Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 21.510,-- (darin S 3.585,-- USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 23. 6. 1994 beauftragte die Klägerin die H*****GmbH (im folgenden kurz: H-GmbH), auf einem von ihr gepachteten Grundstück ein schlüsselfertiges Einfamilienhaus als Superädifikat zu errichten. Der Baubewilligung vom 28. 9. 1994 lag der Einreichplan vom 14. 6. 1994 zugrunde, der von der Klägerin als Bauwerberin, dem Grundeigentümer, der H-GmbH als Planverfasserin und dem (inzwischen am 21. 4. 1998 verstorbenen) DI Dr. Walter B***** (im folgenden weiterhin kurz: Beklagter) als Bauführer gefertigt worden war.
Die Klägerin begehrte S 500.000,-- sA und die Feststellung, die beklagte Partei hafte für künftige Schäden aus der Unterlassung der ordnungsgemäßen Bauführertätigkeit bis 26. 6. 1995. Sie habe die H-GmbH mit der Errichtung eines Superädifikates auf ihrem Pachtgrundstück beauftragt. Der Beklagte, ein Zivilingenieur für Bauwesen, habe mit ihr ursprünglich keinen Kontakt gehabt, sei jedoch als Bauführer aufgeschienen und habe in dieser Eigenschaft den Einreichplan unterfertigt. Der Baubewilligungsbescheid sei auch dem Beklagten zugegangen. Tatsächlich habe er den Bau aber weder ausgeführt, noch dessen planmäßige Ausführung überwacht. Das Haus sei derart plan- und konsenswidrig errichtet worden, dass die MA 37 am 11. 12. 1995 einen Abbruchbescheid erlassen habe, der mit Berufungsbescheid der Magistratsdirektion bestätigt worden sei. Um den Verlust des Hauses zu vermeiden, habe sich die Klägerin um eine Ausnahmegenehmigung nach § 71 BauO für Wien bemüht, für die aber die Zustimmung des Grundeigentümers erforderlich gewesen sei. Dieser habe seine Zustimmung von der Zustimmung des Grundstücksnachbarn der Klägerin abhängig gemacht, der für seine Zustimmung S 500.000,-- verlangt und von der Klägerin am 2. 10. 1996 auch erhalten habe. Die Ausnahmegenehmigung sei ihr sodann erteilt worden. Da der Beklagte seiner übernommenen Bauführertätigkeit nicht nachgekommen sei, hafte er der Klägerin für diese S 500.000,--. Weiters hafte er ihr auch als Scheinbauführer.
Der Beklagte wendete ein, er stehe in keiner Rechtsbeziehung zur Klägerin. Er selbst sei nie als tatsächlicher Bauführer vorgesehen gewesen, sondern habe nur aus Gefälligkeit die Einreichpläne als Bauführer unterfertigt. Eine solche Unterfertigung sei nach § 65 BauO für Wien für die Erteilung einer Baubewilligung erforderlich, doch begründe dies kein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien. Es habe ihn keinerlei Verpflichtung, insbesondere keine Überwachungspflicht getroffen. Er habe nie einen Auftrag zur Bauausführung erhalten. Er habe den Bauplan unentgeltlich unterschrieben; seine Tätigkeit als Bauführer habe nur die Einreichphase umfasst.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und traf im Wesentlichen folgende weitere Feststellungen:
Es gab keine direkten Kontakte zwischen der Klägerin und dem Beklagten, doch bezeichneten Vertreter der H-GmbH sowohl der Klägerin als auch deren Gatten gegenüber den Beklagten als Baumeister, der auch Bauführer sein sollte und durch seine Unterschrift auf dem Einreichplan ausgewiesen sei. Zum Zeitpunkt der Unterfertigung war der Beklagte Zivilingenieur für Bauwesen mit aufrechter Befugnis, Baumeister und emeritierter Hochschulprofessor. Bis 30. 4. 1995 war er gewerberechtlicher Geschäftsführer einer GmbH, die auch Subunternehmerin für die Ausführung der Bodenplatte des Hauses der Klägerin war. Von Anfang an war nie beabsichtigt, dass der Beklagte den Bau für die Klägerin ausführen sollte. Er hatte dafür auch kein Bauunternehmen oder die erforderlichen Arbeiter. Allerdings war bekannt, dass sich der Beklagte gegen Entgelt als gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Verfügung stellte, weshalb die Innung immer wieder Interessenten zu ihm schickte, die einen gewerberechtlichen Geschäftsführer für ein Bauunternehmen brauchten. Der Baubewilligungsbescheid vom 28. 9. 1994 wurde dem Beklagten zugestellt. Der Beklagte errichtete in der Folge weder den Bau für die Klägerin, noch überwachte er dessen plan- und konsensmäßige Ausführung. Auch den Baubeginn zeigte er der Behörde nicht an. Das Haus der Klägerin wurde von der H-GmbH bzw deren Subunternehmer in der Folge derart plan- und konsenswidrig errichtet, dass die MA 37 am 11. 12. 1995 einen Abbruchbescheid erließ, weil der Rohbau nicht wie im genehmigten Lageplan 4 m parallel zur rechten Grundgrenze, sondern schräg in einem Abstand von 2,5 bis 1,5 zur rechten Grundgrenze und außerdem in Richtung der Straße verschoben errichtet worden war. Dieser Abbruchbescheid wurde mit Bescheid der Magistratsdirektion als Bauoberbehörde für Wien vom 30. 4. 1996 bestätigt. Um einen Totalabbruch zu verhindern, bemühte sich die Klägerin um eine Ausnahmebewilligung nach § 71 BauO für Wien, wofür die Zustimmung des Grundeigentümers erforderlich war, welcher seine Zustimmung vom Einverständnis des beeinträchtigten Pächters des Nachbargrundstücks abhängig machte. Dieser war nur gegen Bezahlung von S 500.000,-- bereit, seine Zustimmung zu erteilen. Um noch größeren Schaden abzuwenden, bezahlte die Klägerin die geforderte Summe.
Mit Schreiben vom 26. 6. 1995 gab der Beklagte der MA 37 seine Zurücklegung der Bauführung bekannt, nachdem er von dieser eine Ladung zu einer Bauverhandlung erhalten hatte, weil das Haus ohne Bauanzeige ausgeführt worden war. Dieses Schreiben übermittelte er auch der Klägerin. Der Beklagte legte seine Befugnis als Zivilingenieur für Bauwesen per 31. 12. 1997 zurück. Außer Streit steht, dass die MA 37 keinen Abbruchbescheid erlassen hätte können, wenn die im Bauplan vorgesehenen Abstände in der Natur eingehalten worden wären.
Rechtlich erachtete das Erstgericht, der Beklagte hätte in Kenntnis, dass er das Werk nie ausführen werde, nach Erhalt der Baubewilligung seine Bauführereigenschaft niederlegen müssen, wenn er nicht gegenüber der Behörde und der Klägerin weiter als Bauführer verantwortlich sein wollte. Dies habe er jedoch nicht getan. Er habe sich auch nicht darum gekümmert, ob der Bau überhaupt und entsprechend den Plänen und dem behördlichen Konsens ausgeführt werde. Dieses Verhalten sei rechtswidrig, weil er zugelassen habe, dass der Bau unter seine Ägide als Bauführer tatsächlich, aber nicht von ihm ausgeführt wurde. Dieses rechtswidrige Verhalten sei dem Beklagten auch als Verschulden zuzurechnen, weil er in seiner Eigenschaft als Zivilingenieur für Bauwesen und als Baumeister habe wissen müssen, was ein Bauführer sei und er auch im Falle der Ausführung durch andere Unternehmen als solcher aufgeschienen sei, ohne es tatsächlich zu sein. Dieses rechtswidrige und schuldhafte Verhalten begründe seine Haftung der Klägerin gegenüber aus dem Titel des Schadenersatzes für den aus seinem Verhalten resultierenden kausalen Schaden. Außer Streit stehe, dass der Schaden nicht eingetreten wäre, wenn der Bau bauplan- und konsensgemäß ausgeführt worden wäre, wenn also der Beklagte den Bau entweder als Bauführer selbst errichtet oder für eine plan- und konsensgemäße Ausführung durch ein anderes Unternehmen gesorgt hätte. Durch die Bezahlung der S 500.000,-- an den Nachbarn habe die Klägerin ihrer Schadensminderungspflicht genügt, weil sie dadurch einen Totalabbruch des Rohbaues und damit einen höheren Schaden hintangehalten habe. Der Beklagte bzw die Verlassenschaft nach ihm, die seine Rechtspersönlichkeit fortsetze, sei daher verpflichtet, der Klägerin den eingetretenen Schaden in Höhe von S 500.000,-- zu ersetzen. Da die Klägerin für ihr Haus lediglich eine Ausnahmebewilligung nach § 71 BauO für Wien erhalten habe und künftige Folgen von vornherein nicht auszuschließen seien, sei auch dem Feststellungsbegehren stattzugeben.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass das Klagebegehren abgewiesen wurde und sprach aus, dass die ordentliche Revision - mangels erheblicher Rechtsfragen - nicht zulässig sei. Es legte seiner Entscheidung die Feststellungen des Erstgerichtes zugrunde und führte zur Rechtsfrage folgendes aus:
Nach den Feststellungen des Erstgerichtes habe die Klägerin die H-GmbH mit der Errichtung eines schlüsselfertigen Einfamilienhauses als Superädifikat beauftragt. Der Beklagte habe zwar die Einreichpläne als Bauführer unterschrieben, doch sei von Anfang an nie beabsichtigt gewesen, dass er den Bau für die Klägerin ausführen sollte. Er habe dafür auch kein Bauunternehmen bzw auch nicht die erforderlichen Arbeiter gehabt. Durch die H-GmbH und deren Subunternehmer sei das Haus der Klägerin dann auch (plan- und konsenswidrig) errichtet worden. Daraus ergebe sich nun zwar ein Vertragsverhältnis (Werkvertrag) zwischen der Klägerin und der H-GmbH, nicht jedoch ein solches zwischen der Klägerin und dem Beklagten. § 65 BauO für Wien, der die Unterfertigung der Baupläne und die Verantwortlichkeit im Baubewilligungsverfahren regle, lasse die zivilrechtliche Seite des Baugeschehens unberührt, weil er die Verantwortlichkeit der am Baubewilligungsverfahren Beteiligten gegenüber der Baubehörde festlege und nicht ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien regle. Das Innenverhältnis zwischen dem Bauwerber und dem Bauführer werde durch die Bestimmungen der Bauordnung nicht berührt. Der Beklagte habe lediglich die Baupläne unterfertigen sollen, damit die Baubewilligung erteilt werden konnte. Die Baupläne seien inhaltlich in Ordnung gewesen. Mit Erteilung der Baubewilligung sei die Funktion des Beklagten erfüllt gewesen. Bauführer sei derjenige, der im fremden Auftrag und für fremde Rechnung als Unternehmer ein Bauwerk herstelle. Dies treffe nach dem Gesagten auf den Beklagten in keiner Weise zu. Die tatsächliche Bauführung habe die H-GmbH übernehmen sollen, die den Bau auch auszuführen begonnen habe. Die Tatsache, dass diese den Bau planwidrig ausgeführt habe, könne dem Beklagten nicht zugerechnet werden, weil er nicht die tatsächliche Bauführung übernommen habe und daher auch nicht verpflichtet gewesen sei, die planmäßige Ausführung des Hauses zu beaufsichtigen. Vielmehr habe die H-GmbH selbst die Funktion des Bauführers ausgeübt. Dies hätte die Bauwerberin (Klägerin) der Baubehörde auch bekannt geben müssen (§ 124 BauO für Wien). Für die Tatsache, dass der Beklagte der Baubehörde gegenüber erst am 26. 6. 1995 die Bauführung zurückgelegt und bekanntgegeben habe, dass er nie mit der tatsächlichen Bauführung befasst gewesen sei, könne er nur verwaltungsrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Zivilrechtlich ergäben sich daraus jedoch im Verhältnis zur Klägerin keinerlei Wirkungen. Die maßgeblichen Bestimmungen der Bauordnung beträfen nur das Verhältnis der am Bauverfahren Beteiligten zur Baubehörde und blieben die Beziehungen der beteiligten Personen untereinander unberührt. Eine vertragliche Haftung des Beklagten für die Folgen der plan- und konsenswidrigen Bauführung scheide daher schon mangels eines Vertragsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beklagten aus. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der BauO für Wien stellten auch keine Schutzgesetze dar, wie dies zum Beispiel bei § 113 Abs 7 und § 123 BauO für Wien der Fall wäre. Es entfalle daher auch eine Haftung des Beklagten nach § 1311 ABGB.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist - mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof zu den einschlägigen Bestimmungen - zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, der Beklagte sei seinen sich aus der BauO für Wien ergebenden Pflichten als nach außen hin in Erscheinung tretender Bauführer schuldhaft nicht nachgekommen, weshalb er unter Berücksichtigung des Schutzgesetzcharakters der §§ 124, 125 BauO für Wien der Klägerin für seine Unterlassungen in vollem Umfang schadenersatzpflichtig sei.
Hiezu wurde erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass in der Revision ein Vertragsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagtem nicht behauptet wird. Ein solches ist auch nicht dadurch begründet worden, dass Leute der H-GmbH der Klägerin gegenüber den Beklagten als Bauführer bezeichnet haben; vielmehr musste der Klägerin auf Grund der Umstände klar sein, dass der Beklagte den Bau nicht ausführt, sondern die H-GmbH von ihr beauftragt wird.
Gemäß § 65 Abs 1 BauO für Wien sind die - hier nicht schadenskausalen - Baupläne unter anderem vom Bauführer zu unterfertigen; dieser haftet gemäß § 125 Abs 1 lit a leg cit unter anderem für die - hier nicht erfolgte - Einhaltung der Baupläne, die nach diesem Gesetz ausgeführt werden dürfen.
Die Bestimmungen der BauO für Wien über die Verantwortlichkeiten im Baubewilligungsverfahren und bei der Bauausführung betreffen nach den Gesetzesmaterialien die verwaltungsrechtliche Verantwortung gegenüber der Behörde und nicht die zivilrechtliche Seite; das privatrechtliche Verhältnis zwischen den Beteiligten (Bauwerber und Bauführer) wird hiedurch nicht berührt (vgl zu den §§ 65 und 125 der BauO für Wien die EB zur Novelle 1976, abgedruckt bei Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften3 355, 530).
Im vorliegenden Fall ist der Beklagte als Bauführer nur aufgetreten, um den öffentlich-rechtlichen Anforderungen Genüge zu tun; eine tatsächliche Durchführung oder Überwachung der Bauausführung durch ihn war gar nicht beabsichtigt. Es kann auf sich beruhen, ob die betreffenden Vorschriften in einem solchen Fall als Schutzgesetz zu Gunsten geschädigter Dritter angesehen werden könnten; der Bauwerber, der den Bau tatsächlich von einem anderen Bauführer als dem auf dem Bauplan aufscheinenden ausführen lässt, befindet sich jedenfalls nicht im persönlichen Schutzbereich der Norm (vgl hiezu Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/21 mwN; Reischauer in Rummel2 § 1311 ABGB Rz 13 mwN; Karollus, Funktion und Dogmatik der Haftung aus Schutzgesetzverletzung 340, 346 mwN).
Wer sich also gegenüber der Behörde eines "Scheinbauführers" bedient (der den Bau nach dem Willen der Beteiligten eben nicht ausführen soll), kann diesen nicht wegen Verstoßes gegen die Bauordnung für die plan- und konsenswidrige Bauführung des tatsächlich beauftragten Bauführers haftbar machen.
Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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