noch sei er ihr sonst zu nahe getreten. Die Begegnungen hätten sich auf das einvernehmliche Abholen und Zurückbringen der Kinder beschränkt. Es habe keine Auseinandersetzungen gegeben, sondern vielmehr einige durchaus harmonische Treffen. Die Anschuldigungen der Antragstellerin seien völlig haltlos. Seine Vorstrafen seien ihr bereits vor der Ehe bekannt gewesen, sie habe nie einen Anstoß daran genommen. Die Anschuldigungen seien der psychischen Labilität der Antragstellerin zuzurechnen bzw seien sie Teil ihres Planes, dem Antragsgegner durch Denunzierungen die Rückkehr in die Ehewohnung unmöglich zu machen und seine Beziehung zu den Kindern zu untergraben. Die Antragstellerin sei im Übrigen mit ihm Miteigentümerin von vier Wohnungen in der S*****gasse ***** Wien. Die in seinem Alleineigentum stehende Ehewohnung diene daher nicht der Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung für die Dauer des Scheidungsverfahrens und trug dem Antragsgegner das Verlassen der Ehewohnung und deren unmittelbarer Umgebung auf und verbot ihm die Rückkehr in die Ehewohnung und deren unmittelbare Umgebung. Es nahm dabei folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Der Antragsgegner beobachtete die Ehewohnung von Nachbarhäusern aus, um herauszufinden, wer diese betritt. Er selbst betrat mehrmals den Garten der Ehewohnung, um seine Ehefrau zu beobachten. Er ist nicht gewillt, sich von der Antragstellerin fernzuhalten, sondern möchte sie kontrollieren und überwachen. Die Antragstellerin lebt in ständiger Angst, sie fühlt sich vom Antragsgegner dauernd beobachtet und bedroht. Sie getraut sich nicht mehr das Haus zu verlassen, weil ihr der mehrfach wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Antragsgegner wiederholt mit dem Auto nachfuhr. Er tauchte auch in Lokalen auf, in die sich die Antragstellerin abends begab. Am 16. 7. 2001 versuchte der Antragsgegner mit einem Schlosser und vier Bekannten das Zylinderschloss der Ehewohnung aufzubohren, bis die Polizei einschritt und ihn aufforderte, das gewaltsame Öffnen der Tür zu unterlassen. Die mj. Töchter befanden sich zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung und schrieen. Sie sind durch die Vorfälle völlig verstört und verängstigt.

Die Ehewohnung steht im Alleineigentum des Antragsgegners. Gemeinsam mit der Antragstellerin gehören ihm noch vier weitere Eigentumswohnungen in der S*****gasse *****, ***** Wien. Die Antragstellerin ist auf die Ehewohnung angewiesen, da sich die vier Wohnungen in der S*****gasse im Hochparterre befinden und dort ein ungestörtes Leben ohne mögliche Einflussnahme des Antragsgegners nicht gewährleistet ist.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. 8. 2001, 5aE Vr 5169/01, Hv 2798/01, wurde der Antragsgegner von der Anklage, er habe seine Ehegattin am 10. 4. und 13. 5. 2001 durch verbale Drohungen zur Zurückziehung der Scheidungsklage zu nötigen versucht und kurz vor dem 17. 7. 2001 gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, mangels eines Schuldbeweises freigesprochen. Das Erstgericht vermochte seinerseits nicht festzustellen, ob die diesbezüglichen Vorwürfe der Antragstellerin berechtigt sind. Es konnte auch nicht feststellen, ob die Antragstellerin am 10. und 11. 8. 2000 vom Antragsgegner geschlagen wurde.

Am 29. 6. 2001 beantragte die Antragstellerin die Fortsetzung des Scheidungsverfahrens.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass der Antragstellerin, die auf die Ehewohnung angewiesen sei, durch die festgestellten Verhaltensweisen des Antragsgegners ein weiteres Zusammenleben nicht mehr zumutbar sei; ein solches wäre auch dem psychischen Wohl der Kinder abträglich. Unzumutbar iSd § 382b EO sei ein Zustand, der das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit und die Freiheit bedrohe, aber auch ein sonstiges Verhalten (Psychoterror), das eine Schwere erreiche, die eine Wegweisung durch einstweilige Verfügung rechtfertige. Der Antragsgegner wolle die Antragstellerin kontrollieren und überwachen; sie lebe in ständiger Angst vor ihm.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners Folge und änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass es den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abwies. Es stellte dabei primär auf den Aspekt der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses ab. Dabei handle es sich um eine Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382b EO. Entgegen der vom Erstgericht vertretenen Rechtsauffassung könne nicht von einem dringenden Wohnbedürfnis der Antragstellerin hinsichtlich der Ehewohnung gesprochen werden, wenn ihr noch vier weitere Eigentumswohnungen zur Verfügung stehen. Die Möglichkeit, dass der Antragsgegner die Antragstellerin dort beschatten und kontrollieren könne, reiche nicht für eine Wegweisung aus der Ehewohnung. Die Antragstellerin habe nicht eingewendet, dass eine der vier Eigentumswohnungen in der S*****gasse nicht verfügbar oder adäquat sei. Sollte der Antragsgegner der Antragstellerin das Leben dort unzumutbar machen, stünde es ihr frei, wieder eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO zu beantragen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die Voraussetzungen der §§ 78, 402 EO, § 528 Abs 1 ZPO nicht vorliegen.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss des Rekursgerichtes dahin abzuändern, dass dem Rekurs des Antragsgegners keine Folge gegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Antragsgegner beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht bei der Beurteilung der Frage der Behauptungs- und Beweislast hinsichtlich des dringenden Wohnbedürfnisses iSd § 382b Abs 1 EO von der Rechtsprechung des OGH abgewichen ist; er ist im Übrigen auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht ist aufgrund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht hinsichtlich des dringenden Wohnbedürfnisses auf die Beweisrüge im Rekurs des Antragsgegners nicht eingegangen. Dieser Umstand steht aber einer meritorischen Erledigung nicht entgegen, weil es seit der Entscheidung eines verstärkten Senats zu SZ 66/164 (= JBl 1994, 549 [Pichler]) gesicherte Rechtsprechung ist, dass im Sicherungsverfahren die Überprüfung der Beweiswürdigung des erkennenden Richters durch das Rekursgericht immer dann ausgeschlossen ist, wenn der Sachverhalt - soweit er strittig ist - auf Grund vor dem Erstgericht abgelegter Zeugen- oder Parteienaussagen als bescheinigt angenommen wurde (RIS-Justiz RS0012391). Der vom Erstgericht auf Grund der aufgenommenen Personalbeweise als bescheinigt angenommene Sachverhalt ist daher ungeachtet der Einwendungen im Rekurs des Antragsgegners der rechtlichen Beurteilung zugrundezulegen. Das Gericht hat nach § 382b Abs 1 EO einer Person, die einem nahen Angehörigen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, auf dessen Antrag

1. das Verlassen der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung aufzutragen und

2. die Rückkehr in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verbieten,

wenn die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers dient.

Mit der durch das Gewaltschutzgesetz, BGBl 1996/759, novellierten Regelung der einstweiligen Verfügung, mit der dem Gewalttäter das Verlassen der Wohnung aufgetragen wird, sollten ua die bis dahin zu strengen Voraussetzungen entschärft und die Durchsetzung erleichtert werden (RV 252 BlgNR XX. GP 5; Hopf/Kathrein, Eherecht, § 382b EO Anm 1; Kodek in Angst, EO, § 382b Rz 7). Anders als nach § 382 Abs 1 Z 8 lit b EO setzen die Verfügungen gegen Gewalt in der Familie nicht voraus, dass der Täter dem nahen Angehörigen das Zusammenleben "unerträglich" macht (RV 252 BlgNR XX. GP 6; Hopf/Kathrein aaO Anm 3); es genügt bereits die Unzumutbarkeit. Die nähere Umschreibung des Verhaltens beruht auf einer Abwägung. Klar ist, dass ein effektiver physischer Angriff oder die Drohung mit einem solchen die Ausweisung des Antragsgegners aus der Wohnung rechtfertigt. Neben der physischen soll aber auch die psychische Integrität geschützt werden (Hopf/Kathrein aaO Anm 2; Zechner, Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung, § 382b EO Rz 3). Es soll deshalb auch ein sonstiges Verhalten ("Psychoterror") die Ausweisung ermöglichen, wenn es eine Schwere erreicht, die die strenge Maßnahme der einstweiligen Verfügung angemessen erscheinen lässt (RV 252 BlgNR XX. GP 8; Kodek aaO Rz 7).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens nach § 382b EO sind Ausmaß, Häufigkeit und Intensität des die psychische Gesundheit beeinträchtigenden Verhaltens (vgl RIS-Justiz RS0110446). Der "Psychoterror" ist, weil die Zumutbarkeitsfrage entscheidet, nicht nach objektiven, sondern nach subjektiven Kriterien zu beurteilen (Konecny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung 226 f; Zechner aaO Rz 3). Von Bedeutung ist daher nicht ein Verhalten, das der Durchschnittsmensch als "Psychoterror" empfände, sondern die Wirkung eines bestimmten Verhaltens gerade auf die Psyche des Antragstellers (Zechner aaO Rz 3). Entscheidend sind dabei stets die Umstände des Einzelfalles (Hopf/Kathrein aaO Anm 4). Die mit dem Gewaltschutzgesetz intendierte "Entschärfung" der Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung legt es aber nahe, bei der Prüfung der Voraussetzung der Zumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens zugunsten der Opfer von Gewalttätigkeiten im Familienkreis einen großzügigeren Maßstab anzulegen. Hat der Antragsteller eine erhebliche psychische Beeinträchtigung glaubhaft gemacht, so kann diese Verhaltensweise als Indiz für die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens sprechen (Hopf/Kathrein aaO Anm 4).

Nach den bindenden Feststellungen des Erstgerichtes versucht der Antragsgegner, die Antragstellerin ständig zu beobachten, fährt ihr mit dem Auto nach, schleicht im Garten herum und versuchte auch, entgegen einer getroffenen Abmachung, gewaltsam in die Wohnung einzudringen. Sowohl die Antragstellerin als auch die beiden mj Töchter leben auf Grund dieses Verhaltens des Antragsgegners in ständiger Angst. Wenngleich nicht feststellbar war, dass der Antragsgegner die Antragstellerin auch geschlagen oder gefährlich bedroht hat, so rechtfertigt doch allein schon das festgestellte Verhalten des Antragsgegners die Beurteilung des Erstgerichtes, dass er der Antragstellerin das Zusammenleben unzumutbar macht, indem er einen sogenannten "Psychoterror" ausübt.

Der Schutz erfasst nicht nur die Wohnung, sondern auch deren unmittelbare Umgebung (§ 382b Abs 1 EO). Es sind auch Fälle denkbar, in denen zwar die Person, welche der anderen das weitere Zusammenleben unzumutbar machte, die Wohnung zunächst freiwillig verlassen hat, aber noch insofern ein Schutzbedürfnis besteht, als die geschädigte oder bedrohte Person ein Interesse daran hat, dass der Täter nicht mehr in die Wohnung zurückkehrt und dass dies auch durchsetzbar ist (RV 252 BlgNR XX. GP 8).

Allgemeine Voraussetzung für die einstweilige Verfügung blieb auch nach dem Gewaltschutzgesetz das dringende Wohnbedürfnis des Antragstellers. Eine Abwägung, ob das Wohnbedürfnis des Antragstellers oder des Antragsgegners "dringender" ist, hat nicht stattzufinden (RV 252 BlgNR XX. GP 8). Unabhängig von der materiellen Berechtigung an der Wohnung und unabhängig von einem anhängigen Verfahren soll der Schutz, der aus den vorgenannten Bestimmungen erfließt, drei Monate dauern (§ 382b Abs 4 EO), damit nicht wie bisher in vielen Fällen das Gewaltopfer dem Gewalttäter zu weichen braucht (RV 252 BlgNR XX. GP 6).

Bei der Stellung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat die gefährdete Partei ua die den Antrag begründenden Tatsachen im einzelnen wahrheitsgemäß darzulegen und zu bescheinigen (§ 389 Abs 1 EO). Dazu gehört bei einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs 1 EO auch die Tatsache, dass die Wohnung der Befriedigung des Wohnbedürfnisses dient. Der diesbezüglichen Behauptungslast kam die Antragstellerin nach. Einer besonderen Bescheinigung des Wohnbedürfnisses bedurfte es nicht, weil im gesamten Verfahren ohnehin unstrittig war, dass die Antragstellerin seit Jahren mit den mj. Kindern in der Ehewohnung lebt und diese Wohnung der Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses (und jenes der Kinder) dient. Dies bestätigte auch der Antragsgegner durch die im Scheidungsverfahren geschlossene Vereinbarung vom 29. 3. 2001.

Ob das Wohnbedürfnis ein "dringendes" ist, ist primär eine Rechtsfrage; ihre Lösung hängt ebenfalls von den Umständen des Einzelfalles ab (RIS-Justiz RS0042789). Grundsätzlich kann wie bei § 97 ABGB (vgl Zechner aaO Rz 4, der überzeugend darlegt, dass an das Wohnbedürfnis nach § 382b EO keine strengeren Anforderungen zu stellen sind) auch hier der Gedanke gelten, dass dem betroffenen Ehegatten, dem das Zusammenleben vom anderen unzumutbar gemacht wird, die ihm schon bisher zur Deckung des Wohnbedürfnisses dienende Wohnmöglichkeit erhalten bleiben soll (SZ 54/37; RIS-Justiz RS0009570, RS0009663). In diesem Sinne sehen auch die Gesetzesmaterialien zum Gewaltschutzgesetz vor, dass (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) - völlig unabhängig von der materiellen Berechtigung an der Wohnung - nicht das Gewaltopfer, sondern der Gewalttäter zu weichen hat (RV 252 BlgNR XX. GP 6). Dies berücksichtigt das Rekursgericht nicht ausreichend, wenn es meint, der Antragstellerin "stünde es frei", auch hier wieder eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO zu beantragen, sollte der Antragsgegner tatsächlich der Antragstellerin das Leben dort unzumutbar machen.

Aus dem Vorgesagten kann gefolgert werden, dass das Wohnbedürfnis grundsätzlich solange "dringend" ist, solange nicht der Antragsgegner das Gegenteil darlegt (bzw allenfalls schon aus dem Antrag des Gewaltopfers selbst das Gegenteil folgt). Die Rechtsprechung geht daher davon aus, dass die Behauptungs- und Bescheinigungslast dafür, dass die Ehewohnung nicht der Befriedigung eines "dringenden" Wohnbedürfnisses eines Ehegatten dient, den Antragsgegner trifft; er hat den Ausnahmefall der anderweitigen Deckung des Wohnbedürfnisses seines Ehegatten zu beweisen (vgl SZ 54/37; 4 Ob 503/94 [teilweise in EFSlg 73.843 veröffentlicht]; 6 Ob 325/97f).

Ein dringendes Wohnbedürfnis ist im Allgemeinen nur dann nicht gegeben, wenn eine ausreichende und gleichwertige Unterkunft zur Verfügung steht (König, Einstweilige Verfügungen² Rz 2/159; 4 Ob 278/98f; RIS-Justiz RS0006012). Der Antragsteller müsste in eine Ersatzwohnung kraft eigenen Rechts ausweichen können; in tatsächlicher Hinsicht darf aber die Qualität einer dem Antragsteller zumutbaren Ersatzwohnung sein angemessenes Wohnbedürfnis nicht erheblich unterschreiten. Dabei ist auch auf das Wohl und das Wohnbedürfnis von Kindern, die im gemeinsamen Haushalt leben, Bedacht zu nehmen (Zechner aaO Rz 4 mwN; RIS-Justiz RS0108840). Aus dem Vorgesagten folgt, dass - entgegen der Rechtsauffassung des Rekursgerichtes - das dringende Wohnbedürfnis der Antragstellerin nicht schon deshalb zu verneinen ist, weil sie gemeinsam mit dem Antragsgegner (von dem sie getrennt leben will, weil er ihr das Zusammenleben unzumutbar macht) Miteigentümerin von vier anderen Eigentumswohnungen ist. Es wäre vielmehr am Antragsgegner gelegen, das Fehlen des dringenden Wohnbedürfnisses der Antragstellerin durch die Behauptung entsprechender, über die bloße Existenz von anderen Wohnungen hinausgehender Tatsachen darzutun und dies auch zu bescheinigen. Dass die anderen Wohnungen ausreichend und gleichwertig seien, wurde vom Antragsgegner nicht einmal behauptet. Der Antragstellerin gereicht es daher auch nicht zum Nachteil, dass sie ihrerseits - mangels entsprechender Behauptungen des Antragsgegners - nicht eingewendet hat, dass keine dieser vier Wohnungen in der S*****gasse tatsächlich verfügbar oder adäquat ist. Die bloße Behauptung des Antragsgegners, die Antragstellerin sei gemeinsam mit ihm Miteigentümerin von vier Wohnungen, rechtfertigt noch nicht seine Schlussfolgerung, dass "daher" (automatisch) die in seinem Alleineigentum stehende Ehewohnung nicht der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der Antragstellerin diene. Es sei auch angemerkt, dass hinsichtlich des Wohls und des Wohnbedürfnisses der im gemeinsamen Haushalt mit der Antragstellerin lebenden Kinder vom Antragsgegner überhaupt kein Vorbringen erstattet wurde. Er kam daher der ihm obliegenden Behauptungslast nicht nach. Auf die weiteren in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen, dass die vier Wohnungen in der S*****gasse ohnehin nicht frei stehen bzw die Antragstellerin zufolge teilweiser Schlossänderung gar keinen Zutritt habe, braucht daher nicht eingegangen werden. Es braucht auch nicht erörtert werden, ob die Wohnungen in der S*****gasse schon deshalb unzumutbar seien, weil der Antragsgegner die Antragstellerin dort (allenfalls noch besser) beschatten und kontrollieren könne. Geht man von den erstgerichtlichen Feststellungen aus, erweist sich die vom Erstgericht erlassenen einstweilige Verfügung nach § 382b Abs 1 EO als berechtigt, weshalb sie auf Grund des zutreffenden Revisionsrekurses der Antragstellerin wiederherzustellen war. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 393 Abs 2 EO. Kosten erster Instanz wurden von der Antragstellerin nicht verzeichnet; Kosten zweiter Instanz sind ihr mangels Beteiligung am Rekursverfahren nicht entstanden.

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