OGH 2Ob292/01g

OGH2Ob292/01g10.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut T*****, vertreten durch Dr. Wilfrid Raffaseder und Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwälte in Freistadt, gegen die beklagten Parteien 1. I***** GmbH & Co KG, 2. I***** GmbH, ***** beide vertreten durch Dr. Georg Maxwald und Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 180.000,-- (= 13.081,11 EUR) samt Anhang und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 3. September 2001, GZ 1 R 157/01s-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 22. März 2001, GZ 1 Cg 299/00m-7, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt von den beklagten Parteien die Zahlung eines Schmerzengeldes von S 180.000 samt Anhang sowie die Feststellung ihrer Haftung für alle künftigen Schäden aus dem Unfallereignis vom 27. 4. 2000 in Freistadt. Hiezu brachte er im Wesentlichen vor, dass die Erstbeklagte, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Zweitbeklagte sei, als Bauführerin für den Zubau seines Hauses beauftragt gewesen sei. Im Zuge dieses Bauvorhabens habe die Erstbeklagte einen Lastenaufzug gegen eine Gebühr zur Verfügung gestellt. Hinsichtlich der Aufstellung dieses Lastenaufzuges sei mit der Erstbeklagten kein Werkvertrag geschlossen worden, sondern sei damit ein Arbeitnehmer der Erstbeklagten im "Pfusch" beauftragt worden. Beim Aufstellen des Lastenliftes sei schließlich das Seil des dazu vom Arbeitnehmer der Erstbeklagten verwendeten Hubzuges gerissen und sei der Kläger durch den zu Boden fallenden Lift schwer verletzt worden. Auf Grund der Bestimmungen des § 1319 ABGB hafteten die Beklagten für die Unfallsfolgen, zumal sie Besitzer und Halter sowohl des Lastenlifts als auch des Hubzuges seien, wobei es sich jeweils um ein Werk im Sinne des § 1319 ABGB handle. Eine Haftung der Beklagten ergebe sich weiters daraus, dass die Erstbeklagte als Bauführer gemäß § 40 der OÖ Bauordnung für die fachtechnische Ausführung des Bauvorhabens verantwortlich sei. Schließlich hätten die Beklagten vertragliche Nebenpflichten aus dem entgeltlichen Benutzungsvertrag verletzt. Ein Dienstgeberhaftungsprivileg für die Beklagten scheide aus.

Die Beklagten wandten im Wesentlichen ein, dass sie hinsichtlich der Aufstellung des Lastenaufzuges nicht Vertragspartner des Klägers gewesen seien, sodass es an der passiven Klagslegitimation mangle. Darüber hinaus scheide eine Haftung nach § 1319 ABGB aus, weil sie nicht Besitzer des (mängelfreien) Bauaufzuges im Sinne dieser Gesetzesbestimmung gewesen seien. Zudem käme ihnen das Dienstgeberhaftungsprivileg gemäß § 333 ASVG zugute und treffe den Kläger am Unfall das Alleinverschulden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es bezeichnete den Sachverhalt als außer Streit stehend bzw unstrittig und nahm - abgesehen von der Verlesung von Urkunden - keine Beweise auf. Die Erstbeklagte hafte weder als Bauführer noch aus der Verletzung allfälliger Schutz- und Sorgfaltspflichten, noch aus § 1319 ABGB, noch aus einem konstitutiven Anerkenntnis.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 260.000 übersteigt und dass die ordentliche Revision - mangels erheblicher Rechtsfragen - nicht zulässig sei. Es führte zur Rechtsrüge zusammengefasst Folgendes aus:

Eine Haftung aus dem Titel Schutzgesetzverletzung (§ 40 Abs 3 OÖ BauO) sei ausgeschlossen, weil sich der Kläger durch die Beauftragung eines "Pfuschers" hinsichtlich dessen Arbeiten des Haftungsfonds der Beklagten begeben habe. Eine eventuelle Verletzung von Aufklärungsbzw Schutz- und Sorgfaltspflichten hätte nur dann bestanden, wenn die Beklagten Kenntnis vom Einsatz des Hubzuges gehabt hätten. Dieser Umstand sei vom Kläger aber nicht einmal behauptet worden. Wenn sich diese "Feststellung" aber trotzdem im angefochtenen Urteil finde, so handle es sich dabei um eine "überschießende Feststellung", die nach ständiger Rechtsprechung nur dann zu berücksichtigen wäre, wenn sie in den Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes oder einer bestimmten Einwendung fallen würde. Da der Kläger sein Begehren nicht auf das Wissen der Beklagten vom Einsatz des Hubzuges gestützt habe, sei die diesbezüglich überschießende Feststellung unbeachtlich. Abgesehen davon könne von einer Verletzung nebenvertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten durch die Beklagten nicht ausgegangen werden, weil eine derartige Annahme im konkreten Fall den Bogen überspannen würde. Schließlich scheide eine Haftung nach § 1319 ABGB aus, weil es sich bei Lastenaufzug und Hubzug mangels entsprechender Verbindung zum Grundstück nicht um Werke im Sinne dieser Gesetzessstelle handle; überdies sei eine Mangelhaftigkeit des Lastenaufzuges bzw des Hubzuges vom Kläger nicht behauptet worden.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben. Die Revision ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, die Erstbeklagte treffe die Haftung als Bauführer nach den einschlägigen Bestimmungen der Oberösterreichischen Bauordnung, die als Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB anzusehen seien, aus der Verletzung nebenvertraglicher Schutzpflichten, weil sie den Kläger über die Gefahren beim Aufstellen des von ihm entlehnten Bauaufzuges nicht aufgeklärt habe, sowie als Halter der verwendeten Baugeräte, die als Werke im Sinne des § 1319 ABGB anzusehen seien.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Aus der geltend gemachten Bauführerhaftung gemäß § 40 Abs 3 OÖ BauO ist für den Kläger - ausgehend von seinem Vorbringen - nichts zu gewinnen, weil die Verantwortlichkeit des Bauführers nur gegenüber der Baubehörde besteht; die zivilrechtliche Haftung bleibt unberührt. Für im Innenverhältnis von ihm nicht übernommene Arbeiten haftet der Bauführer grundsätzlich nicht (vgl 2 Ob 266/99b = bbl 2000/55 zum "Scheinbauführer"; 3 Ob 1602/92 = RIS-Justiz RS0022035; 7 Ob 82/97b = RdW 1997, 717).

Was eine Haftung nach § 1319 ABGB anlangt, so mag es sein, dass ein Lastenaufzug (wie ein Baugerüst; vgl Reischauer in Rummel2 § 1319 ABGB Rz 4 mwN) ein Werk im Sinne dieser Gesetzesstelle ist. Eine entsprechende Haftung der Erstbeklagten kommt hier aber schon deshalb nicht in Frage, weil sie jedenfalls während der Aufstellung, die nach den Klagsbehauptungen vereinbarungsgemäß von einem Dritten durchgeführt wurde, mangels Verfügungsgewalt nicht Halter war (vgl Reischauer aaO Rz 12 mwN).

Die Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten hat der Kläger schon in der Klage geltend gemacht. Eine solche Verletzung wäre es, wenn die Erstbeklagte Kenntnis von der Aufstellung ihres dem Kläger entgeltlich zur Verfügung gestellten Lastenaufzuges durch einen Dritten und vom Einsatz ihres hiefür möglicherweise ungeeigneten Hubzuges gehabt und eine Warnung unterlassen hätte. Eine entsprechende Feststellung wäre - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes - keineswegs "überschießend". Allerdings liegen ausreichende Feststellungen nicht vor, weil der vom Erstgericht als unstrittig wiedergegebene Sachverhalt in wesentlichen Teilen strittig ist (vgl nur die Berufungsbeantwortung AS 46) und - abgesehen von der Verlesung von Urkunden - ein Beweisverfahren unterblieben ist. Die Urteile der Vorinstanzen waren daher mangels Spruchreife unter Rückverweisung an das Erstgericht aufzuheben; dieses wird nach der Durchführung der erforderlichen Beweisaufnahmen Sachverhaltsfeststellungen zu treffen haben, die eine abschließende Beurteilung der Rechtssache erlauben. Weiterer Rechtsausführungen bedarf es im derzeitigen Verfahrensstadium nicht. Bemerkt wird nur noch, dass das Dienstgeberhaftungsprivileg gemäß § 333 ASVG der Erstbeklagten im Falle der einvernehmlichen Aufstellung des Lastenaufzuges durch einen Dritten nicht zu Gute käme, weil der Kläger dann hiebei nicht in den Betrieb der Erstbeklagten eingegliedert gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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