Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 11. 6. 1997 aus gleichteiligem Verschulden beider Teile geschieden. Die Streitteile hatten einander lieb- und interesseloses Verhalten vorgeworfen.
Der Ehe der Streitteile entstammen zwei Kinder, der am ***** geborene Michelle und der am ***** geborene Dominik. Die Antragstellerin hat beantragt, ihr die Obsorge über die Kinder zu übertragen. Das Obsorgeverfahren ist noch anhängig.
Die Antragstellerin ist im Herbst 1996 mit den Kindern aus der Ehewohnung in W*****, F*****gasse *****, ausgezogen. Seither lebt sie bei ihren Eltern in W*****, B*****straße *****. Die Ehewohnung hat eine Wohnfläche von 98 m**2 zuzüglich rund 20 m**2 Terrasse; in der 64 m**2 großen Wohnung ihrer Eltern bewohnt die Antragstellerin mit den zwei Kindern ein 12 m**2 großes Zimmer.
Die beengte Wohnsituation hat bereits zu erheblichen Schwierigkeiten zwischen der Antragstellerin und ihren Eltern geführt. Die Eltern drängen die Antragstellerin, die elterliche Wohnung zu verlassen. Die Antragstellerin übernachtet gelegentlich bei ihrer Freundin Dara P*****, mit deren Sohn sie befreundet ist. Sie kann jedoch weder dort dauernd wohnen - die Wohnung ihrer Freundin hat eine Wohnfläche von 40 m**2 - noch hat sie eine andere Wohnmöglichkeit.
Die Eltern des Antragsgegners haben in G***** ein Haus mit einer Wohnfläche von rund 200 m**2. In den letzten Monaten hat sich der Antragsgegner mit seinen Eltern zerstritten. Sie hatten ihn aufgefordert, sich um eine zusätzliche Arbeit umzuschauen. Der Antragsgegner ist auf die finanzielle Unterstützung seiner Eltern angewiesen, weil er die laufenden Kosten der Ehewohnung von S 6.700,-- monatlich nicht aus seinem Einkommen bestreiten kann.
Die Streitteile haben außer Streit gestellt, daß ein Zusammenleben in der Ehewohnung aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Differenzen derzeit nicht möglich ist.
Die Antragstellerin beantragt, ihr mit einstweiliger Verfügung gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO die eheliche Wohnung in W*****, F*****gasse *****, zur alleinigen Benützung zuzuweisen und dem Antragsgegner aufzutragen, die Wohnung zu verlassen. Sie habe die Ehewohnung Mitte November 1996 verlassen müssen, weil die Kinder unter den ständigen Streitigkeiten gelitten hätten. Die Nerven der Antragstellerin seien wegen des Verhaltens des Antragsgegners zerrüttet gewesen. Etwa dreimal wöchentlich habe sie der Antragsgegner beschimpft und einmal auch auf den Kopf geschlagen. Wegen der beengten Wohnverhältnisse drängten ihre Eltern vehement darauf, daß sie die elterliche Wohnung verlasse. Es sei für sie unzumutbar, mit dem Antragsgegner gemeinsam in der Ehewohnung zu wohnen. Der Antragsgegner könne zu seinen Eltern ziehen.
Der Antragsgegner beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Kinder hätten durch den unbegründeten Auszug der Antragstellerin aus der Ehewohnung gelitten. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin weder beschimpft noch geschlagen. Die Antragstellerin verfüge über drei Wohnungen; sie wohne derzeit gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten in dessen Wohnung. Die Mutter der Antragstellerin kümmere sich um die beiden Kinder; sie habe bisher verhindert, daß der Antragsgegner seine Kinder sehen könne. Der Antragsgegner könne nicht bei seinen Eltern in G***** wohnen.
Das Erstgericht wies die Ehewohnung der Antragstellerin vorläufig zu und trug dem Antragsgegner auf, die Wohnung solange nicht mehr zu betreten. Den Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner das Verlassen der Wohnung aufzutragen, wies das Erstgericht ab. Für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung genüge ein Regelungsbedürfnis. Dies sei gegeben, weil die Antragstellerin derzeit nur provisorisch und unzureichend untergebracht sei. Sie sei auf die Benützung der Ehewohnung dringend angewiesen. Die Aufteilungsgrundsätze des § 83 EheG seien sinngemäß zu beachten. Mangels gegenteiligen Vorbringens sei anzunehmen, daß beide Teile gleich viel zur Anschaffung der Ehewohnung beigetragen haben. Die Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin diene dem Wohl der Kinder. Dem Antragsgegner sei es zuzumuten, wieder Kontakt mit seinen Eltern aufzunehmen, um bei ihnen wohnen zu können, oder sich eine andere Wohnung zu suchen. Das an den Antragsgegner gerichtete Verbot, die Ehewohnung zu betreten, diene der Durchführung und Sicherung der einstweilen anzuordnenden ausschließlichen Benützungsbefugnis der Antragstellerin. Für eine Ausweisung des Antragsgegners aus der Ehewohnung biete § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO keine Grundlage. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, daß die Voraussetzungen des § 382b EO gegeben wären.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Eine einstweilige Benützungsregelung, durch die die Ehewohnung einem Ehegatten zur alleinigen Benützung zugewiesen wird, sei einem Auftrag zum Verlassen der Ehewohnung gleichzuhalten. Nach der neuen Gesetzeslage genüge es, daß ein Ehegatte dem anderen ein weiteres Zusammenleben unzumutbar mache. Hiezu sei weder ein entsprechendes Vorbringen erstattet noch ein Sachverhalt bescheinigt worden, der eine Ausweisung des Antragsgegners aus der Ehewohnung rechtfertigen könne. Die im Zusammenhang mit einer Ehescheidung üblicherweise auftretenden Unstimmigkeiten seien kein ausreichender Grund. Das gleiche gelte für beengte und unzureichende Wohnverhältnisse. Ein Regelungsbedürfnis wäre nur gegeben, wenn der Antragstellerin Obdachlosigkeit drohte. Das sei nicht der Fall; der Vater der Antragstellerin habe ausgesagt, daß er sie natürlich nicht vor die Tür setzen werde.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, weil seit der Änderung der Exekutionsordnung durch das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie, BGBl 1996/759, nicht über einen gleichartigen Sachverhalt entschieden wurde; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Die Antragstellerin begehrt eine einstweilige Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO. Danach kann das Gericht je nach Beschaffenheit des im einzelnen Falle zu erreichenden Zweckes auf Antrag die einstweilige Regelung der Benützung oder die einstweilige Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Aufteilung dieses Vermögens oder im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe anordnen. Während die Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse eine einstweilige Verfügung zur Sicherung künftiger Leistungsansprüche ist, die nur unter Voraussetzung der Anspruchs- und Gefahrenbescheinigung bewilligt werden darf, wird durch die einstweilige Regelung der Benützung ehelichen Gebrauchsvermögens kein (künftiger) Aufteilungsanspruch gesichert, sondern eine, wenn auch nur vorläufige rechtsgestaltende Benützungsanordnung erlassen. Dafür genügt es, daß der Antragsteller ein Regelungsbedürfnis dartut (SZ 57/89 = JBl 1985, 245 mwN).
Betrifft die beantragte Regelung die von einem Teil bewohnte Ehewohnung und soll sie dem anderen Teil zur alleinigen Benützung zugewiesen werden, so schließt die einstweilige Verfügung den Auftrag an den Antragsgegner mit ein, die von ihm benützte Wohnung zu verlassen. Zumindest dann, wenn beide Ehepartner ein dringendes Wohnbedürfnis an der Ehewohnung haben, müssen demnach die Voraussetzungen gegeben sein, die dazu berechtigen, einem Ehepartner das Verlassen der Ehewohnung aufzutragen (EFSlg 79.374; 6 Ob 57/97v).
Nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des § 382b EO idF GeSchG BGBl 1996/759 konnte einem Ehepartner das Verlassen der Ehewohnung nur aufgetragen werden, wenn er dem anderen Teil das Zusammenleben
unerträglich machte (§ 382 Abs 1 Z 8 lit b EO; ua SZ 50/81 = EFSlg
30.267 = MietSlg 20.719/19 = RZ 1978/3 ua). Nach § 382b EO reicht es
aus, wenn ein Teil dem anderen das Zusammenleben unzumutbar macht. § 382b EO ist auf Verfahren anzuwenden, die - wie das vorliegende Sicherungsverfahren - nach dem 30. 4. 1997 anhängig gemacht worden sind (Art IV § 1 GeSchG).
Damit muß es auch für einen auf § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO gestützten Antrag, einem Teil die Ehewohnung zur alleinigen Benützung zuzuweisen, genügen, daß der andere Teil ein Verhalten eingenommen hat, das das Zusammenleben in der Ehewohnung unzumutbar macht. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat die Antragstellerin dazu ein ausreichendes Vorbringen erstattet. Sie hat behauptet, das Verhalten des Antragstellers habe ihre Nerven zerrüttet; er habe sie beschimpft und geschlagen. Trifft dies zu, so ist es der Antragstellerin nicht zuzumuten, die Wohnung gemeinsam mit dem Antragsgegner zu nutzen. Da das Erstgericht dazu keine Feststellungen getroffen hat, wird es das Verfahren entsprechend zu ergänzen haben. Die Außerstreitstellung der Parteien, daß ein Zusammenleben in der Ehewohnung aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Differenzen derzeit nicht möglich ist, ersetzt die Verfahrensergänzung nicht, weil daraus nicht hervorgeht, ob, wie von der Antragstellerin behauptet, die Ursache dafür im Verhalten des Antragsgegners gelegen ist.
Bevor dies geklärt ist, kann das Regelungsbedürfnis der Antragstellerin nicht verneint werden, auch wenn sie nicht der Obdachlosigkeit ausgesetzt ist. Nach der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung RZ 1989/42 = EFSlg 58.030 ist die drohende Obdachlosigkeit ein Umstand, der in gleicher Weise wie die vom Antragsgegner verursachte Unerträglichkeit (nunmehr nach dem oben Gesagten: Unzumutbarkeit; § 382b EO) des Zusammenlebens ein Regelungsbedürfnis des Antragstellers begründet.
Im vorliegenden Fall droht der Antragstellerin zwar nicht die Obdachlosigkeit; sowohl sie als auch der Antragsgegner sind aber dringend auf die Ehewohnung angewiesen. Daß die Antragstellerin bei ihren Eltern unterkommen konnte und auch der Antragsgegner allenfalls zu seinen Eltern ziehen kann, vermag das dringende Wohnbedürfnis nicht zu beseitigen. Ein dringendes Wohnbedürfnis ist nämlich im allgemeinen nur zu verneinen, wenn dem Ehegatten eine ausreichende und gleichwertige Unterkunft zur Verfügung steht; er kann nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, sein Wohnbedürfnis bei seinen Eltern zu decken (SZ 50/81 = EFSlg 30.267 = MietSlg 20.719/19 = RZ 1978/3 mwN).
Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Daß die Antragstellerin den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Beschlusses nicht bekämpft hat, hindert seine Aufhebung nicht. Wegen des untrennbaren Zusammenhanges zwischen stattgebendem und abweisendem Teil - eine Zuweisung zur alleinigen Benützung an einen Teil schließt den Auftrag an den die Wohnung benützenden anderen Teil mit ein, die Wohnung zu verlassen - hat die Anfechtung des stattgebenden Teils auch den abweisenden Teil erfaßt.
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