Spruch:
Die außerordentliche Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Erstgerichts, die Ehe der Streitteile aus gleichteiligem Verschulden zu scheiden, dahin abgeändert, dass es aussprach, dass das überwiegende Verschulden die Beklagte treffe. Das Berufungsgericht hat weiters ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die Beklagte hat an das Berufungsgericht den Antrag gerichtet, den Zulassungsausspruch gemäß § 508 ZPO abzuändern und unter einem (ordentliche) Revision erhoben. Der Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs gemäß § 508 ZPO ist verfehlt, weil in Streitigkeiten über die Scheidung (§ 49 Abs 2 Z 2 b JN, § 502 Abs 5 Z 1 ZPO) dann, wenn das Berufungsgericht im Berufungsurteil nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ausgesprochen hat, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zuässig sei, eine außerordentliche Revision erhoben werden kann (§ 505 Abs 4 ZPO), ohne dass es einer Abänderung des Ausspruches über die Zulässigkeit der Revision durch das Berufungsgericht bedarf. Die Begründung des Antrags auf nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision gemäß § 508 Abs 1 ZPO hat sich inhaltlich mit der Zulassungsbeschwerde gemäß § 506 Abs 1 Z 5 ZPO zu decken. Die ordentliche Revision gemäß § 508 Abs 2 ZPO wird daher in eine außerordentliche Revision gemäß § 505 Abs 4 ZPO umgedeutet (vgl RIS-Justiz RS0110049, zuletzt etwa 7 Ob 244/00h; 7 Ob 85/01b und 1 Ob 160/01p).
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Beklagten ist aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegen:
Nach ständiger Rechtsprechung hängt die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung zum Verschulden der Eheleute an der Zerrüttung der Ehe immer von den Umständen des Einzelfalles ab (6 Ob 188/00s; 1 Ob 182/01i uva). Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und welchen das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, ist eine Frage des konkreten Einzelfalles, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen - nicht als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist. Geht das Berufungsgericht bei der Verschuldensteilung im Ehescheidungsverfahren von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen aus, so liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RIS-Justiz RS0044188 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen).
Der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten nach § 60 Abs 2 Satz 2 EheG setzt voraus, dass das Verschulden dieses Ehegatten erheblich schwerer wiegt und das geringere Verschulden des anderen Teils fast völlig in den Hintergrund tritt. Es muss ein sehr erheblicher gradueller Unterschied im beiderseitigen Verschulden bestehen, der offenkundig hervortritt (RIS-Justiz RS0057821 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen).
Bei der Verschuldensabwägung müssen die beiderseitigen Eheverfehlungen in ihrem Zusammenhang gesehen werden, wobei das Gesamtverhalten und nicht eine Gegenüberstellung der einzelnen Verfehlungen maßgeblich ist. Vor allem ist zu berücksichtigen, welche Partei mit der schuldhaften Zerstörung der Ehe begonnen hat und wer den entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung geleistet hat (RIS-Justiz RS0056597 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Unheilbare Ehezerrüttung iSd § 49 EheG ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört haben (RIS-Justiz RS0056832). Während die Wertung, ob die wesentliche Grundlage für die Fortführung der Ehe bei einem Teil subjektiv zu bestehen aufgehört hat, dem irreversiblen Tatsachenkomplex zuzurechnen ist (EFSlg 87.457 mwH uva), stellt die Frage, ob die Ehe objektiv unheilbar zerrüttet ist, eine aufgrund der Feststellungen zu entscheidende Rechtsfrage dar (EFSlg 78.636; EFSlg 87.456 uva). Eheverfehlungen nach Zerrüttung der Ehe spielen im Allgemeinen keine entscheidende Rolle; sie sind (nur) dann von Bedeutung, wenn sie der verletzte Ehegatte bei verständiger Würdigung noch als zerrüttend empfinden durfte oder eine Vertiefung der Zerrüttung durch diese Verfehlungen nicht ausgeschlossen werden kann (RIS-Justiz RS0057389).
Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der unbekämpft gebliebenen erstgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen die Rechtsfragen, wann die Zerrüttung der Ehe der Streitteile eintrat und durch welche Eheverfehlungen sie ausgelöst wurde, im Einklang mit diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen beantwortet. Seine Rechtsauffassung, die Beklagte habe das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe der Streitteile zu vertreten, kann nach dem festgestellten Sachverhalt nicht als unvertretbar angesehen werden.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kommt der Entscheidung daher keine über den vorliegenden Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung zu. Das demnach unzulässige Rechtsmittel war zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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