OGH 8ObS223/01d

OGH8ObS223/01d13.12.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Wilhelm Koutny und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alfred P*****, vertreten durch Dr. Christian Nurschinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland, 1050 Wien, Geigergasse 5-9, nunmehr: IAF-Service GmbH, wegen S 465.000,-- netto sA Insolvenz-Ausfallgeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juli 2001, GZ 8 Rs 213/01d-55, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei (einschließlich ihres Antrages auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens) wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht wies das nach der IESG-Nov 1997 (Ausgleichseröffnung 3. 2. 1998) zu beurteilende Klagebegehren auf Insolvenz-Ausfallgeld zur Gänze ab, weil das Verhalten des Klägers einem Fremdvergleich nicht standhalte: Der Kläger war bereits in dem unmittelbar vorangegangenen Dienstverhältnis bei einem in der Folge insolventen Bauunternehmen tätig und war mit der Institution des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds vertraut. Nach längerer Arbeitsuche war er bis zu seinem vorzeitigen Austritt knapp vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens insgesamt 15 Monate als Bauleiter bei der späteren Gemeinschuldnerin beschäftigt, obwohl er stets - bereits im ersten Monat - nur Akontozahlungen und die letzten 6 Monate überhaupt kein Entgelt mehr erhielt; er erhielt im gesamten Zeitraum insgesamt nur S 184.600,--, das sind ca 35 % des für diesen Zeitraum gebührenden Nettolohnes, als Akontozahlungen.

Als erhebliche Rechtsfrage macht der Kläger einerseits geltend, dass seine Beweisanbote zur Interpretation seines Verhaltens - er sei nicht ausgetreten, weil er nur schwer einen neuen Arbeitsplatz hätte finden können - abgelehnt worden seien, weil das Beweisergebnis ohnedies feststehe; hiezu ist zu bemerken, dass diese Beweisanbote abgelehnt wurden, weil sie aus rechtlichen Gründen unerheblich waren. Ergibt sich nämlich aus sämtlichen heranzuziehenden objektiven Anhaltspunkten der Schluss, dass zumindest der bedingte Vorsatz einer Überwälzung des Finanzierungsrisikos anzunehmen ist, so kann dieser nicht durch den Beweis der konkreten Absichten des Arbeitnehmers

widerlegt werden (8 ObS 206/00b = DRdA 2001/37 [Anzenberger] = RdW

2001/451, 462 = WBl 2001/91 = ZIK 2001/117 mwN).

Andererseits meint der Revisionswerber, es sei die Rechtsfrage erheblich, ob Art 10 der Richtlinie 80/987/EWG den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zugestehe, die Übertragung des Finanzierungsrisikos unter dem Oberbegriff "Vermeidung von Missbräuchen" zu subsumieren und zu pauschalieren, und wie weit diese Regelungen greifen dürften. Hiezu beantragt er die Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof. Davon abgesehen, dass ein solcher Antrag - selbst wenn ein zulässiges Rechtsmittel vorliegen würde - unzulässig wäre, weil den Parteien ein solches Antragsrecht nicht zusteht, sieht sich der erkennende Senat auch von Amts wegen nicht veranlasst, eine solche Vorabentscheidung einzuholen. Er hat in der oben genannten Entscheidung umfassend dargelegt, dass seine Rechtsprechung mit der Richtlinie 80/987/EWG infolge des Missbrauchsvorbehaltes in Art 10 vereinbar ist.

Im Rahmen der Rechtsrüge wendet sich der Revisionswerber gegen die angeblichen Pauschalüberlegungen eines Fremdvergleichs; es sei eine Einzelfall bezogene Sicht angebracht. Jedenfalls aber könne nur jener Teil auf Entgelt verloren gehen, der von der unzulässigen Verlagerung des Finanzierungsrisikos betroffen sei.

Zum ersten Punkt wird auf die bereits eingangs zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hingewiesen, dass keineswegs eine Pauschalbeurteilung vorzunehmen ist, sondern anhand sämtlicher objektiver Anhaltspunkte im Einzelfall zu prüfen ist, ob sie den Schluss zulassen, dass zumindest der bedingte Vorsatz einer Überwälzung des Finanzierungsrisikos anzunehmen ist. Im Hinblick auf die oben wiedergegebenen Umstände des Einzelfalles, kann in der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes, der Sachverhalt indiziere, auch wenn hier eine familiäre Nahebeziehung fehle, eine bewusste Verlagerung des Finanzierungsrisikos auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, keine krasse Fehlbeurteilung erblickt werden (8 ObS 183/93i = WBl 1999, 170; 8 ObS 192/98p = WBl 1999, 81 = DRdA 1999, 149 ua; vgl insbesondere den ähnlich gelagerten Fall 8 ObS 252/00t).

Der Oberste Gerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein Arbeitnehmer, der sich entschließt, trotz Nichtzahlung des Lohnes über längere Zeit im Unternehmen tätig zu bleiben, ohne auch nur ernsthaft zu versuchen, die aushaftenden Beträge hereinzubringen, damit bewirkt, dass das insoweit atypisch gestaltete Arbeitsverhältnis insgesamt aus dem Schutzbereich des IESG fällt und die aus diesem Arbeitsverhältnis resultierenden Ansprüche in vollem Umfang ungesichert sind; dies gilt auch für die beendigungsabhängigen Ansprüche (8 ObS 56/00v = WBl 2000/216; 8 ObS 153/00h = RdW 2000/742 uva; zuletzt etwa 8 ObS 252/00t).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte