OGH 6Ob177/01z

OGH6Ob177/01z29.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Wels zu FN ***** eingetragenen E*****, wegen Verhängung von Zwangsstrafen nach § 283 HGB, über den Revisionsrekurs der Geschäftsführer 1. Ing. Wilhelm P*****, 2. Karl A*****, und 3. Josef Z*****, alle vertreten durch Haslinger, Nagele & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 8. Juni 2001, GZ 6 R 89/01b-24, womit der Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 5. April 2001, GZ 27 Fr 100/99x-21, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Revisionsrekurswerber sind Geschäftsführer der im Firmenbuch des Landesgerichtes Wels unter FN ***** eingetragenen E*****, deren Stammkapital 30,000.000 S beträgt und zur Gänze geleistet ist. Nach der Bekanntgabe der Größenmerkmale zur Einordnung in die Größenklassen nach § 221 Abs 1 bis 3 HGB für das Geschäftsjahr 1997 handelt es sich um eine große Gesellschaft mbH.

Nach vergeblicher Aufforderung, den Jahresabschluss zum 31. 12. 1997 offenzulegen, verhängte das Erstgericht mit Beschluss vom 13. 9. 1999 die angedrohte Zwangsstrafe von je 10.000 S über die Geschäftsführer; gleichzeitig forderte es sie neuerlich zur Einreichung der Unterlagen binnen zwei Monaten nach Rechtskraft des Beschlusses auf, widrigens die Zwangsstrafe auf je 20.000 S erhöht und der Beschluss über die verhängte Zwangsstrafe auf Kosten der Gesellschaft veröffentlicht werde. Rekurs und Revisionsrekurs der Geschäftsführer dagegen blieben erfolglos. Sowohl das Rekursgericht als auch der Oberste Gerichtshof (6 Ob 14/00b) verneinten eine Primär- und Grundrechtswidrigkeit der österreichischen Offenlegungsvorschriften und sahen keine Veranlassung, der Anregung der Geschäftsführer auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens Folge zu leisten. Nach Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 14/00b legten die Geschäftsführer am 20. Februar 2001 unter Verwendung des für die Offenlegung für kleine Gesellschaften mit beschränkter Haftung gemäß § 278 Abs 2 HGB vorgesehenen Formblattes eine verkürzte Bilanz zum 31. 12. 1997 sowie einen verkürzten Anhang vor und erklärten, zu einer Offenlegung der Gewinn- und Verlustrechnung sowie auch des Lageberichtes im Hinblick auf die Marktsituation aus Gründen des Datenschutzes nicht bereit zu sein. Das Erstgericht habe selbst durch Vorlage eines Ersuchens um Vorabentscheidung an den EuGH Zweifel an der Grundrechtskonformität der Offenlegungsvorschriften zum Ausdruck gebracht, es erscheine somit legitim, bis zur Klärung durch den EuGH bloß diejenigen Bilanzunterlagen vorzulegen, die (nach Auffassung der Rechtsmittelwerber) zur Erfüllung des mit den Vorschriften verfolgten Zweckes notwendig seien. Auch ein neuerlicher erstgerichtlicher Auftrag zur Nachreichung der noch fehlenden Unterlagen blieb erfolglos, die nach § 224 Abs 2 und 3 HGB angeführten Posten fehlen ebenso wie die Gewinn- und Verlustrechnung, der Lagebericht und der Vorschlag und der Beschluss über die Ergebnisverwendung.

Mit Beschluss vom 5. 4. 2001 (ON 21) verhängte das Erstgericht die zuvor angedrohte Zwangsstrafe von je 20.000 S über jeden der Geschäftsführer und ordnete die Veröffentlichung des Beschlusses auf Kosten der Gesellschaft an; gleichzeitig forderte es die Geschäftsführer neuerlich zur Einreichung der vollständigen Rechnungsunterlagen nach §§ 277 bis 280 HGB zum 31. 12. 1997 binnen vier Wochen unter Androhung einer weiteren Zwangsstrafe von je 50.000 S auf.

Das Rekursgericht gab dem gegen die Verhängung der Zwangsstrafen gerichteten Rekurs der Geschäftsführer nicht Folge. Durch Vorlage einer verkürzten Bilanz und eines verkürzten Anhanges seien die Geschäftsführer ihrer Offenlegungspflicht in Ansehung des Jahresabschlusses zum 31. 12. 1997 im gesetzlichen Umfang nicht nachgekommen, bestehe doch der Jahresabschluss aus der (vollständigen) Bilanz der Gewinn- und Verlustrechnung um den Anhang zum Jahresabschluss. Unter Berücksichtigung des zögerlichen und verzögernden Vorgehens der Rekurswerber könne in der Verhängung der Zwangsstrafe in der angedrohten Höhe eine unrichtige Beurteilung nicht erkannt werden. Ebensowenig wie die Rekurswerber legitimiert seien, die Vorlage von Vorabentscheidungsfragen an den EuGH zu beantragen, bestehe eine Legitimation, die Aussetzung eines Verfahrens zu begehren, in dem das Gericht keine Vorabentscheidung eingeholt habe. Sei eine Partei aber nicht legitimiert, die Aussetzung ihres Verfahrens bis zum Abschluss eines in einer anderen Rechtssache eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahrens zu verlangen, stelle sich die Frage der Verfassungskonformität des § 90a GOG nicht.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die Frage, ob eine Partei die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des vom selben Gericht in einem anderen Verfahren angerufenen EuGH begehren könne, in der Rechtsprechung nicht eindeutig behandelt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Geschäftsführer ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Als Rechtsfragen erheblicher Bedeutung machen die Revisionsrekurswerber geltend

1. ob ein in einem anhängigen Zwangsstrafenverfahren an den EuGH gestelltes Vorabentscheidungsersuchen die Aussetzung anderer beim anfragenden Gericht anhängiger Verfahren erforderlich mache und

2. ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dann verletzt werde, wenn die Zwangsstrafe trotz teilweiser Erfüllung der Offenlegungspflicht in der vollen angedrohten Höhe verhängt werde.

Zu 1.: Die Rechtsmittelwerber streben die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über das in einem anderen Verfahren vor demselben Gericht gestellten Vorabentscheidungsersuchen an. Sie leiten aus der in § 90a GOG normierten Beschränkung der Unterbrechung auf das Anlassverfahren eine Verfassungswidrigkeit ab und meinen, die Unterbrechungspflicht in derartigen Fällen ergebe sich durch extensive "verfassungskonforme" Auslegung des § 90a GOG.

Dem ist nicht zu folgen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach mit umfangreicher Begründung eine Bindungswirkung des vom Landesgericht Wels an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchens für andere Zwangsstrafenverfahren verneint. Eine derartige weitgehende Präjudiz- und Bindungswirkung, die alle übrigen Gerichte an die Rechtsansicht des anfragenden Gerichts dahin binde, selbst eine Anfrage an den EuGH zu richten, jedenfalls aber keine meritorische Entscheidung zu treffen und das Verfahren auszusetzen, ergebe sich weder aus dem Gemeinschaftsrecht, noch der Rechtsprechung des EuGH, noch aus nationalem österreichischen Recht, könne auch mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht gerechtfertigt werden und komme erst der Entscheidung des EuGH selbst zu (6 Ob 305/00x; 6 Ob 306/00v = RdW 2001/372).

An dieser Rechtsansicht ist festzuhalten. Dem Umstand, ob das - nach Meinung der Rechtsmittelwerber aus Bindungserwägungen auszusetzende - Zwangsstrafenverfahren vor demselben Gericht geführt wird, wie das Verfahren, in dem das Vorabentscheidungsersuchen gestellt wurde, oder vor einem anderen Gericht, kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Die Anordnung des § 90a GOG, wonach das "anfragende Gericht" bis zum Einlangen der Vorabentscheidung nur solche Handlungen, Entscheidungen oder Verfügungen treffe dürfe, die durch die Vorabentscheidung nicht beeinflusst werden könnten oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten, stellt ohne jeden Zweifel auf das Anlassverfahren ab (vgl 6 Ob 287/01f; 6 Ob 203/01y) und hindert nicht Entscheidungen und Verfügungen in anderen gleichgelagerten Verfahren, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Verfahren beim anfragenden Gericht oder bei einem anderen anhängig ist. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes ist schon aus den in 6 Ob 306/00v dargelegten Gründen nicht zu erkennen; der Anregung auf Anfechtung des § 90a GOG beim Verfassungsgerichtshof wird daher nicht nähergetreten.

Der Oberste Gerichtshof hat im Übrigen bereits in einer Reihe von Entscheidungen die österreichischen handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen als verfassungskonform und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend beurteilt und in der Umsetzung der Publizitätsrichtlinie und der Bilanzrichtlinie unter Zugrundelegung mehrerer Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (vor allem der Entscheidung vom 4. 12. 1997 Slg 1997 I-6843 - Daihatsu) keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt (RIS-Justiz RS0113282; 6 Ob 200/01g uva). Der Revisionsrekurs vermag keine Umstände darzutun, die eine Änderung dieser Rechtsprechung rechtfertigen könnten. Die Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens wird daher nicht aufgegriffen.

Im Übrigen erachtet sich der EuGH zur Behandlung eines Vorabentscheidungsersuchens eines das Handelsregister (Firmenbuch) führenden (Erst-)Gerichtes für unzuständig, weil es am Rechtsprechungscharakter seiner Tätigkeit fehle (EuGH 10. 7. 2001 - Rs C-86/00 [HSB-Wohnbau-GmbH] = NJW 2001, 3179). Dieser Auffassung folgte auch der Generalanwalt in seinem Schlussantrag in dem beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahren des Landesgerichtes Wels.

Zu 2.: Die Revisionsrekurswerber vertreten die Auffassung, die ihnen angedrohte Zwangsstrafe (je 20.000 S) hätte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht in voller Höhe verhängt werden dürfen, weil sie ihrer Offenlegungspflicht zumindest teilweise nachgekommen seien.

Dem ist nicht zu folgen. Im vorliegenden Fall ist die Offenlegung einer großen Kapitalgesellschaft gefordert. Die Offenlegung der Gesellschaft hat diesen Anforderungen nicht entsprochen. Sinn und Zweck des Zwangsstrafenverfahrens ist es, die Kapitalgesellschaft durch stufenweises Vorgehen zur Offenlegung zu veranlassen. Bleibt die Gesellschaft trotz Aufforderung (und Androhung einer Zwangsstrafe) säumig, hat das Firmenbuchgericht eine Strafe innerhalb des gesetzlichen Rahmens so zu bemessen, dass einerseits die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer (Vorstandsmitglieder) nicht über Gebühr belastet werden, die Zwangsstrafe aber andererseits doch so hoch bemessen wird, dass die Erzwingung der Offenlegung wahrscheinlich erscheint (6 Ob 200/01g).

Das Erstgericht hat zunächst vergeblich zur Offenlegung aufgefordert und - nachdem die Geschäftsführer der Aufforderung nicht Folge geleistet hatten - die angedrohte Zwangsstrafe von je 10.000 S verhängt und die Geschäftsführer unter Androhung ihrer Verdoppelung neuerlich zur Offenlegung aufgefordert. Nachdem die Geschäftsführer alle ihnen rechtlich zur Verfügung stehenden Mittel (vergeblich) ausgeschöpft hatten, um den Beschluss über die Verhängung der Zwangsstrafe zu beseitigen oder zumindest eine Unterbrechung des Zwangsstrafenverfahrens zu erreichen, kamen sie ihrer Offenlegungspflicht teilweise nach und legten eine verkürzte - und damit unvollständige - Bilanz und einen verkürzten Anhang vor. Damit erfüllten sie aber die für große Kapitalgesellschaften erforderliche Offenlegung ganz bewusst nicht. Angesichts ihrer beharrlichen Weigerung, die Offenlegung in der der Größe ihrer Kapitalgesellschaft entsprechenden Weise vorzunehmen, ist die im vorliegenden Fall verhängte Zwangsstrafe von je 20.000 S keineswegs unverhältnismäßig. Es erscheint vielmehr angezeigt, trotz teilweiser Offenlegung, mit einer Verdoppelung der zunächst verhängten Zwangsstrafe von je S 10.000 vorzugehen, damit jener Druck erzeugt werden kann, der nach dem Willen des Gesetzgebers erforderlich ist, um die Revisionsrekurswerber zur vollständigen Erfüllung ihrer Pflicht zu veranlassen. Von einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann daher im vorliegenden Fall keine Rede sein.

Dem unberechtigten Revisionsrekurs wird aus den angeführten Gründen nicht Folge gegeben.

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